Kapitel 23
Logan
»Kannst du mir helfen?«
Missmutig stocherte ich in meinem Nudelauflauf herum. Eigentlich liebte ich dieses Gericht über alles. Unter normalen Umständen hatte ich das Zeug eimerweise futtern können. Obwohl es Schulfraß war.
»Bei was?«, fragte ich lustlos.
Álvaro glitt verboten elegant neben mich an den Tisch. Allerdings ohne Tablett. Vermutlich hatte er keinen Hunger. »Wegen diesem Instagram. Ich komme damit überhaupt nicht klar.«
»Und was soll ich da jetzt machen?«, erkundigte ich mich pampiger als gewollt.
Doch statt sich angegriffen zu fühlen, legte Álvaro seine Unterarme ruhig auf den Tisch und verschränkte die Finger. »Ich hatte gehofft, dass du mir helfen und diese App erklären kannst.« Er sah mich nicht direkt an, weswegen ich mich auch nicht bedrängt fühlte.
»Wenn es sein muss.« Ich schob mir eine Gabel mit Nudelauflauf in den Mund. Er schmeckte pappig. Pappiger als sonst. Toll.
»Ich weiß, dass du mich nicht magst.« Álvaros dunkle Augen ruhten gelassen auf mir. »Aber dennoch musst du es nicht so sehr raushängen lassen. Das ist sehr unhöflich.«
Gegen meinen Willen stieg mir das Blut in die Wangen.
Jip, ich hatte etwas gegen ihn. Seit gestern wurde ich das Gefühl nicht los, dass Luz ständig in seiner Nähe war und ihn leuchtend anlächelte. Es interessierte mich brennend, was Mittwoch, nachdem wir gegangen waren, zwischen den beiden vorgefallen war. Denn das Mädchen verhielt sich definitiv deutlich gelassener. Und auch er wirkte entspannter und ruhiger.
Dennoch hatte ich die Befürchtung, dass Álvaro nur mit ihr spielte. Ich meine, er stand ganz klar auf Männer, schließlich hatte er mit Jean geknutscht. Und der war nun wirklich stockschwul. Was sollte er da sonst mit einem Mädchen machen?
Álvaro hatte diese gewisse Aura. So kalt. So gefählich. So mächtig.
Ich meine klar, vermutlich war das genau Lucindas Typ, schließlich war sie ja auch mal mit Ash zusammengewesen. Die beiden Jungs ähnelten sich diesbezüglich sehr. Doch bei Ash konnte man zumindest Verletzlichkeit durchschimmern sehen, wenn er verliebt war. Shira war das beste Beispiel dafür.
Doch bei Álvaro war da nichts. Natürlich konnte man seine Ruhe als ein Zeichen nehmen, aber ich glaubte persönlich nicht daran.
»Sorry«, murmelte ich.
Ash knallte sein Tablett neben mich. »Hi, na, alles klar? Worum geht's gerade?«
»Ich hatte Logan um Hilfe gebeten«, antwortete Álvaro ruhig. »Jedoch denke ich nicht, dass er dazu geneigt ist, mir diesen Wunsch zu erfüllen.«
Mein Kumpel lachte. »Ach Logan. Heute wieder stinkig? Kann ich dir vielleicht helfen?«
»Schon okay, ich frage nachher Lucinda.«
Das war der Moment, wo ich am liebsten meinen Kopf in den Auflauf vor meiner Nase gesteckt hätte. Super Logan, du willst, dass Álvaro sich von deiner besten Freundin fernhält. Statt ihm also zu helfen, bis du mürrisch, weshalb er einen Grund mehr hat, zu ihr zu gehen.
Bei mir wird Intelligenz groß geschrieben.
»Wie du meinst.« Ash zuckte mit den Schultern und begann zu essen.
Ich stopfte mir ebenfalls eine großzügige Portion in den Mund. Ganz so pappig schmeckte es dann doch nicht.
»Hm, ach so.« Ash beeilte sich, den Auflauf runterzuschlucken. »Nochmal wegen vorgestern. Hast du das mit deinem Vater wirklich ernst gemeint, Álvaro?«
Dieser strich sich gelassen eine seiner dunklen Strähnen hinters Ohr, die ihm ins Gesicht gefallen war. »Ja, habe ich doch bereits erklärt. Warum verwundert euch das nur so?«
»Weil es heutzutage keine Schande ist, auf das gleiche Geschlecht zu stehen, gleichgeschlechtliche Ehen ist sogar in manchen Ländern legal.« Ash musterte ihn.
»Bei uns nicht.«
»Warum?«, fragte ich.
Wie gesagt, es war hart. Ich meine, er konnte doch nun weiß Gott nichts dafür. Und es macht ihn doch deswegen auch nicht zu einem schlechteren Menschen.
Álvaro zuckte nur mit den Schultern. »Ich weiß auch ...«
Weiter kam er nicht. Just in dem Moment platzte Claire in die Kantine. Schnurstracks kam sie auf uns zu. Und ohne zu zögern schwang die Bitch sich auf Álvaros Schoß, ihre langen, blonden Haare wirbelten herum.
»Hey, Süßer«, schnurrte Claire und legte ihre Arme um seinen Hals
Ash neben mir verschluckte sich arg an seinem Nudelauflauf, während die Portion in meinem Mund irgendwie immer mehr wurde.
»Was wird das hier?« Álvaros dunklen Augen wurden schmal.
Gott, sah er hilflos aus. Fast hätte ich gelacht. Seine Arme waren seitlich ausgestreckt, es wirkte, als wollte er sich viel Abstand wie möglich von ihr. Abscheu stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Verständlicherweise.
Das Mädchen räkelte sich regelrecht auf seinem Schoß. »Ich dachte, wenn wir heute Abend zusammen auf die Party gehen, dann setze ich mich jetzt schon mal zu dir.« Claire schmiegte sich an ihn, sah jetzt aber zur Seite auf meinen Teller. »Bor geil.« Mit den Fingern klaute sie sich ein paar Nudeln von meinem Teller und steckte sie sich in den Mund. Ihre pinken, unnatürlich langen Fingernägel glänzten.
Hastig würgte ich meine Nudeln runter. »Hey!« Das war ja widerlich. »Lass das, das sind meine!«
Claire leckte sich genüsslich über ihre knallroten Lippen. »Na gut, aber nur, weil du so schöne Augen hast.«
Ash neben mir rang immer noch verzweifelt nach Luft.
»Hey, nicht sterben«, Shira rutschte lachend gegenüber von ihrem Freund an den Tisch und schob ihm ihre Fanta hin. »Trink mal was.«
Dankend nahm Ash das Getränk. Nur wenige Sekunden später hatte er sich beruhigt. »Du bist ein Schatz, danke.«
Sie wurde rot und kicherte. »Kein Ding.« Dann erst schien das Mädchen Claire wahrzunehmen. »Was ist denn hier los?«, fragte Shira entsetzt.
»Wenn deine Augen nicht so hässlich wären und du deshalb nicht so blind, würdest du nicht so blöd fragen«, fuhr Claire sie gehässig an.
Beschämt senkte Shira den Blick auf ihren Teller.
Ash knurrte wütend. »Sag das noch einmal und deine Nase hat die gleiche Farbe wie dein scheiß lilaner Lidschatten«, fauchte er erbost.
»Komm du erstmal auf dein Leben klar. Sie ist hässlich. Sieh es ein. Ich meine, gleichfarbige Augen sind doch wirklich nicht kompliziert. Sie hat verkackt«, stellte Claire richtig. »Du übrigens auch. Man schlägt keine Mädchen.«
Ash sprang auf. Beziehungsweise wollte er das. Jedoch erwischte Shira ihn davor und klammerte sich an sein Handgelenk. »Nein, bitte, ist schon gut.«
»Nein.« Er bebte.
Ihre zweifarbigen Augen fanden seine. »Bitte.«
Ash zögerte einen Moment, doch dann gab er nach. Wortlos widmete der Junge sich wieder seinem Mittagessen.
Es war schon eine Frechheit, wie Claire mit anderen Menschen umging. Die kleine Schlampe hielt sich für den Mittelpunkt der Welt und war anscheinend der Meinung, dass sie mit jedem machen konnte, was sie wollte. Da die Bitch dummerweise auch noch oft ihren Willen bekam und mit ihren Gemeinheiten durchkam, fühlte sie sich wahrscheinlich in ihrem Tun positiv bestätigt. Das trug dazu bei, dass das Miststück das durchzog.
Ich meine, klar, Claire war nicht ganz hässlich. Doch für meinen Geschmack schminkte sie sich einfach viel zu sehr. Vermutlich könnte man mit ihrem Makeup eine Lagerhalle streichen. Ich hatte echt nichts gegen ein dezentes Makeup, auch, wenn mir ohne lieber war. Doch Claire war eindeutig zu viel.
Viel zu viel.
Mit ihren blöden Gucci Taschen von Daddy und den teuren Markenklamotten wirkte sie viel zu abgehoben. So hochnäsig.
Ganz davon abgesehen, dass man sich als Normalo neben ihr wie ein fucking Bettler fühlte.
Mir tat der Typ leid, der die später einmal heiraten musste. Armes Schwein.
Arme Evolutionsbremse. Denn viel konnte da oben ja dann nicht drin sein. Eher so à la Gehirnfinsternis. Alles dunkel. Ohne Erleuchtung.
Ich war dankbar für das Essen. Somit musste ich nicht reden.
»Kannst du bitte von mir runter gehen?«, fragte Álvaro ruhig.
Claire schmiegte sich an ihn. »Nein.« Zuckersüß lächelte sie und fuhr ihm durch seine langen Haare.
Er knurrte, packte sie aber nicht an.
»Hey, Leute.« Gael knallte sein Tablett gegenüber von mir auf den Tisch. »Bor, ich kann nicht mehr, ich ...« Dann schien auch ihm aufzufallen, wer sich da auf Álvaros Schoß räkelte. »Was geht denn hier ab?«
»Halt die Fresse, du Lauch«, befahl die Bitch genervt. »Obwohl Streichholz besser passen würde, bei deinen hässlichen, roten Haaren.«
»Sag mal, geht's ...?«, setzte Gael knallrot an.
Doch sie schnitt ihm das Wort ab. »Halt deine Klappe, Spargeltarzan. Dich hat keiner was gefragt.«
Inzwischen waren die meistens Gespräche in der Kantine verstummt, viele musterten uns. Insbesondere Claire.
Ihre langen, blonden Haaren fielen seidig über ihre Schultern. Ich konnte mir vorstellen, wie weich sie waren. Die enge Jenas spannte an den Beinen und betonte stark ihren Arsch.
Toll.
»Holst du mich nachher bei mir ab?«, säuselte sie und strich Álvaro mit den Fingern die Lippen. »Um acht?«
Man konnte deutlich sehen, wie angewidert er war. »Nein.«
»Come on, morgen ist Wochenende.« Die Schlampe verdrehte die Augen.
»Das tut nichts zur Sache.«
»Hab dich nicht so.« Claires Stimme wurde leiser und schwerer, sie kam ihm immer näher. Ihre langen Fingernägel vergruben sich in seine Haaren. Man konnte deutlich sehen, wie Álvaro sich anspannte.
Dann küsste sie ihn.
Es knallte.
Die beiden fuhren auseinander.
Erschrocken zuckte mein Blick zu dem Mädchen, das gegenüber von Álvaro stand und ihr Tablett gerade auf den Tisch hatte fallen lassen.
Lucinda.
Kreidebleich starrte sie auf Álvaro und Claire. Genauso fassungslos wie wir auch. Jedoch mischte sich bei dem Mädchen noch Eifersucht und Schmerz dazu.
Gott die Arme, es hatte sie anscheinend wirklich erwischt.
Luz fing sich und schob ihr Essen zu Ash. »Ich hatte eh keine Hunger.«
Damit machte sie auf dem Absatz kehrt. Shira erhob sich und lief ihr nach.
»Fuck.« Mir war schlecht.
Claire jedoch juckte es herzlich wenig, was sich gerade hier abgespielt hatte. Wortlos wandte sie sich wieder Álvaro zu und machte Anstalten, ihn erneut zu küssen.
Doch diesmal war er schneller. Blitzschnell packte er sie an den Oberarmen und sprang auf. »Fass mich nicht an«, fauchte er.
Claire verdrehte die Augen. »Jetzt hab dich doch nicht so wegen dieser Omaschlampe.«
»Nenn sie noch einmal so und du hast ein Problem mit mir. Du wirst dich von mir fernhalten. Wag es ja noch einmal, mich anzufassen und es klatscht. Aber keinen Beifall. Es ist die eine Sache, was man über andere Menschen denkt. Aber das rechtfertigt nicht dein herablassendes, katastrophales Verhalten gegenüber ihnen. Du kannst andere nicht so beleidigen und fertig machen, nur weil du der Meinung bist, etwas Besseres zu sein. Du solltest dich schämen. Oder, ehrlich gesagt, kannst du Einem ja leid tun.«
»Du wirst mich doch jetzt nicht wegen so einer Grannybitch versetzen.« Das Mädchen streckte ihre Finger aus und kratzte mit den Nägeln über seine Brust.
Ein verdammter Fehler.
Ruckartig wirbelte Álvaro mit ihr herum und stieß das Mädchen derb von sich. Hart knallte sie mit dem Hintern auf den Boden.
»Aua!«
Es war Totenstille. Mein Mund war verklebt mit Nudelauflauf. Keiner rührte auch nur einen Muskel.
»Ich sagte, fass mich nicht an. Und wage es dir noch einmal, sie so zu nennen«, knurrte Álvaro und betonte dabei jede Silbe. Irgendetwas Irres, Animalische funkelte in seinem Blick. »Du bist erbärmlich.«
Damit wandte er sich von Claire ab und verschwand zielstrebig aus der Kantine. Wahrscheinlich um Lucinda zu suchen.
Das was vermutlich die erste richtige Ansage, die diese Bitch zu hören bekommen hatte. Und das tat gut.
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