Kapitel 22: Real oder imaginär - das ist hier die Frage
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Es tut mir Leid, momentan bin ich sehr inaktiv auf Wattpad und finde auch sonst sehr wenig Zeit um zu Schreiben. Momentan habe ich einfach sehr wenig Motivation. I'm so sorry. Aber ich versuche in nächster Zeit wenigstens diese Story etwas regelmäßiger upzudaten - immerhin habe ich bei dieser Geschichte (zum Glück) schon relativ viel vorgeschrieben.
LG CoolerBenutzername
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„Dein Vater hat mir erzählt, du wurdest gestern Abend überfallen." Dr. Mykon tastet sich besonders vorsichtig an das Thema heran und ich vermeide ihren Blick, indem ich aus dem Fenster starre. Hinter der Glasscheibe kann ich die dunklen Wolken am Himmelszelt erkennen und in den Fensterfronten des Nachbarhochhauses spiegeln sich drei fliegende Vögel. „Sie wurde nicht überfallen," wirft Tyke korrigierend ein und mein Blick landet schlagartig auf ihm. Er hat sich auf dem Stuhl neben mir leicht zurückgelehnt und die Arme nach vorne gestreckt. Seine Finger berühren stützend die Platte des Schreibtisches und würde Dr. Mykon ihn sehen können, hätte sie ihn wahrscheinlich schon längst darum gebeten, dass sein zu lassen. Die vorderen Stuhlbeine schweben leicht in der Luft und es scheint eine Leichtigkeit für ihn zu sein, seinen Körper auszubalancieren. „Stimmt das?" bohrt die junge Frau in diesem Moment genauer nach und mustert mich mit einem aufmerksamen Blick. Sie ist es gewohnt, dass ich nicht antworte. Ich bin gewohnt, dass sie nachfragt. Bevor sie mir jedoch noch zehnmal dieselbe Frage stellen kann, nicke ich leicht. Soll auch sie denken, dass ich von Unbekannten überfallen wurde.
„Was ist passiert?" Dieses Mal gebe ich Tyke nicht erst die Zeit zu antworten. Stattdessen beantworte ich die Frage: „Es war dunkel und ich war alleine unterwegs," ich erinnere mich daran, dass Lügen immer glaubhafter werden, wenn man Teile der Wahrheit mit einbringt, „Dann waren da fünf dunkle Gestalten. Fast wie Schatten." Mein Blick schweift für wenige Sekunden zu Tyke, der meiner Lügengeschichte aufmerksam zuhört, jedoch bisher nichts einzuwenden hat. Ich bin froh, dass er es nicht tut. Es ist schwer sich zu konzentrieren, wenn eine Stimme pausenlos in deinem Kopf tönt und dir bei jedem Wort wiederspricht. „Sie haben mich angegriffen und ich bin hingefallen." Ich zucke mit den Schultern und höre auf zu erzählen. Mir fällt auf, dass ich schon wieder zu viel rede. Normalerweise bekommt Dr. Mykon bei einer Sitzung nicht mehr als fünf Sätze aus mir raus. Tyke's Anwesenheit macht mich jedoch nervös. Seine Vorwürfe noch viel mehr.
„Fünf Gestalten also." Ich kann hören wie sich die Ärztin etwas auf ihrem Block notiert, während sie meine Worte gedankenverloren wiederholt. Ich habe nicht vor etwas zu erwidern und starre schweigend auf meine Hände. „Schattenkrieger," ertönt nun Tyke's Stimme neben mir, als würde er die Worte von Dr. Mykon bestätigen wollen. Nur dass er das, nicht wirklich tut. Immerhin redet er von imaginären Gestalten, die versucht haben uns zu töten, während Dr. Mykon wahrscheinlich von irgendwelchen mittelklassigen Taschendieben ausgeht. Ich atme tief durch und versuche Tyke's Stimme auszublenden. Wenn ich so tue, als wäre er nicht da, verschwindet er vielleicht. „Und sie haben dich angegriffen?" Ich kann spüren, dass ich bestätigend nicke, obwohl ich eigentlich nicht vorhatte auf ihre Frage zu reagieren. Erneut kratzt der Kugelschreiber über das Blatt ihrer Notizen und kurz schließe ich die Augen.
„Ich dachte du wolltest sie beschützen?"
„Sie sind stärker geworden."
Ich öffne blinzelnd die Augen und starre erst Dr. Mykon, dann Tyke an. Der Junge hat die Arme vor der Brust verschränkt und schweigt. Meine Therapeutin notiert sich noch immer etwas auf ihrem Block und ich schüttele leicht den Kopf. Toll. Jetzt bilde ich mir auch noch ein, dass meine Therapeutin mit meinem imaginären Freund redet. Einfach nur traumhaft. Ich richte meinen Blick aus dem Fenster und hoffe, mich durch die Aussicht ablenken zu können.
„Hattest du Angst?"
Ich habe keine Ahnung was ich auf diese Frage antworten soll. Hatte ich Angst? Ich kann den geduldigen Blick von Dr. Mykon auf mir spüren, aber der abwartende Blick von Tyke bohrt sich noch viel tiefer in mein Gewissen. Er scheint genauso gespannt auf die Antwort, wie die Therapeutin selbst. Meine Finger verkrampfen sich und krallen sich ineinander. Meine Fingernägel berühren meine Handflächen und streifen dabei über die Schürfwunde, auf der sich bereits Schorf gebildet hat. „Sie hatte keine Angst," ergreift nun Tyke das Wort und ich bin überrascht das er mich verteidigt. Jedoch lasse ich mir nicht anmerken, dass mein Unterbewusstsein für mich antwortet. Stattdessen schlucke ich schwer und drücke meine Fingernägel noch fester in meine Handflächen. Brennende Schmerzen ziehen sich pulsierend durch meine Finger und durch mein Handgelenk. Unter meinen Fingerkuppen kann ich den harten Wundschorf spüren, der sich uneben über meine Handfläche zieht. Die Verletzungen sind der Ursprung für meine pulsierenden Schmerzen. Hatte ich Angst?
„Sie hat den einen Typ einfach in einen Schmetterling verwandelt."
Von diesem Teil der Geschichte weiß Tyke nur, weil ich ihm gestern davon erzählt habe. Er hat es nicht gesehen, scheint trotzdem davon begeistert. Ich frage mich, wann er auch noch anfängt zu erzählen, wie ich den Dolch nur mit meiner Fantasie bewegt habe. Dabei waren es nicht meine Gedanken, sondern Pok. Diesen Part der Geschichte konnte ich noch nicht Richtigstellen. Wenn Tyke von etwas begeistert ist, ist es schwer, ihm ins Wort zu fallen. Dann plappert er wie ein Wasserfall und seine Augen strahlen wie die eines Fünfjährigen. „Du hast dich verteidigt?" Jetzt fängt mein imaginärer Freund tatsächlich damit an von dem schwebenden Dolch zu erzählen und wie ich ihm damit das Leben gerettet habe. Naja gut er erzählt es nicht so. Natürlich lässt er den lebensbedrohlichen Teil aus und tut so, als hätte er meine Hilfe nicht gebraucht. Ich glaube er mag es nicht, zugeben zu müssen, dass er sehr wohl meine Hilfe gebraucht hat. Noch eine Eigenschaft, die wir teilen.
Meine Finger verkrampfen sich und krallen sich noch fester in meine Handflächen. Hitze steigt in meinem Körper auf und das Atem fällt mir schwerer. Meine Nägel kratzen über den harten Schorf, der die Schürfwunden auf meinen Handflächen schützend überdeckt. Der darauf heftig pulsierende Schmerz hilft mir in diesem Moment beim Denken. Oder wohl eher beim Nicht-Darüber-Nachdenken. Er hallt in meinem Kopf nach und gemischt mit der Hitze in meinem Körper legt er für wenige Sekunden meine sich überschlagenden Gedanken lahm. Tyke's Stimme rutscht immer weiter in den Hintergrund und mit ihm auch die weiterhin penetrant nachfragende Stimme von Dr. Mykon.
„Erin?"
Ich werde ruckartig aus meiner Trance gerissen und zucke zusammen. Dabei entspannen sich meine Finger kaum merklich und der Druck auf die Schürfwunden schwindet. Die brennenden Schmerzen lassen nach, doch das schmerzhafte Pulsieren zieht sich weiterhin mit einem monotonen Pochen durch meine Glieder. Ich hebe meinen Blick und richte meine Augen auf meine Ärztin, die mich besorgt mustert. Auch Tyke hat aufgehört zu Reden und ich frage mich, wie lange ich in meiner benebelnden Gedankenlosigkeit gefangen war. „Geht es dir gut?" Ich nicke schwach und hoffe, dass Dr. Mykon mir meine Antwort abkauft. Ehrlich gesagt habe ich selbst keine Ahnung, ob sie ehrlich oder gelogen ist. Langsam weicht nun auch die Hitze aus meinem Körper und die Gedanken kehren in meinen Kopf zurück.
„Tyke hat mir gerade erzählt, dass ihr nur knapp den Männern entkommen seid," mein Blick landet schlagartig auf der Ärztin. „Er hat WAS?" frage ich geschockt nach und ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme zum Ende hin lauter wird. „Ich habe ihr alles erzählt," Tyke zuckt mit den Schultern und mit großen Augen starre ich ihn an, „Ihr können wir vertrauen. Sie ist sogar diejenige, die mich dazu beauftragt hat, dich zu beschützten!" Mein Blick wandert von ihm zu Dr. Mykon, die zustimmend nickt. Zurück zu Tyke. Zurück zu Dr. Mykon. „Warte...," ich kann nicht aufhören meinen Blick zwischen den beiden her schweifen zu lassen, „Sie können ihn sehen?" Ich zeige auf Tyke, der noch immer mit dem Stuhl wippt. „Natürlich kann ich ihn sehen," Dr. Mykon klingt so, als wäre ich verrückt, „Warum sollte ich ihn denn nicht sehen können?" „Weil...weil...," meine Stimme gerät in ein ungläubiges Stottern, „Weil er nicht echt ist. Er ist nur in meinem Kopf - wie Pok!"
„Du hast ihr erzählt, du bist imaginär?" Die junge Frau klingt geschockt. Sie richtet ihre Augen fassungslos auf Tyke, der daraufhin locker mit den Schultern zuckt. Er scheint nichts zu seiner Verteidigung sagen zu haben. Er schweigt und Dr. Mykon richtet ihren Blick zurück auf mich. „Erin," sie spricht mit einer sanften Stimme und lehnt sich in ihrem Stuhl leicht nach vorne, „Tyke ist sehr wohl real. Er ist ein Mensch wie du und ich." Ihre kann ihre Worte hören, aber nicht wirklich verstehen. Meine Augen landen erneut auf Tyke. Ich mustere den Jungen, den ich bis zu diesem Moment für eine Vorstellung meiner verwobenen Gedanken gehalten habe.
Fuck.
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