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"Insomnie"
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,,Jungkook, was genau meinst du damit?", fragte Taehyung aus heiterem Himmel, da er ganz genau wusste, dass er Jüngere noch nicht schlief. Es war irgendwie unruhig, die beiden fanden keine richtige Position, in der sie liegen wollten und man hörte immer wieder ein genervtes Seufzen deswegen, weshalb sie voneinander wusste, dass dies eine schlaflose Nacht werden würde für alle beide, aber dennoch die ganze Zeit über kein einziges Wort sagten, bis der Mann die ruhe mit seiner Frage unterbrach. ,,Findest du ich schaue dich mit den Augen eines Liebenden an?"
,,Herr Kim, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dann würde ich diese Frage wirklich gern nicht beantworten", meinte Jungkook nur. Für den Augenblick sprach er noch mit geschlossenen Augen, weil es sich dann nur wie ein Gespräch in einem sich wirklich real anfühlenden Traum war, aber er wusste ganz genau, dass das hier gerade die Realität war, der er nicht entkommen konnte und der er sich irgendwann mal stellen musste, immerhin lag er gerade in einem Bett mit seinem alkoholisierten Chef, den er übermorgen wieder auf der Arbeit sehen müsste und mit dem er ohnehin schon in letzter Zeit viel zu viele Grenzen überschritten hatte, wenn man mal die eigentlich sehr unethische Wette vergaß, die die Beiden, aus welchen Gründen auch immer, abgeschlossen hatten. ,,Das war letztendlich nur ein wirklich dummer Gedanke, den Jimin mir in den Kopf gesetzt hat, als wäre ich wirklich froh drüber, wenn Sie das einfach vergessen und es mir auch nicht übel nehmen würden."
,,Ich nehme dir das auf keinen Fall über. Ich frage mich nur, wie die Augen eines Verliebten aussehen müssen, da ich noch nie zuvor so etwas gesehen habe", erzählte der Braunhaarige und seufzte dabei einmal, mit dem Blick an die Decke, an der kleine Sternchen hingen, die Jungkook dort hängen hatte, seitdem er ein Kind gewesen war. ,,Sah es gut aus? Oder verzweifelt? Wie erkennt man das? Und was bedeutet es, wenn ich die Augen eines Liebenden habe?"
Auch wenn Jungkook diesen Fragen am liebsten aus dem Weg ginge, fiel ihm doch relativ schnell auf, dass sein Chef hier nicht gerade versuchte ihn zu ärgern oder damit aufzuziehen, dass er mitbekommen hatte, wie der Jüngere aus falschem Verdacht, er wäre am Schlafen, zu ihm sprach, sondern wirklich nicht selbst die Antworten auf die Dinge wusste, die bei ihm gerade wohl dafür sorgten, dass er diese schlaflose Nacht hatte. Aus diesem Grund drehte er sich in die Richtung von Taehyung, sodass er ihn beim Sprechen anschauen konnte, wobei er sah, wie der Mann seine Hände hinter seinen Kopf gelegt hatte und einfach noch weiter all die kleinen Sternchen anschaute, die nur noch schwach leuchteten, aufgrund ihres Alters.
,,Nun ja, es ist schon mal nichts Negatives, so viel kann ich sagen. Aber wirklich positiv ist es auch nicht, also vielleicht eher neutral? Ach, ich bin mir selbst gar nicht so sicher. Wenn man den Blick erkennt, dann kriegt man einfach ein Gefühl, dass es so ist. Man weiß es einfach, verstehen Sie, was ich meine? Daher kann ich es selbst nicht wirklich erklären", versuchte Jungkook zu erklären, kriegte es aber nicht wirklich hin, bis ihm ein Wort einfiel, welches vielleicht für Klarheit sorgen konnte. ,,Intuition! Es ist die Intuition die zu einem spricht und einem sagt, dass es der Blick eines Liebenden ist!", sagte er schnell noch und tatsächlich verstand der Ältere es dann.
,,Das klingt schön", murmelte Taehyung nur leise und seine Mundwinkel hoben sich zu einem ganz schwachen Lächeln, welches Jungkook in der Dunkelheit nur gerade so erkannte und deswegen selbst zu Lächeln anfing. ,,Es tut mir leid, dass ich dich hier so wachhalte und einfach in deinen privaten Bereich eingedrungen bin. Das hätte ich in meiner Position nicht wirklich tun sollen."
,,Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Wir sind im Jahr 2021, da ist es doch ganz normal, wenn Arbeitskollegen, egal welchen Ranges, miteinander befreundet sind. Finden Sie etwa nicht?", fragte der Schwarzhaarige. Aber es kam keine Antwort. Kein einziges Wort. Um die unangenehme Ruhe also wieder zu brechen, ließ er sich schnell noch einen Satz einfallen, der vielleicht bewirken würde, dass es auf einer nicht ganz so schiefen Note endete. ,,Und um meinen Schlaf brauchen Sie sich auch keine Gedanken zu machen. Tatsächlich bin ich vor allem an Wochenenden um diese Uhrzeit so oder so wach. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich schlaflos bin und den Schlaf manchmal aber auch gar nicht brauche, um richtig zu funktionieren."
,,Leidest du auch unter Insomnie?", fragte der Chef in voller Hoffnung sofort. ,,Ah, vielleicht hätte ich das nicht so geradewegs fragen sollen."
,,Nein, das ist schon okay. Wieso aber? Leiden Sie darunter? Und wenn ja, wieso? Sofern ich Sie das fragen darf", entgegnete Jungkook folglich und in ihm kam augenblicklich die Neugier hoch. Außerdem hatte er auch nichts dagegen, mal ein wenig mehr über den Mann zu erfahren, der sonst so unerreichbar und emotionslos schien. Taehyung sprach tatsächlich aber nur dank des Alkohols so ehrlich aus dem Herzen heraus. Jedenfalls dachte er das, denn die Substanz hatte schon lange nicht mehr genügend Wirkung auf seine Sinne, als dass er lockerer mit dem war, was er sagte.
,,Ich habe einfach eine wirklich beschissene Familie, das solltest du mittlerweile ja wissen", fing er an zu erzählen. ,,Mein Großvater hatte immer eine wirklich komische Ansicht auf die richtige Erziehung und so hielt er es für eine gute Idee, mich allein schlafen zu lassen, sobald ich aus der Zeit raus war, in der ich es wirklich unbedingt brauchte, meine Mutter an meiner Seite zu haben. In unserem Haus hatte ich ein für mein Alter viel zu großes Zimmer, es war kaum passen eingerichtet für einen kleinen Jungen und das hatte auch einen ganz wesentlichen Grund, denn man versuchte mich schon frühzeitig zu einem Erwachsenen zu machen. So verbrachte ich also Nacht hinter nacht in meinem dunklen Zimmer, in dem ich nicht einmal ein Licht brennen lassen durfte, ohne Kuscheltiere oder andere Dinge, die mir den nötigen Komfort hätten geben können, mit dem es vielleicht nicht allzu schlimm gewesen wäre. Ob es draußen donnerte oder stürmte, ob ich meine durch meine Fantasie eingebildeten Monster unter dem sah oder ob ich weinte, weil ich ganz einfach nicht allein sein wollte, interessierte niemanden, weshalb ich dann im jugendlichen Alter schon gewöhnt daran war, nur auf mich allein gestellt zu sein, die Angst in der Nacht einfach zu verdrängen und versuchen zu schlafen, dabei aber geplagt von Gedanken, die mich nicht in Ruhe lassen wollten."
Das mit anzuhören, war nicht gerade leicht für Jungkook, denn nachdem er Zeuge davon wurde, wie der Großvater seinen eigenen Enkel schlug, hatte er sich bereits eine Menge an Gedanken darüber gemacht, wie es wohl in seiner Kindheit ausgesehen haben musste. Mehr aber fing er jetzt wirklich an, den Mann zu verstehen und realisierte allmählich woher seine so komplizierte Art herkam.
Er war nicht einfach ein emotionsloser und gefühlskalter Mensch, der sich nicht um andere scherte, sondern eher noch ein Kind, dass man nie hat Kind sein lassen, sondern von Anfang an als einen Erwachsenen behandelte und somit nie die wesentlichen Dinge im Leben lernte, die Teil einer guten Erziehung, vor allem im jungen Kindesalter, waren.
,,Gab es wirklich gar nichts, was Sie als Hilfe sehen konnten? Nicht einmal Ihre Großmutter?", fragte der Schwarzhaarige und seufzte leise, als der Mann, der mit ihm im Bett lag, den Kopf schüttelte. ,,Mein Großvater hätte sofort gemerkt, wenn sie in der Nacht zu mir gekommen wäre, als war es nicht möglich für sie, zu mir zu kommen. Bevor man sie wegschickte, hatte sie mir im Heimlichen aber einen Teddybären geschenkt, den ich für einige Zeit unter meinem Bett versteckte und jedes Mal in der Nacht dann hervorholte, um damit zu kuscheln, wenn ich das Gefühl bekam, ich könne nicht schlafen. Das erste Mal sah ich dann das hoffnungsvolle Licht am Ende des Tunnels, dachte ich könne ihn endlich verlassen, musste dann aber schnell realisieren, dass ich mich gar nicht erst in einem Tunnel befand. Um in einen Tunnel zu gelangen, musste man selbst hinein und um ihn zu verlassen, auf der anderen Seite wieder hinaus, aber ich war nie hineingegangen und hatte und habe auch bis heute nicht die Möglichkeit, zu entkommen, also stellte ich fest, dass es ein Gefängnis war, in dem ich mich befand. Man nahm mir den Bären, sobald man ihn fand und bestrafte mich damit, dass ich zwei Wochen lang eine bestimmte Zeit der Nacht unter Aufsicht in der Ecke meines Zimmers stehen musste, um an Disziplin zu erlangen. Seitdem hatte ich nie wieder eine Nacht, in der ich wirklich ruhig geschlafen hatte."
,,Das kommt jetzt vielleicht komisch und wahrscheinlich auch eher, weil ich noch Alkohol in mir habe, der mich auf dumme Gedanken bringt", was nicht stimmte, ,,aber möchten Sie es vielleicht mit mir versuchen? Ich bin vielleicht kein Teddybär und wir sind auch beide erwachsene Männer, aber die körperliche Nähe zu einem Menschen kann wahrhafte Wunder bewirken, also könnten wir es in dieser Nacht ja vielleicht versu-", wollte Jungkook gerade aussprechen, aber noch bevor er das tun konnte, hatte Taehyung bereits die letzten Zentimeter überbrückt, die ihre durch die Situation erhitzten Körper voneinander trennten, und sich wie ein kleiner Junge an der Brust seiner Mutter, an die Brust seines Sekretärs geschmiegt, spürte die geborgene Wärme und merkte beinahe augenblicklich, wie gut es sich anfühlen konnte, so nah zu einem anderen Menschen zu sein, ohne dass es auf sexueller Ebene beruhte.
Auch wenn Jungkook eher damit gerechnet hatte, dass er sich an die Brust des Älteren schmiegen würde, hatte er natürlich kein Problem damit, nun als lebendiger Teddybär benutzt zu werden. Ganz im Gegenteil gefiel es ihm unterbewusst so sehr, dass er, wie Taehyung auch, nach ziemlich kurzer Zeit bereits in die Welt der Träume ging, in einen tiefen Schlaf verfiel, in dem er sich so wohl fühlte wie nie zuvor.
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Ein bisschen Vkook schadet nie!
Das ist wie Balsam für die Seele, das sag ich euch! :3
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