Sturm
Fest biss ich mir auf die Zunge, um ihnen nicht die Genugtuung meiner Schmerzen zu geben und schloss erneut meine Augen.
Ich konzentrierte mich auf die Wut in meinem Inneren, schürte die Flamme immer weiter, bis mein Verstand und auch meine Sicht komplett von ihr eingeschlossen war. Den metallischen Geschmack auf meiner Zunge ignorierte ich, holte tief Luft und stieß einen Schrei aus, der aus den tiefsten Tiefen meiner Seele kam. Mit ihm brach eine Mauer in mir, die jahrelang etwas in mit blockiert und versteckt hatte.
Ich öffnete meine Augen und schrie ein weiteres mal, den Blick fest auf Arthur gerichtet, welcher mich entsetzt ansah.
An meinen Handgelenken spürte ich etwas heißen, das mir zähflüssig über die Haut lief, aber das nahm ich nur am Rande war.
Meine gesamte Aufmerksamkeit war auf Arthur gerichtet, dessen faltenfreies Jacket nun Feuer fing.
Er selbst schien sich dessen nicht bewusst zu sein und erwiderte weiter mit weit aufgerissenen Augen meinen Blick. Erst als Alex ihm hastig die Kleider vom Leibe riss, erwachte er aus seiner Starre. Er drehte sich zu den Wachen um ihnen etwas zuzubrüllen, jedoch hockten diese wimmernd auf dem Boden und zerrten an ihrer brennenden Uniform. Die Eisaugen rannten panisch mit hochroten Gesichtern herum und fuchtelten wild mit den Armen.
Arthur wischte sich mit dem Ärmel seines Hemdes den Schweiß von der Stirn und schaute wieder zu mir.
Ich hatte bemerkt, das meine Handschellen geschmolzen und die Lederriemen, mit denen meine Beine fixiert waren, verbrannt zu Boden gefallen waren und war aufgestanden. Mit einer Hand packte ich die Kabel der Elektroden und riss sie mir vom Leibe. Die Kabel selbst zerschmolzen in meiner Handfläche und tropfen, den Geruch von verbranntem Plastik verströmend, zu den Lederriemen.
Arthur beobachtete mich ängstlich, stürzte zur Tür und rüttelte heftig an ihr.
Langsam ging ich um den Tisch herum und hörte, wie die Teufelsmaschine hinter mir explodierte.
Die Eisaugen und Wachen wichen erschrocken den Teilen aus, die durch den Raum flogen und rannten zur Tür.
Ohne, das ich auch nur einen Kratzer abbekam setzte ich einen Fuß vor den anderen und verkürzte immer mehr den Abstand zwischen mir und dem alten Schwein.
Als diese Idioten sich endlich erinnerten, dass man die Tür ziehen und nicht drücken muss, rissen sie diese auf und stoben panisch nach draußen.
Arthur vorne her, gefolgt von Alex und den Wachen. Die Mäntel der Eisaugen machten es ihnen nicht gerade einfach zu rennen, da sie sich gegenseitig darin verfingen und immer wieder strauchelten.
Auf dem Flur dröhnte der Feueralarm und über die nackten Wände zuckten die roten Alarm Leuchten.
Es war ein einziges Chaos.
Überall rannten panisch Menschen umher und schrien wild durcheinander.
Als ich den Raum verließ hörte ich ein piepen, begleitet von einem leisen Klicken, als die Sprinkler von der Decke gelassen wurden und sofort anfingen Wasser zu spritzen.
Jeder tropfen, der meine Haut berührte verdampfte sofort und hüllte mich in einen blassen Nebel, während ich weiter den Gang entlang spazierte.
Mein Ziel hatte sich nicht geändert und warf mir immer wieder kurze Blicke über die Schulter zu.
An jeder Tür, an der ich vorbei ging, hob ich die Hand und legte sie auf das Schloss, welches augenblicklich anfing zu schmelzen. Als ich diese Türen dann hinter mir lies, hörte ich, wie sie aufknallten und nackte Füße über den Boden patschten.
Arthur schien sich entschieden zu haben, dass er kein feiges Huhn sein wollte und krallte sich von einem der Wachen die Knarre, welche er hektisch entsicherte und auf mich richtete.
Kaum sahen die Eisaugen, dass eine Waffe auf jemanden gerichtet wurde, stoben sie geduckt auseinander, die Arme schützend über ihr aller wichtigstes Heiligtum, ihren Kopf, gehoben.
So entstand eine freie Schneise zwischen mir und Arthur, die ich nun problemlos entlang gehen konnte.
Arthurs Blick war fest auf mich gerichtet und seine klatschnassen Finger umklammerten fest den Griff der Pistole, sodass die Knöchel weiß heraus traten. Schweiß oder das Wasser lief ihm über die Wangen und tropfte von seiner Nase.
"Stehen bleiben!" schrie er, was aber wegen dem lauten Alarm nur schlecht zu verstehen war.
Also ging ich ruhig weiter auf ihn zu.
Seine Seele hüpfte und wand sich beinahe hysterisch hinter seinen Augen und leuchtete wie die Alarmleuchte immer wieder hell auf.
Dieser Anblick sorgte dafür, das sich meine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln verzogen und Arthur für mich nur noch wie ein kleines Kind war, das Angst vor einem großen Hund hatte.
Ob ich mal versuchen sollte zu knurren?
Ein lauter Knall riss mich aus meinen lustigen Gedanken und ein scharfer Luftzug strich meine Wange.
Verwirrt hob ich meine Hand und strich mir über die Wange.
Als ich sie mir vor die Augen hielt, sah ich das tiefrote, schmierige Blut, welches an meinen Fingern klebte.
Desinteressiert wischte ich mit die Hand an meinem weißen Nachthemd ab und schaute wütend zu Arthur, der hastig nachlud und die Waffe wieder auf mich richtete.
"Zum letzten mal: Stehen bleiben!" brüllte er und starrte mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen an.
Mein Lächeln war wie weggewischt und neue Wut flammte in mir auf.
Laut schrie ich los und stürzte mich auf Arthur.
Dieser feuerte wie ein irrer auf mich los, doch schmolz jede Kugel noch bevor sie mich treffen konnte.
Mit einem dumpfen Aufprall fielen wir beide zu Boden.
Ich setzte mich auf seinen prallen Bauch und drückte seine Arme mit meinen Knien zur Seite.
Arthur schnaufte angestrengt und sein Gesicht wurde puterrot.
Grinsend hob ich meine Hand und legte sie auf Arthurs Stirn, so wie Alex es bei mir gemacht hatte.
Das Schweinchen unter mir fing sofort an sich die Seele aus dem Leib zu schreien und strampelte heftig.
Der Geruch von verbranntem Fleisch stieg mir in die Nase, während ich durch meine Finger hindurch Arthurs schwarz-rote Seele sehen konnte, die nun wie die Wellen der Ozean während eines Hurrikans gegen die Wände seines Verstandes klatschte und ihn langsam von innen heraus zu brechen begannen.
Seine Schreie und das laute "WEOWEOWEO" der Alarmanlage verschmolz zu einem monotonen Piepsen und die Zeit schien langsamer zu verstreichen. Ich sah, wie die Tropfen einzeln auf seinen Wangen zerplatzen und sich auf meiner Haut auflösten. Sekunde für Sekunde sah ich, wie er immer mehr seines Verstandes verlor, bis seine Augen sich nach oben drehten und er offensichtlich das Bewusstsein verloren hatte.
Langsam nahm ich meine Hand von seiner Stirn und sah, was für einen ulkigen Brandabdruck sie hinterlassen hatte. Es sah aus, als würde er immer noch von mir festgehalten und für seine Taten bestraft werden.
Ich musterte seine Kleider und fing an seine Taschen zu durchsuchen. Das der Stoff dabei Feuer fing störte mich nicht großartig.
Es dauerte nicht lange und ich fand, was ich suchte.
Vorsichtig hob ich die Kette mit dem Bernsteinanhänger hoch und drehte ihn sachte hin und her.
Er war unberührt und kein Kratzer zerstörte die Spiegelglatte Oberfläche, in der sich meine Augen spiegelten.
Erschrocken wich ich zurück und hätte den Anhänger fast fallen gelassen.
Hatte ich mich vielleicht verguckt?
Das... konnte doch nicht echt sein.
Zögernd hob ich wieder die Kette und starrte in die Spiegelung meines rot-orange leuchtenden Auges.
Wo kam das denn auf einmal her? Meine Augenfarbe war doch blau gewesen.
Ich hielt mir den Bernstein so nah ans Auge, das er meine Wimpern leicht berührte und fand dennoch keine Antwort.
Wie denn auch... als wenn Bernstein reden könnte... oh man... ich war echt fertig mit meinen Nerven..
Und da die Wachen gerade anfingen sich aufzustellen und zu sortieren, wäre es wohl am Besten schnell Sunny zu finden und von hier abzuhauen.
Die Kette stopfte ich mir kurzerhand in meinen BH, da ich keine Tasche hatte und der Verschluss wegen Arthur im Arsch war. Es weiter in meiner Hand zu halten barg die Gefahr, dass ich es schmolz, was wahrlich nicht mein Ziel war.
Rasch stand ich auf, musterte Arthur noch einen kleinen Moment und rannte dann blind in den Gang, der mir am Nächsten und nicht voller Wachen war.
Keuchend rannte ich über den Nassen Boden und versuchte mich verzweifelt an den Weg zu Jacks Zelle zu erinnern.
Es ist doch nur ein paar Stunden her, seit ich ihn gesehen habe.
Na los Hirn! Streng dich mal ein bisschen an!
Egal wie sehr ich mich auch anstrengte, alle Gänge sahen hier gleich aus.
Nach Luft schnappend und mit brennenden Lungen stützte ich mich an der Wand ab und starrte auf eine Metalltür, neben der an der Wand ein kleiner Knopf eingelassen war.
Natürlich! Der Fahrstuhl!
Ungeduldig hämmerte ich auf den Knopf ein und beobachtete auf der Anzeige über der Tür, wie sich der Fahrstuhl langsam nährte.
Als sich die Türen endlich öffneten, trat ich eilig ein und starrte stumm auf die vielen Knöpfe in seinem Inneren.
Warum beschriftet die nur keiner?!
Wütend schlug ich einfach auf jeden Knopf ein.
Die Türen des Fahrstuhls glitten zu, während er sich in Bewegung setzte.
Bei jeder Etage, in der der Fahrstuhl hielt, musterte ich den Gang genau und versuchte mich zu erinnern schon einmal hier gewesen zu sein.
Als ich in der letzten Etage hielt, stieg ich seufzend aus und ging den Gang entlang. Ich musste wohl einfach jede Etage genau inspizieren. Anders kam ich hier nicht voran.
Erst links, dann rechts, wieder links, dann wieder rechts.
Nichts... gut, also zurück und nochmal.
Erst links, dann rechts, wieder rechts und links.
Etwa mit diesem System suchte ich eine Etage nach der anderen ab.
Bei der siebten Etage wurde ich endlich für meine Mühen belohnt und sofort mit einem neuen Problem konfrontiert.
Zwar stand ich endlich vor Sunnys Tür, doch benötigte man den Scan der Hand und des Auges einer autorisierten Person.
So ein Scheißdreck aber auch!
Wütend schlug ich gegen den Scanner, welcher daraufhin Risse bekam und an manchen Stellen anfing zu schmelzen.
Einen Moment hielt ich inne und ließ mir die Idee nochmal durch den Kopf gehen.
Ein Versuch war es Wert.
Schließlich zuckte ich mit den Schulter und legte meine Hand auf den Scanner, der zischend unter meiner Handfläche dahin schmolz und den zweiten Scanner freilegte.
Mit einem kleinen grinsen ließ ich auch den wie eine Kugel Eis in der prallen Sommersonne schmelzen.
Hinter der Wand surrte und klickte es. Es hörte sich etwas an, wie ein Roboter, der versuchte eine Treppe hochzuklettern.
Irgendwann riss mein Geduldsfaden und ich trat wütend gegen die Tür.
Kurz summte es laut, bevor sich die Tür mit einem leisen Klicken öffnete.
Triumphierend grinste ich und rannte durch den kleinen Flur zur Tür, welche ich eilig aufstieß.
"Jack!"
Der Raum war leer.
Keine Ketten an den Wänden, kein Metall auf dem Tisch... kein Jack.
Stumm lies ich mich zu Boden fallen und starrte auf den Raum stumm an.
Das darf doch nicht wahr sein... wenn er nicht hier ist... wo denn dann...?
Stumm musterte ich die kahle Wand, an der die Ketten gehangen haben, mit denen sie Sunny festgebunden hatten.
Die kahle... Wand?
Wo waren die Ösen, an denen die Ketten befestigt waren?
Vorsichtig stand ich auf und tastete die Wand ab.
Sie war komplett unberührt.
Ich war im falschen Raum!
So schnell ich konnte, rannte ich aus dem Raum, zurück zum Fahrstuhl und drückte die nächste Taste.
Nachdem ich drei weitere dieser Räume gecheckt hatte, stand ich nun vor dem letzten. Außer dieser Etage gab es keine mehr. Es war meine letzte Chance.
Ich atmete tief durch, schmolz mich durch die Tür und wurde im Flur von einem leisen Sirren und Klicken einer Maschine begrüßt.
Hoffnung keimte in mir auf, während ich mich eilig der Tür nährte und diese dann vorsichtig öffnete.
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