22 (Lava)

Als ich erwache, bin ich zunächst komplett verwirrt. Kaum habe ich die Augen geöffnet, sitze ich aufrecht in dem großen Bett und schaue mich erschrocken um. Aber nach ein paar Augenblicken stürzt die Erinnerung an den gestrigen Abend auf mich ein und ich weiß wieder, dass ich die Nacht im Schloss verbracht habe.

Müde lasse ich mich wieder in die Kissen sinken, bis ich mich schließlich dazu aufraffen kann, doch aufzustehen. Wie auf ein geheimes Signal hin, klopft es an der Tür. Auf mein "Herein." öffnet Dahlia diese und bringt mir ein Tablett mit Frühstück.

Fröhlich lächelnd stellt sie es auf einem Tisch ab und setzt sich daneben. Wie immer sieht sie umwerfend aus. Es ist mir echt ein Rätsel, wie sie es schafft, nach mir schlafen zu gehen, vor mir aufzustehen und dennoch genügend Zeit zu haben, sich zurecht zu machen. Sie wirkt kein bisschen müde. Neben ihr komme ich mir richtig träge vor.

Ich setze mich zu ihr und sie bedeutet mir, zu essen.

"Du solltest heute einen Tag Pause machen.", meint sie beiläufig, während ich hungrig Essen in mich hinein schaufel.

Überrascht halte ich inne. "Aber...", setze ich an. "Es ist gar nicht so lang her, dass ich einen freien Tag hatte, um Ivy zu besuchen." Dass es letztendlich nicht geklappt hat, ist eine andere Sache. Schmerzlich wird mir bei diesem Gedanken bewusst, wie sehr ich meine Freundin vermisse. Ich habe sie nicht mehr gesehen, seitdem ich offiziell in die Gesellschaft eingeführt wurde.

Dahlia sieht mich durchdringend an. Mir wird richtig unwohl bei ihrem Blick, der mir durch Mark und Bein geht. "Ich weiß, dass du viel vorhast. Aber du bist ausgebrannt. Es war einfach zu viel in zu kurzer Zeit. Gönn dir eine kleine Auszeit von dem Ganzen. Du brauchst Kraft, um weiter zu kämpfen."

Als ich nichts darauf erwidere, fügt sie schlicht hinzu: "Du bist müde."

Und in diesem Moment wird mir bewusst, dass sie recht hat. Es ist nicht nur der Stress, erst in das neue Amt hineinwachsen zu müssen, vor einer komplett neuen Lebenssituation zu stehen. Allein mein Kampf um Veränderung raubt mir so unglaublich viel Kraft.

Ein Tag Pause.

Ein Tag Meditation.

Und vielleicht reicht das Ganze aus, um neue Energie zu erlangen, neue Ideen, meine Träume umzusetzen. Aber hauptsächlich merke ich, dass ich diesen einen Tag brauche, da ich einfach das Gefühl habe, nicht mehr zu können, als würde ich in einem Sumpf feststecken, der mich nicht nur am vorwärtsgehen hindert, sondern mich auch noch nach unten zieht.

Ich nicke. "Okay."

"Ich halte für dich die Stellung.", verspricht Dahlia, wodurch mir gleich viel leichter ums Herz wird. Natürlich weiß ich, dass sie nichts tun kann, um mir zu helfen. Aber sie gibt mir das Gefühl, dass sie hinter mir steht. Und damit tut sie letztendlich doch mehr, als die meisten anderen.

Schließlich lässt sie mich mit meinem Frühstück allein. Wahrscheinlich ist ihr aufgefallen, dass ich es nicht so toll finde, mich beim Essen beobachten zu lassen. 

Meine Ungestörtheit beim Essen jedoch, währt nicht lang. Nur wenige Minuten nachdem sie mich verlassen hat, kommt König Sol hinein. Er wirkt gehetzt und unruhig, wie er förmlich zu mir rennt. Nichts ist von seiner königlichen Ausstrahlung geblieben.

"Was ist los?", frage ich verstört.

Direkt vor mir bleibt er stehen und nimmt meine Hände. Schon ein paar Mal hat er das gemacht. Und jedes Mal lief ein sanftes, wohliges Kribbeln durch meinen Körper. Auch dieses Mal lässt es mich nicht im Stich. Es fühlt sich gut an, seine Hand zu halten. Irgendwie ... richtig.

Er geht auf meine Frage gar nicht ein, scheint sie nicht einmal wirklich wahrzunehmen. Er steht irgendwie komplett neben sich. Eine schreckliche Vorahnung überkommt mich.

"Lava.", sagt er. Und es klingt wunderschön. Ich mag es, wenn er meinen Namen ausspricht. "Ich ... ich liebe dich.", bringt er heraus und wirkt selbst vollkommen überrascht von seinen Worten.

Meine Antwort ist fast tonlos. Ich habe einfach nicht genügend Luft in meinen Lungen und Spucke in meinem Mund. Oder beides. "Was?"

Unverwandt starrt er mich an. "Ich habe schon so lange darüber nachgedacht. Tatsächlich schon seitdem ich dich das erste Mal gesehen habe.", sagt er andächtig. "Und heute konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen. Wegen dir."

Ich starre zurück. Mein Blick fest auf ihn fixiert, auf seine Augen, auf jedes Wort, welches aus seinem Mund kommt.

"Ich möchte dich heiraten.", sagt er so einfach, als würde er über das Wetter reden.

"Sag mir, was du denkst!", fordert er mich auf. Viel schneller, als mein Gehirn überhaupt verarbeiten kann, was er mir offenbart hat.

L I E B E !

Das ist ein großes Wort, ein mächtiges Wort. Ich habe niemals darüber nachgedacht, ob ich ihn... Oder doch? Tue ich es? Liebe ich ihn? Bin ich überhaupt in ihn verliebt?

Mein Kopf rattert und rumort.

"Es ist okay, wenn du etwas Zeit brauchst.", meint er und lässt mich los, wodurch meine Hände schlaff nach unten fallen. Fahrig lässt er eine Hand durch die Haare gleiten. Und diese eine Geste sagt mir alles über ihn. Immer ist er kontrolliert und jede Handlung wirkt perfekt einstudiert und elegant. Aber heute sehe ich zum allerersten Mal seine verletzliche Seite.

Und bei diesem Anblick beginnt ein Feuer in mir zu Glühen.

Viel zu schnell, viel schneller als ich reagieren kann, ist er wieder verschwunden und lässt mich mit einem Kopf voll viel zu vieler Gedanken zurück.

~

Als ich direkt nach dem Frühstück im Schloss Zuhause ankomme, empfängt mich eiserne Wut meiner Eltern.

"Wieso bist du gestern nicht nach Hause gekommen?", fragt meine Mutter mit kalter Stimme, die vor unterdrückter Wut nur so bebt. Ich habe sie noch nie so erlebt.

"Es ging gestern so lang, dass ich einfach im Schloss übernachtet habe, da ich einfach so müde war.", erkläre ich entschuldigend. "Dahlia hat mir ein Zimmer hergerichtet."

Sofort entspannen sich die Gesichtszüge meiner Mutter etwas. Es ist offensichtlich, dass sie viel von Dahlia hält. Ihre Wut legt sich spürbar. Und als mein Vater nach ihrer Hand greift, scheint sie fast komplett zu verblassen. Erst jetzt wird ihr bewusst, dass ich zu einer unüblichen Zeit da bin. "Warum bist du jetzt da?", fragt sie wesentlich sanfter.

"Dahlia meinte, ich solle einen Tag Pause machen.", erkläre ich.

Einen Moment schauen meine Eltern mich genau an. Dann nicken sie und lassen mich ein.

"Warum ist es so schlimm, wenn ich im Palast bleibe?", frage ich meine Eltern.

"Weil hier dein Zuhause ist.", meint meine Mutter sachlich.

"Aber es wäre viel praktischer für mich, dort zu bleiben.", werfe ich ein.

"Von jetzt an werden wir dich wohl immer dorthin begleiten und wieder abholen müssen." Meine Eltern schütteln beide den Kopf, als würde ich eine eigentlich einfache Sache nicht verstehen wollen. "Geh meditieren!", befiehlt meine Mutter schließlich knapp.

Und das tue ich dann auch. Oder zumindest versuche ich es. Ich gehe zu meinem See am Wald und setze mich an meinen angestammten Platz. Dann schließe ich meine Augen und beginne meine Atmung zu kontrollieren, um meinen Geist zu beruhigen. Doch er will und will sich nicht zur Ruhe begeben.

Die Frage des Königs geistert in meinem Kopf herum und lässt mir keine Ruhe. Freudige Erregung und Kribbeln macht sich in meinem Körper breit, wenn ich daran denke, einfach ja zu sagen, obwohl ich eigentlich weiß, dass so viel dagegen spricht. Wenn meine Eltern sogar ein Problem damit haben, dass ich länger im Schloss bleibe, als eigentlich nötig, würden sie dem niemals zustimmen. Ich kann die Entscheidung nicht jetzt treffen. Ich brauche einfach mehr Zeit, mehr Zeit mit ihm. Aber diese Möglichkeit wollen sie mir nehmen.

Ich fasse einen Entschluss. Vielleicht ist er überstürzt. Vielleicht ist er ein großer Fehler. Aber im Moment erscheint er mir die einzige Möglichkeit zu sein. Langsam erhebe ich mich von meinem Platz. Und im selben Moment erhebe ich die geistige Ebene meiner Welt mit mir. Niemals darf ich das körperliche so berühren. Dadurch würde ich die Kuppel zerstören, die meinen Ort vom Rest der Welt abschirmt und meine Energie am Zaum hält.

Was ich aber tun kann, ist sie geistig zu dehnen. Ich muss sie so dehnen, dass eine Sache mehr Platz findet und eine stabile Pfort erschaffen, durch die nur diese eine Sache, diese eine Person, gehen kann.

Nach gefühlt stundenlanger Arbeit bin ich bereit, danach zu rufen. Ich schicke meinen Geist auf die Reise, nach ihm zu suchen und zu mir zu holen. Binnen eines Wimpernschlages steht er direkt neben mir und schaut mich aus weit aufgerissen Augen an.

"Was ist passiert?", flüstert er fassungslos.

"Ich kann die Entscheidung nicht gleich treffen. Ich brauche dafür mehr Zeit mit dir.", erkläre ich sachlich.

Er nickt einfach nur mechanisch und schaut sich dann um. "Ist er das?", fragt er dann ehrfürchtig. "Dein Zufluchtsort?"

Ich nicke bestätigend, während ich mir erschöpft das Haar aus der schweißnassen Stirn streiche.

Wieder richtet sich sein durchdringender Blick auf mich. "Vielen Dank für dieses Geschenk."

"Du kannst jederzeit hierher kommen und mich rufen. Und genauso kann ich dich von hier aus auch zu mir rufen."

Seine Augen strahlen. "Ich wollte immer wissen, wie die Welt aus deinen Augen betrachtet aussieht."

Und dies bringt mich dazu alle weitere Vorsicht fallen zu lassen. Leicht lege ich meine Hand auf sein Herz und sehe, wie er die Kraft spürt, die ich zu ihm sende.

"Was ist das?", fragt er verwundert, während er vor mir verblasst, da ich ihn nach Hause schicke.

~

So Leute,
Was für eine Woche.
Stress nur unterbrochen von Stress.
Aber trotzdem war es toll, denn ich hatte definitiv keine Langeweile.
Immer schön positiv denken.

Teil 22 handelt wieder von Lava.
Und er wirkt auf mich überhaupt kein bisschen zu voll. Nein. Gar nicht.

Was denkt ihr dazu?

Was hat es mit diesem zweiten Geschenk auf sich?

Ich wünsche euch eine schöne entspannte nächste Woche.
Denn die hätte ich selber gerne.
Aber hey. Man kann halt nicht alles haben.

Write u

14.10.18

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