9 - Gefährliche Party im Chatter
Ein normaler Sonntag brach an. Ein langweiliger noch dazu. Jedenfalls erwartete ich es so.
Meine Mom und mein Dad waren ungefähr eine Stunde vor mir aufgestanden, als hätten sie vergessen, dass heute Sonntag war. Mit lautem Geräusch und quietschenden Tönen meiner Mom packten sie irgendetwas zusammen. Ich nahm in meiner Trance nur vage wahr, was dort vor sich ging. Irgendwie wollte ich noch eine Weile liegen bleiben, um mir bewusst zu werden, dass dies mein letzter Sonntag auf Quantum sein würde.
Keine Ahnung, ob ich noch einmal eingeschlummert war. Jedenfalls war es schon elf Uhr, als ich aufstand und verschlafen mit meinem Pyjama ins Wohnzimmer ging, um das Frühstück zu empfangen.
Doch statt Brötchen, Frischkäse, Marmelade und allem, was noch so zu einem perfekten Sonntagsfrühstück mit der Familie fehlte, fand ich nur einen mit Bleistift vollgekritzelten Zettel vor.
Ich las die krakelige Handschrift meines Vaters, die mir zeigte, dass sie nicht länger auf mich warten wollten und schon zur Baustelle gefahren waren, um bei den letzten Bauvorgängen mit anzupacken. Zudem wünschten sie mir guten Appetit und einen entspannten Nachmittag. Sturmfreie Bude bis mindestens zweiundzwanzig Uhr heute Abend.
Tief durchatmend setzte ich mich an den leeren Tisch und ballte meine Hände über dem Kopf zusammen. Wo waren die Eltern von gestern hin? Die Fürsorglichen und Redebedürftigen?
Ein Blick auf mein Handy verriet mir die aktuellen News aus der Stadt und der Umgebung. Außer einem Hausbrand letzte Nacht ohne Verletzte und dem Wetter, das nach langer Zeit mal wieder Regen am nächsten Morgen ankündigte, gab es nichts Aufregendes.
Nachdem ich gelangweilt mit dem Finger gescrollt war, verträumt auf der Suche nach irgendeinem alten Bericht, der mir etwas Unterhaltung bieten könnte, machte ich mich im Bad etwas zurecht.
Sofort sah ich meine krausen Haare im Spiegel, die alles andere als schön mit anzusehen waren. Ich beschloss eine warme Dusche zu nehmen und mir dabei viel Zeit zu lassen. Zeit hatte ich schließlich mehr als genug.
Der Dampf des heißen Wassers stieg mir angenehm in die Nase, als ich mir das Handtuch um den Körper schlang und mir anschließend passende Klamotten aus dem Schrank suchte. Irgendwas Bequemes zur Abwechslung. Ich entschied mich für einen einfarbigen Pullover und eine Jogginghose. Mich sah sowieso niemand heute.
Irgendwann nach gefühlten fünf Stunden entsperrte ich mein Handy.
Eine neue Nachricht von Oliver.
Gespannt und aufgeregt öffnete ich die plötzliche Nachricht. Meine Gedanken reichten von einer einfachen Geschichtsfrage bis hin zu einer Anfrage nach einem Date.
Doch es war etwas mittendrin.
Heute steigt ne Party im Chatter. Lust zu kommen?
Ich musste gar nicht lange überlegen, um meine Antwort zu äußern. Schließlich hatte ich Lust dazu. Viel mehr beunruhigte mich die Zeit, in der meine Eltern wieder nach Hause kommen würden. Sicherlich würden sie es nicht erlauben, mich spät am Abend gehen zu lassen, nur damit ich um Mitternacht wieder nach Hause kommen würde. Aber wenn sie gar nicht mitbekommen würden, dass ich weggefahren war?
Klar. Wie viel Uhr?
Meine Hände zitterten und wurden nass, als ich das Handy in der Hand hielt und auf seine nächste Antwort wartete, die nach knapp zwei Minuten eintraf.
Fängt um 21.00 Uhr an. Partystimmung ist angebracht!
Lachend vergaß ich kurz das Problem mit dem Zeitmanagement. Mir würde noch eine Stunde verbleiben. Vielleicht war es nicht lang, aber wenigstens war es mir lieber, als den ganzen Abend hier allein zu verbringen, wenn ich in Olivers Anwesenheit sein konnte.
Okay. Ich komme. Noch irgendwas, woran ich denken muss?
Seine Antwort kam schneller als sonst, dass es schon fast gruselig erschien. Als hätte er die Nachricht bereits vorgeplant.
Super. Komm so heiß wie die letzten Tage.
Ich wurde rot im Gesicht. Mir stieg das Blut in den Kopf. Ich konnte nicht aufhören, das Wort heiß zu lesen. Dass Oliver mich heiß fand. Ich konnte es einfach nicht in Worte fassen, wie geschmeichelt ich von seiner Wortwahl und seinen Gedanken über mich war.
Also wieder aus den bequemen Klamotten heraus und den besten Fetzen heraussuchen, den ich besaß. Am Ende war es weniger heiß als elegant.
Ein schwarzes, mit Perlen besetztes Kleid, das mir gerade so zu den Knien reichte und meinen Körper umschlang, als wäre es nur für meine Figur geschneidert worden. Die Haare band ich mir zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen, mit dem ich allerdings nicht sehr zufrieden war und ihn so lange neu versuchte, bis er einigermaßen akzeptabel aussah.
Als Nächstes noch ein wenig Make-up auf das Gesicht, um die Augen zu betonen und eine etwas längere Kette, die meinen Hals schmückte. Meine kürzere Bernsteinkette nahm ich dabei allerdings nicht ab.
***
Es war mittlerweile halb neun und noch kein bisschen dunkel draußen. Das schätzte ich so am Sommer. Ich hatte mir die Zeit so lange noch ein wenig mit Lesen vertrieben, mir immer wieder die Nachricht angeschaut, die Oliver und ich miteinander gewechselt hatten und dachte selbst jetzt noch weiter an seine Auseinandersetzung mit diesem Britton nach.
Immer noch wusste ich nicht, wo ich diesen Nachnamen schon mal gehört hatte, aber eines war klar. Ich wollte unbedingt seinen Vornamen erfahren und wieso er so einen Stress mit Oliver hatte. Irgendein Geheimnis herrschte dort zwischen ihnen, bereit um gelüftet zu werden.
Nun endlich schnappte ich mir mein Board und fuhr Richtung Chatter los. Ich bedachte bis zu diesem Moment nur leider nicht, wie ich wieder nach Hause kommen sollte. In einer fremden Stadt wie dieser um zweiundzwanzig Uhr, wenn vielleicht schon die Dämmerung zur Neige ging. Doch daran wollte ich jetzt keinen weiteren Gedanken mehr verschwenden.
***
Am Chatter angekommen, spürte man sofort die Partystimmung. Überall blitzten helle bunte Lichter auf, schienen aus der Bar heraus, sodass sie einen auf der Straße blendeten. Die Musik war ohrenbetäubend aufgedreht. Beinah hätte ich mir die Ohren fest mit meinen Händen zugehalten, bevor ich die Bar betreten hätte. Doch ich riss mich zusammen und verschwand unter der tanzenden Menge.
Der Laden war bis obenhin vollgepackt mit Menschen. Das Geschäft musste boomen. Keine Ahnung, wie ich es anstellte, doch ich bahnte mir einen Weg an die Bar, an der Teenager, natürlich unter achtzehn, saßen und tranken, als gäbe es keinen Morgen mehr.
Als ich bei ihnen ankam, brauchte ich einen kurzen Moment, um mir mein Kleid wieder zurecht auf seine alte Position zu rücken. Es war von den vielen Händen und der Dichte der tanzenden Jugendlichen verrutscht gewesen und hatte auf halb acht gehangen.
"Haben Sie Oliver gesehen?!", brüllte ich zur Barkeeperin mit den pinken Haaren. Zuerst dachte ich, sie wäre vielleicht zu beschäftigt mit den vielen alkoholischen Bestellungen oder sie hätte in der Menge bereits den Überblick verloren. Doch zu meinem Erstaunen antwortete sie ganz nebenbei und ruhig: "Klar. Ist da hinten bei Cathrin und den anderen."
Sie deutete mit einem durchnässten Waschlappen auf eine kleine Gruppe von dunkel gekleideten Jugendlichen. Eigentlich völlig normaler Kleidungsstil, so wie die meisten anderen in diesem Raum. Sie saßen dort an ihrem gewohnten kleinen Tisch, der mit alkoholischen Getränken voll stand, wie ich vermutete.
Ich bedankte mich schnell bei der Frau und machte mich auf den Weg zu ihnen. Meine Hände zitterten und mein Herz schlug zum Beat; schnell, laut und schmerzhaft. Kurz zog ich ein schnelles, unauffälliges Abbiegen zurück in die Menge und dann Richtung Ausgang in Erwägung. Doch das verblasste schneller, als dass ich diesen Gedanken auch nur ansatzweise fertig durchdacht haben konnte, denn in diesem Moment erblickte mich Oliver und signalisierte mir mit seinem Blick, dass ich zu ihnen kommen sollte.
Es war zu spät, um mich der Situation zu entziehen. Allerdings versuchte ich es mit langsamen Schritten hinauszuzögern.
"Was will die denn schon wieder hier?! Die hält es doch keine Stunde hier aus! Vorher rennt sie wieder nach Hause zu Mommy und Daddy", stöhnte Cathrin als Begrüßung. Oliver wollte schon etwas darauf erwidern, doch ich wollte auch einmal meinen Senf dazugeben.
"Ehrlich gesagt Cathrin. Ich denke, ich werde noch einige Stunden hier verbringen können. Ich liebe Partys", log ich. Dabei erkannte ich meine eigene Stimme kein bisschen mehr wieder. Außerdem vergaß ich, dass mir nicht sehr viel Zeit blieb, bis ich wieder nach Hause musste. Doch ich ließ es mir nicht anmerken. Dann würde ich einfach unauffällig untertauchen. Das würde gar keiner Menschenseele auffallen.
"Wir werden sehen", grinste Cathrin bösartig nett, um den Anschein zu erwecken, dass sie mich soeben herausgefordert hatte. Womöglich hatte sie es auch getan.
Die anderen am Tisch staunten nicht schlecht über die wütende Stimmung, die in der Luft lag. Jay stand schnell auf. In der einen Hand hielt er einen roten Plastikbecher. Mit der anderen wackelte er wild umher, als hätte er eine Krankheit, die ihn zittern ließ.
"Woah, woah, woah...", seine Lippen wandten sich warnend an uns: "Keine mies...e... Stimmung heute Abend. Habt ihr...habt ihr verstan...den?", lallte er, schluckte dabei ein paar mal und versuchte sich gerade noch so auf den Beinen zu halten.
"Hast du etwa schon so viel getrunken?!", beschwerte sich Cathrin wütend und verzog das Gesicht.
"Nein, wie kommst du denn darauf?", seine Stimme schien immer gebrechlicher zu werden. Er musste sich bereits auf dem Tisch aufstützen, um nicht umzufallen.
"Okay, wie viele Becher hast du getrunken?"
"Vielleicht ein..", weiter kam er nicht. Er kippte augenblicklich auf den Stuhl. Beinah so schnell und ungeschickt, dass ich schon befürchtet hatte, er würde auf den Boden stürzen. Lachend blickten Aria und Scarlett ihm hinterher.
Ich hatte ganz vergessen, dass ich mit ihnen noch ein Hühnchen zu rupfen hatte. Sie hatten Cathrin regungslos dabei zugesehen, wie sie mich bis zur Grenze gequält hatte. Etwas dagegen unternommen, wie man es als selbstverständlich ansehen würde, hatten sie nicht.
"Eine Flasche?", lallte Jay weiter und korrigierte sich dabei.
"Du Idiot! Die Party ist noch nicht einmal richtig im Gange und du betrinkst dich schon und verpasst das Beste!", Cathrins Stimme wurde fester und lauter: "Komm! Ich bring dich nach oben." Damit stand sie von ihrem Platz auf und begleitete ihn ins nächste Stockwerk, in dem sich vermutlich eine Schlafmöglichkeit befand.
"Also...", versuchte ich die Stimmung zu kippen: "Wie lange seit ihr schon hier?"
"Nicht lange. Vielleicht eine halbe Stunde", beantwortete Ethan freundlicherweise meine Frage.
"Setz dich", befahl Oliver mit tiefer Stimme und deutete auf den Stuhl neben ihm. Ich ging seinem Befehl nach.
"Willst du was?", fragte er locker, bevor ich mich etwas entspannen konnte.
"Nein danke. Ich trinke nicht", dankte ich lächelnd ab.
"Gar nicht?", fragte Aria und nahm dabei einen Schluck aus ihrem Becher. Alle Blicke ruhten auf mir.
"Nein. Ich denke, ich bin noch nicht bereit dafür." Irgendwie war es mir ja peinlich, das so offen zuzugeben, gerade weil ich ja auch eine von ihnen sein wollte. Aber ich wollte wirklich nicht trinken. Ich fand Alkohol einfach nur abstoßend und hatte Angst, dass ich nicht mehr aufhören konnte, wenn ich erst einmal damit angefangen hatte.
"Wer will eine Runde Wahrheit oder Pflicht spielen?", wechselte Dan fröhlich das Thema in der Runde.
"Ist das nicht eigentlich ein Spiel für Kinder?", hakte ich ungläubig nach.
"Nicht so wie wir es spielen", sagte Oliver und nickte dabei Dan zu, dass er dabei wäre.
Aria, Scarlett und Ethan musste er gar nicht dabei ansehen, da er ihre Antwort vermutlich schon längst kannte. Und auch Cathrin würde sicherlich zustimmen, sobald sie wiederkam.
"Okay, ich mach auch mit", verkündete ich unsicher. Ich wollte nicht als Außenseiterin da stehen, die einfach nur von der Seitenlinie aus zusah, wie die anderen Spaß hatten, während sie sich ganz weit wegwünschte. Ich wusste, dass ich es bereuen würde, doch ich nahm es in Kauf.
"Prima! Wer fängt an?", fragte Scarlett und sah mich dabei gezielt an. Doch ich lenkte ihren Blick weiter an Aria, die direkt neben ihr saß.
Aria bemerkte es und war ersichtlich glücklich über die Entscheidung, dass sie beginnen durfte.
"Ich wähle die Neue", gab sie bekannt: "Wahrheit oder Pflicht, Jennifer?"
Erstaunt blickte ich sie an, wobei sie nur frech grinste. Man könnte meinen, sie wäre das Ebenbild von Cathrin auf eine etwas harmlosere, bösartige Art.
"Ich nehme Wahrheit", sagte ich unentschlossen. Pflicht wollte ich noch nicht wählen. Erstmal schauen, welche Pflichten sie in ihrer kleinen Runde so stellten.
"Komm schon Jennifer!", bat Ethan: "Nimm Pflicht! Ist auch gar nicht schlimm! Wir verlangen ja nicht so etwas wie rummachen oder so etwas."
Irgendwas sagte mir, dass es noch nicht so weit war, aber es sicherlich noch passieren würde. Erst wollte ich nein sagen, dass ich an meiner Entscheidung festhielt. Doch Olivers flehender Blick, dass ich mich darauf einlassen sollte, nur einmal, ließ nicht locker.
"Also schön. Pflicht."
"Du musst einen Becher Gin Tonic trinken", gab Aria bekannt und hielt mir bereits einen roten Plastikbecher mit dem stinkenden Zeug darin hin. Gab es eine Möglichkeit, nein zu sagen?
Zögernd nahm ich den Becher an, roch daran und nahm schließlich einen großen Schluck daraus, um diese Aufgabe so schnell wie möglich hinter mich zu bringen. Dabei hielt ich die Luft an, in der Hoffnung, der Gestank würde mir nicht in die Nase steigen.
Die anderen am Tisch feuerten mich an. Schauten gespannt dabei zu, wie ich mir einen mit dem Zeug, das sie so sehr liebten und ich hasste, abquälte.
Ich war froh, als ich den Becher wieder von meinem Mund nehmen konnte. Nie wieder wollte ich so etwas trinken. Ich schrieb es mir in meinem Gedächtnis auf und speicherte es sicher im Zentrum meines Gehirns.
Die Runden gingen weiter. Es wurden immer absurdere Pflichtaufgaben gestellt. Von einem harmlosen Trinken auf Ex bis hin zu einem Zungenkuss zwischen Aria und Ethan. Wahrheit nannte erstaunlicherweise keiner.
Umso mehr schämte ich mich, als ich in der zweiten Runde Wahrheit ankündigte. Es brachte mir das ein oder andere Augenrollen ein, doch diesmal war ich fest davon überzeugt, es zu nehmen.
Bevor Ethan mir eine Frage stellen konnte, kam Cathrin fluchend von oben zurück und unterhielt alle mit ihrer Rede, wie schwachsinnig sich der betrunkene Jay aufgeführt hätte.
Als sie jedoch bemerkte, dass wir mitten in einer Runde Wahrheit oder Pflicht steckten, setzte sie sich still hin und flehte Ethan an, dass sie die Wahrheitsfrage für mich bestimmen dürfe. Ich schluckte. Vielleicht hätte ich doch lieber Pflicht nehmen sollen. Da waren nämlich einige Geheimnisse, die ich niemandem anvertrauen wollte. Schon gar nicht Cathrin o'Blair.
"Läuft da was zwischen Oliver und dir?", schoss es aus ihr heraus, ohne dass sie lange dafür überlegen musste. Es brannte ihr schon hundertprozentig seit dem ersten Anmachen von Olivers Seite auf ihrer Zunge.
Ich errötete und zögerte. Ich musste eigentlich die Wahrheit erzählen. Doch ich war mir unsicher, ob ich wirklich alles von Oliver und mir ausplaudern sollte. Vor allem aber der Kuss, der beinah zwischen uns stattgefunden hatte.
"N..nein", stotterte ich langsam und würdigte Oliver dabei keines Blickes.
"Ja. Sicher. Ist bestimmt nur Zufall, dass ihr in Geschichte zusammen an einem Thema arbeitet und er dich so verführerisch anschaut! Oliver!" - Cathrin schien aufgebrachter als sonst. Konnte sie vielleicht gleich vor Wut platzen?
"Es gibt Wahrheiten, die besser geheim bleiben", stellte er sicher klar.
Daraufhin hatte er Cathrin wirklich ans Limit gebracht. Sie redete in einem Zug durch. Wir alle schauten sie nur gelangweilt an, wie sie von jedem einzelnen Tag meiner Ankunft daher laberte. So detailliert, als hätte sie jede Minute aufgezeichnet.
Plötzlich spürte ich leichte Fingerberührungen auf meinem Bein. Ich erstarrte und hielt die Luft an. Über meine gesamte Haut zog sich eine Gänsehaut.
Ich brauchte nicht lang, um zu erkennen, dass es Olivers Hand war, die unauffällig über meine nackte Haut immer weiter nach oben glitt. Wie konnte er mir bloß so etwas vor seinen Freunden antun? Am liebsten hätte ich mein Bein schnell weggezogen, um konzentriert zu bleiben, doch dafür war es zu spät. Er hatte mich in seiner Falle.
Schnell griff ich zu einem der Becher, um daraus zu trinken. Egal, wenn es das ekelhafte Zeug war. Ich brauchte nur irgendeine Ablenkung, während sich die leichten Berührungen immer weiter dem Saum meines kurzen Kleides näherten.
Die Wahrheit oder Pflicht - Runde ging weiter, während niemand mitbekamen, was unter dem Tisch zwischen Oliver und mir passierte.
Und im nächsten Moment wurde mir leicht schwindelig. Ich wollte nur noch hier weg. Weg aus Olivers Masche und Cathrins hoher wütender Stimme. Weg von dem ganzen Geschehen.
Mit einem Bin gleich wieder da, stand ich auf und taumelte benommen ins Badezimmer am anderen Ende des Raumes.
Mir wurde schon fast schwarz vor Augen, als ich die Tür in den hallenden Raum aus weißen Fliesen aufstieß.
Mit meinen Armen stemmte ich mich auf das Waschbecken und schaute wackelig auf den Beinen in den Spiegel. Mein komplettes Gesicht war von der Hitze rot angelaufen, die mir augenblicklich in den Kopf gestiegen war. Keine Ahnung, wie viel ich getrunken hatte. Nach zwei Bechern hatte ich nicht mehr länger mitgezählt.
Ich hatte schon einmal davon gelesen, dass man auf nüchternem Magen nichts trinken solle. Hier lehnte ich nun. Wie lange war das Frühstück her? Zwölf Stunden? Diese Aktion war zum Scheitern verurteilt gewesen.
Beinah begab ich mich zu einer der Toiletten, mit der Vermutung, mich gleich übergeben zu müssen. Doch ich lag falsch.
***
Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, mir über das Gesicht gefahren war und wieder einigermaßen auf den Beinen stehen konnte, verließ ich das Badezimmer.
Mein Kopf dröhnte immer noch, doch ich ließ es mir nicht anmerken.
Mein Blick galt wieder dem Tisch, an dem ich eben noch gesessen hatte, doch er war leer. Keine einzige Person saß mehr da.
Vielleicht lag es an meinem Alkoholkonsum, dass ich alles einfach ausblendete. Doch müsste ich dann nicht ihre lauten Stimmen hören, die den kompletten Raum ertönten?
Ich schaute aus dem Fenster, das einen Blick hinter das Chatter warf. Mir war nie aufgefallen, dass die Bar einen Zugang zum Wasser hatte. Ein kleiner Steg führte hinauf auf das Wasser und auf ihm...
Cathrin, Oliver, Ethan und Dan in Badeklamotten. Oder vielmehr Unterwäsche, die zum Baden reichen mussten.
Im dunklen Wasser taumelten bereits Aria und Scarlett und warteten auf den Rest, der ihnen jeden Augenblick folgen würde.
Keine Ahnung wie, aber ich kam auf irgendeine Weise aus dem Chatter, hinein in den Hinterhof.
Es war noch schwül von dem letzten heißen Tag davor, doch es war finster und erschreckend einsam.
"Komm Jenny!", rief Oliver mich leicht angetrunken zu sich. Ich hörte.
"Wir gehen schwimmen! Total nice um diese Zeit!"
Irgendwie hatten wir alle die Kontrolle über unseren Körper und unseren Verstand verloren. Spätestens als Cathrin mich höchstpersönlich zu sich heranrief, merkte ich, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmen konnte.
Kurz nachdem ich auf dem Steg neben den vieren gestanden hatte, schubste mich irgendjemand plötzlich ins dunkle Etwas unter uns. Kreischend landete ich in dem eiskalten Nass und versuchte mich über Wasser zu halten, doch mir wurde zu schnell schwarz vor Augen. Ich versank, obwohl ich davon ehrlich gesagt nicht mehr sehr viel mitbekam.
Das nächste, woran ich mich erinnerte, waren zwei starke Arme, die mich hinaufzogen und meinen regungslosen Körper über seine Schulter packten.
Irgendwie bewegte sich der Körper, dem ich nun schutzlos ausgesetzt war.
Ich trommelte benommen auf seinen Rücken, was ihn aber nicht sehr zu Schaden kommen ließ. Es war eher wie ein sanftes, verspieltes Klopfen.
"Lass mich runter! Ich kann alleine gehen", beschwerte ich mich leise und kindisch. Meine Stimme lallte nun so sehr wie Jays vor einigen Stunden. Wie konnte das bloß passieren?
"Sehe ich. Du bist ja ganz toll alleine klargekommen", sagte eine männliche Stimme tief und klar. Es war eine vertraute Stimme, doch nicht Olivers, wie ich zuerst angenommen hatte.
Bislang blieb mir diese fremde Stimme unbekannt, die mich noch Meter weit getragen haben musste.
Und das Letzte, woran ich mich erinnerte, war, wie ich völlig erschöpft auf seiner Schulter einschlief.
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