Kapitel 4

Leise gähnte Eve in ihr Kissen. Diese Firstclass Sitze waren wirklich äußerst komfortabel und sie rochen auch noch wahnsinnig gut. Fest schmiegte sie ihren Körper hinein, bis ihr langsam klar wurde, dass die Liegefläche unter ihr viel härter war, als sie eigentlich sein sollte. Trotzdem war sie schrecklich kuschelig. Die Wirkung der Schlaftabletten hatte noch nicht vollständig nachgelassen und um sie herum war noch alles ziemlich verschwommen. „Guten Morgen, Evelyn", raunte ihr eine Stimme ins Ohr. „Morgen", murmelte sie, immer noch nicht ganz bei Bewusstsein. Ein tiefes Lachen bahnte sich den Weg zu ihren Ohren und hüllte sie in einen lauschigen Umhang. „Verschlafen gefällst du mir viel besser, Süße", nahm sie noch mehr Worte wahr. Dann wurde ihr sanft auf den Hinterkopf gedrückt und sie atmete tief ein. So wollte sie jeden Tag aufwachen.

Erst in diesem Moment wurde ihr klar, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Sie schlief nicht mehr, sie war wach und ihre Nase war gegen eine stahlharte Brust gedrückt. Hatte sie vielleicht alles nur geträumt? War sie vielleicht gar nicht für eine Hure verlassen worden? Langsam hob sie den Kopf und blickte geradewegs einen ebenfalls verschlafen aussehenden Mr. Fire Keene in die Augen. Entsetzt sah sie sich um. Was war hier los? Hatte er sie etwa entführt? Nein, sie saßen immer noch im Flugzeug. Na ja, um genau zu sein lagen sie im Flugzeug. Oh. Mein. Gott. Sie lag auf Mr. Arrogant. Schnell durchforstete sie ihr Gehirn nach Möglichkeiten wie das passiert sein könnte. Doch es gab keine glaubhafte Erklärung dafür. Moment. Wahrscheinlich war sie noch gar nicht wach. Ja, das musste es sein! Sie schlief noch. Und falls nicht, ließen sie diese Schlaftabletten möglicherweise phantasieren. Egal ob sie träumte oder eben phantasierte, da es nicht echt sein konnte, schob sie ihre Sorgen einfach beiseite und drückte ihren Kopf in seine Halsbeuge. Als Antwort darauf schob er seine Hand unter ihr T-Shirt auf ihren Bauch. Das fühlte sich viel zu real an. Gleichzeitig genoss sie es auch zu sehr. Aber es musste ein Traum sein. „Hmm", wisperte sie gegen seinen Hals. Er lachte heiser: „Magst du mich etwa doch, Evelyn?" Sie schüttelte den Kopf. Selbst während sie träumte wollte sie diesen selbstgefälligen Kerl nicht mögen. Dann schloss sie die Augen abermals.

Als sie zum nächsten Mal aufwachte, fand sie sich in der beschissensten Situation vor, die sie sich vorstellen konnte. Die Wirkung der Schlaftabletten hatte vollständig nachgelassen, denn sie war mit einem lauten Knall zurück in der Realität angekommen. Einem Knall, den sie selbst verursacht hatte, indem sie Fire fest ins Gesicht schlug. Das war weder ein Traum noch eine medikamentös hervorgerufene Halluzination gewesen. Sie lag tatsächlich bäuchlings auf Mr. Arrogant. Die Decke hatte er bis zu ihrem Hals hochgezogen und seine Finger ruhten unter ihrem Hosenbund auf ihrem Po-Ansatz. Was war hier nur los? Sie setzte an ihn anzuschreien, doch Fire drückte ihr die Hand gegen den Mund. „Nicht so laut, Evelyn. Hier schlafen eine Menge Leute und du möchtest doch nicht, dass es wegen uns wirklich noch zu einer Notlandung kommt." Forschend blickte er ihr in die Augen und ließ dann langsam ihr Gesicht los.

„Was verdammt geht hier vor?", fluchte sie flüsternd. „Warum liege ich auf dir? Ich will sofort eine Erklärung oder ich schreie so laut, dass selbst die Passagiere in der Economyclass noch aufwachen werden." In dieser Situation kam es ihr wohl ebenso wenig seltsam vor, wie ihm, dass sie sich plötzlich duzten.

„Es ist alles halb so schlimm. Ganz ruhig, Evelyn." Sie atmete einmal tief durch und nickte dann energisch. „Wie du sicher weißt, ist das eigentlich mein Sitzplatz, auf dem du da liegst." Sie schnaubte laut, was ihn dazu veranlasste sie noch ein wenig aufzuziehen. „Na ja, um ehrlich zu sein, ist es wohl eher mein Luxuskörper, den du unter dir hast. Du kannst dich glücklich schätzen, Baby, den bekommen nicht viele Frauen zu spüren."

„Arschloch", fauchte sie. Eigentlich wollte sie ihn mit seinen Namen ansprechen und beschimpfen, aber sie würde ihn nur über ihre Leiche Fire nennen. Fire was für ein bescheuerter Name. Hoffentlich stand der nicht wirklich in seiner Geburtsurkunde.

„Okay, ich bin wohl etwas abgewichen, weil ich mich nicht konzentrieren kann, während dein Oberschenkel zwischen meinen Beinen liegt." Entsetzt bewegte sie ihr Bein, aber er hielt sie sofort fest und drückte ihren Körper gegen ihn. „Ich habe nicht gesagt, dass mir das nicht gefällt", raunte er. Zu überrumpelt um sich zu wehren, ließ sie ihr Bein wo es war. Wieder fluchte sie, bemühte sich aber nicht zu laut zu werden. „Sag. Jetzt. Endlich. Was. Hier. Los. Ist!", presste sie zwischen den Zähnen hervor.

„Das Inseat-Entertainment auf meinem Platz hat den Geist aufgegeben. Das ist ein zehn Stunden Flug, Evelyn. Den würde ich niemals überleben, ohne ein paar Filme gucken zu können. Da du auf meinem rechtmäßigen Platz sitzt, habe ich beschlossen, dass ich bei dir fernsehen könnte."

„Was?", fragte sie schrill und sofort legte Fire seine Hand wieder über ihren Mund. „Was?", wiederholte sie flüsternd. „Das kann doch nicht dein Ernst sein? Du kannst dich doch nicht einfach, während ich schlafe, an mich ranmachen!"

Er lachte leise: „Du bist zusammengekauert in der einen Ecke deines Sitzplatzes gelegen, da war genug Platz für mich. Du kannst mir glauben, ich habe mich ganz züchtig neben dich gesetzt. Jedoch hat es nicht lange gedauert, bis du dich an mich gekuschelt hast." „Nein", bestritt sie seine Aussage sofort, obwohl sich seine Ausrede nicht vollkommen abwegig anhörte. „Doch! Und nicht nur das, du hast auch noch leise meinen Namen gewispert." Er grinste selbstgefällig, aber jetzt war sie sich sicher, dass dies nicht passiert war. Sie konnte sich wohl fünf Schlaftabletten reinhauen und würde ihn bestimmt immer noch nicht Fire nennen. „Natürlich hast du nicht meinen richtigen Namen benutzt, aber ich fühlte mich auch mit Mr. Arrogant angesprochen." Scheiße, da hatte sie einen glasklaren Beweis dafür, es war wirklich so geschehen. Sie hatte sich in ihrem Schlaftablettenrausch an Keene geschmiegt. Sofort spürte sie wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Immer noch verharrte sie auf dem Mann, der offensichtlich ihr Untergang sein würde, wenn er so weiter machte. Trotzdem traute sie sich jetzt nicht mehr sich zu bewegen. Eve befürchtete, dass es sich viel zu gut anfühlen würde, wenn sein Körper über ihren streifen würde. Natürlich ruhte das daher, dass sie schon zu lange keinem Mann mehr so nahe gekommen war. Den Gedanken, dass es auch daran liegen könnte, dass er ziemlich attraktiv, und dieses Spiel mehr als nur aufregend war, gewährte sie sich erst gar nicht. Um das Thema zu wechseln, fragte sie: „Wie lange fliegen wir noch?" Er lachte los: „Eine angebrachte Frage in dieser Situation. Ach komm schon Evelyn, das muss dir doch nicht peinlich sein. Wir sind zwei erwachsene Menschen und wir haben einfach nur geschlafen. Vollkommen bekleidet. Alles ganz easy." Sofort versuchte Eve sich einzureden, dass das stimmte. Tatsächlich war es doch so wie er gesagt hatte. Er hatte recht und wenn sie die Zeit am Bildschirm hinter ihr richtig erkannte, würden sie in weniger als drei Stunden aus dem Flugzeug steigen und sich danach nie wieder sehen. Warum sollte sie sich jetzt also schämen? Resignierend ließ sie den Kopf wieder auf seine Brust fallen. Es schien ihr beinahe wie ein Reflex, als er seine Finger in das Haar an ihrem Hinterkopf gleiten ließ. „Scheinbar bist du schon länger nicht mehr so eingeschlafen", raunte er. Sie wollte ihm die Genugtuung nicht geben, die er empfinden würde, wenn sie ihm zustimmte. Beinahe hätte sie ihn einfach angelogen und gesagt, dass sie ständig mit irgendwelchen Männern so einschlief, aber dann wurde ihr bewusst, dass das möglicherweise nur seine Art war, um zu fragen ob sie Single war.

„Ich kann mich gar nicht erinnern wann das letzte Mal war, dass ich in jemandes Arm eingeschlafen bin. Es ist wahrscheinlich schon über fünf Jahre her", antwortete sie wahrheitsgemäß. Klar, sie hatte David in dieser Zeit öfter gesehen, aber ab dem Zeitpunkt an dem Eve ihn eröffnet hatte, dass sie gerne ein Baby wollte, hatte er sie nicht mehr angefasst und das obwohl sie die meiste Zeit in Bukarest im selben Bett geschlafen hatten. All das schien ihr jetzt so wahnsinnig dämlich zu sein. Wie konnte sie sich nur jahrelang einreden, dass alles in Ordnung war, obwohl die Zeichen, die auf das genaue Gegenteil schließen ließen, so eindeutig waren? Er hatte diese Nutte gefickt und sich danach jeden Abend zu ihr ins Bett gelegt. Beinahe hätte sie laut geschnaubt. Wie dumm konnte man sein?

„Du bist seit fünf Jahren Single?", fragte Fire erstaunt und riss sie damit aus ihren Gedanken. „Wow, und ich dachte ich bin seit einer Ewigkeit alleine."

Energisch schüttelte sie den Kopf: „Nein, so ist es nicht." Sofort rutschte er ein Stück von ihr weg, schien dann aber zu begreifen, dass sie auch nicht das Gegenteil behauptet hatte. „Dieser Kerl muss ein Vollidiot sein, oder ist es etwa eine Frau?", fragte er und sie konnte beinahe sehen, wie sein Kopf arbeitete. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als würde sie ihm mit jedem weiteren Wort ihre Seele offenlegen, weshalb sie versuchte ein wenig Distanz zwischen sie beide zu bringen, indem sie ihren Körper von seinem heruntergleiten ließ. Neben Fire war tatsächlich noch genügend Platz um sich hinzulegen, wahrscheinlich hatte er also auch nicht gelogen, als er behauptet hatte, dass er eigentlich nicht vorhatte sie zu berühren.

„Ich besuche gerade diesen Kerl, mit dem ich verheiratet war, neben dem ich aber trotzdem nie so aufgewacht bin", sagte sie betont lässig. Sie wollte nicht, dass er auch noch merkte wie sehr ihr das Ganze immer noch zusetzte.

„Du bist geschieden?" Seine Stimme klang fast ein wenig zu fröhlich für eine solche Frage. „Etwa deswegen, weil er dich seit fünf Jahren nicht angefasst hat?" Sie schüttelte den Kopf. „Was hat der Vollidiot dann gemacht?", wollte er wissen.

„Darüber möchte ich nicht sprechen." Sie schloss die Augen und wechselte dann abrupt das Thema: „Was machst du in Miami?"

„Noch ein wenig Urlaub, bevor die Saison wieder losgeht. Falls man das wirklich Urlaub nennen kann."

„Saison?", fragte sie.

„Naja, um ehrlich zu sein, weiß ich noch gar nicht, ob ich überhaupt noch einen weiteren Vertrag unterzeichne, man sollte doch bekanntlich dann aufhören, wenn es am schönsten ist, oder etwa nicht?"

Vollkommen verdutzt blickte sie ihn an.

„Du weißt also tatsächlich nicht wer ich bin?" Fire lachte auf.

Eve wurde rot: „Mr. Keene, der einen seltsamen Vornamen trägt?"

Immer noch grinste er: „Mein Name ist Daniel Keene, jedoch ist mir Dan lieber, wenn du mich nicht Fire nennen möchtest."

„Okay", sie zog das Wort in die Länge. „Hi Dan, ich bin Eve."

Wieder lachte er.

„Ähm, würdest du mir bitte erklären, warum ich eigentlich wissen sollte wer du bist?", fragte sie peinlich berührt. Das war ihr äußerst unangenehm, denn offensichtlich war sie die einzige in diesem Flugzeug, die keinen Plan hatte, was hier vor sich ging.

„Du kommst doch ursprünglich aus Spanien, hab ich recht?"

Sie nickte.

„Hast du zufällig irgendwann mal mitbekommen, dass die spanische Basketball-Nationalmannschaft letztes Jahr Weltmeister geworden ist?"

Leicht zuckte sie mit den Schultern. Es kam ihr so vor, als hätte sie diese Information zuvor schon mal gehört. Sicher war sie sich zwar nicht, aber auch wenn ihr das bereits jemand erzählt hatte, hatte sie dem wahrscheinlich nicht sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sie hielt nicht viel von Mannschaftssportarten. Das war doch alles total langweilig anzusehen.

Er seufzte gespielt schockiert: „Also, ich bin der Shooting Guard, der in der letzten Sekunde dafür gesorgt hat, dass wir das Spiel gewonnen haben. Aber du hast schon recht, das ist eigentlich überhaupt nicht wichtig. Erzähl mir lieber etwas über dich."

„Herzlichen Glückwunsch!", stotterte Eve und warf dann einen beschämten Blick zu Boden. Irgendwie war sie jetzt doch ein wenig beeindruckt, unterdrückte dieses Gefühl aber sofort, weil es im Grunde doch nichts anderes war als sein Job. Er beglückwünschte sie doch auch nicht dafür, dass sie so eine großartige Pädagogin war.

Dan lachte laut: „Ach, das ist doch schon wieder Schnee von gestern und außerdem hätte ich das ohne mein Team niemals geschafft."

„Nennen dich die Leute deshalb Fire?"

Er nickte: „Was dachtest du denn?"

„Ganz ehrlich? Nein, das willst du gar nicht wissen!"

Ungeniert lachte er darauf los: „Das würde ich liebend gerne wissen, Evelyn." Vorsichtig strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht und sah sie dabei liebenswürdig an. Viel zu liebenswürdig. Augenblicklich wandte sie ihren Blick ab um nicht Gefahr zu laufen, sich in seinen schönen Augen zu verlieren.

„Ich habe zwei Möglichkeiten in Betracht gezogen. Die erste lautet, du bist Feuerwehrmann und deshalb so angesehen, weil du einen Haufen Menschen das Leben gerettet hast." Hier unterbrach er sie: „Das wäre wohl ein besserer Grund stolz auf mich zu sein." War er vielleicht gar nicht so arrogant wie sie gedacht hatte? Verstohlen blickte sie auf seine Hände und inspizierte seine Tattoos kurz. Hatte sie sich etwa von Äußerlichkeiten täuschen lassen? Nein, ganz bestimmt nicht. Er hatte sich mehr als nur einmal wie ein riesen Arschloch benommen. „Was war die zweite Möglichkeit?" Dan hatte eine Augenbraue nach oben gezogen und sah dabei wahnsinnig sexy aus.

Eve seufzte, eigentlich sollte sie ihre abwegigen Gedanken nicht aussprechen, aber sie musste sich wirklich dringend ablenken, weswegen sie sich der Peinlichkeit doch hingab. „Deine Mutter hat sich, kurz nachdem sie dich auf die Welt gebracht hat, selbst in die Luft gejagt", erzählte sie, von der absurden Vorstellung, die sich tatsächlich so in ihrem Kopf abgespielt hatte.

Gequält blickte er sie an. „Du kannst mich wirklich nicht ausstehen, hab ich recht?", fragte er ein wenig enttäuscht.

„Du hast mir nicht unbedingt einen Grund gegeben dich zu mögen."

Ehe er etwas antworten konnte, trat die Flugbegleiterin an sie heran. Na klasse, die hatte ihr auch noch gefehlt. „Wir servieren in Kürze das Essen, dürfte ich Sie bitten, auf Ihren Platz zu gehen, Fire?"

Er schüttelte den Kopf. „Wir können auch gemeinsam essen, danke." Eindeutig wollte die Stewardess noch etwas hinzufügen, doch er ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen. „Sie brauchen uns die Speisekarte nicht bringen, wir nehmen einmal jedes Gericht, das sie heute anbieten. Sie können es auf meine Kreditkarte buchen." Langsam nickte die Frau und ging dann von ihnen weg. „Was?", kreischte Eve. Beinahe hätte sie gefragt wer das alles essen soll, aber dann erinnerte sie sich an die Brötchen.

„Wolltest du dich nicht schon immer mal durch die Spezialitäten einer Flugzeugküche kosten?" Sie schüttelte den Kopf, lachte dann aber: „Und wenn, dann hätte ich meinen Ex dafür bezahlen lassen."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top