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Da ging auf ihrem Handy eine Message ein. Wieder von einer Luna. Dieser Julia, von der Gideon gesprochen hatte. Auch ein gebissenes Mädchen.
Möchtest du telen? Nicken reicht, ich sehe dich durch deine Handykamera und ich denke du brauchst mal ganz dringend jemanden der zuhört und dabei 100% versteht, wie du dich gerade fühlst...
Rena atmete tief durch und runzelte die Stirn.
Wurde sie tatsächlich gerade beobachtet? Durch ihr Handy???
War also diese Julia eine Hackerin, oder was?
Da sie sowieso gerade nichts besseres zu tun hatte, nickte sie also und gleich darauf klingelte das Telefon.
WhatsApp...
Sie nahm das Gedpräch an das ein Video-call war und erblickte gleich darauf ein wirklich hübsches blondes Mädchen mit langen Haaren, die ebenfalls in einem Zimmer aber auf einem anderen Bett saß und ihr besorgt zuwinkte.
„Hi, ich bin Julia, du kannst mich aber auch Jules nennen, wenn du willst.
Ich bin die bayerische Luna, und glaub mir, wenn ich dir sage, dass das hier alles andere als einfach für mich war. Ich bin genauso wie du in diese Situation hinein gefallen, kopfüber, und ohne zu wissen wo es überhaupt hinging.
Also verstehe ich wahrscheinlich auch genau, was gerade in dir vorgehen muss, nun, da sie dich so überwältigt haben, die Luna des nun wohl bei weitem größten Rudels in ganz Deutschland zu sein.", sagte das hübsche Mädchen ein bisschen schüchtern und errötet dabei auch noch ein wenig.
Das machte sie Rena nun doch schon ein bisschen sympathisch, also ging sie nun ebenfalls zurück zum Bett, setzte sich und lehnte das Handy gegen eines der Kopfkissen, bis sie sich selbst gut darin sehen konnte.
„Ich bin Rena ... und ich habe tatsächlich gerade überhaupt keinen Plan mehr, wer hier Freund oder Feind ist.
Was bist du? Gebissen oder geboren? Was ist dein Rudel? Willst du mich jetzt auch nur dazu manipulieren, damit dieses Rudel sich für die anderen öffnet und sie oder ich dich besuchen kommen?
Ich denke, hier bei uns hat jeder einen Grund dafür, nun lieber nichts mehr mit den anderen Rudeln zu tun haben zu wollen.", sagte sie zurückhaltend, aber nun auch ein wenig trotzig.
Julia nickte indes nur zustimmend und seufzte leise auf. „Ja, das weiß ich. Die Geborenen benehmen sich den Gebissenen gegenüber manchmal echt wie Pitbulls. Sogar wie echt scharf abgerichtete Pitbulls.
Ich hab schon oft zu Nathaniel gesagt, dass es besser wäre, wenn die Geborenen endlich alle gleich behandeln würden. Und auch die menschen Familien in das Rudel mit einbeziehen.
Es ist schon vieles besser geworden, als es vorher war, aber eben noch nicht gut. Deswegen bin ich auch so froh, dass es noch euer Ausweichrudel gibt, auch wenn ihr da gerade ja ganz schön am rudern seit.
Die kranken und die traumatisierten wollen doch sicher die ganze Zeit einfach nur türmen, oder? Ich zum Beispiel wollte das tun. Ich hab am Anfang die ganze Zeit nur versucht zu flüchten.", gab sie seufzend zu. „Aber da wusste ich ja auch noch nicht, dass ich bereits an diesem blöden Wolfsfieber leide und auch schon einen Mate habe."
„Ja, mir hat im Taunus auch niemand gesagt wer ich jetzt sein soll und wer ich bin. Ich glaube, die haben mich nur reingelegt und lange da behalten, um mich nun manipulieren zu können.
Sie fangen ja schon damit an, dass sie sagen, ich soll zu ihrem Mate-Ball kommen, weil meine Freunde mich vermissen und ich soll Gideon und Singles mitbringen.
Aber ich habe doch letztes Jahr schon mitbekommen, dass sie im Krankenhaus darüber geredet haben, dass die Nordrudel-Wölfe das auf keinen Fall jemals mitmachen.
Und hier haben sie auch nur alle immer wieder gesagt, dass es den anderen Rudeln nur darum geht, erzwungene Mate zu finden, also Menschen reinzulegen, die eigentlich gar nicht wirklich ihre Mate sind.
Und da kommt dann einfach irgendein Wolf und behauptet es zu sein, und nimmt dann das Mädchen mit in sein Rudel. Und sie hat nichts dazu zu sagen", meinte Rena leise.
Julia seufzte leise auf.
„Inzwischen schon. Wenn man nicht möchte, muss man nicht mitgehen. Egal ob man nun eine echte Mate ist oder nicht.
Man kann seinen Gefährten auch abweisen. Allerdings wird es dann mitunter ziemlich schmerzhaft für beide.
War bei dir doch neulich auch so, oder? Du willst Gideon doch auch nicht als Mate haben, weil er gemein zu dir war."
Rena atmete einmal ganz langsam und tief durch.
Dann aber runzelte sie die Stirn und wiegte nachdenklich den Kopf hin und her.
„Ich bin mir ehrlich gesagt, noch nicht so ganz sicher, mit alldem hier. Eigentlich wollte ich nur endlich an einen Ort gelangen, wo ich bleiben kann und vielleicht Frieden finde.
Nun hier ist das ganz sicher nicht.
Die Wölfe gehen sich gerade alle gegenseitig an den Kragen, weil die einen sich nur nach menschlichen Dingen richten wollen und die anderen aber sehr darunter leiden, wenn sie sich nur nach menschlichen Dingen richten müssen.
Irgendwie herrscht hier gerade das totale Chaos und kein Frieden.
Aber ich vertraue auf die Weisheit der Götter. Und ich habe herausgefunden, dass es da auch eine Göttin für die Werwölfe gibt. Weißt du? - Ich bin eine Hindu. Wir haben viele Götter, da kommt es also auf eine mehr oder weniger nicht an. Ich habe mich gerade sogar schon gefragt, wie die Werwolfrituale zur Anbetung wohl funktionieren. Ob es vielleicht dieselben sind wie bei unseren Göttinnen und Göttern...
Also Opferzeremonien, oder Feiern, ... Anbetung eines Abbildes...", sinnierte sie leise vor sich hin, und das blonde Mädchen begann auf einmal zu lächeln.
„Immerhin bist du offen für diese neue Religion. Das ist kaum je ein Mensch, der gebissen wurde. Sie alle haben ihre eigenen Götter, oder ihren eigenen Gott. Und zu dem beten sie auch weiterhin. Allein die Vorstellung davon, das es tatsächlich eine Werwolf-Göttin geben könnte, die das alles hier für uns Zwangsentschieden hat, ist auch für mich schwer nachvollziehbar. Warum sollte sich irgendjemand diese Mühe machen?
Und wie bitte sollte jemand etwas so gewaltiges, was uns allen passiert ist, planen können?", fragte Julia sie nun ebenfalls nachdenklich.
Rena wiegte erneut den Kopf hin und her.
„Ich glaube ja nicht, dass die Menschen hier in Deutschland so Weltoffen sind, wie sie immer behaupten. Sonst würden sie nicht immer gleich alles ablehnen, was ihnen fremd erscheint. Der Hinduismus lehrt, dass es viele Wege gibt, ein Ziel zu erreichen.
Und es gibt viele Götter, die für uns zuständig sind. Die einen kümmern sich um das Glück die anderen kümmern sich um Bestrafung. Die einen kümmern sich um das Leben und die anderen um den Tod. Dann kümmert sich wiederum ein Gott und die Pflanzen und dann weitere um die Tiere aber bei den Tieren gibt es verschiedene Götter und es gibt heilige Tiere. Für die Werwolfgöttin ist wohl jeder Werwolf heilig.
Und sie muss sicher ganz genau darüber nachgedacht haben, wen sie da an ihre Alpha vergibt.
Es können nicht einfach nur irgendwelche Menschen sein. Sie müssen passen. Denn schließlich geht es ihr doch sicher in erster Linie darum, ihre Rudel zu beschützen. Und damit alle, die sich in ihr oder zumindest in ihrer Art wiedererkennen sollen.
Vielleicht hat sie uns Gefährtinnen der Alpha ja deshalb nach sich selbst genannt. Also Luna.
Deshalb dürfte Alpha Luna Mia auch immer als erste essen, als erste trinken, wird von allen verehrt, wird von allen gefragt und gerufen, alle schauen zu ihr auf.
Und in diesem Rudel hier schauen sie jetzt wohl alle erst mal auf mich. Auch wenn ich eigentlich niemanden je anführen oder leiten wollte. Die Werwolf-Göttin wollte, dass ich nun so jemand bin. Und sie wollte wohl auch, dass du so jemand wirst, also bestimmte sie auch dich zur Luna.", sinnierte Rena weiter und Julia zog ihre Brauen hoch.
„Du bist eine richtige Philosophin, weißt du das, Rena?", meinte sie schließlich anerkennend.
Rena schüttelte nur leicht den Kopf.
„Eigentlich nicht. Ich bin nur ein Mädchen, dass von einem garstigen geborenen Schwarzwald-Wolf gebissen wurde und sich aber erst zu Hause in Stuttgart, knapp außerhalb des Territoriums, verwandelte und danach lange Zeit in einer Forschungseinrichtung in Bonn eingeschlossen war, bevor ich nach München verlegt wurde, um zu sterben. Doch die Werwolf-Göttin hielt schützend ihre Hand über mich.
Anders ist mein langes Überleben dort nicht zu erklären.
Sie haben mir schließlich in den Kopf geschossen und mir die Kehle durchgeschnitten aber ich bin nicht gestorben. Sie haben mir auch direkt ins Herz geschossen, mich sogar regelrecht durchsiebt und ich habe es trotzdem überlebt. Zuletzt haben mich monatelang mit hohen Dosen von TXT vergiftet, die Tierärzte nehmen, um Tiere zu töten... und ich bin immer noch nicht gestorben. - Bis Gideon gekommen ist und mich in den Taunus brachte.
Oh, ich denke ja heute, dass er damit einen Fehler gemacht hat. Er hätte mich nicht da lassen dürfen, wenn doch die Göttin etwas ganz anderes entschieden hat.
Oh, und jetzt kommen sie auf einmal auch wieder alle an mit diesem Wolfsfieber... Sie sagen, wie gefährlich die innere Kälte für mich ist... Aber so geht es mir doch ebenfalls schon seit fast zwölf Monaten. Zittern, Kälte, immer wieder erstarren und fast schon bewegungsunfähig sein.
Also hat die Göttin auch da schon über mich gewacht. Weil ich ein gebissener Mensch bin und keine geborene Werwölfin.
Sie beschützt uns auf unserem Weg, denn
weder Gideon noch ich wissen, wie es ist, ein echter Werwolf zu sein. Keiner hat uns das je gezeigt und selbst wenn sie es hätten, könnten wir nicht so sein wie sie.
Aber Gideon gibt hier trotzdem immer noch jeden Tag sein Bestes und beschützt die Menschen, sogar auch noch vor sich selbst.
Und ich glaube ja, das er auch nur deshalb ebenso von der Göttin beschützt wurde und es noch wird. Er hatte mich gefunden. Er wusste dass ich für ihn bestimmt bin und ich... wusste es auch. Oder zumindest Saaha.
Er muss ein unglaublich gutes Karma haben, weil er so viel gutes denkt und tut, selbst dann, wenn er über sein eigenes Schicksal verzweifelt und wütend ist.
In einer Mail hat Alpha-Luna Mia mir heute geschrieben, dass ich bei Gideon sein muss, da er sonst stirbt, wenn ich sterbe.
Ich glaube, das war also schon von Anfang an so unser Schicksal. Uns zu finden und dann mit unserem Leben zu unterstützen.
Und wenn man all das nun noch mal zusammengenommen überdenkt, aber immer noch kein Beweis für die Einmischung einer Göttin darin sieht, dann weiß ich es auch nicht mehr, was man sonst noch tun kann um zu zeigen das sie wirklich existiert.", berichtete sie dem Mädchen das nun vollkommen geschockt und fassungslos aussah.
Doch ihre Miene war tatsächlich nichts gegen Gideons Ausdruck, der gerade von ihr völlig unbemerkt zur Tür hereingekommen war, ihre Worte scheinbar auch noch alle gehört hatte und nun laut und deutlich Keuchte ...
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