3. Kapitel:
Die Bilder in ihrem Kopf ordnen sich und ihr ganzes Leben spielt sich vor meinem geistigem Auge ab: Ihr erstes Schreien, ihr erster Geburtstag, ihr Glücksgefühl und ihr Grinsen da sie genau mit dem überrascht wurde was sie sich sehnlichst gewünscht hatte; ihre missglückten Versuche Fahrrad zu fahren, das blutende Knie, das sie sich deshalb eingefangen hatte, ein kurzer Blick auf ihre Eltern, die sie tröstend in den Arm nehmen. Ihr erster Schultag und ihre Vorfreude, ihre Enttäuschung als sie in den höheren Klassen ihre erste 6 mit nach Hause brachte, unzählige Geschenke die sie glücklich und traurig gemacht haben. Ihre kindliche Freude als sie sich (endlich) ein Bein gebrochen hatte, auch wenn sie starke Schmerzen hatte und die Langeweile beinahe tödlich war. Ihr Einzug ins College, sie, wie sie alleine in einer Zimmerecke sitzt, Mädchen die sie auslachen und verspotten. Das kurze Glücklichsein wenn ihre Eltern sie besuchten, all ihre bestandenen und nicht bestandenen Prüfungen. Ihre Ängste und die Panik die die Prüfungen in ihr auslösten, die Erleichterung wenn sie die Arbeiten hinter sich gebracht hatte, ihre erste große Liebe, ihren ersten Kuss und ihren beschleunigten Herzschlag, den Hass und die Enttäuschung als er mit ihr Schluss machte, den Frust weswegen sie etwas zu viel Schokolade in sich hinein würgte. Ihre beste Freundin die sie anstatt ihrer Eltern mitfühlend in den Arm nahm. Weitere Glücks- und Trauermomente, den Tod ihres geliebten Vaters. Sie, weinend an seinem Grab. Die Mutter, die sie zu trösten versuchte. Des Mädchens Wut auf Alles und Jeden. Ihre überforderte Mutter die sie zu einer Pflegefamilie bringen musste, ihre Einsamkeit und der Spott ihrer Adoptivgeschwister. Ihre vergossenen Tränen die sie in ihrem kalten und leeren Zimmer verliert. Dann ebenfalls der Tod ihrer Mutter. Zusätzlicher Schmerz, ihre anhaltende Einsamkeit, den Moment an dem sie es einfach nicht mehr aushielt und von "zu Hause" flieht um hier her zu kommen, in mein Heim.
Jetzt ist sie wütend und würde am liebsten irgendetwas kurz und klein schlagen.
Das Geschehene von heute reiht sich an und wieder spielt sich alles vor meinem geistigen Auge ab:
Schon wieder ein nervenaufreibender Streit mit ihrer Adoptivmutter, der ihr jedes mal an die Nieren geht. Erst zieht sie sich schmollend in ihr Zimmer zurück, jedoch wird es ihr nach einiger Zeit zu stickig, sie bekommt kaum Luft.
Als es dunkel genug geworden ist, um sicher zu sein, dass ihre Familie endlich schläft, schleicht sie sich aus ihrem Zimmer und schließt leise alle Türen hinter sich. Tief atmet sie durch und genießt die Kühle der Nacht, streckt dem Haus die Zunge raus und rennt so schnell und so weit sie kann, um möglichst weit weg zu kommen. "Nie werden ich zu euch zurückkommen! Hört ihr mich?! Nie wieder!"
Ihr Zeitgefühl ist nach längerem Laufen und Seitenstechen völlig weg getreten. Es ist kalt und viel zu dunkel um länger im Freien bleiben zu können.
Es knackt. Woher kommt dieses Geräusch? Wilde Tiere? Unsicher und die Arme vor der Brust verschränkt um sich selbst etwas Wärme zu spenden, geht sie weiter. Ihr Bauchgefühl sendet warnende Signale. Kurz bedauert sie, dass sie die schützende Wohnung verlassen hat, dann jedoch schüttelt sie den Kopf und geht weiter, während sie den Gedanken zu verdrängen versucht.
Wieder ein Knacken. Erschrocken bleibt sie stehen und schaut sich unsicher um. Das Knacken kam ganz aus der Nähe. Ich werde verfolgt! Um so schnell wie möglich in Sicherheit zu kommen nimmt sie die Beine in die Hand und versucht den Schatten zu entkommen die sie die ganze Zeit verfolgen.
Es ist nur ihr eigener Schatten der ihr auf Schritt und Tritt auf den Fersen ist, das hat aber keine Bedeutung. Wir wissen alle, dass Kreaturen der Nacht trickreiche Jäger sind und sich keine Beute entgehen lassen. Wie sagt man so schön? "Der Schein trügt."
Ohne es zu wissen hängt das Mädchen ihre Verfolger ab und begibt sich gleich in die nächste Gefahr, aber auf davon ahnt sie nichts. Sie ist völlig ahnungslos...
Ein von Mondlicht beschienenes Haus, etwas alt und baufällig, scheint ihr durchaus als Schutz vor dem schlechten Wetter dienen zu können. Erleichtert stößt sie die schweren Türen auf und flüchtet sich in das Innere eines ganz bestimmten zu Hauses ohne zu ahnen, dass sie bald den Hausherren kennenlernen wird.
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