8 (Luna)
"Such dir aus, was du willst.", sagt mein Vater gönnerhaft.
Höflich lächelnd schlage ich die Karte des superschicken Restaurants auf, in welchem ich mit meinen Eltern mein alljährliches Geburtstagsessen einnehme.
Ein mitfühlender Blick meiner Mutter gleitet zu mir. Sie weiß, wie sehr ich derartige Veranstaltungen liebe.
Ihr geht es ähnlich. Ursprünglich in ärmeren Verhältnissen geboren, kann sie sich bis heute nur schwer mit dieser übetriebenen Zurschaustellung anfreunden.
Mein Vater bildet da einen vollkommenen Kontrast. In ihrer Beziehung ist er derjenige, der Geld ausgibt. Wenn es nach ihm ginge, würden mir die beiden wesentlich mehr von ihren Reisen mitbringen, als sie es sowieso schon tun. Am liebsten würde er mich wie eine Puppe ausstaffieren, damit auch alle sehen, dass ich ein gutes Leben mit liebenden Eltern führe.
Meine Mutter hält das Geld beisammen. Sie hindert ihn in seinen besonders schwachen Momenten am Geld verprassen.
Dank ihr reicht ein Kleiderschrank.
Wie ich, sieht sie keinen Sinn darin, mehr zu besitzen, als man wirklich braucht. Aber vollkommen kann sie ihn natürlich nicht davon abhalten.
Meine Eltern sind ein gutes Team. Sie lieben einander innig. Ihr liebevoller Umgang miteinander macht das für alle deutlich.
~
"Wie läuft es so in der Schule?", fragt meine Mutter nachdem wir unsere Bestellungen aufgegeben haben. "Gibt es irgendwas Neues?"
Ich schüttele den Kopf. "Alles gut."
Bisher hatte ich noch keine Zeit, mit meinen Eltern zu reden. Ihr Flug hatte Verspätung. Deswegen kamen sie erst kurz bevor wir ins Restaurant wollten zuhause an.
Für mich war das ganz gut. Nach dem Abend mit Isa bin ich recht spät ins Bett.
Auf dem ganzen Heimweg hat Isa mit mir diskutiert, dass es ja noch recht früh wäre und sie eigentlich Nachtmensch sei und noch nicht schlafen gehen will. Aber da sie bei mir übernachten wollte, musste sie mit mir kommen.
Gegen zwei Uhr lagen wir dann endlich im Bett.
~
Der nächste Morgen begann für mich demzufolge erst recht spät.
Für Isa sogar noch später. Ich habe sie erst mal gar nicht aus dem Bett bekommen.
Und dann hatte ich es mit einer extrem miesgelaunten Version ihrerselbst zu tun. Während ich versucht habe das Chaos in meinem Zimmer zu beseitigen, welches am Tag zuvor bei der Suche nach den richtigen Outfits entstanden ist, hat sie erstmal einen Kaffee getrunken und sich mental auf den Tag vorbereitet. Und anders als mein Tag, beginnt ihrer ungefähr ab zwölf Uhr.
Nachdem ich sie endlich aus dem Haus bekommen habe, habe ich noch schnell notdürftig sauber gemacht und war gerade noch zu der Zeit fertig, als meine Eltern ursprünglich kommen wollten.
Aber sie kamen doch noch nicht.
Eine Nachricht auf meinem Handy erklärte mir dann auch wieso und wann ich denn jetzt mit ihnen rechnen könne.
Erleichtert nutzte ich dann die zusätzliche freie Zeit im Bad, um mich frisch zu machen.
Und so gelang es mir dann doch noch rechtzeitig, meinen Eltern eine vorzeigbare Wohnung und Tochter zu präsentieren.
Diese jedoch achteten darauf kaum. Sofort nahmen sie mich in den Arm und gratulierten mir. Anschließend gab mir meine Mutter eine Tasche mit den neuesten Errungenschaften, die mir von nun an gehören sollten. Und dann ging es auch schon los zum Essen.
~
Der Kellner bringt uns die Getränke.
Mein Vater erhebt sein Glas. "Auf meine wunderschöne, kluge Luna, die jetzt volljährig ist."
Meine Mutter tut es ihm gleich und auch ich hebe zögerlich mein Glas hoch. "Ich wünsche mir für dich Glück, Gesundheit und Erfolg."
"Aber übertreib es nicht gleich mit deiner neuen Freiheit.", warnt meine Mutter grinsend.
"Meine Luna doch nicht! Sie weiß genau, wo ihre Grenzen liegen.", meint mein Vater.
"Woher soll sie Grenzen kennen, an die sie noch nie getreten ist.", gibt meine Mutter zurück.
Sie tauschen einen liebevollen Blick aus. Meine Mutter zwinkert meinem Vater zu.
Und für einen kurzen Moment scheinen sie in alten Erinnerungen zu schwelgen an Zeiten, in denen sie so alt waren, wie ich heute bin.
Schließlich verkündet mein Vater in unsere kleine Runde. "Ich vertraue ihr. Sie wird schon wissen, was sie tut. Sie ist fähig, zwischen richtig und falsch zu entscheiden." Dann sieht er mir direkt in die Augen. " Du wirst deinen Weg gehen, mein kleiner Schatz."
Nach dieser Aussage kehrt für einen kurzen Moment Ruhe ein. Doch schon bald ist diese wieder vorbei. Meine Eltern beginnen dann, von ihrer Reise zu erzählen. Sie berichten von lustigen Momenten und von interessanten Dingen und Menschen, denen sie begegnet sind. Alle lachen und haben Spaß.
Es ist schön. Dies ist die Illusion einer perfekten Familie. Vielleicht könnte diese Illusion sogar wahr sein. Wenn meine Eltern sich nicht für ein Leben entschieden hätten, in welchem sie eigentlich keinen Platz für ein Kind haben, wenn dieser Moment mehr wäre, als ein kurze Auszug aus einem geregelten Familienleben.
Versteht mich nicht falsch. Ich liebe meine Eltern. Aber wenn ich mit ihnen Zeit verbringe, wir erzählen und gemeinsam lachen, dann fühlt sich das nicht echt an.
Es fühlt sich an, als würde ich an einem Fenster stehen und von dort einer richtigen Familie zusehen.
Sie schauen zu mir heraus und winken mir freundlich zu.
Ich will zu ihnen und renne und renne. Aber egal wie schnell ich renne, das Fenster bleibt immer kurz außerhalb meiner Reichweite.
In gewisser Weise ist das sogar eine perfekte Familie. Meine Eltern sind so weit entfernt von mir, dass Streit kaum aufkommt. Wir haben einfach nicht genügend Zeit und Gelegenheit, um zu streiten.
Das beneide ich bei Isa. Sie hat kein besonders gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Aber sie weiß, dass sie immer für sie da sind und sie auf sie zählen kann, wenn sie sie braucht.
Vielleicht entsteht aus ihrem Zusammenleben viel Streit, aber dafür haben sie überhaupt ein Zusammenleben.
~
Der Kellner bringt unser Essen und unterbricht damit unsere Unterhaltung.
Gierig stürzen sich meine Eltern sofort auf ihre Portionen. Sie haben schon seit einer halben Ewigkeit nichts mehr gegessen und sind entsprechend ziemlich hungrig.
Ich nehme mir etwas mehr Zeit, das hübsch angerichtete Mahl zu begutachten. Aber schließlich entscheide ich mich doch, womit ich anfangen will und schnappe mir mein Besteck.
Dieses entgleitet meinen Fingern und landet laut auf dem Boden. Meine Eltern unterbrechen ihr gefräßiges Schweigen, um mich zu fragen, ob alles in Ordnung sei.
Ich nehme auch klar, den missbilligenden Blick meines Vaters wahr, als ich auf dem Boden nach meinem Besteck suche.
Meine Mutter stupst ihn an, um seine Aufmerksamkeit von mir abzulenken.
Etwas nervös beginne ich schließlich den zweiten Versuch, zu essen.
Aber auch dieses Mal entgleitet mir das Besteck. Diesmal jedoch mit dem zweiten Bissen, welcher sich im Flug von meiner Gabel löst und über den Boden hüpft, bis er schließlich unter dem Nachbartisch zuliegen kommt.
Unter dem angesäuerten Blick meines Vaters hebe ich ein weiteres Mal mein Besteck auf, lasse den Bissen jedoch liegen. Ich hege die Hoffnung, dass niemand diesen gesehen hat.
Von jetzt an halte ich mein Besteck im Klammergriff. Einige Male droht es noch, mir zu entgleiten. Aber jedes Mal rette ich es noch im letzten Moment. Leider ist das noch nicht alles. Durch den starken Druck, welchen ich auf den Teller ausübe, rutscht nun dieser auf dem Tisch herum.
Meine Mutter beobachtet mich irritiert, was mich nur noch nervöser macht.
Nach einer besonders starken Bewegung mit meinem Messer, kann ich gerade noch verhindern, dass sich mein Tellerinhalt in meinen Schoß ergießt.
"Kannst du nicht mehr richtig essen?!", fragt mein Vater skeptisch.
"D-doch!", stottere ich, während ich versuche halbwegs elegant, nichts falsch zu machen.
Inzwischen beobachten mich beide mit Argusaugen.
Schließlich entscheide ich mich für eine kurze Pause von meinem Essen. Und greife nach meinem Glas. Ich habe es nicht einmal erreicht, da kippt es schon um. Der gesamte Inhalt ergießt sich über den Tisch.
"Kannst du nicht aufpassen!", zischt mein Vater wütend. Beruhigend legt meine Mutter eine Hand auf seinen Arm.
Das ehemals weiße Tischtuch färbt sich mehr und mehr. Zur Feier des Tages hat mir mein Vater Rotwein bestellt. Das rächt sich jetzt bitterböse.
Kellner eilen herbei, um die Bescherung irgendwie noch einzudämmen.
"Was ist heute bloß los mit dir?!" Die Stimme meines Vaters kann seinen unterdrückten Zorn kaum verbergen. "In deinem Alter sollte so etwas nicht mehr passieren. Müssen wir uns jetzt etwa noch für dich schämen?!"
"Es tut mir leid.", hauche ich den Tränen nahe.
Meine Mutter erhebt sich ruhig, kommt zu mir und nimmt mich in den Arm. Es ist ihre Methode, die Situation zu entschärfen. Sie kann meinen Vater nicht mehr durch eine einfache Berührung zurückhalten und ablenken. Stattdessen baut sie nun einen Schutzschild zwischen ihm und mir auf.
"Es tut mir leid.", wiederhole ich noch leiser, sodass nur meine Mutter es hören kann. "Ich wollte das nicht." Denn ich weiß nicht, was los ist. Es ist wie verhext, als würde mich etwas am essen hindern wollen.
~
So Leute,
Wie ihr seht passieren Luna weiter seltsame Dinge.
Über Kommentare und Votes würde ich mich - wie immer - sehr freuen.
Was haltet ihr von ihren Eltern?
Habt ihr ein gutes Verhältnis zu euren Eltern?
Was seid ihr eigentlich: Eule oder Lerche?
Die erste Woche Praktikum ist rum.
Montag und Dienstag waren richtig doof. Dann hatte ich aber sowas von keinen Bock mehr. Nur Papierkram. Ätzend hoch fünfundzwanzigtausend.
Der Rest war dann aber ziemlich cool.
Ich habe am Freitag vielleicht für den einen oder anderen kurzen Herzstillstand gesorgt. Ups...
Alles in allem freue ich mich irgendwie auf nächste Woche. Auch wenn ich Angst habe, Papierkram machen zu müssen.
Read u
08.07.18
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