Kapitel 13

Logan

Seine spitzen Zähne glitzerten, als er gähnte.

Erstaunlich eigentlich, wie weit Luca sein Maul aufbekam.

Mit den Fingern meiner rechten Hand fuhr ich durch sein weiches Fell und hatte das dringende Bedürfnis, mit ihm zu kuscheln. Der Hund lag neben mir zwischen meinen Spanischsachen. Manchmal wünschte ich mir echt, er würde sie wirklich fressen. Nicht, dass ich Spanisch nicht mochte, aber so viel Bock auf Spanischhausaufgaben hatte ich wiederum auch nicht.

»Löst je pense que den Subjonctif aus?« Gael blickte mich verzweifelt an.

Ash stöhnte. »Wir haben keine Ahnung. Frag Jean; Logan und ich haben mit Spanisch schon genug am Hals.«

»Hätte ja sein können«, grummelte der Rotschopf und widmete sich wieder seinem Commentaire. »Und Jean muss arbeiten, sonst wäre er mit hier und ich müsste die Kacke nicht schreiben.«

»Das stimmt.« Ich seufzte und kraulte Luca auf dem Bauch. Er hechelte glücklich.

»Wollte Lucinda nicht auch mit kommen?«, erkundigte Ash sich und sah mich mit diesem stechenden Blick an.

Ich zuckte nur mit den Schultern. «Ja, eigentlich schon. Ich hab ihr vorhin auch schon geschrieben, aber sie antwortet nicht. Vielleicht liest sie und hat wieder die Zeit vergessen. Wäre ja nicht das erste Mal.«

»Da hast du Recht.« Ash tippte sich nachdenklich mit dem Ende des Kugelschreibers gegen das Kinn. »Hat Lucinda nochmal mit dir geredet? Wenn ja und du ihr versprechen musstest, es mir nicht zu sagen, ist das auch ok. Ein Ja oder Nein reicht.«

»Leider nicht.«

Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Aber sie hat was.«

»Wer hat was?«, mischte Gael sich ein. Wie immer stand er dezent auf dem Schlauch.

Ash seufzte. »Sag jetzt bitte nicht, dir ist Lucinda in den letzten Tagen nicht aufgefallen.«

»Doch natürlich, sie war doch da?« Unser Freund schaute uns verwirrt an.

»Eben nicht«, widersprach Ash. »Lucinda war völlig durch den Wind.«

Gael überlegt kurz. »Hm, ja, jetzt wo du es sagst ... Aber warum ist sie denn so?«

»Genau das ist ja das Problem«, stöhnte ich. »Sie redet diesbezüglich nicht mit uns. Bist du echt so mit deinem Commentaire beschäftigt, dass du uns nicht zuhörst?«

Er zuckte nur mit den Achseln. »Ich mache zumindest was, ihr starrt nur vor euch hin.« Frech streckte der Rotschopf uns die Zunge raus.

Ich begann nervös auf dem Ende meines Bleistiftes zu kauen. Eine schlimme Angewohnheit, ich weiß. Hoffnungsvoll griff ich zu meinem Handy und entsperrte es. Meine Finger der linken Hand glitten rasch über das Display, aber Lucinda hatte meine Nachrichten weder bekommen, noch drauf geantwortet; wie denn auch, wenn sie sie nicht erhielt. »Ich mache mir langsam echt Sorgen.«

»Ich auch, aber Gael hat Recht. Wir müssen langsam mit Spanisch anfangen«, meinte Ash widerwillig, als ich mein Handy neben meinen Spanischhefter auf den Teppich schmiss.

Knurrend beugte ich mich nach vorne, um das Handy wieder zu holen. »Hast du schon was rausgesucht?«

Ash schüttelte den Kopf, während Gael sich wieder seinem Commentaire widmete. »Nope.«

Die nächste, halbe Stunde quälten wir uns beide durch die Wikipedia-Einträge zum Thema Fall der Monarchie im zwanzigsten Jahrhundert. Mal ganz im Ernst, wann würde ich das je brauchen? War ja nun wirklich nicht so, dass mich jeder gleich fragen würde, wann General Sanjurjo den Norden dieses Protektorats in Marokko besetzte, wenn ich mal nach dem Weg fragte. Oder wie Spanien sich im ersten Weltkrieg verhalten hatte.

Ich meine, klar, im Prinzip ging es darum, die Sprache zu lernen und sich neue Vokabeln anzueignen.

Aber ich würde eben diese Vokabeln in meinem Leben nicht brauchen.

Außer natürlich, ich wollte ein tiefgründiges Gespräch mit Álvaro in seiner Muttersprache führen. Dann würde ich auch Wörter wie postfaktisch oder so irgendwann im Schlaf können.

Wo wir allerdings wieder bei einem Thema waren, was mich auch schon seit ein paar Tagen beschäftigte.

Álvaro.

Zu gern würde ich wissen, was mit ihm los war. Heute war er ja nicht einmal in der Schule gewesen, was wahrscheinlich auch ganz gut war, wenn man sich mal seinen gestrigen Zustand zu Gemüte führte. Ich hoffte, dass es dem Neuen besser ging.

Doch irgendwie saß da ein kleines Teufelchen auf meiner Schulter und murmelte trotzig, dass es eine Verbindung zwischen ihm und Lucindas komischen Verhalten gab. Zumindest hatte sie angefangen, sich anders zu verhalten, seit er aufgetaucht war.

Aber ich verwarf die Idee. Ich interpretierte da wahrscheinlich einfach nur zu viel rein.

Viel eher sollte ich mir Gedanken machen, warum es ein Teufelchen war, das da auf meiner Schulter saß. Und kein Engelchen.

»Wie wird nochmal être im Imparfait gebeugt?«, riss Gael mich aus meinen wilden Spekulationen.

»Frag das Wörterbuch«, stöhnten Ash und ich unisono.

Wir musste alle lachen.

»Nimm es uns bitte nicht übel, aber wir können keinen einzigen, französischen Satz bilden. Ich meine, wir sind sogar schon mit Spanisch überfordert«, erklärte Ash entschuldigend.

»Jean kann dir doch bestimmt helfen, du hast doch noch das ganze Wochenende Zeit«, fügte ich hinzu.

»Hm, ja, stimmt, da hast du recht, aber ich mach nur für heute Schluss, wenn ihr euch auch nicht mehr mit Spanisch beschäftigt.« Gael grinste.

Ash seufzte und klappte sein Heft zu. »Einverstanden. Es ist eh schon dunkel draußen.«

Luca hob den Kopf, als wir alle drei aufstanden, um unser Zeug wegzupacken. Ich musste höllisch aufpassen, dass ich ihm nicht versehentlich auf den Schwanz trat. Er lag aber auch verdammt blöd mitten im Zimmer. Doch er war immer so lieb, dass man ihm nichts übel nehmen konnte.

Meine beiden Freunde und ich hatten uns gerade auf meine kleine Couch gequetscht, als etwas dumpf gegen meine Tür rummste. Ein paar Augenblicke später öffnete sie sich ganz langsam und vier Pizzakartons betraten mein Zimmer. Ehrlich, anders konnte man das nicht sagen.

Erst nach einigen Sekunden konnte ich meinen kleine Bruder erkennen, der die Kartons schleppte.

»Eure Pizza ist da, Mom wollte sie euch hochbringen, aber ich hab gesagt, dass ich schon groß bin und das alleine kann.« Strahlend blaue Augen leuchteten mich über den Pizzakartons an.

Ich sprang auf. »Hey, Kleiner, du hättest uns doch rufen können, das ist doch viel zu schwer für dich.« Hastig nahm ich ihm die Pizzen ab.

Trotzig ließ Aden seine Arme sinken. »Ich bin aber schon groß. Und ich habe es ja auch geschafft.«

»Das stimmt, Kumpel«, mischte sich Ash jetzt ein. Er kam zu uns beiden und hockte sich lächelnd vor meinen Bruder. »Aber wenn du dir wehgetan hättest, dann hättest du für ein paar Wochen nicht mehr auf dem Spielplatz klettern können. Und das wäre schade gewesen.«

Aden dachte nach. »Hm, das stimmt. Das nächste Mal passe ich auch auf.«

»Geht klar, magst du mit uns Pizza essen?«, fragte Ash.

»Wirklich?« Die Augen meines kleinen Bruders funkelten.

»Jap«, meldete sich Gael von der Couch.

Ich musste grinsen. Normalerweise war es so, dass Freunde von kleinen Geschwistern immer extrem genervt waren. Aden war da eine Ausnahme. Irgendwie konnte ich es mir nicht so recht erklären, warum Gael, Ash, Lucinda und auch Jean ihn so sehr mochten. Ich meine, klar, er war herzallerliebst und wirklich echt süß, aber halt auch erst fünf.

Allerdings hatte keiner meiner Freunde ein Problem damit, wenn Aden uns fragte, ob wir mit ihm zum Spielplatz gingen oder Fußball spielten.

Vielleicht war mein kleiner Bruder auch einfach nur toll. Ich liebte ihn auf jeden Fall über alles.

»Hm, aber wenn ich jetzt mit euch esse, dann kann ich kein Fernsehen gucken«, fiel ihm ein. Damit drehte er sich abrupt um und verschwand nach unten. Luca sprang auf und folgte ihm.

Lächelnd erhob Ash sich und schloss die Tür. »Aden ist so süß.«

»Definitiv, ich wünschte, ich hätte auch so einen kleinen Bruder«, stimmte Gael zu. »Aber bei meinem Glück hätte Claire dann noch eine kleine Schwester im gleichen Alter und mein Bruder hätte das gleiche Schicksal wie ich.« Er seufzte. »Wie dem auch sei, mir gehört die Hawaii.«

Jetzt musste ich lachen. »Kein Problem, du bist der Einzige, der Ananas auf der Pizza mag.« Ich ging zur Couch und reichte ihm den oberen Karton.

»Ich nehme die Salami.« Ash ließ sich neben den Rotschopf fallen und nahm mir den zweiten Karton ab.

Ich setzte mich neben Ash öffnete meinen Karton und stellte den vierten auf den Tisch. »Guten Appetit.«

»Ebenfalls.«

»Euch auch.«

Dann begannen wir zu essen. Genüsslich biss ich in meine Schinken-Champignon-Pizza. Das beste am Lieferservice war, dass das Essen immer die perfekte Temperatur hatte.

»Vielleicht solltest du Aden mal mit in die Schule nehmen«, schlug Gael Ash vor, als wir jeweils unser erstes Viertel verdrückt hatten.

Verwirrt blickte dieser ihn an. »Wie kommst du denn jetzt bitteschön darauf?«

Gael zuckte mit den Schultern. »Naja, Mädchen lieben es, wenn Jungs gut mit Kindern können. Und da kannst du dich Shira einmal von deiner guten Seite zeigen, statt die ganze Zeit zu stottern und tollpatschig zu sein.« Unschuldig biss der Rotschopf von seiner Pizza Hawaii ab.

Ich musste lachen, während Ash sich an seiner Pizza verschluckte. »Das war schon irgendwie fies«, meinste ich glucksend.

»Aber die Wahrheit«, antwortete Gael grinsend. »Im Ernst Ash, hast du sie mal nach einem Date gefragt? Ich meine, es ist kaum zu übersehen, dass sie dir gefällt.«

Ash warf ihm einen bösen Blick zu, während er nach Luft rang. »Hab ich noch nicht.«

»Dann halte dich ran«, riet Gael. »Nicht, dass jemand schneller ist als du, ich meine, Shira ist nicht hässlich.«

Den Blick, den er von Ash erntete, war tödlich, was mich allerdings nur noch mehr zum Lachen brachte. Es war schon auf eine Art niedlich, wie gerade Ash so gnadenlos mit seinen Gefühlen überfordert war; Ash, der mit sowas eigentlich nie Probleme hatte.

»Jaja«, grummelte er. »Was machen wir mit Lucindas Pizza?«

»Ja, lenk nur ab«, gluckste ich, allerdings verging mir das Lachen, als sich wieder Sorge in meine Gefühlswelt mischte. Sorge um Lucinda. »Ich ruf sie nochmal an.«

Sie ging nicht ans Telefon. Ich landete immer bei der Mailbox. Selbst, als ich es auf dem Festnetz versuchte.

Frustriert biss ich in meine Pizza. »Ich glaube nicht, dass sie noch kommt. Die Pizza gehört dir, Ash.«

»Willst du nichts?«

Ich schüttelte den Kopf. Mir war der Appetit vergangen.

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