"Geboren, um zu sterben"
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Inmitten seiner so grauenvollen Kindheit, diesem endlos langen, dunklen und ach so kalten Tunneln, in dem Taehyung sich befand, brannte dennoch immer ein kleines Licht, auch wenn nur ganz schwach und flackernd, war es das kleine bisschen Hoffnung, was ein Kind wie er brauchte. Es war seine Großmutter.
Eine charmante, lebensfrohe Frau, die leider an der Seite des falschen Mannes gelandet war, der sie brach und ihre jedes kleinste bisschen an Lebensenergie nahm, was sich in ihrem zierlichen Körper befand. Nichts konnte sie aber davon abhalten, ihrem einzigen Enkelsohn die Liebe zu geben, die er als Kind und vor allem aber als Mensch verdiente. Die Liebe, die ihm seine eigene Mutter nicht gab und die Liebe, die ihm sein Großvater enthielt, weil er der Meinung war, emotionale Bindungen zwischen zwei Menschen waren nur unnötiger Ballast im Leben, der dafür sorgte, dass einem Hürden in den Weg gesetzt wurden.
Und weil sie ihn liebte, liebte auch er sie, mit seinem ganzen Herzen.
Nie konnte Taehyung zu anderen Menschen ein wirkliche, emotionale Bindung aufbauen, hatte sie aber dennoch zu seiner Oma, bei der er lächeln durfte, die ihm im Geheimen sein Lieblingsessen machte, was der Älteste für zu ungesund empfand, insbesondere aber durfte er Kind bei ihr sein. So gut sie nur konnte, versteckte sie kleine Spielzeuge, die sie ihm gab, wenn sie allein waren, auch wenn es nur für wenige Minuten in einer Woche hielt, ließ sie ihn ein wirkliches Kind und gab ihm somit dieses kleine bisschen an Menschlichkeit, was er ganz tief im Inneren trug, was sein Großvater immer zu vernichten anstrebte.
Nun aber war ihre Zeit abgelaufen.
,,Lass mich hier nicht so allein zurück, ja? Mach bitte die Augen wieder auf und sag mir, dass alles gut ist, dass wir gemeinsam noch lange zusammen leben werden, wir Abende lachend verbringen und du für mich da sein wirst", hörte man die gebrochene Stimme des Mannes aus dem Krankenzimmer hinaus, dessen Tür nicht geschlossen war. Jungkook war nicht mit reingekommen, verblieb im Flur und hörte mit, da er eigentlich nicht über seine Grenzen gehen wollte, aber wie er Taehyung da so sah, als er einmal in das Zimmer hineinschaute, zog sich seine Brust sofort zusammen, sodass ihm die Luft wegblieb. ,,Sag mir wenigstens ein letztes Mal, dass du mich gern hast und ich dein Lieblingsenkel bin, auch wenn ich sowieso der einzige bin!"
All die Jahre über hatte er sich um sie gesorgt, nachdem sie aus der Familie verstoßen wurde, weil man herausfand, dass sie sich nicht an das hielt, was ihr gegenüber ihrem Enkel aufgetragen wurde. Natürlich gab der damals nur Vierzehnjährige sich selbst die Schuld dafür, litt auch stark darunter, da er mehrere Jahre nun ganz allein gewesen war, bis er im volljährigen Alter dann endlich Zugang zu eigenem Geld bekam und sich sofort auf die Suche machte, da er seine Oma nie vergessen hatte. Jedoch war es dafür zu spät.
In nur vier Jahren hatte die ältere Frau sich sehr verändert, denn die Demenz in ihr kam auf, sie hatte also den einst noch so wertvollen Enkel vollkommen vergessen und erinnerte sich nicht länger an ihn. Sie kannte weder seinen Namen, noch erinnerte er sich an die schönen, wenn auch nur wenigen Momente, die die beiden teilten, wenn sie allein waren. Mit dieser Erkenntnis zerbrach nun auch die flackernde Birne in dieser kleinen Lampe in dem kalten, endlosen Tunnel. Aber auch wenn sie ihn vergessen hatte, wollte Taehyung an ihrer Seite bleiben, finanzierte das Krankenhaus, in dem sie untergekommen war, da neben der Demenz auch noch andere, gesundheitliche Probleme auftraten, sodass sie dort für immer einen wunderschönen Platz haben würde, besuchte sie oft, aber gab sich nur als ein Freund und Helfer aus, der auch für die anderen da war, denn egal wie oft er auch dort war, sie vergaß seinen Namen jedes Mal aufs Neue, erkannte ihn nicht und wusste nicht, wer er war.
,,Herr Kim, ich weiß dies ist ein äußerst emotionaler Moment für Sie, aber lassen Sie mich Ihnen sagen, dass Ihre Großmutter einem friedlichen Tod aus Altersschwäche verstarb, ohne Schmerzen und ohne Beschwerden. Sie ging von uns, trug aber ein schwaches Lächeln auf ihren Lippen, während Sie ihre letzten Worte zu mir sagte", teilte die Krankenschwester dem Mann mit, die er vor Jahren eingestellt hatte, um für seine Großmutter zu sorgen. ,,Vielleicht erkannte sie Sie nicht, hatte Ihren Namen nicht im Sinn, aber im letzten Moment bat sie mich dennoch drum, Ihrem Enkel zu sagen, dass Sie nie aufgehört hat ihn zu lieben, auch wenn er nicht mehr an ihrer Seite war", erzählte die jüngere Frau noch und hielt dann einen kleinen Briefumschlag hin. ,,Das soll ich Ihnen überreichen, denke ich. Ich fand es auf dem Schreibtisch und ging davon aus, dass Sie derjenige sind, der diesen Brief haben solle."
Ohne zu zögern nahm Taehyung den Brief sofort an, da es das Letzte war, was er von seiner Oma hatte und er somit sofort wissen wollte, was sie ihrem eigentlich vergessenem Enkel mitteilen wollte. So öffnete er mit zittrigen Händen und glasigen Augen den Umschlag, während nun auch Jungkook in das Zimmer kam, da man die Großmutter kurz vorher mit ihrem Bett nun weggebracht hatte.
,,Herr Kim? Geht es Ihnen gut? Kann ich etwas für Sie tun?", fragte der Schwarzhaarige ganz vorsichtig, aus Angst auch nur einen Fehltritt zu machen, was bei Taehyung viel bedeuten konnte, vor allem wenn er in einem solch emotionalen Moment war. Das Aphrodisiakum hatte auch längst schon seine Wirkung verloren, sodass er bestimmt nicht mehr so entspannt gewesen war, wie vorher.
,,Weißt du", fing er leise an zu sagen. Aus seine Stimme deutlich herauszuhören, dass er jedes Schluchzen mit Mühe hinunterschluckte und regelrecht damit kämpfte, nicht jeden Moment los zu weinen. ,,Sie schrieb mir diesen Brief, aber ich schaffe es nicht, ihn zu lesen. Würdest du mir also bitte dabei helfen und ihn für mich vorlesen? Ich weiß, dass das zu viel verlang-", sagte er, wurde aber unterbrochen. ,,Natürlich mache ich das! Und es ist auch auf keinen Fall zu viel verlangt, denn ich weiß genau, wie Sie sich gerade fühlen, da ich auch meine Großeltern vor einiger Zeit verloren habe. Daher möchte ich helfen, wo auch immer ich kann!"
Und mit diesen Worten gab Taehyung den Brief seiner Großmutter an Jungkook, was aber nicht nur ein Stück Papier war, sondern ein Bündel aus Vertrauen und Gefühlen, was er all die Jahre in sich gehabt hatte, gegenüber seiner Oma.
,,Lieber Enkel, erinnerst du dich an mir?", fing der Jüngere an zu lesen, räusperte sich dann einige Male noch, bevor er richtig loslegte. ,,Wenn du das hier liest, dann hat dich mein Brief endlich erreicht und ich muss dir damit auch leider mitteilen, dass es sehr spät geworden ist. Du weißt ja, wir sind alle geboren, um zu sterben. Aber bitte sei nicht traurig! All die Jahre hatte ich immer ein Gefühl in mir, dass etwas fehlte, es war aber nicht so, dass ich traurig war. Auch wenn ich nicht da sein konnte, fühlte ich mich so nah und das gab mir Stärke. Weißt du, alt zu sein ist nicht so schön, da alles schwieriger wird im Leben, aber die Leute um mich herum sind alle so nett und kümmern sich um mich. Deinen Namen habe ich leider vergessen, aber ich habe meine Erinnerung an dich tief in mir behalten und sie kam mir heute Nacht sofort wieder in den Sinn, als ich eigentlich schlafen wollte. Dein junges Gesicht, das breite Lächeln und deine dunkelbraunen Haare, all das ist mir wieder eingefallen und da wusste ich sofort, dass es Zeit für mich war, von dieser Welt zu gehen und mich auf den Weg zu machen, eine neue Reise anzutreten. Weißt du, in der ganzen Zeit hier hatte ich oft Besuch von einem Helfer im Krankenhaus und wenn ich so darüber nachdenke, dann habt ihr eine gewisse Ähnlichkeit. Vielleicht habe ich mich daher immer so nah zu dir gefühlt, auch wenn uns bestimmt hunderte von Kilometern trennten."
Als Jungkook seinen Satz beendete, weiteten sich die Augen von Taehyung sofort und er fühlte sich sofort ganz komisch, unwohl und auch irgendwie niedergeschlagen, weil es noch nicht weiterging. Daher bettelte er beinahe drum, dass der Jüngere weiterlesen würde, aber...
,,Hier hört der Brief einfach auf", murmelte er leise vor sich hin und wagte es einige Zeit lang gar nicht, hoch in das Gesicht seines Chefs zu gucken, aus Angst, dieser würde aus Wut oder anderen Gefühlen irgendwas nach ihm werfen, auch wenn er keine Verantwortung darin trug, dass der Brief kein Ende hatte und einfach so beendet wurde, wobei seine Großmutter dennoch schöne Worte an ihn schrieb, sich auch endlich wieder an ihn erinnerte, wenigsten daran, dass er existierte und wie er aussah, aber nicht beim Namen.
Aber dann schaute Jungkook doch hoch und sah, dass der eigentlich so gefühllose, kalte Mann vor ihm gerade anfing zu weinen.
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Woah, ich weiß nicht wieso, aber ich hatte wirklich Schwierigkeiten damit, dieses Kapitel zu schreiben. Irgendwie fiel es mir so schwer und ich fühle mich damit auch so down irgendwie, keine Ahnung......
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