Kapitel 3

Kylan


"Du siehst ja mal richtig dämlich aus." Genervt sah ich zu Jordan der lachend auf dem großen Sofa im Wohnzimmer saß und mich betrachtete. "Die Brille ist ja mal der Wahnsinn. Und sind das farbige Kontaktlinsen?" Alex kam auch mich zu und blieb dicht vor mir stehen. "Ja, definitiv Kontaktlinsen. Aber an deinem Style müssen wir noch etwas arbeiten, Liam." Meine drei Jungs begannen zu lachen während ich ihnen vernichtende Blicke zuwarf.

"Seid froh, dass ihr die Scheiße nicht machen müsst." "Sind wir auch, Kleiner." Stöhnend warf ich mich neben Jordan auf die Couch und sah in die Runde. "Warum hab ich noch mal zugestimmt, dass ihr mit mir hier her sollt?" "Na weil du uns liebst. Und außerdem müssen wir an neuen Songs arbeiten." Jordan wuschelte durch meine zurückgegelten Haare und zog mir die Brille von der Nase. "Schon besser."

Das war erst der zweite Schultag, aber dieses ganze Versteckspiel ging mir jetzt schon unglaublich auf die Nerven. Meine Eltern und Scooter, unser Manager, wollten sicherstellen, dass ich eine möglichst normale Zeit auf der High School verbrachte und ich nicht die gesamte Zeit von Fans belagert wurde. Um ehrlich zu sein hätte ich niemals erwartet, dass das überhaupt auch nur einen Tag funktionierte.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich nur etwas anders anziehen musste, eine Brille aufsetzen und die Haare anders tragen musste um nicht mehr erkannt zu werden.
Dieses ganze Versteckspiel musste ich nur betreiben, weil wir erfolgreich wurden bevor ich meinen Abschluss hatte. Und jetzt da die Tour erste einmal vorbei war bestanden meine Eltern darauf, mich wieder in die High School zu schicken.

"Hat unser kleiner Lieblingsschüler auch schon Freunde gefunden?" "In dem Aufzug würde mich es nicht wundern wenn ich das nächste Mobbingopfer werden würde." Chris sah mich grinsend an und auch die anderen beiden Jungs schienen sich bestens wegen mir zu amüsieren. "Ach komm, so schlimm ist es doch gar nicht." "Nein, überhaupt nicht.", gab ich genervt von mir. "Ich höre einen leichten Anflug von Ironie in deiner Stimme."
Kopfschüttelnd stand ich auf und machte mich auf den Weg nach oben. Ich wollte diese furchtbaren Klamotten loswerden, und das am besten so schnell wie möglich.

In meinem Zimmer warf ich den hässlichen Pulli in eine Ecke und riss mir das Hemd beinahe vom Körper. Ich starrte aus dem Fenster auf den Wald, der unser vorübergehendes Zuhause umgab.
Wir wurden dazu verdonnert die nächste Zeit in einer Kleinstadt, nicht ganz zwei Stunden vor Seattle entfernt, zu wohnen. Meine Großeltern hatten hier einst gewohnt und für meine Eltern und Scooter schien das der perfekte Platz zu sein unentdeckt bleiben zu können. Laut ihnen waren wir hier sicher vor der Presse und wenn wir es geschickt anstellten würde niemand erfahren, dass wir hier waren.
Auch wenn ich unsere Fans wirklich liebte, nach der Tour war ein bisschen Ruhe genau das Richtige für die Jungs und mich.
Das Haus meiner Großeltern lag etwas abseits der Stadt, war eher eine kleine Farm. Als Kind war ich oft hier und hatte damals immer mit den Tieren gespielt, die bis vor ein paar Jahren hier herum liefen.

"Ky! Beeil dich mal, wir müssen noch nach Seattle." Stöhnend warf ich meinen Kopf in den Nacken. Mal wieder ein Interview. Ich liebte es zwar zu singen, auf der Bühne zu stehen und die glücklichen Gesichter unserer Fans zu sehen. Aber alles darum herum musste für mich nicht unbedingt sein.

Schnell schlüpfte ich in meinen schwarzen Hoodie und tauschte die ekelhaft kratzende braune Stoffhose gegen eine Jeans. Erleichtert darüber den spießigen Liam in die hinterste Ecke verbannt zu haben schnappte ich mein Handy und rannte wieder nach unten wo meine Freunde schon warteten. Auch Scooter und Tony, unser Bodyguard, warteten bereits ungeduldig und scheuchten uns aus dem Haus nachdem sie mich gesehen hatte.
Wenn die mich nicht dazu zwingen würden wieder zur High School zu gehen hätten wir diesen Stress jetzt nicht.
Nicht meine Schuld.

Ich hüpfte in unseren Van und setzte mich auf meinen typischen Platz. Meinen Kopf lehnte ich an die verdunkelte Scheibe. Verdammt war ich müde. Eigentlich hatte ich gehofft nach der Tour einfach mal nichts machen zu können. Ausschlafen, essen, vielleicht auch ein paar Wochen irgendwo an den Strand zu liegen und mich von der Sonne verbrutzeln zu lassen. Aber nein, ich musste jeden morgen aufstehen um meinen scheiß Abschluss zu machen.

Tony lenkte den Wagen durch die Straßen von Ellensburg und während Jordan, Alex und Chris scheiße machten, kämpfte ich mit der Müdigkeit.
"Ey, guckt mal. Die hat 'nen Pulli von der Tour an." Mein Blick wanderte aus dem Fenster und blieb an drei Mädchen hängen. Die eine hatte tatsächlich einen Pulli von uns an. Ich musste grinsen als ich sah, dass auch Alana zu der kleinen Gruppe von Mädchen gehörte und desinteressiert auf ihr Handy sah.
"Hey Alter. Was grinst du denn so bekloppt? Kennst du die?" Jordan, der neben mir saß stieß mir seinen Ellenbogen in die Rippen und brachte mir somit auch die Aufmerksamkeit der beiden anderen ein.
Ich dachte an den vergangenen Tag zurück. Alana war eigentlich die einzige, die normal zu mir war, die mit mir geredet hatte und mich nicht schief angesehen hatte. Und das trotz meines Aufzuges. Um ehrlich zu sein verstand ich die belustigten Blicke der anderen. Auf meiner alten Schule, lange bevor wir berühmt wurden, gehörte ich auch zu denjenigen die sich heimlich das Maul über die komischen Außenseiter zerrissen. Und jetzt gehörte ich allein wegen den Klamotten, die ich gezwungenermaßen trug, auch zu diesen Außenseitern. Wenn es nach mir gehen würde, würde ich niemals freiwillig in solchen Klamotten rumlaufen, aber Scooter hielt das für den besten Weg nicht erkannt zu werden.
Während der Schulzeit war ich das komplette Gegenteil von dem Kylan Monroe der in der Öffentlichkeit stand. Nicht mal meinen Namen konnte ich behalten. Scooter wurde da mal wieder richtig kreativ und beschloss, dass ich ab jetzt unter dem Namen Liam Stevens durch mein Leben in Ellensburg ging. Liam wegen meines Zweitnamens und Stevens durch den Mädchennamen meiner Mutter.

"Hallo, Erden an Kylan." Alex schnipste vor meinem Gesicht herum und riss mich so aus meinen Gedanken. "Hä, was?" "Wir haben gefragt ob du die Mädels kennst." "Ja, ich hab ein paar Kurse mit denen." "Und welche von denen willst du als erste flachlegen?" Zugegeben, ja ich war ein Aufreißer, aber welcher Kerl würde es bitte nicht ausnutzen, wenn die Mädchen bei einem Schlange standen? Und meine Jungs waren da kein bisschen besser als ich.

"Als Liam sicherlich keine."

_ _ _ _

"Eure erste Welttournee war ja ein voller Erfolg. Jedes eurer Konzerte war restlos ausverkauft. Wie fühlt es sich an, von heute auf morgen so berühmt zu sein?"

Wir sahen uns gegenseitig an, bis Jordan anfing zu antworten. Er redete von uns allen am liebsten. "Wir wurden da ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Ich glaub wir hätten alle nie gedacht, dass wir wirklich mal so erfolgreich werden würden aber von Zeit zu Zeit gewöhnt man sich etwas daran."

"Und was macht ihr jetzt in eurer freien Zeit?" Amanda Martens, die Moderatorin eines Radiosenders in Seattle, hatte eine furchtbar hohe und aufdringliche Stimme. Mich hatte sie schon bei unserem ersten Besuch bei ihr unglaublich genervt, aber was will man machen. Job ist Job.

"Wir haben uns erstmal etwas zurückgezogen. Unsere Familien kommen oft zu Besuch und wir arbeiten an ein paar neuen Songs." "Also kein Urlaub?" Wir vier schüttelten den Kopf. "Erstmal nicht."

"Okay, wir haben nicht mehr all zu viel Zeit, aber eine Frage hätte ich noch. Wie stehts um euer Liebesleben? Irgendwelche Mädchen, die sich in euer Herz geschlichen haben?" Ich musste mir wirklich ein genervtes Stöhnen unterdrücken. In jedem verdammten Interview kam diese Frage. Wirklich jedes mal.

So etwas wie ein Privatleben schienen wir gar nicht besitzen zu dürfen.

03.12.2017
Tag 3 des Adventskalenders

Euch allen einen schönen 1. Advent

Wie gefällts euch bis jetzt? 😊

Love you ♥️

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