35 - Überraschende Wendung
"Ich mach Schluss mit dir."
Mein Gesicht war ausdruckslos, finster. Ich meinte es ernst und wie ich das tat. Hier zu stehen und ihm das zu sagen war das einzige, was mich noch hier zu ihm hintrieb.
"Was? Baby, das meinst du nicht im Ernst." - Lachend schaute Oliver erst mich, dann die Clique hinter sich an, die jedes Wort mitbekam. Genau das wollte ich auch, dass sie alles live verfolgten.
"Doch und wie ich es ernst meine. Du hast mich-", ich keuchte kurz auf und schluckte den Klumpen im Hals hinunter, bevor ich weitersprach: "Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Wir sind durch, endgültig!"
"Tja, zu schade Jennifer. Er hätte sowieso bald mit dir Schluss gemacht", meldete Cathrin sich zu Wort und kam uns etwas näher entgehen.
Wie aus der Pistole geschossen riefen Oliver und ich gleichzeitig: "Halt die Klappe, Cathrin", wobei wir nicht den Blick voneinander nahmen.
Sie hielt ihren Mund.
Diese Augen. In diese Augen hatte ich mich vor einigen Wochen noch komplett verloren gefühlt, weil ich nicht den Blick aus Schwärmerei von ihnen lassen konnte. Nun, nach dem Ganzen, das vorgefallen war, konnte ich sie nicht mehr ansehen, weil sie mir Schmerzen zufügten. Diese Augen erinnerten mich an das, was er mir angetan hatte.
"Baby", versuchte er es noch einmal, doch ich schnitt ihm das Wort ab: "Ich bin nicht mehr dein Baby. Ich heiße Jenny und für dich ab sofort nur noch Jennifer."
Das war mein letztes gesprochenes Wort, das ihm allein galt. Meine Füße suchten das Weite. Als ich an Cathrin vorbeikam, konnte ich mir meine kleine Ansprache an sie nicht verkneifen.
"Glückwunsch. Du hast gewonnen Cathrin. Oliver gehört ganz allein dir."
Ungläubig schauten die anderen aus der Clique, einschließlich Oliver selbst, Cathrin mit runzliger Stirn an. Cathrin schien so von dieser Offenbarung gedemütigt zu sein, sodass ihr augenblicklich die Stimme zum Sprechen fehlte.
"Ja, ihr habt alle richtig gehört! Cathrin war die ganze Zeit eifersüchtig auf mich, weil sie in Oliver verknallt ist!", schrie ich und lief mit diesen Worten fort. Eine Flamme der Wut brannte tief in mir. Ich konnte es einfach nicht begreifen, wie sie mich alle ausgenutzt hatten.
Nach der Schule saß ich wieder mit Luke zusammen im Auto. Irgendwie war ich wie ausgelaugt von den Wutausbrüchen von vorhin, sodass ich mir eigentlich den bevorstehenden Streit zwischen uns nicht mehr antun wollte. Doch auf Luke war wie immer Verlass. - "Wie lief's mit Oliver?"
"Alles bestens. Wir haben Schluss gemacht."
"Besser so." - Er lächelte und zum ersten Mal hatte ich nichts daran auszusetzen, dass er Oliver wieder als Täter darstellte, der einen Massenmord verübt hatte.
"Du schuldest mir noch eine Erklärung. Wieso warst du da?", fragte er und umklammerte das Lenkrad etwas fester.
Am liebsten hätte ich den Mund zu dem Thema gehalten, aber ich wusste, er hätte mich kurzerhand aus dem Auto geworfen, wenn ich's getan hätte.
"Luke, ich-. Es tut mir leid, wirklich. Nicht nur, dass ich zur Party gegangen bin, obwohl wir etwas anderes abgemacht haben. Auch, dass du von Anfang an recht hattest, was Oliver angeht. Ich hab's jetzt erkannt", gestand ich.
"Ich bin froh, dass du es endlich einsiehst", antwortete er und bog mit dem Pick-up links in unsere Wohnstraße ab.
Er schaute kurz zu mir, dann nach vorne. Die Reifen fuhren langsamer über den Asphalt, als er auf einmal sagte: "Ich hab's dir von Anfang an gesagt und du hast nicht darauf gehört und musstest erst so lange warten, bis das eingetreten ist, vor dem ich dich die ganze Zeit gewarnt habe. Und damit hast du ein Trauma mitgenommen."
"Ist das dein scheiß Ernst?!", kam es mir unüberlegt heraus: "Ich habe mich bei dir gerade eben entschuldigt, gerade eben und du fängst schon wieder damit an! Ich glaub's nicht! Du hast doch keine Ahnung, was er mir angetan hat! Ich könnte dir genauso gut vorhalten, dass du mir die Wahrheit über eure Vergangenheit verschweigst!"
"Das tust du ja auch die ganze Zeit! Hör zu; du musst nicht alles über mich wissen, klar?" - Seine Stimme klang todernst und ebenso aufgebracht. - "Oliver ist wirklich unbeschreiblich dreist. Das ist eine Tatsache. Genauso wie der Fakt, dass ich dich schon so lange zuvor gewarnt habe und das kannst du nicht mit einer Entschuldigung wieder gut machen! Das ist, als würde man betrunken einen Autounfall bauen, obwohl man davor gewarnt wurde, nicht zu fahren. Das Leben ändert sich damit drastisch. Das kann man nicht einfach so rückgängig und ungeschehen machen!"
"Wieso wolltest du mich vor ihm beschützen? Wieso mischt du dich überhaupt da mit ein und lässt mich diese Erfahrung nicht selbst machen? Was hast du davon? Was hab' ich dir getan, dass du mir so viel Leid zufügst?"
Ich umklammerte bereits den Griff, um diesen daraufhin hinunterzudrücken. Der Pick-up hielt abrupt vor unseren beiden Häusern, sodass die Reifen furchtbar quietschten.
Luke war auf hundertachtzig. Der Wagen litt darunter. Ich litt darunter.
"Du hast Leid? Du sagst, du hättest Leid?! Hast du schon Mal an mich gedacht?! Es tat jedes Mal weh! Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute und jede Sekunde! Jedes Mal, wenn ich euch zusammen gesehen oder nur daran gedacht habe! Dieser pure Schmerz ist die reinste Hölle für mich, daran zu denken, dass du dich mit diesem Arschloch abgegeben hast, obwohl du alles haben kannst! Du hast viel mehr als das verdient, ja du verdienst das aller, aller beste auf dieser Welt. Denn du bist so viel besser als so manch ein anderer. Du trägst das Herz am rechten Fleck. Verschwende bitte nicht deine Zeit damit, ihm hinterherzutrauern. Du bist so viel besser als er und er würde dich einfach niemals verdienen!"
"Und du schon?!"
"Na ja, ja."
"Oh mein Gott!", kam es aus mir heraus. Ich fasste mir an die Stirn, bevor ich aus dem Wagen sprang und genervt die Auffahrt hinauflief. Luke rannte abermals hinterher.
"So war das nicht gemeint. Du hast bestimmt noch andere Typen verdient, aber du weißt, dass ich auch dazugehöre. Ich bin doch immer ehrlich zu dir, oder etwa nicht?"
"Das ist keine Entschuldigung! Du bist so egoistisch Luke!", durchbohrte ich ihn mit seiner eigenen Regel: "Lass mich einfach mein Leben in Ruhe leben. Ich muss meine eigenen Erfahrungen machen und brauche ganz sicher niemals einen Beschützer, der mich vor jeder unschönen Situation bewahrt!"
Ich knallte die Tür ins Schloss und ließ Luke wieder alleine vor meinem Haus stehen. Das letzte Wort zwischen uns war gesprochen.
Sobald ich drinnen angekommen war, fühlte ich ein kühles Nass auf meinen Wangen. Wimmernd lehnte ich an der Innentür und konnte mich selbst kaum auf den Beinen halten. Es war schlimmer als gestern. Das Gefühl von Hoffnungslosigkeit, als würde man nie mehr normal atmen können.
Meine Hand suchte meinen Mund. Ich presste schmerzhaft auf meine Lippen, um mir einen Schrei zu verkneifen und um meine Eltern nicht zu beunruhigen.
"Hey, Schatz!", dröhnte die Stimme meiner Mom durch die Luft. Sie stand vermutlich gerade in der Küche und hatte keine Ahnung von meinen ganzen Beziehungen, die ich gerade gekappt hatte. Oliver, Cathrin, die Clique und Luke. Alle waren sie für mich Geschichte.
Erst als ich in meinem Zimmer ankam und für einige Sekunden innehielt, überlegte ich, ob Luke mir soeben seine Zuneigung gestanden hatte oder ob er einfach nur so egoistisch war, zu sagen, er würde mich verdienen.
Wie in einer Art Trance blieb ich mitten im Raum stehen und starrte zum Fenster hinaus. Luke schien nicht in seinem Zimmer zu sein. Trotzdem zog ich aus Sicherheit die Gardinen zu und setzte mich auf den Boden. Das einzige, das mich bei furchtbarer Wut ablenken konnte, war es Zeitschriften zu durchblättern und dabei Musik vom Handy abzuspielen. Das tat ich dann auch mit gutem Gewissen, dass ich die Zeitschriften nicht auf Quantum gelassen hatte. Ich hatte es zuerst in Erwägung gezogen, ließ es dann aber doch bleiben und nahm sie kurzerhand mit ins neue Haus.
Bis auf die Tatsache, dass die Themen in den Magazinen schon längst der Vergangenheit angehörten, vergaß ich nach und nach ein Stückchen mehr meiner Probleme, der Traurigkeit und der Wut in mir. Doch das Schicksal sah etwas anderes für mich vor.
"Jenny, Schatz! Abendessen!", rief mein Vater die Treppe hinauf, wie jeden Abend. War es wirklich schon so spät? Draußen strahlte die Sonne immer noch, aber es war ja auch Sommer. Eigentlich war ich ganz froh, dass dieses Haus eine Klimaanlage besaß, sonst hätte die Hitze noch mehr auf meine Nerven gedrückt.
Ich stand auf und ging ins Esszimmer, wo meine Eltern bereits auf mich warteten. Wenigstens hatte ich mit ihnen keinen Streit mehr, beziehungsweise konnte ihnen nicht mehr wütend sein. Ich wusste, wie wichtig ihnen diese neue Arbeit hier auf dem Festland war und freute mich eigentlich für sie. Schließlich ließen sie ihre Wünsche endlich in Erfüllung gehen und ich durfte ihnen dieses Glück nicht durch meine Vorzüge, auf Quantum zu bleiben, verwehren.
Dad hielt Moms Hand auf dem Tisch und die beiden schauten mich irgendwie auf eine gruselige Art mit breitem Lächeln und funkelnden Augen an. Vielleicht täuschte das durch den Kerzenschein auch, der das Zimmer in dunkle Rottöne tauchte.
"Setz dich Schatz", bat meine Mom. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht.
"Gibt's ein Problem?", fragte ich, als ich mir bereits einige Kartoffeln und Soße auf den Teller füllte. Kurz schwieg jeder von uns. Mom und Dad blickten sich nur etwas tiefer in die Augen. Mom lief augenblicklich so rot wie eine Tomate an. Dad drückte ihre Hand etwas fester in seiner.
Ich nahm die ersten Bisse und wunderte mich darüber, dass sie nicht mit dem Essen anfingen.
"Jenny, Schatz, es gibt da etwas, was deine Mutter und ich schon lange mit dir besprechen wollten", sagte Dad und krempelte die Ärmel seines Wollpullovers etwas höher. Mom griff schnell zu ihrem Wasserglas und leerte es in einem Zug. Nervös tappte sie unter dem Tisch mit den Füßen auf dem Boden.
Ich legte das Besteck zur Seite. Aus irgendeinem Grund verwandelte sich mein Heißhunger, den ich noch vor einigen Minuten verspürt hatte, in ein unangenehmes Bauchgefühl, das mich daran hinderte, weitere Kartoffeln hinunterzuschlucken.
"Wir sind hierhergezogen, aufgrund der besseren Jobangebote, wie du ja weißt. Das heißt, es fiel uns genauso schwer wie dir, uns von Quantum zu lösen. Schließlich war das Wasser auch unser Leben."
Ach ja? Wohl kaum.
Mein Dad löste Mom ab, deren Stimme bereits anfing zu zittern. - "Was wir damit sagen wollen; wir wären wirklich gerne dort geblieben, denn dein Wohl steht natürlich vor unseren Jobwünschen. Die haben wir nämlich eigentlich nicht nötig gehabt. Es brachte nur noch mehr Arbeit und weniger Zeit für dich mit sich."
Meine Mom schaute auf einmal mitfühlend in mein Gesicht und ich wusste, was jetzt folgen würde, wollte es aber nicht hören, denn es zerstörte das Bild meiner kleinen, perfekten Familie.
"Jenny, wir erwarten Zuwachs. Du wirst bald eine große Schwester werden."
Mein Atem stockte. Mein Herz blieb stehen. Mein Mund wurde trocken. War das der einzig verdammte Grund dafür, weshalb sie auf das Festland ziehen und neue Jobs finden wollten?! Reichte ich ihnen nicht?
"Wie lange?", fragte ich mit verabscheuendem Blick. Ich konnte die beiden im Moment nicht anschauen.
"Vier Monate", meinte Dad und blickte ruhig zu meiner Mom. Ich fasste es einfach nicht! Nicht auszumalen, dass mir die ganze Zeit über ihr Babybauch nicht aufgefallen war.
Ich stand abrupt auf und gewann einige Schritte Abstand zum Tisch. Ich konnte den beiden einfach nicht ins Gesicht blicken. Mein ganzer Körper stand unter Adrenalin. Ich besaß kaum noch die Kontrolle über meinen Körper und mich selbst. Ich schaute durch die beiden hindurch.
"Liebling, wir wissen, das kommt jetzt alles sehr plötzlich, aber sieh mal; das Baby wird uns wieder vereinen", versuchte Dad mich zum Bleiben zu bewegen. Als würde ich mich jetzt einfach wieder still hinsetzen, weiteressen und dabei vergessen können, dass sie mich benutzt und mir meine Heimat wegen eines Babys genommen hatten, ohne mir den wahren Grund dafür zu nennen.
"Ich muss hier weg", flüsterte ich für mich und stürmte schon los, als meine Mom hinterherrief: "Schätzchen, warte! Bleib hier!"
Doch sie machten sich keine Mühe mir hinterherzulaufen. Darüber war ich eigentlich ganz froh. Ich wollte sie einfach gerade nicht in meiner Nähe haben.
Ein verfluchtes Baby hatte mir alles genommen. Meine Heimat, meine Familie, mein perfektes Leben vor Elizabeth City. Einfach alles! Es war schuld für meinen Frust und für meinen täglichen Streit mit Luke. Für die kleine Affäre mit Oliver und für meinen Unfall im Chatter.
Ich schloss mich ein. Ohne groß darüber nachzudenken, schleuderte ich Decke und Kissen durch das Zimmer, stieß die Stehlampe in der Ecke um, riss Poster von den Wänden und warf Klamotten aus dem Schrank auf den Boden. Meine Wut war unbegrenzt, weshalb ich mir dem Ausmaß meines Handelns nicht ganz im Klaren war.
Ich verfluchte dieses beschissene Leben hier in Elizabeth City. Ich wollte nicht mehr. Ich konnte nicht mehr.
Ich krauste meine Haare und schrie in das Kissen auf dem Boden hinein. Irgendwie vergaß ich dabei die Zeit und als ich wieder aufschaute, machten sich meine Füße selbstständig.
Auf einmal war ich draußen. Meine Eltern mussten bereits schlafen. Was tat ich hier? Nun tickte ich vollkommen aus.
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was ich hier überhaupt tat. Doch von der ganzen angespannten Situation konnte ich noch nicht einmal an irgendetwas denken, außer an den Verrat meiner Eltern. Ich fasste es nicht, dass sie mich derartig belogen hatten und glaubten, sie würden damit einfach so durchkommen.
Doch meine Wut nun bei Luke Britton auszulassen? Klar, eigentlich hätte er es vollkommen verdient, angeschrien zu werden, aber aus anderen Gründen.
Ich wollte gerade auf der Schwelle kehrtmachen, bevor ich klingeln konnte, da ging plötzlich die Tür auf. Zu meinem Glück war es Luke und nicht sein Dad, was ziemlich komisch ausgesehen hätte, wenn ich noch um einundzwanzig Uhr hier herüberkam, weil es nicht bis morgen warten könnte.
"Jenny, was gibt's?" - Ich war verwundert über seine Begrüßung.
"Was gibt's?", wiederholte ich seine Worte: "Ist das alles, was du zu sagen hast?"
Er stöhnte kurz genervt auf. Sein Gesichtsausdruck wirkte müde. - "Guten Abend, wunderbare Nachbarin, die mir nicht zuhören will." - Das war nicht gerade das, was ich hören wollte, doch es reichte mir als Antwort.
"Schlechter Zeitpunkt für Witze", schoss es unhöflich aus mir heraus: "Außerdem warst du derjenige von uns beiden, der alles kaputt gemacht hat."
Als er nichts darauf antwortete, begann ich den nächsten Satz: "Darf ich hereinkommen?" - Ich schaute an ihm vorbei in den Flur. Es war stockdunkel und nur die Außenlampe leuchtete neben uns. Luke lehnte entspannt im Türrahmen.
Im nächsten Moment bereute ich, dass ich jemals hergekommen war. Doch zu meiner Verwunderung nickte er kurz und machte Platz. Ich schob mich an ihm vorbei, wodurch ich kurz mit meiner Schulter mit seiner Brust in Berührung kam. Eine Art Blitz zog sich durch meinen kompletten Körper und Hitze stieg in meinem Kopf auf.
Langsam verfolgte ich seinen Umriss in der Finsternis, um die Stufen zu seinem Zimmer hinauf zu finden. Leise schloss er die Tür hinter uns und knipste das Licht an. Erst jetzt merkte ich, dass er mit kurzer Hose und einem weiten, grauen Shirt vor mir stand. Mir blieb förmlich der Mund offen. Dieser unbekannte Kleidungsstil an ihm gefiel mir ausgesprochen gut. Er ließ ihn etwas attraktiver wirken. Das konnte aber durchaus auch an dem schwummrigen Licht liegen.
"Willst du dich nicht setzen?"
Angespannt trat ich ein paar Schritte zum Bett, setzte mich und erwiderte dann: "Ich weiß nicht, wieso ich hier bin...ich weiß nicht, weshalb...-." - Mir blieb die Stimme weg. Sie wurde von meinen Tränen erstickt. Ich fühlte mich hier alles andere als Willkommen. Vielleicht sollte ich lieber wieder gehen und das hier vergessen.
Als Luke sich neben mich setzte, erkannte ich schnell, es gab nun keinen Weg zurück. Luke wollte alles hören. Aber ich war nicht bereit dafür. Ich konnte einfach nicht. Der Tag war zu lang für meine Nerven gewesen und hatte viele Auseinandersetzungen und Wutausbrüche beinhaltet. Ich fühlte mich erschöpft.
Luke legte behutsam eine Hand auf meinen Rücken und strich vorsichtig mit dem Daumen über meinen zitternden Körper.
"Schon in Ordnung. Ganz ruhig. Willst du darüber reden?"
Ich schüttelte tränenübergossen meinen Kopf und nahm geistesabwesend das Taschentuch von Luke entgegen, das er mir vom Schreibtisch besorgt hatte.
"Okay, dann-. Kann ich etwas für dich tun?"
"Kann ich hier schlafen?" - Meine Stimme wimmerte.
"Natürlich. Warte kurz."
Er erhob sich von seinem Platz, kramte eine der zwei Decken und Kissen vom Bett und breitete sie auf dem Boden aus. Währenddessen sah ich mich im dunkel gestrichenen Zimmer um. Als ich das letzte Mal hier gewesen war, war ich zwar betrunken, aber dankbar für die Unterkunft gewesen.
"Leg dich hin", wies er mich an und deutete auf das Bett, auf dem ich saß. Ich gehorchte und bettete meinen Kopf vorsichtig im Kissen ein. Ich betrachtete Luke, der sich auf dem Boden auf die Decke legte und mich zu mustern anfing.
"Sag, wenn ich noch etwas für dich tun kann oder du reden willst."
Seine Worte berührten mich innerlich. Ich konnte ihm einfach nicht böse sein, jedenfalls nicht langfristig. Ich konnte ihn auch nicht einfach aus meinem Leben ausschließen. Er kümmerte sich um mich, auch wenn er jeden Grund dafür besaß, auf mich wütend zu sein.
"Nacht", flüsterte es vom Boden aus. Es war so dunkel.
"Nacht", meinte ich und sah, wie Luke mir seinen Rücken zuwandte.
Ein Gefühl der Unsicherheit und Einsamkeit breitete sich wieder in mir aus. Ich wusste nicht, ob ich so die Nacht überstehen könnte.
"Luke?", sagte ich nach einer Weile. Ich wusste nicht, ob er überhaupt noch wach war. Ich versuchte es trotzdem. Ich konnte so nicht einschlafen.
"Mmh", vernahm ich ihn. Es war unüberhörbar, dass er bereits versucht hatte zu schlafen. Unter anderen Umständen würde ich mich jetzt entschuldigen, ihn geweckt zu haben.
"Kannst du hier bei mir schlafen?"
Ich fasste es nicht, dass ich ihn tatsächlich darum bat. Aber zu meiner Überraschung tat er es.
Er legte sich hinter mich, ohne mich dabei zu berühren. Aber seine Nähe tat so gut. Wir lagen schweigend dort in einem Einzelbett in der Dunkelheit unter einer Bettdecke.
"Willst du darüber reden?"
Ich antwortete nicht direkt, erwiderte seine Frage nur mit meiner Hand, die nach seinem Handgelenk hinter mir griff und seinen Arm um meine Hüfte legte.
Dann drehte ich mich zu ihm und blickte direkt in sein Gesicht. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er war wahrscheinlich genauso verwirrt von dieser Geste wie ich.
Irgendwie trennten uns nur noch wenige Zentimeter voneinander und wir besaßen vermutlich dasselbe Verlangen. Das spürte ich ganz deutlich.
Bevor mich dieses Gefühl von Einsamkeit wieder einholen konnte, legte ich meine Lippen auf seine. Es fühlte sich so gut an. Wenn ich einen Vergleich zwischen ihm und Oliver zog, dann fühlte sich dieser hier eintausend Mal besser, echter und wahrhaftiger an.
Luke erwiderte den Kuss und keuchte auf. Ich verfiel diesem Hautkontakt zwischen uns und drängte mich nur noch dichter an ihn, bis ich meine Beine um seine schlang. Unsere Oberkörper verschmolzen zu einem und ich spürte sein Herz, das tief in seiner Brust wild hämmerte.
Er vergrub die Hände in meinem Haar und ich vergaß komplett den Grund, weshalb ich traurig und überhaupt hergekommen war. Aber ich war auf jeden Fall dankbar dafür, dass es mich hierher gebracht hatte.
Wie eine gute Droge, machten mich seine Lippen und sein Verlangen nach mir, süchtig nach ihm. Nach unserer gegenseitigen Nähe stellte ich mir ernsthaft die Frage, wie wir nur so lange damit warten konnten. Als hätte die Wahrheit schon die ganze Zeit vor mir gelegen.
Seine Hände holten mich noch etwas näher an sich heran. Nun entfuhr auch mir ein kleines Keuchen. Ich wollte nie mehr von ihm loslassen.
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