5 - Gefühle

Überarbeitet am 23.07.2021

Nachdem Frigga weg war, drehte Loki sich um und stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Er schien sich wirklich die Tränen verdrücken zu müssen, nachdem er seine Mutter so verletzt hatte.
"Loki? Alles in Ordnung?"
"Natürlich nicht", zischte er.
Ich stand auf und trat näher zu ihm, doch er hob die Hand in meine Richtung.
"Lass."
Ich blieb stehen und sah ihn an.
"Sie wird dir verzeihen, Loki. Sie liebt dich so sehr, und sie weiß, dass du es nicht so meinst."
"Aber es stimmt ja. Sie ist nicht meine Mutter. Nie gewesen." Seine Stimme klang immer noch mehr nach einem Zischen als nach richtigem Sprechen, aber vielleicht wollte er nur nicht, dass die anderen Gefangenen mithören konnten.
"Ihr beide seid vielleicht nicht blutsverwandt, das mag stimmen, aber sie ist deine Mutter. Sie liebt dich wie ein eigenes Kind. Und du, du liebst sie wie eine Mutter."
Verblüfft über meine offenen Worte sah er mich an. Er wirkte gebrochen, aber das lag nur daran, dass er sich selbst so sehr hasste. Er strahlte das geradezu in Wellen ab.
Er sank zu Boden, lehnte sich gegen die Wand, und sah mich leer an.
"Svane, ich bin nicht der, für den du mich hältst."
Ich hatte mich neben ihn gesetzt und sah ihn jetzt verwundert an.
"Was meinst du?"
"Ich bin kein Asgardianer. Ich bin ein Monster", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Loki, wovon sprichst du bitte?"
"Ich bin ein Eisriese."
Oh. Das war unerwartet.
"Ich bin der Sohn von Laufey. Odin hat mich damals in der Schlacht von Jotunheim mitgenommen. Er sagte, er fand mich ausgesetzt in einem Tempel. Nahm mich mit, in der Hoffnung dass ich eines Tages Frieden zwischen Asgard und Jotunheim schaffen könne."
Er fixierte den Boden zwischen seinen Füßen, als wäre er unglaublich interessant. Er traute sich nicht, mich anzusehen.
"Das ist wahrscheinlich nicht leicht für dich, zumal du es noch nicht lange zu wissen scheinst, aber... Das macht dich doch noch lange nicht zu einem Monster, Loki. Du bist hier groß geworden, du hast eine ganz andere Mentalität als die Jotunen."
Er lachte bitter auf.
"Ich habe Laufey getötet, Svane. Ich habe ihm eine Falle gestellt und ihn getötet. Obwohl ich wusste, dass er mein Vater war. So etwas tut nur ein Monster."
"Warum hast du es getan? Was war der Grund?"
Er hob den Kopf und drehte das Gesicht in meine Richtung, wobei er jedoch eher durch mich hindurch sah. Seine Augen waren wieder ganz grün, aber vollkommen glanzlos. Ich griff unterbewusst nach seiner Hand, als er weiter sprach:
"Odin hat Thor schon mein ganzes Leben lang mir vorgezogen. Natürlich, dachte ich immer, er ist ja der Erstgeborene, der große König, den jeder mag, der Kämpfer. Ich war nur der stille Junge, der lieber las als zu feiern oder zu trainieren. Und als ich vor zwei Jahren herausfand, was ich wirklich bin, wurde mir alles klar. Ich war für Odin immer nur ein Mittel zum Zweck. Nicht im Traum hätte er daran gedacht, einen Eisriesen auf den Thron zu lassen. Und als er dann in den Odinschlaf fiel, Thor war verbannt, da sah ich meine Chance, denn ich musste den Thron übernehmen. Ich lockte Laufey hierher, in der Aussicht, meinen Vater töten zu können, während er schlief, und stattdessen tötete ich ihn. Ich wollte Odin doch nur zeigen, dass ich ein würdiger Thronfolger gewesen wäre!"
Tränen liefen aus seinen Augen, und er hatte sich in meiner Hand verkrallt. Er war vollkommen aufgelöst - verständlich.
Sein ganzes Leben hatte er eine Lüge geglaubt, um herauszufinden, dass er eine Kreatur war, die in Asgard als böse bekannt war. Seine geliebte Mutter war eigentlich gar nicht seine Mutter. Und jetzt trug er auch noch die Last mit sich, New York fast zerstört zu haben - das hatte er nicht gesagt, aber ich wusste es. So eine Gehirnwäsche war bestimmt nicht angenehm, zumal er jetzt ständig die Vorwürfe seiner Familie zu hören bekam.
"Hey, ganz ruhig", sagte ich so sanft ich konnte.
"Nicht weinen. Es ist alles gut. Hör mir zu. Du hast Fehler gemacht, ja. Schwer wiegende Fehler. Aber es ist nie zu spät, sie wieder gut zu machen. Und das ist immer noch deine Familie, Loki, sie werden dir irgendwann verzeihen."
Er entzog mir seine Hand, um sich die Augen abzuwischen.
"Das mag ja alles sein, aber wie stellst du dir das vor? Ich bin hier gefangen, bis an mein Lebensende. Wie soll ich hier beweisen, dass ich es wert bin, mir noch eine Chance zu geben?"
Ich verzog das Gesicht.
"Ich habe das Gefühl, dass du diese Chance noch bekommen wirst. Es sieht kritisch aus im Moment."
Schnell fasste ich zusammen, was mit Jane passiert war und sah Loki die Stirn runzeln.
"Das klingt nicht gut", stellte er fest.
"Ist es auch nicht. Ganz und gar nicht. Und deswegen werde ich mich jetzt auch erst einmal verabschieden und wieder nach oben gehen. Bis später."
Ich war schon im Inbegriff, die Zelle zu verlassen, als Loki mich an der Schulter zurück hielt.
"Svane... warte."
"Hm?" Ich drehte mich zu ihm um und betrachtete sein nachdenkliches Gesicht.
"Wie hast du das gemacht?"
"Was gemacht?" Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Was hatte ich angestellt?
"Du... ich.... Ich habe diese Dinge noch niemandem erzählt. Warum konnte ich mich dir öffnen?" Er sah mich immer noch mit einer Mischung aus Verwunderung und einer Art Angst an, so als könnte ein Blick von mir ihm jedes düstere Geheimnis seiner letzten Jahrhunderte entlocken.
"Ich... weiß es nicht. Vielleicht hast du einfach nur mal deine angestauten Emotionen ablassen müssen, und ich war gerade hier?"
Er schüttelte den Kopf.
"Nein, das kann es nicht sein. Nun gut, ich will dich nicht länger aufhalten. Geh und hilf Thor, seine Sterbliche zu retten."
Ich musste grinsen, als ich diese Worte hörte.
"Geb ich ihm so weiter!"
"Das wagst du dir!"
Seine Stimme schallte mir hinterher, und dann folgte etwas ungewöhnliches, aber sehr erfreuendes: Er lachte. Er hatte den Witz akzeptiert und lachte darüber. Und das war für mich wie eine Bestätigung: Er konnte keiner von den Bösen sein.

Ich war schon halb die Treppe oben, als ich unten laute Stimmen hörte, gefolgt von Schreien. Blitzschnell hatte ich mein Dragonfang aus der Scheide gezogen und war schon wieder auf dem Weg zu den Kerkern. Dort hatte es einer der Gefangenen irgendwie geschafft, die magisch gesteuerte Scheibe seiner Zelle zu durchbrechen. Er tötete die beiden Wachen mit einer Art Feuerkraft, jedenfalls roch es nach verbranntem Fleisch. Dann befreite er auch die anderen Gefangenen - außer Loki.
"Ich empfehle dir, den linken Aufgang zu wählen", sagte dieser zu dem Wesen. Der linke Aufgang - in dem ich mit gezückter Waffe in der Ecke stand.
Die andere Treppe wimmelte inzwischen von Soldaten, die mit den anderen Fliehenden kämpften. Das war der Weg zur großen Halle, während der Flur, in dem ich stand, ein kleinerer Weg war, der zu den Zimmern und den Terrassen führte.
Auch Thors Freunde Volstagg und Fandral konnte ich im Getümmel entdecken, während der Riese immer noch überlegte, ob er Lokis Rat befolgen sollte. Der hatte sich inzwischen hingesetzt und las, während um ihn herum der Kampf tobte und ständig jemand gegen seine Zellenwand knallte.
Da tauchte Thor auf.
"Kehrt zurück in eure Zellen, und ich schwöre, euch wird kein Leid geschehen! Ihr habt mein Wort!"
Auf das schienen die Rebellierenden keinen Wert zu legen, denn einer schritt nach vorne und hieb Thor zielsicher die Faust ins Gesicht.
Der Große hatte es inzwischen geschafft, aus dem Verlies zu fliehen - und zwar über die große Treppe.
Fluchend lief ich hinterher, nur um zu sehen, dass ich zu spät war. Das Monster stand vor dem Kontrollfeld für den Schutzschild und hieb darauf ein, woraufhin es barst. Ich duckte mich schnell in eine Ecke, um von der Explosion nicht getroffen zu werden. Wenn mein Vater den Schild aktiviert hatte, bedeutete es das Schlimmste. Und jetzt, wo der Schutz weg war -
Ich konnte meinen Gedanken nicht einmal zuende denken, da hörte ich schon den Aufprall, der von einer gewaltigen Erschütterung begleitet wurde.
Ein Raumschiff war geradewegs in den Thronsaal geflogen und hatte dabei einige Säulen zerstört. Ich versteckte mich hinter einem Steinhaufen und beobachtete einige Dunkelelfen, die aus dem Raumschiff stiegen und die Soldaten töteten, als wären sie nur lästige Insekten. Mir lief es kalt den Rücken hinunter. Sie waren wegen Jane hier!
So schnell ich irgendwie konnte, sprintete ich los, immer im Schutze der Trümmer.
Thor würde ausrasten, wenn Jane irgendwas passierte. Ich musste sie finden!
Weder in Thors Zimmer noch im ihr zugewiesenen Gästezimmer war auch nur eine Spur der Menschenfrau. Ich musste mich beeilen. Auf dem Rückweg traf ich Odin. Dieser war schnell unterwegs, begleitet von seinen Leibwächtern.
"Frigga hat auf das Mädchen aufgepasst", keuchte er. Ich verstand seine Angst und betete, dass wir noch nicht zu spät waren.....
Thors gellender Schrei machte jede Hoffnung zunichte.
"NEEEEIN!"
Ich lief los, nur um Frigga tot auf dem Boden vorzufinden. Odin war komplett fassungslos und stürzte mehr neben ihr zu Boden, als dass er sich niederließ. Jane tauchte aus einer dunklen Ecke auf und sah betreten auf die Leiche. Auch ihr war klar, dass Frigga für sie gestorben war, und damit konnte sie nicht richtig umgehen. Auch ich biss die Zähne zusammen. Wäre ich eher gewesen, hätte ich sie beschützen können, aber ich hatte versagt, und dieses Versagen schmerzte unendlich.

Die Beisetzung fand noch in der folgenden Nacht statt, aber ich ertrug den Anblick nicht lange; vor allem wollte ich Asgards Königin nicht brennen sehen. Deswegen drehte ich der Zeremonie den Rücken zu und hielt den Soldaten, der zu Loki geschickt wurde, an.
"Ich mache das schon. Bleib ruhig hier."
Er sah mich beinahe dankend an. Wir beide wussten, dass Lokis Reaktion nichts war, was man sich freiwillig antat.
Und doch tat ich es. Doch ich tat es weder für Frigga, noch für mich. Ich tat es für Loki.
Dieser saß mit einem Buch in seinem Sessel, aber ich merkte, dass er sich nicht richtig darauf konzentrierte. Er musste etwas geahnt haben, denn er hob sofort den Kopf, als ich in die Zelle trat.
Er registrierte meine Miene sofort.
"Svane, was ist los? Was ist geschehen?"
Er gab sich Mühe, seine Stimme Gleichgültigkeit zu verleihen, aber es gelang ihm nicht allzu gut. Ich konnte die Sorge aus seinen Worten heraushören.
"Es tut mir so leid", flüsterte ich.
"Ich kam zu spät, ich konnte sie nicht beschützen."
Er sah mich an, suchte in meinem Gesicht nach einer Bestätigung. Ich ertrug seinen Blick kaum und senkte den Kopf. Ich fühlte mich meines Postens so unwürdig.
"Es ist Mutter, oder?"
Ich nickte nur, ich schaffte es nicht, zu antworten.
Lokis Augen füllten sich mit Tränen, aber gleichzeitig blitzte Wut darin auf.
"Du hast einen einzigen Job als Walküre, und der ist es, die Königsfamilie zu beschützen! Wieso bekommst du dann nicht einmal das hin?!", fauchte er.
Ich wurde von seiner Trauer geradezu überrollt, war selber irritiert, wie stark ich seine Emotionen fühlen konnte, fast so, als wären es meine eigenen. Ich wusste, dass er jemanden suchte, dem er die Schuld anhängen konnte, da er selber nicht hatte zur Stelle sein können. Und ich wusste, wie sehr er seine letzten Worte an Frigga bereute, weil er sich nie mehr würde entschuldigen können.
Und trotzdem taten seine Worte weh.
"Loki, ich habe es versucht. Ich habe sie im ganzen Palast gesucht, um genau das zu verhindern. Hätte ich gewusst wo ich sie finde...." Meine Stimme kippte.
"Pah", stieß der Schwarzhaarige aus.
"Du bist genauso unfähig wie mein Bruder! Sag mir, wo war er? Hat er seine kleine Sterbliche beschützt?"
Ich drehte mich um. Ich konnte so nicht mit ihm sprechen, und wenn ich mir das weiter hätte anhören müssen, hätte das nicht gut geendet.
"Nur damit du es weißt; Thor war eher dort als ich, und sogar er war zu spät. Ebenso wie Odin."
Mit diesen Worten ließ ich Loki alleine und machte mich auf den Weg nach oben. Das letzte, was ich sah, als ich mich noch einmal umdrehte, war wie die gesamte Zelleneinrichtung gegen die Scheiben flog.

And another one down!
Ich kann irgendwie nicht aufhören zu schreiben, ich will selber wissen, wie es weiter geht.
Zu diesem Kapitel: Das ist das erste Kapitel, in dem man tatsächlich etwas mehr Loki und Svane abbekommt. Ich bin mir nicht ganz sicher, inwieweit ich Loki getroffen habe, aber in Anbetracht einiger Details über Svane, die in den nächsten Kapiteln noch genauer beschrieben werden, denke ich, dass es ganz in Ordnung ist.
Ja, und jetzt ist Frigga tot und Lokilein komplett verstört - was meint ihr, ob das gut ausgehen wird?

Eure Lee ^^

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