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Rena stand rasch auf und lief zum Schrank, doch da lagen nur ganz wenige der von ihr gewohnten und auch normalen Kleidungsstücke drin.
Dafür hingen da tatsächlich drei echte indische Saris und mehrere Haremshosen, lockere Oberteile, die den Bauch frei ließen und ... - bitte??? Ein offen stehender Schmuckkasten mit echtem Goldschmuck???
Große Ohrringe, Nasenringe, was auch immer...
War das hier vielleicht ein Bollywoodfilm oder wollte Gideon etwa, dass sie sowas trug?

Kopfschüttelnd atmete sie tief durch um sich wieder abzuregen, auch wenn ihr das ganze hier gerade mal wieder viel zu migrations-indisch vorkam. Da hatte sich irgendwer tatsächlich gedacht, dass sie wahrscheinlich direkt aus Indien hierhergekommen war, oder?
Sowas von rassistisch.
Aber eigentlich war sie das ja noch von früher her gewohnt. Da hatten die Lehrer auch immer so komisch geguckt, weil sie perfekt Deutsch sprechen konnte, sogar ohne Akzent. Die verstanden einfach nicht, dass sie hier in Deutschland geboren worden war und auch nur ganz selten auf Besuch nach Indien gefahren waren, zu ihrer Großmutter Naina.
Hach... zwecklos sich aufzuregen.

Sie kramte die wenigen Sachen nach vorne, die sie aus dem Taunus mitgebracht hatte und zog sich rasch an.
Keine Minute zu früh, denn Gideon klopfte schon wieder an die Tür.
„Rena? Ist alles in Ordnung?", fragte er durch die geschlossene Tür, und sie rief rasch nach draußen „Jaja, alles okay! Ich komme gleich!"
„Okay... Dann komm runter in die Küche, Ja? Ich muss wohl erst was kochen. - Und vorher noch rasch den Abwasch machen. Die Erwachsenen haben einfach alles liegen und stehen lassen.", rief er zurück.
„Okay... ich beeile mich... suche nur noch meine Schuhe...!", rief sie wieder nach draußen, als auf einmal der Link wieder über sie hereinbrach und durch seine schiere Intensität runter auf die Knie schickte.

...Verantwortungslos, wie er auf einmal mit diesem Bann umgeht und die Erwachsenen herumkommandiert, sogar Ria, die doch immer noch ein reiner Mensch ist..., sprach diese Siglinde hitzig in den Link.
Was soll er denn bitte sonst noch tun? Euch weiter gewähren lassen, so wie bisher? Das war das reinste Chaos, Siglinde!, sagte ein männlicher Wolf genervt in den Link
Also ich bin dafür den Bann tatsächlich in der Nacht so zu lassen und auch die Grenzen auf diese Weise zu sichern, sagte doc Helena energisch.
Ernsthaft, Leute. Ich auch!, sprach eine weitere unbekannte Frau. Ihr habt keine Vorstellungen wie ruhig die auf einmal seien können, wenn sie niemanden angreifen können oder flüchten wollen. Sie haben sich hingesetzt und zum ersten Mal überhaupt mit uns gesprochen!
Für die Integration ist es Gift den freien Willen geraubt zu bekommen, Hannah! Das sieht man auch schon an dem indischen Mädchen dass nun ebenfalls an seine Seite gezwungen wurde, obwohl sie Angst vor ihm hat.
Sie kennt sich vermutlich noch nicht einmal in Deutschland aus, unsere Sprache, unsere Kultur... und wird nun aber von Gideon, der sie einfach so gebissen hat gezwungen hier seine Luna zu spielen. - Ist das Fair?

Rena hielt sich kurz den Kopf doch schließlich kam Wut in ihr auf und kochte beinahe über
„Soll ich mal sagen was hier unfair ist?", sprach sie aufgebracht in den Link und alle Wölfe darinnen hielten geschockt die Luft an.
Es ist nicht fair in diesem Rudel nur auf sein Aussehen runter reduziert zu werden. Es ist auch nicht fair, dass ich behandelt werde, als wäre ich keine deutsche und gerade erst aus Indien hierher importiert worden oder so.
Denn es ist auch ganz sicher nicht fair, dass in meinem Schrank im tiefsten Winter nur irgendwelche bauchfreien Haremsklamotten hängen, die vielleicht gerade noch für die Konkubinen des Sultans von Aserbaidschan sinnvoll wären, falls es dort überhaupt ein Sultan gibt. Und es ist echt unfair, dass man über mich spricht, und mich dabei gar nicht kennt! Genauso wie ich denke, dass ihr euren Alpha gar nicht kennt und nur darum wahrscheinlich auch nicht unterstützt.
Aber Fakt ist, dass mir von den anderen Werwölfen der anderen Rudel mitgeteilt wurde, dass in dem Moment, in dem ich die ganze Scheiße hier ablehne und gehe, dieses Territorium den Bach runtergeht. Und ihr alle mit ihm! Dann müsst ihr zurück in die Rudel in denen ihr vormals wart.

Und was nun?
- Ist das vielleicht fair?

Ich werde hier mit dem Leben von knapp 2000 gebissenen Menschen erpresst, damit ich hierbleibe.
Und Währenddessen tun einige Wölfe hier alles dafür, um es mir möglichst schwer zu machen, genauso wie Gideon, der letzte Nacht wohl zum ersten Mal seit einem Jahr durchgeschlafen hat.
- Aber interessiert das hier vielleicht mal einen der sogenannt Erwachsenen? Interessiert das vielleicht auch die nicht-gebissenen Menschen?

- Ich befürchte nicht.

Also habe ich mich nun nach meinem beinahe Tod gestern, also nach meinem ungeschickten Sturz und Fall aus dem Fenster, dazu entschlossen, den Alpha jetzt erst mal doch zu unterstützen.
Denn es gibt wohl auch nur eine Handvoll Wölfe die das so tun und damit den ganzen Betrieb hier am Laufen halten.
Also können mich jetzt ab sofort alle erwachsenen gebissenen Menschen mal am Arsch lecken!
Redet nicht über mich, so als würdet ihr mich kennen und verstehen!
Das tut ihr nicht!
Ihr habt keine Ahnung, wer ich bin oder dass ich hier in Deutschland geboren wurde und auch aufgewachsen bin. Dass ich tatsächlich der deutschen Sprache sehr gut mächtig bin, und sogar ziemlich klug war, bevor ich gebissen und in Bonn im Center eingesperrt wurde.
Ihr hattet alle zumindest noch die Freiheit, irgendwo herum zu laufen und etwas zu tun. Ich war dagegen drei Jahre lang erst in einem Glaskasten eingesperrt ... und sie haben mir da jeden Monat Hektoliter-Weise Blut abgezapft, um damit Experimente zu machen, um das Werwolf-Virus, dass uns alle nur durch einen Biss dieser Bestien befallen hat, vielleicht doch noch heilen zu können, bevor sie mich zum töten nach München brachten und war gleich nach meiner Rettung noch ein weiteres Jahr in einem Werwolf-Krankenhaus eingesperrt, wo ich von vorne bis hinten nur belogen und manipuliert wurde!

Aber Jetzt bin ich hier.

Und ich habe nun verdammt noch mal die Nase voll! Wenn hier noch irgend jemand in meinen Namen sprechen möchte, verbiete ich es hiermit! - Ist das klar???
Denn nur ICH spreche jetzt noch in meinen Namen. - Ausschließlich ich!
Und wie gesagt, ich unterstütze Alpha Gideon.
Wenn er den Bann für nötig hält, dann hat er einen guten Grund dafür und wenn das irgendwem nicht passt, kann er oder sie ja gerne zurück zu den anderen Rudeln gehen. Wenn es ihnen dort so viel besser ging...
Anders als ich seid ihr schließlich nicht dazu verpflichtet für immer hier zu bleiben. Ihr habt immerhin noch eine Wahl. Und das gilt insbesondere auch für nicht gebissene Menschen!
Sie zögerte kurz.
Und nun wäre ich echt dankbar, wenn mir irgend jemand mal erklärt, wie ich aus diesem Link wieder rauskomme. Da bin ich nämlich erst zum zweiten Mal drin und es fühlt sich - echt seltsam creepy an...", sagte Rena nun doch etwas angestrengt.

Da berührte sie Gideon, der scheinbar schon wieder seit einiger Zeit unbemerkt hinter ihr stand an der Schulter und sah sie nun fast schon bewundernd an.

Stell dir eine Mauer vor, Rena! Eine Wand in deinem Inneren, die so undurchdringlich ist, dass es dahinter ganz still und leise ist. Du musst sie fühlen und wollen, dass sie da ist...", sagte er eindringlich zu ihr und sie versuchte es, stellte es sich vor... hm... mit dem Bann den er gerade über sie wirkte, war das sogar recht einfach und prompt war sie auf dem Link wieder raus.

Ein Glück!

Erleichtert atmete sie durch und lächelte dann verlegen zu ihm auf, derweil er ihr kurz zunickte und dann an den Schrank trat, um ihre Seite zu öffnen. Kurz starrte er Stirnrunzelnd auf die Klamotten, bevor er sich schließlich leise räusperte und sie schief grinsend ansah.
„Wenn du willst, können wir nach dem Frühstücken shoppen gehen. Es gibt ein Einkaufcenter, nur 5 km von hier. Es befindet sich auch noch hier im Territorium, da kannst du dich dann neu einkleiden.", bot er ihr an. Doch sie schüttelte nur kurz seufzend den Kopf.
„Ist schon gut. Das was ich habe, reicht erst mal.
Und wie ich mitbekommen habe, gibt es hier jeden Tag doch sehr viel zu tun.", wehrte sie sein Angebot unangenehm berührt fühlend ab.

„Wenn du nichts dagegen hast, dann räume ich nachher lieber noch weiter Medikamente ein. Ich kenne das System. Mein Onkel hatte eine Apotheke., auch wenn er eigentlich ein Restaurant eröffnen, sollte. Doch das wollte er nicht. Immer wenn er dann Inventur gemacht hat, mussten wir ihm alle dabei helfen. In den Ferien hat meine Mutter mich dann auch noch zu ihm geschickt, um bei ihm auszuhelfen, wenn seine Mitarbeiter Urlaub hatten. Dann habe ich auch Medikamente eingeräumt und ganz nebenbei das Alphabet noch besser gelernt und ebenso wozu diese und jene Medikamente gut sind.", erklärte sie ihm leise.
Gideon lächelte nur wieder schief.
„Bist du dir sicher, dass du heute schon wieder anfangen möchtest, was zu machen? Gestern warst du noch gefährlich nah dran zu sterben. Und soweit ich nun von Doc Helena verordnet bekam, sollten wir gerade noch nicht allzu weit voneinander getrennt gehen, sondern im Gegenteil weiterhin sehr engen Kontakt halten.", meinte er ernsthaft.

Rena grinste nur kurz und schief.
„Ich habe noch nie so engen Kontakt mit einem Jungen gehabt. Meine Mutter wäre jetzt sicherlich entsetzt, - wenn ich noch ein Mensch und zu Hause wäre... Und mein Vater würde meinen Onkel und meine Cousins zusammen trommeln, um Jagd auf dich zu machen.", nickte sie resignierend und bemerkte dann erst sein kleines Grinsen.

Ja... okay, war sicherlich komisch. Ein paar normale Menschen die Jagd auf einen Alpha-Werwolf machen würden ... wie lächerlich das doch war.

„Nein, das finde ich tatsächlich nicht. Es ist sogar erfrischend normal. Ein ganz normaler menschlicher Gedanke.", schüttelte er lediglich den Kopf und hielt ihr dann aber mit einem leichten Brauen heben seine Hand hin.
„Deine Lippen sind schon wieder etwas bläulich und du bist blass. Das macht gerade sicher die Aufregung. Auch das hat Doc Helena so angemahnt. Stress ist im Moment Gift für dich ... also ... Körperkontakt?", fragte er sie höflich.

Oh ja, gar nicht mehr so finster, wie zuvor.
Er schnaubte kurz und nun ebenfalls resignierend aus.
„Sieh es mal so. Auch mir bleibt letztlich keine Wahl als diesen Werwolf-Wahnsinn mit uns beiden so zu akzeptieren. Und glaube mir, es wäre mir sehr viel lieber, ich müsste dich nicht dazu zwingen, für immer hier zu bleiben, wenn du es eigentlich gar nicht willst", sagte er nun derart ernsthaft zu ihr das Rena nur wieder die Stirn runzeln konnte.
Denn Ja... sie bemerkte es jetzt erst... sie hatte diesem Rudel von vornherein noch nicht einmal eine Chance gegeben... und auch Gideon hatte wohl nichts anderes als nur das genau so von ihr erwartet.
Ja... Arme Welt.
Sie waren also alle beide gefangen in ihren Vorurteilen.

Seine Hand schloss sich um ihre Finger.
Seine warme Hand, um ihre kalten Finger.
Oh ja...
Auch wenn es ihm sicher immer noch gegen den Strich ging, er wusste im Moment wohl am besten, was sie, Rena, gerade brauchte.

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