why can't I kiss you on the dancefloor
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Die kalte Januarluft schlug mir ins Gesicht, als ich nach draußen trat. Kleine Eispartikel prickelten auf meiner Haut, jedoch bemerke ich sie nur am Rande.
Einige Leute drehten sich nach mir um, doch auch sie ignoriere ich, obwohl ich normalerweise kein Treffen mit einem Fan scheute.
,,Mistwetter", murmelte ich in meinen Mantelkragen. Kleine Schneeflocken bedeckten mein Haar mittlerweile vollkommen und meine Wangen waren rot von der Kälte. Irgendwo in der Menge konnte ich Vince, meinen Personenschützer, ausmachen. Doch der bewegte sich wieder auf solch leisen Sohlen, dass ich mich eigentlich so fühlte, als wäre ich alleine unterwegs. Ein Gefühl, das ich vermisst hatte.
Für mich war New York schon immer eine Stadt der Gegensätze gewesen. Im Sommer hielt sich dort kein Mensch mit einem Einkommen über dem Normalbereich auf, weil es so furchtbar heiß war. Aber jetzt, wo ich mit Leigh-Anne, Jade und Jesy hier verweilte, hätte ich genauso gut eine Expedition zum Nordpol machen können. Es wäre aufs Gleiche herausgekommen.
Deswegen war ich ziemlich froh, als ich schließlich den dunkel getönten Van entdeckte, der mich in unser Hotel kutschieren sollte. Ich war zu einer letzten Generalprobe unterwegs gewesen, da wir morgen hier in New York ein Konzert geben würden und die Mädels waren schon einmal ins Hotel gefahren. Vince war plötzlich an meiner Seite und hielt mir lächelnd die Tür des Wagens auf. Ich bedankte mich leise.
Im Inneren des Autos begrüßten mich eine vollaufgedrehte Heizung (zum Glück), unser gut gelaunter Fahrer (er trällerte fröhlich alte Hits aus den 90er Jahren mit) und ein kleiner Kühlschrank mit kalten Getränken (den ich definitiv nicht in Anspruch nehmen würde).
,,Wo soll's denn hingehen?", wollte der Fahrer von mir in einem fröhlichen Sing-Sang Ton wissen, obwohl er das eigentlich wissen müsste. Über diesen Gedanken machte ich mir ernsthaft Sorgen, als Vince, der mittlerweile neben mir Platz genommen hatte, auch schon die Stimme erhob: ,,Ins Hotel. Bitte."
Der Autofahrer nickte und schon waren wir auf dem Weg durch New Yorks kalte Nacht. Taxis hupten vor uns, die Geschäfte würden bald zumachen. Ich erkannte wenige Arbeitende draußen auf den Straßen. Sie mussten auf dem Weg nach Hause sein.
Mittlerweile dröhnte Infinity aus meinen Kopfhörern. Vor ungefähr zwei Monaten hatte One Direction ihr neues Album auf den Markt gebracht, nun als Viererbesetzung, und es war eingeschlagen wie eine Bombe. Aber wie sollte es auch anders sein.
Mir fiel es leichter, mir die Musikstücke aus diesem Album anzuhören, was aber auch ganz einfach daran lag, dass ich nicht jedes Mal, wenn ich Zayns Stimme hörte, vorspulen musste. Davon abgesehen gab es aber wirklich tolle Lieder auf dieser CD, die sich in meinem Kopf eingenistet hatten und die ich oft unbewusst mitsummte.
So war es auch dieses Mal und während ich voller Elan Harrys Solo performte, durfte ich mir sowohl von Vince als auch von unserem Fahrer irritierte Blicke einfing.
Diese waren mir allerdings redlich egal. Das Einzige, was ich momentan wollte, war in mein warmes Hotelbett kriechen, den Zimmerservice bestellen und mir irgendeine Liebesschnulze anschauen.
Genau das hatte ich auch vor, als ich endlich in dem großzügig ausgebauten Hotelzimmer angekommen war. Schon in Bademantel bekleidet freute ich mich darauf, mich endlich auf das große und ziemlich weiche Bett werfen zu können, als-
- es an der Tür klopfte.
Um zu vermeiden, dass ich meinen ungebetenen Gast vor Wut ansprang, falls er die Tür aufmachte, konzentrierte ich mich auf den Fernseher, über dessen Bildschirm gerade irgendeine blöde Krimiserie flimmerte. Ein Mann in seinem Schlafzimmer, der sich jetzt hektisch umsah, an der Tür klopfte es nun (offenbar die Ehefrau), im Bett lag eine weitere - tote - Frau. Ohne Klamotten.
So ein Blödsinn.
Zwischen all dem Trubel begann jetzt auch noch, mein Handy wie verrückt zu klingeln. Kurzerhand schaltete ich es aus.
,,Perrie? Wir wissen, dass du da bist. Komm schon, es ist wichtig!" Klar und deutlich konnte ich Jesys Stimme hinter der Türe vernehmen. An dem zustimmenden Gemurmel, das jetzt erklang, erkannte ich, dass die anderen Beiden offenbar auch vor meinem Hotelzimmer Wache hielten. Hatten die eigentlich nichts Besseres zu tun?
Andererseits wäre ein bisschen Gesellschaft vermutlich nicht schlecht, denn in der Serie hatte die Ehefrau nun die tote Frau in ihrem Bett gesehen und ihr Mann geriet langsam in Erklärungsnot.
Mit einem tiefen Seufzer setzte ich mich auf, nahm die Schlüsselkarte und öffnete die Tür. Sobald die Mädels eingetreten waren, erfüllte helles Stimmengewirr den Raum. Jeder der drei redete durcheinander und wollte offenbar auch keiner der Anderen Vortritt lassen. Nachdem ich in Ruhe zwei Schokoriegel verdrückt hatte, um meinen Blutzuckerhaushalt wieder in die Höhe zu treiben, redeten sie immer noch.
,,Leute, was ist los?" Die Drei erstarrten on ihrer Bewegung, drehten sich zu mir um. Es war, als hätten sie vollkommen vergessen, dass sie eigentlich zu mir wollten. Der Anblick meiner Freundinnen war so dermaßen lustig, dass ich leicht anfing zu kichern. Es war ein leises Lachen, das irgendwann in kleine Hickser überging und schließlich in haltlosem Prusten endete. Als ich mich wieder beruhigt hatte, wurde ich prompt so angeguckt, als wäre ich an einer außerirdischen Invasion beteiligt, was mich nur noch zu lauterem Lachen anregte.
Als jeder von uns wieder einigermaßen ruhig war, setzten wir uns gemeinsam an einen Tisch, an dem ich dann endlich wissen wollte, was denn eigentlich los sei.
Meine Freundinnen blickten sich kurz an, sie schienen per Gedankenkommunikation auszumachen, wer nun das Wort ergreifen sollte. Allein diese Tatsache machte mir schon ein wenig Angst, weswegen ich nicht mit guten Nachrichten rechnete.
Da Jade schließlich auch mit einem ,,Perrie, wir müssen dir was sagen", begann, wurde mein Verdacht auch nur noch verstärkt.
Fragend blickte ich sie an, woraufhin sich meine Freundin vernehmlich räusperte. ,,Wir haben das gerade erfahren und... wir wollten damit sofort zu dir. Ich meine... wir wissen nicht, ob du es schon weißt, aber wenn du es schon wüsstest, würdest du vermutlich nicht so aussehen, also-"
,,Zayn ist mit Gigi Hadid zusammen. Die Nachricht kam gerade im Fernsehen."
Leigh-Annes klare Stimme unterbrach das Gestammel von Jade. Die Drei blickten mich abwartend an, so als erwarteten sie jetzt eine Reaktion von mir.
In meinem warmen Bademantel fröstelte ich plötzlich. Die Zimmertemperatur schien um etliche Grad gesunken zu sein.
Unwillkürlich schlang ich meine Arme um meinen Körper, vielleicht, weil ich mich selbst dann nicht so alleine fühlte. Mir war wahrlich zum Heulen zu Mute, doch ich zwang mich die Tränen zurückzuhalten. Sie würden meine Schwäche ausdrücken, die Gewissheit, dass es noch nicht vorbei war. Dass ich mich immer noch so sehr an ihn klammerte, wie kurz nach unserer Trennung. Dabei gehörte diese schon seit einem guten halben Jahr der Vergangenheit an.
Ich hatte mit meinen Freundinnen seit Wochen nicht mehr wirklich über Zayn gesprochen. Es hatte sich zu einem Tabuthema entwickelt. Sie akzeptierten das und ich war froh darüber.
Aber wenn ich doch über ihn hinweg war, sollte mir es dann nicht egal sein, dass er seine Zeit jetzt lieber mit langbeinigen, bildhübschen Models verbrachte?
Hörbar schluckte ich, bevor ich meine Mädels anblickte. Ein vorsichtiges, kleines Lächeln pflasterte sich auf meinem Gesicht fest. Nur ich wusste, dass es nicht echt war. Aber in den letzten Monaten war es mir ein Leichtes geworden, meine eigentlichen Gefühlen vor der Außenwelt zu verstecken.
Auch wenn es sich dabei um meine eigene Familie handelte.
,,Danke, dass ihr es mir gesagt hab. Wirklich. Es wäre schlimmer gewesen, wenn ich es im Radio oder Fernsehen erfahren hätte."
Falsch. Den Radiosender hätte ich einfach ausschalten können, doch jetzt wurde ich mit den Informationen meiner Freundinnen konfrontiert und könnte ja wohl schlecht aus dem Hotelfenster springen, um mich davor zu retten.
Jade nickte leicht, während Jesy und Leigh-Anne mehr oder weniger an mir vorbeischauten. Ich sah in ihren Gesichtern, was jetzt folgen würde und traf daraufhin eine Entscheidung. Ich konnte es nicht leiden, von Leuten bemitleidet zu werden.
,,Ich bin aber wirklich müde. Wir haben morgen einen langen Tag vor uns und sollten uns ausruhen, findet ihr nicht?" Ein großes, falsches Lächeln hatte von meinem Gesicht Besitz ergriffen, wie man es sonst eigentlich nur in Werbung für Zahnpasta sah.
Vielleicht irrte ich mich, aber irgendwie schien es so, als wären meine Freundinnen fast froh, endlich aus diesem Raum verschwinden zu können.
Aber wer konnte es ihnen schon verübeln? Ihre Freundin Perrie, die nach einem halben Jahr der Trennung immer noch ihrem Ex hinterher trauerte? Ich konnte mir wirklich bessere Dinge vorstellen, mit denen ich meine Abende verbringen könnte.
Also nahm ich es ihnen nicht übel, als sie einer nachdem anderen aus meinem Hotelzimmer verschwanden, immerhin umarmten sie mich noch und ich wünschte ihnen eine gute Nacht.
Als ich dann wieder alleine in meinem Zimmer saß, da war es plötzlich furchtbar still. Ich schaltete zuerst den Fernseher (dort lief noch immer dieser schreckliche Film) und dann das Radio ein, doch irgendwie schienen beide Geräuschequellen viel zu laut und nicht passend zu sein. Also umgab mich wenige Minuten später wieder vollkommene Stille.
Langsam rutschte ich an der Hotelwand hinunter, bis ich schließlich auf meinem Hosenboden an der Wand lehnte, ein Kissen zwischen meinen Knien, die Ellenbogen auf den Knien aufgestützt und die Hände in den Haaren vergraben.
Und dann waren sie auf einmal da.
Die Tränen kamen wie aus dem Nichts.
Sie verwischten Make-up, rannen mir die Wangen hinunter und machten meine Haut und den Bademantel nass. Es war mir vollkommen egal. Denn alles, was mich in diesem Moment beschäftigte, war Zayn. Hatte er denn gar nicht mehr an mich gedacht? War es ihm langsam egal geworden, wie es mir ging, was aus mir geworden war? Anscheinend schon, denn sonst hätte er ja wohl nicht Schluss gemacht und, wie ich ja jetzt feststellte, sich eine neue Freundin zugelegt.
Doch ich wollte das nicht wahrhaben. Es war doch erst ein halbes Jahr her seit unserer Trennung, wie konnte er denn jetzt schon eine neue Freundin haben? Ich war anscheinend leicht zu ersetzten.
Mit zittrigen Fingern griff ich nach meinem Handy. Meine Handinnenflächen waren tränennass und da noch ziemlich unter Schock stand, rutschte mir das Mobilgerät mehrmals aus den Händen.
Nun am ganzen Körper zitternd, wickelte ich mich fester in meinen Bademantel und tippte auf den Account von Zayn. Ich musste ihn erst in der Suchleiste eingeben, da ich lange nicht mehr auf seinem Instagram Account unterwegs gewesen war. In gewisser Weise machte mich diese Tatsache stolz.
Tatsächlich. Vor wenigen Stunden hatte er ein Foto hochgeladen. Arm in Arm mit dem blonden Model, sie hatte ihren Kopf an seiner Schulter angelehnt, zusammen standen sie am Fuße des Eifelturms. Alles furchtbar romantisch und unglaublich kitschig. Ich wollte es gar nicht wagen, mir die Kommentare durchzulesen. Denn obwohl ich wusste, dass die One Direction Fans in dieser Sache ziemlich hart schienen, hatte ich Angst davor, dass sie die Bekanntgabe der Beziehung gut aufgenommen hätten.
Stattdessen scrollte ich mich durch mehrere Artikel. Die Worte 'Perrie Edwards', 'Trennung' und 'ehemalige Verlobte' waren mehrmals zu lesen. Und mit jedem dieser Worte wurde ich wütender. Sie verdrängte meine Trauer. Woher nahmen die Leute sich das Recht solche Sachen zu schreiben.
Mit einem kleinen Wutschrei sprang ich auf und warf mein Handy fort von mir, auf dieses viel zu große Bett. Doch weit kam ich nicht. Langsam ließ ich mich auf das weiche Bett sinken. Regungslos starrte ich an die Decke und betrachtete die bordeauxrote Decke.
Die Wut war versiegt, doch stattdessen blieb etwas anderes, viel Schlimmeres zurück. Mit Wut wusste ich umzugehen, sie konnte man verdrängen und sich an ihr auslassen, doch was mich jetzt übermannte waren Trauer und irgendwie auch Einsamkeit. Alleine die Tatsache, dass ich meinen Freundinnen etwas vorschwindelte, zeugte ja schon davon.
Es war ein Gefühl, das sich nicht genau beschreiben ließ. Ich fühlte mich von Zayn verraten. Vielleicht war es das. Betrogen um unsere Beziehung, die er einst so leichtfertig weggeworfen und jetzt sicher verstaut, in einem Koffer verpackt hatte. Weit hinten, dort, wo ihn keiner finden konnte.
Endlich weinen zu können, war ein schreckliches, aber gleichzeitig auch ein wunderbares Gefühl. Ich konnte etwas loslassen. Die letzten Monate hatte ich den Gedanken an ihn zu verdrängen versucht und jetzt ließ ich meine Emotionen, meine Gedanken endlich herausströmen.
Ich weinte um meine Beziehung. Um eine Beziehung, die ich für so wichtig gehalten hatte und die von Zayn einfach weggeworfen wurde. Die mir aus der Hand gerissen wurde, ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte.
Ich weinte um die verloren gegangene Zeit, um all die Monate danach, die ich mich nach ihm gesehnt hatte. An die Zeit, als ich an nichts anderes denken konnte.
Ich weinte darüber, dass es mich mitnahm, dass er eine neue Freundin hatte darum, dass es mich überhaupt kümmerte.
Und schließlich weinte ich um jede kleine Träne, die ich in diesem Augenblick für ihn vergoss.
Und dann war der Moment auf einmal vorbei. Die Tränen waren versiegt. Ich schniefte weiter, doch es löste sich keine Träne mehr aus meinem Augenwinkel, rann mein Gesicht herab und achte die Decke nass.
Da verstand ich, was dies zu bedeuten hatte. Es war okay. Zayn war fort.
Ich erwartete, wieder diesen Schmerz in der Brust zu spüren, der mich die letzten Stunden verfolgt hatte. Doch nichts dergleichen.
So saß ich auf diesem Bett, die Tränen waren getrocknet und schließlich schlich sich ein warmes, echtes Lächeln auf mein Gesicht. Dass ich in diesem Augenblick lächeln konnte, verwunderte mich, doch nach diesen ganze Heulkrämpfen war es wahrscheinlich gut so.
Ich fühlte mich gut. Einfach so. Der Moment des Weinens schien vorbei zu sein und andersm als ich gedacht hatte, war er dieses Mal nicht lang andauernd.
Plötzlich musste ich an all die Zeit denken, die ich damit verschwendet hatte, Zayn hinterher zu weinen. Mir zu wünschen, er wäre nicht da. Damit sollte jetzt Schluss sein, dass nahm ich mir fest vor. Mit 'Secret Love Song' hatte ich den Anfang gemacht.
Es würde dauern bis ich endlich wieder guten Gewissens an unsere Beziehung zurückdenken konnte. Doch mir blieb alle Zeit der Welt. Aber es war zumindest ein Anfang, ein erster Schritt, den ich in die richtige Richtung trat.
Zayn hatte mit der Trennung von mir angefangen nach vorne zu schauen.
Ich wollte das Gleiche nun auch tun.
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