19 (Luna)

"Warum? Was hast du getan?", frage ich leise. Dann fällt mir das eigentlich kuriose an der ganzen Situation auf. "Du hast mir nichts getan und doch empfinde ich diesen Hass für dich, seit dem ich dich das erste Mal gesehen habe.", wage ich es endlich, es auszusprechen.

Er blickt mich nur stumm an. In seinen Augen offenbart sich großer Schmerz, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt, denn niemand sollte solch große Lasten bei sich tragen.

"Es tut mir Leid.", sage ich, während ich den Blick abwende, da ich es einfach nicht mehr ertragen kann. "Wahrscheinlich bin ich einfach ein schlechter Mensch, der voll ist mit Vorurteilen und - "

"Stopp!", unterbricht er mich einfach. "Denk das nicht."

"Aber es ist wahr. Du hast mir nie etwas getan."

"Woher willst du das so genau wissen?", fragt er ruhig.

Das Gefühl in mir brodelt hoch und ich fauche ihn förmlich an. "Ich werde ja wohl wissen, wer mir in den letzten achtzehn Jahren, was angetan hat." Als mir mein Tonfall auffällt, halte ich einen Moment inne und atme tief durch, während ich versuche, die Kontrolle wieder zu gewinnen. "Ich müsste eigentlich wissen, ob jemand etwas getan, das solch starke Auswirkungen hatte."

"Was ist, wenn es viel länger her ist?"

Verdutzt sehe ich ihn an. "Das ist nicht möglich.", entscheide ich dann. "Es kann ja wohl schlecht vor meiner Geburt gewesen sein."

"Und wenn doch?"

"Menschen werden geboren und sterben. Es gibt kein davor und auch kein danach. Ihre Gene, die sie von ihren Eltern bekommen, bestimmen sie und ihre Erfahrungen, die sie im Leben machen formen sie. So werden sie zu dem Menschen, der sie sind."

"Und was passiert mit der Seele?"

Sprachlos schaue ich ihn an. "Was meinst du?", bringe ich schließlich hervor. Worauf will er nur hinaus?

"Körper sterben, aber Seelen leben weiter. In einem früheren Leben habe ich deiner Seele großes Unrecht angetan und sie hat mir bis heute nicht verzeihen können.", erklärt er schlicht, was unfassbar ist.

Ich kann nur sarkastisch reagieren. "Ah, ja klar. Und wieso genau erinnerst du dich an deine Tat und ich mich nicht?"

"Weil es für mich dieses Leben ist. Du jedoch bist gestorben und lebst nun in einem anderen Leben."

Meinen Tonfall behalte ich bei. Auf derartige Ungeheuerlichkeiten kann man einfach nicht anders reagieren. "Und woher weißt du dann, dass ich es bin. Sehe ich etwa noch genauso aus?", höhne ich.

"Nichts an dir ist so wie es bei ihr war. Du bist ein gänzlich anderer Mensch geworden." Sein Tonfall hat etwas beschwichtigendes an sich. Als würde er mit einem kleinen Kind bockigen Kind reden.

"Wieso bist du dir dann so sicher?"

Er sieht mich stumm an, während mir schon wieder Tränen in die Augen steigen. Langsam hebt er die Hand, als würde er sie wegwischen wollen. Aber ich komme ihm zuvor.

Er seufzt leise. "Du kennst doch sicherlich die Aussage: Die Augen sind der Spiegel der Seele."

Ich nicke.

"Deine Seele strahlt durch deine Augen. Daran habe ich dich erkannt."

"Was?!"

"Ich habe lange nach dir gesucht und so einige Male daran gezweifelt, ob ich dich jemals finden würde, ob ich dich erkennen würde. Aber als ich dich an der Straße gesehen habe, wusste ich sofort, dass du es bist. Es gab keinerlei Zweifel daran."

"Was?!", wiederhole ich mich. Er setzt wieder zum Sprechen an, aber mir reicht es nun endgültig. Fahrig stehe ich auf und will gehen. Als mir noch eine Frage in den Sinn kommt, die ich noch unbedingt stellen muss, bevor ich ihn endgültig als verrückt abstempeln werde.

"Wenn du sagst, dass du mir das Ganze vor meiner Geburt angetan hast und dass du lange nach mir gesucht hast, heißt das, dass du älter sein musst, als es auf den ersten Blick scheint, oder? "

Er schaut zu mir hinauf und macht keinerlei Anstalten, mir zu folgen. "Das ist wahr."

"Bist du etwa unsterblich?"

Er wägt seine Worte ab, bevor er mir die Antwort gibt. "Ich fürchte ja."

Das nehme ich als Zeichen dafür, dass es die Zeit nun gekommen ist, endlich abzuhauen. Geschwind drehe ich mich um und mache mich auf den Weg nach Hause. Dabei werfe ich keinen Blick mehr zu ihm. Ich will nicht wissen, was er jetzt tut. Es interessiert mich nicht, ob er sitzen bleibt und weiter in die Luft  starrt oder ob er mir vielleicht sogar folgt.

Ich glaube nicht, dass er mir folgen wird. Keine Ahnung warum, aber dabei bin ich mir ziemlich sicher. Ich will einfach nur schnellstmöglich nach Hause und mich dort meinem Selbstmitleid hingeben.

~

Mein erster Gang nachdem ich zuhause ankam, führt mich direkt ins Bett. Es ist einfach zu viel für mich. Ständig passieren mir verrückte Dinge. Nichts ergibt mehr Sinn und zu allem Überfluss sind dann auch noch Menschen um mich herum, die komplett durchgeknallt sind. Verrückte ziehen scheinbar andere Verrückte magisch an. Wenigstens bin ich noch so weit bei Verstand, zumindest zu erkennen, dass ein Unsterblicher, der meiner Seele in einem früheren Leben irgendein Unrecht angetan hat und nun nach meiner Vergebung sucht, kompletter Schwachsinn ist, kompletter Schwachsinn sein muss. Am Ende gibt es ihn vielleicht nicht mal und ich habe stattdessen nur munter vor mich hin halluziniert.

Ich will das nicht. Weinend presse ich mein Kissen an mich. Zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir eine Familie, die wirklich interessiert, wie es mir geht.
Eltern, die da sind, um ihr einziges Kind zu trösten, bei dem gerade das komplette Leben den Bach hinunter geht. Ich will doch einfach nur irgendjemanden, der mir hilft, das ganze Chaos irgendwie wieder in den Griff zu kriegen und zu ordnen.

Bei den ganzen Ungeheuerlichkeiten der letzten Tage müsste doch einfach nur irgendjemand den Zauberstab schwingen und alles wäre wieder gut.
Zumindest würde das voll in die Situation passen.

Aber das wird nicht passieren, denn letztendlich bin ich allein und muss meine Probleme irgendwie selbst in den Griff kriegen.
Ich wünschte, meine Eltern würden ihre Liebe weniger durch Geschenke, als vielmehr durch Aufmerksamkeit ausdrücken. Aber das das niemals passieren wird, ist mir schon längst klar.

~

So Leute,
Geheimnisse wurden gelüftet.
Jetzt solltet ihr auch endlich verstehen, was es mit Titel und Cover auf sich hat.
An Theorien bin ich sehr interessiert.

Persönlich finde ich diesen Teil besser gelungen als die letzten.
Vielleicht komme ich gerade wieder in meinen Flow rein oder sowas.

Auf Arbeit wird es immer leichter, obwohl es immer noch viele Schwierigkeiten und Probleme gibt.
Noch immer habe ich unglaublich viel zu tun, was ich munter vor mir herschieben kann - und tue.

Ich habe irgendwie das Gefühl, als könne man an meinem Geschreibsel total ablesen, wie ich gerade drauf bin.
Irgendwie strange.

Write u

16.09.18













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