18 (Lavandula)

Die ersten Wochen meiner Amtszeit sind geschafft. Inzwischen hatte ich genug Zeit, mich etwas einzugewöhnen und mein Amt kennenzulernen.

Glücklicherweise werde ich nicht einfach sofort ins kalte Wasser geschubst, sondern habe immernoch meine Eltern um mich herum. Mit Rat und Tat stehen sie mir zur Seite. Und das brauche ich auch, denn obwohl ich so viel über das Leben außerhalb meines Zuhauses gelernt habe, merke ich doch mit jedem Tag, dass ich viele Sachen nicht weiß, weil ich sie einfach niemals erlebt habe.

Jeder Tag ist eine Herausforderung für mich. Und jeden Tag bin ich nicht sicher, ob ich ihr auch wirklich gewachsen bin.

Mit dem König verstehe ich mich inzwischen erstaunlich gut. Das ist ziemlich vorteilhaft, da wir es in langen Beratungen miteinander aushalten müssen, welche oftmals bis tief in die Nacht hinein gehen. Jedes Mal bietet mir der König ein Zimmer für den Rest der Nacht an, wenn ich fast im Stehen einschlafe, weil ich einfach so ausgelaugt bin. Und jedes Mal schießen meine Eltern dagegen und zwingen mich Zuhause zusatzlich zu meiner täglichen Meditation. Niemals lassen sie mich mit ihm allein. Und wenn sie einmal nicht da sind, ist Dahlia anwesend.

Ich fühle mich deswegen in letzter Zeit dauermüde und ausgelaugt.

Deswegen wurde mir heute die Erlaubnis erteilt, meiner Pflicht fernzubleiben und einen Tag für mich zu nutzen. Ich musste nicht eine Sekunde überlegen, um zu entscheiden, was ich heute machen werde. Kurzerhand habe ich beschlossen, Ivy zu besuchen. Kein Stress der Welt kann verhindern, dass ich sie schrecklich vermisse. Jeden einzelnen Tag denke ich an sie und frage mich, ob es ihr gut geht und wie ihre Hochzeit war. Ob sie sich mit ihrem Ehemann versteht? Ich habe nichts mehr von ihr gehört, seitdem ich sie das letzte Mal gesehen habe.

Ich weiß, dass sie jetzt etwas außerhalb der Stadt auf dem Anwesen ihres Mannes lebt. Vermutlich hat sie dort genauso viel zu tun wie ich, um ihrer neuen Rolle als Hausherrin gerecht zu werden und sich im neuen Haushalt einzufinden.

Jetzt gerade sitze ich in meiner Kutsche auf dem Weg zu ihr. Ich freue mich so unglaublich darauf sie wiederzusehen, dass ich mir kaum die Zeit genommen habe, ihr eine Nachricht zu schicken, um mich anzukündigen. Auf ihre Antwort habe ich dann gar nicht erst gewartet.

Langsam schlängelt sich die Kutsche aus der Stadt hinaus. Die ganze Zeit hebe ich etwas die Vorhänge an, um einen Blick auf das rege Leben draußen zu werfen und die Menschen in ihrem Alltag zu beobachten. Die Menschen beachten mich nicht.

Sobald wir durch das Tor fahren, lasse ich die Vorhänge wieder sinken und lehne mich etwas zurück, um mich noch ein wenig auszuruhen. Je weiter wir uns von den Mauern entfernen, desto schlechter wird die Straße. Der eben noch mit Steinen ausgelegte Weg wird immer holpriger und bald fahren wir nur noch über blanke Erde. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Ivy an einem Ort lebt, der so abgeschieden ist.

Irgendwann bleibt die Kutsche plötzlich stehen. Neugierig hebe ich den Vorhang wieder etwas an, um zu sehen, ob wir endlich da sind. Doch draußen sehe ich weit und breit nur Felder, welche von Menschen bearbeitet werden, die ziemlich ärmlich gekleidet sind.

"Lasst uns durch!", brüllt der Kutscher. "Oder wollt ihr, dass das Herz euch zürnt und Missernten beschert?"

Missernten? Ich öffne meine Tür ein wenig und spähe nach draußen, wo eine Mauer aus Menschen den weiteren Weg versperrt.

"Was hat das Herz je für uns getan?", brüllt einer der Bauern. "Es sitzt oben in seinen heiligen Hallen und scherzt mit dem König. Es interessiert sich nicht für das einfache Volk."

Ruckartig reiße ich die Tür auf und sehe gerade noch, wie jemand zu dem Mann zischt, dass er leise sein soll.

Mechanisch steige ich aus und trete an der Kutsche vorbei vor den Mann hin. "Was sagst du da?"

Er lächelt zynisch zu mir hinunter als er sagt: "Du bist nur ein kleines Mädchen, welches kaum dazu in der Lage ist, die Kontrolle zu bewahren. Du bist in Pracht und ohne auch nur eine Ahnung von Hunger und Not zu haben, wohlbehütet aufgewachsen. Niemals bist du dazu in der Lage, irgendetwas für das einfache Volk zu tun."

"Wovon redet ihr?", frage ich ihn perplex.

"Bei deinem ersten öffentlichen Auftritt hast du die Kontrolle verloren und es regnen lassen."

"Das ist nicht wahr.", flüstere ich, vollkommen geschockt von dem Elend, das aus seinen Augen spricht.

Er hört mich gar nicht, sondern spricht einfach weiter. "Was in der Hauptstadt nur ein kleiner Regenguss war, war hier ein Sturm. Einige Bäume haben ihre Äste verloren und ein Baum ist sogar auf ein Haus gestürzt und hat die Familie darin erschlagen."

Wieder zischt ihm die Frau neben ihm zu, dass er aufhören soll.

"Mit mir hat das nichts zu tun.", erkläre ich. Innerlich fühle ich mich aufgewühlt, doch ich kämpfe dieses Gefühl mutig nieder. Dennoch zeugt starker Wind, der an unseren Kleidern reißt von meinem Innersten.

"Hast du davon überhaupt gewusst?", fragt er. "Hast du gewusst, was direkt vor deiner Haustür passiert ist? Oder interessiert es dich überhaupt nicht und du hast die Information einfach als unnötigen Kleinkram abgetan."

"Halt endlich den Mund!", zischt ihm wieder die Person neben ihm zu.

Das ist mir eine willkommene Abwechslung, um kurz verschnaufen zu können und meine Gefühle zu ordnen. Ich schaue zu ihr. Das Mädchen senkt schnell den Kopf und lässt die Haare nach vorn fallen. Etwas an ihr kommt mir bekannt vor. Ihre Kleidung ist genauso ärmlich und abgewetzt, wie die vom Rest der Leute. Dennoch unterscheidet sich ihre Haltung und ihre ganze Ausstrahlung von den anderen. Ich trete vor sie und suche den Blick in ihre Augen. Darin lese ich einen Schmerz, der so tief ist, wie ich ihn nur bei einer Person bisher gesehen habe. Das Mädchen vor mir sieht ihr erstaunlich unähnlich und trotzdem weiß ich sofort, dass es Dahlia ist.

~

Dahlia und ich sitzen in meiner Kutsche. Dahlia hat mir geholfen, die Menschen zu beruhigen. Nur eine Bedingung haben sie gestellt. Ich soll ihnen zuhören. Jedem einzelnen von ihnen. Nacheinander werde ich in meiner Kutsche mit ihnen reden. Der geplante Tag mit Ivy wird damit ausfallen.

"Wieso bist du hier?", frage ich Dahlia. "Wieso umgibst du dich mit diesen Menschen, wenn sie solch einen Hass auf die Obrigkeit haben?"

"Ich will ihnen helfen.", erklärt sie schlicht. "Ich glaube, dass ein guter Herrscher mit seinem Volk reden und es verstehen sollte, um herauszufinden, was das beste für die Menschen ist. Die Aufgabe von uns da oben sollte sein, etwas für unser Volk zu tun. Die kleinen Entscheidungen die oben leichtfertig getroffen werden, treffen das einfache Volk oftmals so tief."

Für einen Moment lasse ich mir ihre Worte durch den Kopf gehen. "Ich fühle mich so furchtbar, weil ich mir noch nie einen Kopf darüber gemacht habe, was die Leute wirklich wollen. Ich dachte sie würden mich mögen wegen der Dinge die ich für sie tun werde. Aber nun habe ich gemerkt, dass ich absolut und überhaupt keine Ahnung habe, was diese Dinge sind."

Dahlia setzt sich zu mir und legt einen Arm um mich. "Sie werden dich lieben. Hör ihnen zu und du erfährst, was sie wirklich brauchen und wollen. Du wirst feststellen, dass es ganz banale Dinge sind, welche für uns beide selbstverständlich wären. Doch für sie sind sie es nicht. Du wirst hart kämpfen müssen, um sie durchzusetzen. Aber mit jedem kleinen Sieg den du erringst, wird deine Achtung in ihren Herzen steigen. Ich kenne dich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass du ein von Herzen guter Mensch bist, der alles daran setzen wird, diesen Kampf zu gewinnen."

"Seit wann bist du schon so?", frage ich neugierig. "Seit wann gehst du zu den Menschen hin, um das Volk tatsächlich kennenzulernen?"

Sie lächelt leicht. Aber dennoch kann sie die Wehmut nicht aus ihren Augen verbannen. "Ich wollte schon immer etwas in unserer Welt verändern. Etwas besser machen."

Dann geht sie und holt mir nacheinander die einzelnen Menschen hinein. Diese sind plötzlich wie ausgewechselt, erzählen mir von ihrem Leben und von dem vielen Glück, welches sie miteinander teilen. Aber dann erzählen sie mir auch von den Schattenseiten ihres Lebens. Sie erzählen Mängeln, die ich mir niemals hätte vorstellen können, da ich einfach keine Ahnung hatte, dass diese Dinge ein Problem wären. Und als sich der Tag langsam dem Ende neigt, entwickele ich eine langsame Vorstellung davon, was getan werden muss. Ich weiß, dass ich heute einen ersten kleinen Schritt zu einer guten Herrschaft hin getan habe.

Er ist winzig, aber es wird der erste von vielen sein.

~

So Leute,
Hiermit präsentiere ich euch kleinlaut (weil eine Woche zu spät) Teil 18.
Kritik und Anmerkungen gerne in die Kommentare. (Ihr kennt ja das Prozedere)

Was soll ich sagen? Der Stress hatte mich fest im Griff.
Ich stand einfach unter mega heftigem Druck, wo auf Arbeit noch nicht alles ganz so super klappt und habe deshalb eiskalt eine Pause genommen.

Meine Kollegen sagen mir auch immer wieder, dass ich es mit dem Stress etwas übertreibe, da es unmöglich ist, jetzt schon alles zu können.

Aber letztendlich ist es doch sowieso besser sich immer weiter zu puschen, als schon jetzt mit sich zufrieden zu sein.

Ich verspreche nicht, dass nächste Woche wieder was kommt,werde mich aber bemühen.
Ich bin gerade auch am überlegen, die Geschichte abzukürzen und schnell zu beenden, um sie dann zu einem späteren Zeitpunkt vollständig zu überarbeiten.
Denn gerade fehlt mir stressbedingt einfach etwas Motivation und - eigentlich vor allem - Ideen.
In meinem Kopf dreht sich alles um so viele Dinge, dass ich kaum Platz finde, mich hierauf zu konzentrieren.
Sorry.

Write u

09.09.18







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