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"Wie es ist eben so ist, ganz allein und einsam zu sein"
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Auch wenn er es tun wollte, konnte Taehyung nicht über seinen Schatten springen, um sein Büro zu verlassen, in dem die Luft so warm und stickig geworden war, dass er das Gefühl hatte, bald das Bewusstsein zu verlieren, und sich bei Jungkook für sein falsches Verhalten zu entschuldigen. Irgendwie war sein Stolz auch viel zu groß dafür, um sich selbst überhaupt eingestehen zu können, dass er einen Fehler beging. Niemand hatte es verdient, so angepöbelt zu werden.
,,Ich hasse es", murmelte er leise vor sich hin und legte seinen Kopf auf seinen Tisch. Ob er wirklich schuldig war, konnte man sich natürlich fragen. Taehyung machte das nicht, weil es ihm gefiel, er war nicht so kalt, weil er selbst es wollte, sondern weil er es einfach nie anders kennengelernt hatte. In seiner Familie war Liebe ein Zeichen der Schwäche und wurde ersetzt durch Anerkennung, da man sich durch Anerkennung den nötigen Respekt einholte, den man benötigte, um Leute herumkommandieren zu können. Das brachte ihm sein Großvater höchstpersönlich bei. Für Freundschaften war im Leben auch nie Zeit, denn laut ihm, musste man sich selbst und seine Arbeit immer an erster Stelle sehen, denn was wollte man mit Freunden, wenn man keinen Cent in der Tasche hatte?
Welches Kind würde unter solchen Verhältnissen denn zu einem liebevollen Menschen heranwachsen? In jungen Jahren schon war er nur umgebene von Erwachsenen, die ihm irgendwelche Dinge beibringen musste, welche er für das Leben in der Firma brauchte. Statt irgendwelche Kinderserien zu schauen, war er gezwungen über den Aktienmarkt zu lernen und die Aktienkurse zu beobachten. Sein Spielplatz war das Büro seines Großvaters, seine Spielzeuge die Lexika, die er lesen musste. Statt bunten Farben, bekam er nur blaue und schwarze Kugelschreiber, lernte früh zu tippen, zu verhandeln und hatte mittlerweile seitdem er zwölf war eine feste Unterschrift, mit der er bis heute Dokumente und andere Dinge signierte. Seine Hobbys standen bei seiner Geburt schon fest. Er durfte sich nicht aussuchen, was er machen wollte und musste die Wirtschaft zu seiner Leidenschaft machen.
Zwar war er echt gut in dem was er machte, wenn nicht sogar der beste in diesem Beruf, aber was für einen Sinn hatte das, wenn er diesen Beruf gar nicht mochte? Jeden Morgen zwang er sich aus seiner Wohnung und kam her, ohne dass er wirklich dahinter stand und es überhaupt wollte, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Er musste es tun. Und weil das nicht reichte, setzte sein Großvater auch noch einen zweiten Direktor ein.
Kim Namjoon.
Sie hatten denselben Nachnamen, so dachten viele sie seien entfernte Verwandte, da sie sich nicht wirklich ähnlich sahen. Sie spielten vor den Mitarbeitern auch eine Freundschaft oder eher ein nettes Miteinander, während hinter den Kulissen ein Krieg stattfand, den Namjoons Position wurde nur ins Leben gerufen, um Konkurrenz für Taehyung zu schaffen. Der Großvater fürchtete, dass sein Enkel irgendwann abhauen könnte oder alles links liegen lassen würde, weshalb er Namjoon in die Firma holte, um einen Konkurrenzkampf zu starten, denn auch wenn Taehyung den Beruf nicht mochte und er eigentlich gar kein Interesse daran hatte, Erfolg mit dem zu haben, was er machte, war er ein äußerst ehrgeiziger Mann, der es auf keinen Fall mochte, wenn man ihn mit jemandem verglich, jemand anderes gar besser sei als er.
Er hielt es hier nicht länger aus. So griff er also ein Zigarette aus der Schachtel, klemmte sie sich hinter das Ohr, nahm noch eine Zweite und legte sich diese zwischen die Lippen, warf sich seinen Mantel über die Schultern und stürmte auf seinem Büro hinaus. Natürlich nicht, ohne das sein Blick sich mit dem seines Sekretärs kreuzte, der mit noch immer glasigen Augen zu ihm aufschaute. Reden wollte Taehyung jetzt aber nicht, weshalb er bis auf das höchste Stockwerk fuhr, wo sich eine Dachterrasse befand, auf der die Mitarbeiter im Sommer meist ihre Mittagspause verbrachte, im Winter aber nur der Direktor den Zugang hatte, um hier zu rauchen. Er zündete sich also die Zigarette zwischen seinen Lippen an und nahm einen tiefen Zug, durch den sich seine Lungen mit dem schädlichen Rauch füllten, dessen Tabak aber dafür sorgte, dass er sich inmitten all seines Stresses beruhigte.
Hin und wieder mal traf ein frischer Windzug seine Haut, was für eine kurze Gänsehaut sorgte, aber irgendwie wärmte das Rauchen ihn auch, weshalb es ihn nicht störte, bei Minusgerade hier oben zu sein. Irgendwas ließ ihn aber nicht ruhig, denn jedes Mal, wenn er an der Zigarette zog, dachte er zurück an den Abend, an dem er mit Jungkook in Incheon war. Er dachte dran, wie der Jüngere ihn ansah, als er anfing zu rauchen und was er ihn fragte, weshalb die Lust darauf einfach verschwand.
Genervt und absolut gereizt schmiss er die bereits angezündete Zigarette vor sich auf den Boden und stampfte mehrmals wütend drauf, ehe er sich dann, nachdem er die hinter seinem Ohr auch einfach über das Geländer hinweg in Richtung der endlosen Straßen Seouls war, beruhigte. Hektisch atmend schaute er in die Ferne und bekam das Gefühl, sich selbst gar nicht mehr wieder erkennen zu können. Taehyung war verzweifelt und es war alles die Schuld dieses Schwarzhaarigen Mannes, den er abgrundtief hassen wollte, es aber aus einem ihm unerklärlichen Grund einfach nicht konnte.
Auch wenn er den restlichen Tag am liebsten hier oben verbracht hatte, wo er ungestört blieb, musste er noch eine Menge an Arbeit erledigen, weshalb der Direktor zurück in sein Büro ging, sich an seinen Schreibtisch setzte und sich in die Dokumente stürzte, um somit auf andere Gedanken zu kommen. Auch das hatte er von seinem Großvater gelernt gehabt. Wenn mal eine stressige Zeit kam oder man sich einfach nicht beruhigen konnte, war die beste Lösung, sich einfach in Arbeit zu verwickeln, da man so etwas tat, was ein Ziel hatte, somit also keine Gedanken mehr unnötig verschwendet wurden.
An jenem Tag aber, konnten nicht einmal die äußerst wichtigen Dokumente, die vor seiner Nase auf dem Tisch lagen, Taehyung wirklich auf andere Gedanken bringen, denn alle paar Minuten mal erwischte er sich selbst dabei, wie er aufschaute und seinen Sekretär bei seiner Arbeit beobachtete. Wieder verstand er es nicht, wieso es so faszinierend schien, wie Jungkook seine Arbeit machte. Der Jüngere hatte ein solch unschuldiges auftreten und stets ein ganz schwaches Lächeln auf den Lippen, während er etwas in den Computer vor sich eintippte oder Dokumente sortierte. Taehyung war regelrecht gefangen von diesem Anblick, sodass er nicht einmal wahrnahm, dass Jungkook seinen starrenden Blick bemerkte und sofort unangenehm berührt, mit einem roten Schimmer auf seinen Wangen wegschaute.
Der Ältere wollte sich entschuldigen, also kam er auf die Idee, da es mittlerweile auch schon so spät geworden war, seinen Sekretär auf ein Abendessen einzuladen. Das war das einzige, was ihm einfiel, womit er eine gute Geste machen konnte, ohne dabei die Worte ,,Es tut mir leid" sagen zu müssen, die er keineswegs über die Lippen bringen konnte.
Mit diesem Vorhaben also ging er aus seinem Büro zu Jungkook, öffnete gerade den Mund und wollte sprechen, da kam Namjoon von der Seite und meldete sich zuerst zu Wort. ,,Jungkook? Ich bin für heute fertig und wenn du selbst nicht mehr viel zu tun hast, würde ich dich gerne zum Abendessen einladen. Ich habe dich heute noch nicht eine Sache essen sehen", meinte der Braunhaarige und würdigte Taehyung dabei keines Blickes.
,,Eh- ich weiß nicht, wann ich hier fertig werde", murmelte der Jüngste unsicher vor sich hin und schaute dabei zu seinem Chef, als würde er ihn indirekt nach der Erlaubnis fragen, mit Namjoon essen zu gehen. Taehyung seufzte. Er wusste, er hatte keine Chance es wiedergutzumachen, also nickte er nur leicht.
,,Ich wollte dir gerade nur sagen, dass wir etwas länger arbeiten werden", gab der Direktor leise von sich. ,,Wenn du also essen möchtest, kannst du gehen."
Und mit diesen Worten gab Taehyung sich zum ersten Mal in seinem Leben in einer Situation geschlagen und das ausgerechnet vor Namjoon. Alles nur wegen Jungkook.
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Das wird noch witzig :3
Ach ja! Ich habe ab heute angefangen meine alte Story »TEACHER'S PET« zu überarbeitet! Also nicht wundern, dass da täglich Updates kommen. Ich werde hier weiterhin ebenso täglich schreiben! <3
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