05.

"Ich schwöre euch, der Tag hat gerade erst angefangen und ich könnte mich schon wieder ins Bett legen." Begleitet von dem Knallen seines Tabletts lässt sich Bennett mir gegenüber auf den Stuhl fallen und stößt ein Seufzen aus. Ich hebe eine Augenbraue, denn im Gegensatz zu mir, Bex und Jessy, die im stinklangweiligen Geschichtsunterricht saßen, konnte er in englischer Literatur entspannt seine Zeit aussitzen.

"Wie wäre es, wenn du deine Nächte dazu nutzen würdest zu schlafen, anstatt stundenlang zu zocken?", erwidert Jessy spitz und wirft ihr fliederfarbenes Haar über ihre Schulter. Es gibt kaum eine Zeit, in der dieses verrückte Huhn sich nicht die Haare färbt, da sie mit ihrem langweiligen Braun nichts anfangen kann. "Und wenn ich dich daran erinnern darf, haben wir gleich mit Benni und den anderen Sport, deine Augen sollten also bei der Sache sein und sich nicht ins Land der Träume verabschieden."

"Als ob du etwas dagegen hättest", wirft Bex ein und beäugt sie mit einem Grinsen. "Du kannst jedes Mal kaum deine Augen von Cyril lassen und fängst beinahe an auszulaufen, sobald auch nur ein Hauch seines Oberkörpers zu sehen ist. Und wenn die Jungs erst ihre Shirts ausziehen-"
"Ach, halt deine Klappe!"

Ich presse meine Lippen aufeinander, um nicht laut loszulachen, was aber nur bedingt klappt. "Warum schweifen unsere Themen immer wieder zu Benni und den anderen?"
"Weil sie quasi das Gesprächsthema schlechthin an der CPS sind! Es kann sich ja nicht jeder so glücklich schätzen von den Black Geschwistern angesprochen zu werden wie du."
"Wobei wir noch immer nicht verstehen warum", fügt Bennett hinzu und schiebt seine Brille mit seinem Finger ein Stück weit runter, um mich ganz genauer unter die Lupe zu nehmen.

Ich zucke jedoch nur mit den Schultern. "Vielleicht, weil ich sie nicht so anhimmle oder ihnen in den Arsch krieche wie andere?" Dass wir zu einer Familie gehören weiß niemand auf dieser Schule und es ist auch besser so, wenn es dabei bleibt. Ich bin zufrieden damit nicht in solch einem Fokus stehen zu müssen und habe nicht vor das zu ändern. "Wie auch immer. Könnten wir jetzt bitte über etwas anderes reden als ständig über sie? Danke!"

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Nach der Pause begeben Jessy und ich uns zu den Mädchenumkleiden, während Bennetts pechschwarzer und Bex aschblonder Haarschopf in Richtung der Jungs verschwinden. Es wundert mich mittlerweile nicht auch hier das Getuschel über Benni, Eliza und die anderen hören zu müssen. Ob es an meiner Beziehung zu ihnen liegt oder der Tatsache, dass ich den Hype um sie nicht nachvollziehen kann, weiß ich nicht, aber ich muss zugeben, dass es das Einzige ist, was mich nach all der Zeit, die ich bereit auf der College Prepatory School, doch nervt. Für mich sind sie normale Menschen - auch wenn die Bezeichnung nicht ganz zutrifft. Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich sie seit ihrer Geburt kenne - und auf die beiden als brabbelnde Babys oft genug aufgepasst habe.

Jessy und ich lassen uns auf eine der Bänke fallen und holen unsere Sportkleidung aus unseren Taschen. Ich tausche meine Jeans und den olivfarbenen Pullover gegen eine Shorts und ein lockeres Shirt, binde dann meine Sneaker zu und binde mein Haar zu einem hohen Pferdeschwanz. Zehn Minuten später sitzen wir mit den bereits fertig umgezogenen Jungs auf der Bank und warten darauf, dass auch der Rest langsam eintrudelt. Einige der Mädels tragen so viel Make-Up auf ihren Gesichtern und setzen sich absichtlich vorzeigend auf die Bänke, dass ich nur den Kopf schütteln kann. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn sie irgendwann mit ihren Wasserflaschen um sich spritzen und absichtlich einen Wett-Shirt-Contest veranstalten, nur um die Aufmerksamkeit der beliebtesten Jungs der High School zu bekommen.

Kurz darauf erscheint der Coach mit seinem typischen Klemmbrett in der Hand und mustert dieses, ehe seine laute Stimme durch die Halle strömt. '"Fangen wir mit der Anwesenheit an." Er hält kurz inne. "Die beiden Blacks", sagt er und kurz darauf ertönt Bennis Stimme. Name für Name geht er die Anwesenheitsliste durch, bis mein Nachname ertönt und mich ebenfalls mit einem "Hier" melde. Jessy's Ellenbogen rammt sich in meine Seite mit flüsternden "Er sieht zu dir!"
Irritiert wende ich mich ihr zu, folge ihrem Finger, der neben uns zeigt und treffe auf Benni's Blick, der sich in meinen bohrt. Einer meiner Mundwinkel hebt sich, was sich auf seinem Gesicht widerspiegelt, dann schaue ich zurück zu Jessy. "Ja, und weiter?"
"Ich will wissen, was du machst, damit er zu dir sieht. Vielleicht klappt das bei Cyril ja auch!"

"Jess." Ich verdrehe meine Augen, kann aber nicht mehr verhindern, dass ich nun vollständig grinse. "Versuch es doch mal damit ihn einfach anzusprechen? Oder ihm nicht wie ein sabbernder Hund hinterherzusehen."
"Ich sabbere nicht!" Wir beide zucken bei ihrer Lautstärke zusammen, da auch die anderen neben uns ihre Worte gehört haben. Ihre Wangen schimmern rot als sie auf den Boden blickt und ich blicke um uns.

Das leise Lachen der Jungs entgeht uns nicht, doch für meine Freundin versuche ich es zu ignorieren. "Verdammt", murmelt sie und versucht noch immer ihre rosigen Wangen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich stupse sie mit meiner Schulter an. "Kopf hoch und lächeln, Süße." Das Räuspern des Coach lenkt zu ihrem Glück dann die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. "Können wir dann mit dem Unterricht beginnen?"

Nachdem er uns die Anweisung gibt alles für das Zirkeltraining zu Warm-Up aufzubauen, stehen alle von den Bänken auf und teilen sich auf. Jessy versucht währenddessen wieder eine normale Gesichtsfarbe zu bekommen, was ihr irgendwann auch gelingt. Es dauert nur wenige Minuten bis alle wieder auf einem Haufen stehen und darauf warten, dass der Coach das Signal gibt. "Verteilt euch so, dass an jeder Station 5-8 Schüler gleichzeitig sind, dann legt los. Pro Satz 60 Sekunden, ich gebe mir der Pfeife die Signale. Dann sind wir in 8 Minuten durch und können spielen."

In einer Reihe absolvieren wir alle die einzelnen Stationen, der eine besser oder schlechter. Zum Ende stützen sich einzelne sogar auf ihren Beinen ab, um Luft zu schnappen, während ich völlig entspannt stehen bleibe und meine Arme strecke. Über die Hindernisse zu springen und dabei seine Kondition zu halten ist bei der Tatsache, dass ich auf Sauerstoff nicht angewiesen bin, um einiges leichter und nützt nicht nur in solchen trivialen Situationen wie dem Sport-Unterricht. In solchen Momenten bin ich froh um meine übernatürlichen Kräfte, denn solche sportlichen Aktivitäten schöpfen mich nicht im geringsten aus. Auch Jessy, die sportlich eine Niete ist, schnauft vor sich hin. "Wie kannst du bei diesem Drill nicht außer Puste sein?", fragt sie unter tiefen Atemzügen. Schulter zuckend deute ich auf weitere Mitschüler, die ebenfalls darauf warten, dass es weitergeht. "Ich bin nicht die einzige." 

Nach einer kurzen Trinkpause ruft der Coach, dass wir uns in die Gruppen zum Basketball aufteilen sollen. Wie nicht anders zu erwarten gruppieren sich Ben und seine Jungs sofort zusammen, doch das scheint nicht jedem zu gefallen, vor allem, wenn ich neben mich sehe. "Das ist unfair, Coach!", brummt einer der Jungs aus meiner Gruppe und zeigt mit seinem Finger auf die andere Gruppe. "Wenn die ein Team bilden haben wir von Anfang an keine Chance." Zwei andere stimmen mit schnellem Nicken zu und verschränken ihre Arme vor der Brust. "Black, Channing und die anderen würden uns direkt platt machen, da können wir auch auf der Bank sitzen bleiben."

Benni schnaubt auf und es fällt mir schwer keinen Kommentar von mir zu geben. Ich mische mich ungern in solche Situationen ein, nur wenn es nicht anders möglich ist. Der Coach wirft ihnen einen warnenden Blick zu, ehe er sagt: "Gut. Benni, Cole und Isaac ihr geht ins andere Team", dann sieht er zu ihnen "von euch gehen drei rüber. Irgendwelche Freiwillige?"

Drei aus unserem Team melden sich und tauschen mit ihnen die Plätze. Dass Jessy dieser Tausch natürlich gefällt merke ich an ihrem Grinsen, das sie versucht zu verbergen. "Du könntest ihn doch jetzt einfach mal ansprechen?", schlage ich ihr vor, doch sie winkt ab. "Vor all den Leuten hier? Nein danke, ich habe mich für heute schon genug blamiert." Wir sehen zu den Jungs, die zu uns gekommen sind, wobei mein Blick kurz bei Ben hängen bleibt. Er sieht ebenfalls in unsere Richtung und es würde mich nicht wundern, wenn sie noch über Jessy's Kommentar sprechen würden.

Sobald sie direkt vor uns stehen bleiben, kommen auch Bex und die anderen dazu, ehe Benni sich an alle wendet. "Könnt ihr Basketball spielen?"
"Naja, ein wenig dribbeln geht schon", antwortet Bex und Bennett schnauft. "Das gilt für dich vielleicht." Er stellt sich Benni gegenüber und verschränkt seine Arme. "Nur, weil wir vielleicht so aussehen, heißt es noch lange nicht, dass wir nichts können, Black."

Ich gehe auf Bennett zu, da ich genau sehe wie Bennis Augen sich verdunkeln, und lege meine Hand auf seinen Oberarm. "Ich glaube nicht, dass er das damit gemeint hat. Oder?" Ich sehe zu ihm und bemerke hinter ihm wie Isaac und Cyril stehen und die Lage mustern. Langsam nickt er auf meine Worte hin und fügt dann hinzu: "Ich habe gefragt, um einzuschätzen wer in welcher Position am effektivsten spielen kann, sodass wir alle Spaß und Erfolg haben. Aber wenn du das übernehmen möchtest, bitte gerne." 

Er streckt seine Arme aus, sodass ich einen Schritt zurückgehe, und stellt sich dann zwischen seine zwei besten Freunde. Unbeeindruckt zuckt Bennett mit den Schultern und dann beobachte ich mit gehobenen Augenbrauen wie er ohne Probleme jedem eine Position einteilt. Selbst die drei Jungs scheinen beeindruckt, und begeben sich tatsächlich auf die Positionen, in die Bennett sie einteilt. "Na dann, los geht's!"

Und Bennett's Einteilung stellt sich als gar nicht so schlecht heraus wie wir feststellen. Man merkt, dass die Teams ausgeglichener sind und somit der Trieb zum Gewinnen eindeutig mehr vorhanden. Alle legen sich ins Zeug und es macht sogar Spaß. Etwas, was bei der sonstigen Gruppierung nicht in den Augen der anderen zu sehen ist. Am Ende liegt es Gleichstand und alle wirken zufrieden, selbst wenn es keinen klaren Sieger gibt. "Scheint, als wäret ihr doch nicht so unterlegen", kommentiert der Coach, sobald er vor uns zum Stehen kommt. "Es war zumindest gerechter." Bennett streicht sich mit seiner Hand über die Stirn und grinst, bevor er sich Benni und den drei Jungs zuwendet. "Gut gespielt."

Ich schaue zu Jessy, die ihren Blick nicht von Cyril nehmen kann und räuspere mich leise, woraufhin sie wieder zu sich kommt. Zusammen wenden wir uns ab in Richtung der Umkleiden. "Ich bin froh, wenn dieser Tag vorbei ist", murmelt sie leise und ich schenke ihr daraufhin ein Lächeln. "Das wird schon. Erst einmal müssen wir die Englisch Stunde hinter uns bringen, vielleicht siehst du es in der großen Pause ja entspannter."

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Ich sollte recht behalten. Mittlerweile hat Jessy ihr kleines Faux-Pas lägst vergessen und redet fröhlich vor sich hin. Die Jungs und ich sind es schon gewohnt, dass sie ab und an ihre Redeschwalle hat und unterbrechen sie dabei nicht. Und gerade, weil ich weiß, dass sie unbedingt von dem Moment im Sport-Unterricht ablenken will, was Bennett und Bex auch mitbekommen haben, versuchen wir ihr ihren unausgesprochenen Wunsch zu erfüllen. 

Als wir sehen wie Cyril und Benni die Cafeteria betreten erkenne ich sofort Bennetts Augenrollen. "Warum bist du jetzt wieder so genervt?", frage ich ihn, woraufhin er von ihnen wegsieht und herausfordernd eine Braue hebt. "Ganz einfach: sie halten sich für etwas Besseres und das geht mir gegen den Strich!"

"Jetzt übereibst du aber", widerspricht Jessy, doch Bennet bringt sie sofort zum schweigen. "Ich bin auch nicht so verblendet wie du."
"Bennett!" Ich zische seinen Namen, was ihn zusammenzucken lässt. "Lass' deine schlechte Laune nicht an uns aus. Wie wäre es, wenn du stattdessen über das redest, was dich wirklich beschäftigt?"

Ich versuche die Lage zu entschärfen und es dauert nicht lang, bis er einknickt. Aufmerksam hören wir ihm zu, wie er von dem Stress mit seinen Eltern berichtet, die sich momentan im typischen Scheidungskrieg befinden und ohne Rücksicht ihren Sohn mit hineinziehen. Ich verziehe den Mund und auch Jessy bringt Verständnis mit sich. "Warum hast du denn nicht früher was gesagt?"
"Weil ich euch nicht auf die Nerven gehen wollte."

"Du weißt, dass du bei mir auf der Couch übernachten kannst, wenn du es nicht aushalten solltest." Bex legt ihm eine Hand auf Bennetts angespannten Schultern und ich nicke. "Bei mir wäre sich genügend Platz im Notfall." Und es erklärt, warum er vorhin so gereizt reagiert hat. Bennett hat viele Facetten an sich und man weiß nie, welche von ihnen zum Vorschein kommt. Aber wenn er eines ist, dann eine treue Seele. Ich will mir nicht vorstellen wie es sein muss in seiner Lage zu sein, denn meine Eltern waren nicht gewollt getrennt. Aber ich muss auch sagen, dass ich, im Nachhinein, nur eine wirkliche Bindung zu meinem Vater hat und sonst Sophia meine Bezugsperson war.

Bennett nickt und streicht sich seufzend über sein Gesicht. "Danke, Leute. Wirklich, ich weiß das zu schätzen." Ich lege einen Arm um ihn und drücke ihn. "Das ist selbstverständlich. Wir sind ein Team."

Und man sollte nie unterschätzen wie tief das Band einer Freundschaft gehen kann. 

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