Kapitel 4

Dad rief das letzte ‚Cut' für den heutigen Tag und erklärte den Drehtag damit als beendet. Bisher lief alles nach Plan, die Crew war top motiviert, das Tempo beizubehalten. Jeder gab sein Bestes, um das Meiste aus den Drehzeiten zu nutzen. Die Hälfte der Camp Half-Blood Szenen war nun im Kasten, weswegen Dad mich dafür ansetzte, die Vorbereitung für den Überseedreh nochmal zu übersehen, damit der Wandel glatt ablaufen konnte.

Hin und wieder bekam ich abends Drehbuchänderungen von ihm in die Hand gedrückt, die ich am nächsten Morgen umgehend den Schauspielern und Statisten vorbei bringen musste. Da das Studio eine weitere Location genehmigt hatte, wurde das Ende komplett umgeschrieben, um noch mehr aus dem Film rauszuholen. Dad hatte sich wie ein kleines Kind gefreut, da er meinte, dass somit nicht von der Twitterarmee ermordet wird, und ihnen stattdessen ein würdiges Ende liefern konnte.

Über die letzten vier Wochen sah ich Alex, Brandon und Logan kaum noch. Wir liefen uns auf dem Set oftmals über den Weg und quatschten hier und da, allerdings nie lange genug, um wirklich Zeit miteinander zu verbringen. Der Text der Dreien saß perfekt, sodass sie meine Hilfe gar nicht benötigten.

Im Kostümtrailer verabschiedete ich mich von einem Teil meiner Kollegen, denen ich geholfen hatte, ein Teil der Kostüm bereits für den Überseedreh fertig zu packen. Ich konnte kaum glauben, dass die ersten Wochen am Set bereits vorbei waren. Die Zeit war wie im Fluge vergangen, ich konnte kaum an einem Moment festhalten, bevor ich mich nicht in neue Aufgaben stürzen musste.

Ich schnappte mir meine Sachen und machte mich zu dem Wagen auf, mit dem ich zurück ins Hotel fahren konnte. Dad hingegen hatte mir Bescheid gesagt, dass er noch aufgrund technischer Komplikationen mit der Kulissen für den Dreh etwas länger bleiben mussten. Das Camp Half-Blood wurde morgen grundlegend für eine Szene umgebaut, weswegen der Großteil der Crew morgen frei hatte. Nach vier Wochen pausenloser Arbeit freute mich auf einen freien Tag, den ich endlich dazu nutzen konnte, um Vancouver besser kennenzulernen.

Ich schlenderte auf den schwarzen SUV zu, drückte ihn per Knopfdruck auf, als jemand meinen Namen rief. Ich wirbelte herum und erblickte das Gesicht von Logan, der auf mich zu gejoggt kam.

„Logan", rief ich überrascht und verwirrt zugleich. Was wollte er denn jetzt von mir? Er stoppte direkt vor mir, ohne mir jeglichen persönlichen Raum zu lassen.

„Hi", lächelte er mir entgegen. „Ich wollte dich fragen, ob du heute Abend vielleicht... mit Alex, Brandon und mir abhängen möchtest?"

Unsicher blickte ich ihn an, noch immer überraschend, dass die Drei mich dabei haben wollten. „Klar, wenn die Anderen nichts dagegen haben."

Logan versicherte mir, dass die Anderen sich schon freuten und er sich bei mir heute Abend melden würde, bevor er sich auch schon wieder umdrehte und verschwand. Mit meiner Hand noch immer am Türgriff blickte ich ihn hinterher, und wollte meine Kopf am liebsten gegen die Scheibe hauen. Konnte ich nicht weniger peinlich sein?

Ich schloss kurz meinen Augen, bevor ich die Autotür schließlich öffnete und mich auf den Weg zum Hotel machte. Bis heute Abend musste ich das unbedingt in den Griff bekommen.

– – –

Zurück im Hotel bekam ich es definitiv nicht in den Griff. Alle möglichen Szenarien spielten sich in meinem Kopf ab, dramatisierte den Moment wieder viel mehr, als er eigentlich war. Alles wird gut, redete ich mir selbst ein, er hat dich nur zum Abhängen eingeladen, mehr nicht. Brandon und Alex werden auch dabei sein.

Egal, wie oft ich mir dies versuchte, einzureden, ich flippte direkt wieder aus und spürte meine Herz vor Aufregung bis hoch in meinen Hals schlagen. Diese Ungewissheit, wo ich bei ihm stand, brachte mich noch um. Mal war ich der festen Überzeugung, dass er mich nicht dabei haben will, und in der Anderen war ich mir nicht mehr so sicher, ob er mich vielleicht nicht doch mochte—zumindest als eine Freundin. Und Freunde hingen doch miteinander ab, wieso machte ich so ein Drama daraus?

Ich hatte meine Fingernägel so fest in meine Handflächen gedrückt, dass ich den Schmerz erst spürte, als ich mich langsam beruhigte. Gegen Nervosität half nur eine Person, und die war meine Mom. Sie schaffte es immer, mich zu beruhigen. Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und wählte ungeduldig ihre Nummer.

„Hi Ali, Schatz.", grüßte sie mich mit ihrer liebevollen Stimmen am anderen Ende der Leitung.

„Hi Mom", seufzte ich.

„Oh je, was höre ich denn da? Gehts dir gut, oder gefällt es dir nicht mehr?"

„Doch, es ist alles super, Mom", ich kratzte mir an meinem Hinterkopf und lief quer durch die Hotelsuite. „Es ist wirklich alles super. Mir macht es nach wie vor mega Spaß, das Team ist bestens vorbereitet und ich kann mich wirklich gut intrigieren."

„Und, welchen Job hat dir Dad aufgebrummt?"

Für einen Moment wunderte ich mich, wieso anfing von Grandpa zu reden, bis ich kapierte, dass sie David meinte. So sehr stand ich anscheinend auf dem Schlauch. „Ich helfe den Hauptdarstellern hauptsächlich mit ihren Testen und dass sie bestmöglich für die Szenen vorbereitet sind, und ansonsten, was eben so ansteht."

„Klingt doch wunderbar. Wer sind denn die Glücklichen, mit denen du Zeit verbringen darfst? Irgendwen, den ich kenne?"

Mom musste dringend aufhören so zu reden. Es brachte mich nur noch weiter in die Verwirrung der letzten Wochen, und vor allem heute Nachmittag. Die Verwirrung, die Logans kühlen Blick und sein warmes Lächeln bedeutete. Ich zuckte mit den Schultern, was Mom natürlich nicht sehen konnte, und spielte es cool—oder versuchte es zumindest. „Ich weiß nicht, ob du sie kennst. Aber Alexandra Daddario, Brandon T. Jackson, Logan Lerman—"

„Oh, ich habe kürzlich mit meinen Mädels einen Film mit ihm gesehen. Scheint ein wirklich guter Schauspieler zu sein."

Ja, das ist er wirklich, und das macht es ja so schlimm.

Mom und ich unterhielten uns noch lange, wobei ich mein Bestes versuchte, damit sie aufhörte, von Logan zu schwärmen. Das war schließlich genau der Grund, von dem ich abgelenkt werden wollte, jedoch hatte ich kaum eine Chance. Stattdessen bat sie mich sogar, ihm ein Lob auszusprechen, sollte ich ihn das nächste Mal sehen.

Irgendwann beendete ich das Telefonat mit meiner wieder teenagerhaften Mom. Sie war 43 Jahre alt, nicht 15, wo man noch verrückt nach irgendwelchen Hollywoodstars war, trotz allem ließ es mich schmunzeln. Während unseres Gesprächs hatte ich drei Nachrichten erhalten, zwei waren von Brandon und eine tatsächlich von Logan. Würde man genau jetzt ganz still sein, zweifelte ich nicht daran, wenn mein Herzschlag das lauteste Geräusche im Raum wäre.

Zuerst öffnete ich die beiden Nachrichten von Brandon.

From: Brandon

He Kleine, mach dich bereit für die Tour deines Lebens. Ich habe einen Land Rover gemietet!

Ich grinste bereit, als ich die zweite Nachricht las.

Ach und, wir holen dich um sieben Uhr ab ;)

Mein Blick fiel sofort auf die Uhr—kurz vor sieben. Mal wieder genug Zeit, um sich auf etwas vorbereiten. Viel musste ich zum Glück nicht mehr machen, außer vielleicht eine warme Jacke zum Überziehen zu finden und mich etwas auffrischen. Bevor ich dies jedoch tat, öffnete ich die Nachricht von Logan.

From: Logan

Hi Ali, freue mich auf heute Abend. Brandon müsste ihr Bescheid gegeben haben. Tipp: Zieh dir was bequemes an, was ruhig dreckig werden kann. — Logan x

Ich schmunzelte leicht darüber, wie er seinen Namen mit einem wohl nett gemeinten 'x' hinter seine Nachricht geschrieben hatte, als hätte ich seine Nummer nicht schon längst eingespeichert. Obwohl mein Herz leicht ins Stolpern geriet, befahl ich mir selbst, mir nicht zu viel auf solch eine kleine Geste einzubilden. Vielleicht war das einfach seine Art, Nachrichten zu schreiben.

Mit dem Blick auf die Uhrzeit fixiert, zog ich mir schnell etwas wärmeres über, da ich noch immer in den luftigen Klamotten vom Drehtag war. Gerade, als ich die wichtigsten Sachen in meine kleinere Tasche gepackt hatte, klopfte es schon an der Tür.

„Hi Ali", grüßte Alex mich strahlend, die wie zuletzt am Türrahmen gelehnt auf mich wartete.

Ich hakte mich bei ihr unter und ließ mich von ihr nach unten ziehen, wo die Jungs mit dem gemieteten Land Rover auf uns warteten. Bevor wir fern von den Schnellstraßen waren, konnte wir uns nicht auf die Landfläche setzen, wie Alex mir erklärte, weswegen wir uns zu viert auf die Dreier-Bank quetschten.

„Wohin gehts denn?", fragte ich, als wir losfuhren.

„Logan kennt einen guten Platz hier in der Gegend, von wo wir den Sonnenuntergang beobachten können, also dachten wir, dass wir dort den Abend mit einem Picknick genießen können."

Ich blickte an Alex vorbei zu Logan, der gequetscht zwischen Brandon und ihr saß, und musterte ihn, bis er auf einmal ebenso in meine Richtung sah. Und für eine kurze Weile konnte ich nicht wegsehen. Ich wollte nicht wegsehen, ich wollte nur ihn ansehen.

– – –

'Ein guter Platz in der Gegend' war untertrieben.

Brandon hielt den Wagen an dem wohl schönsten Fleck, den die gesamte Stadt zu bieten hatte. Von dem Berg aus konnte man die gesamte Stadt überblicken, während die Sonne über ihr unterging. Die Zeit schien beinah langsamer zu vergehen, als wolle sie, dass man diesen Moment voll und ganz genießen konnte.

Noch immer fasziniert vom Ausblick bekam ich überhaupt nicht mit, wie Brandon und Alex Decken und Kissen auf der Ladefläche verteilten, um es uns gemütlicher zu machen. Ebenso wie ich nicht Logans Präsenz mitbekam, bis er sich bemerkbar machte. „Nicht schlecht, oder?"

Ich wendete meinen Blick vom dunkelvioletten Himmel zu ihm und hob fragend eine Braue. „Nicht schlecht? Das hier ist unglaublich."

„Freut mich, dass es dir gefällt.", sagte er, seine Stimme so leise, als galten seine Worte nur mir. Ehe ich etwas erwidern konnte, rief Brandon unsere Namen, riss uns aus diesem einen Moment, indem ich das erste Mal das Gefühle hatte, er würde mich tatsächlich mögen — egal, auf welche Weise.

Still schweigend drehte wir uns um und gesellten uns zu Brandon und Alex auf die Ladefläche des Pick-Ups, wo Alex stolz das Picknick auspackte. Unsicher murmelte sie, sich selbst fragend, ob sie nicht noch etwas vergessen hatte. Allerdings hob sie aus den zwei Körben alles heraus, was man sich für ein Picknick nur wünschen konnte. Brandon versichert ihr, dass wir nicht verhungern würde, bevor er jedem ein Getränke seiner Wahl überreichte, damit wir gemeinsam anstoßen konnten.

„Auf eine weiteren Sommer, den ich nicht vergessen werde. Und ihr hoffentlich auch nicht!", schlug Alex vor und hob ihre Dose hoch. Mit einem Grinsen auf all unseren Lippen erhob wir ebenfalls unsere Dosen und stießen mit ihr ein.

„Ok, jetzt reicht es mit der Gefühlsduselei. Ich bin am Verhungern.", entgegnete Brandon ihr und schnappte sich das erste Sandwich.

Während wir das Essen genoss, versank die Sonnen immer weiter hinter den Hochhäusern der Innenstadt, bis letztendlich nur noch ein verschwommenes Lichtermeer der fernen Straßenlaternen zurückblieb. Hier und da hatte einer von uns eine Geschichte erzählt, oder eine Diskussion angefangen, und zeitweilig genoss wir auch einfach das Pfeifen des Windes und die Stille, die uns einhüllte.

„He Alex", murmelte Brandon auf einmal. „Gibst du mir noch eine Cola Dose?"

„Klar", erwiderte sie, reichte ihm aus dem Korb eine weitere Dose.

Brandon, der zuvor mit dem Rücken quer über der Ladefläche gelegen hatte, richtete sich auf und hantierte am Deckel herum. Noch bevor ich verstehen konnte, was genau als Nächstes passieren würde, schoss der Inhalt Alex entgegnen, und dann geschah alles so schnell. Alex schrie wie am Stieß auf, bevor sie Brandon wütend anfunkelte und erklärte: „Ich bring dich um, Jackson!"

Mit geweiteten Augen beobachtete ich sprachlos das Spektakel, unfähig irgendetwas zu tun, gefesselt durch den Schock. Brandon sprang um Pick-Up galant hinunter, und rannte bereits um sein Leben los, dicht gefolgt von Alex mit einer weiteren Dose, die es ihm definitiv heimzahlen würde.

Als der Schock langsam abstarb, lachte ich und blickten den beiden hinterher, wie sie sich immer weiter vom Truck entfernten. „Denkst du, die Zwei kommen irgendwann zurück?", fragte ich.

„Nein", antwortete Logan kühl und nahm einen Schluck von seinem eigenen Getränk. „Das kann ewig dauern. Alex wird das definitiv nicht auf sich sitzen, nicht, solang sie sich nicht richtig gerächt hat."

Um uns herum war nichts mehr, als das weit entfernte Gelächter von Brandon und Alex, das ferne Licht der Straßenlaternen und die gewohnte Kälte, welches über das Gebirge von Vancouver zog. Ganz gleich, wie warm es tagsüber war, in der Nacht sanken die Temperaturen rasend schnell, und so wurde mir in meinem Pullover langsam zu kalt.

Als hätte Logan mir das Zittern angesehen, schlug er vor: „Wie wäre es, wenn wir uns in die Fahrerkabine setzen? Hier draußen wird es zu kalt."

Ich nickte und half ihm die Sachen alle wieder ordentlich einzupacken und für die Heimfahrt zu sichern, bevor wir uns in die Fahrerkabine zurückzogen. Dort machte Logan den Motor an, um die Heizung für einen Moment aufzudrehen. Trotz, dass durch die Lüftung sehr bald lauwarme Luft kam, fror ich auf dem Platz und wickelte mich noch mehr in meinen eigenen Pullover.

„Ist dir kalt?", fragte Logan ruhig. Für ihn schien nichts hiervon ein Problem zu sein, für mich allerdings schon. Ich war mir seiner Anwesenheit so sehr bewusst, dass es mir schwer fiel, nichts von all dem verwirrend zu finden. Alles, was in seiner Nähe passierte, bereite eine komische Angst in mir.

Obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich es vielleicht später bereuen würde, nickte ich wahrheitsgemäß. Worauf er, ohne zu Zögern, vermutlich ohne darüber mehr als eine Sekunden nachzudenken, die Arme ausbreitete und leise hinzu fügte: „Komm her."

Bei seinen Worten allein fröstelte ich noch mehr. Ich fühlte mich getrieben durch das unstillbare Verlangen, ihm näher zu kommen, und dennoch hielt mich meine Unsicherheit kurz zurück. Ich wusste nicht, was das zwischen uns war — geschweige denn, wusste ich nicht einmal, ob das überhaupt etwas war. Alles, was ich wusste, war, dass ich etwas empfand.

Ich biss mir auf meine Unterlippe, zwang jegliche Angst fort von mir und schob mich über die Sitzbank rückwärts in seine Arme und kuschelte mich in seine Jacke mit ein. Ich spürte, wie sich mein Rücken gegen seine harte Brust drückte. Wie sich seine Arme vorsichtig um mich schloss, noch näher an sich zog, und das Zittern langsam nachließ.

Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf nichts als seinen ruhigen Herzschlag. Es beruhigte mich.

Diese Nähe fühlte sich elektrisch, und dennoch nach Heimat an.

Als hätte ich nie etwas anderes gekannt.

„Logan?", wisperte ich mit aller Vorsicht leise in die dunklere Leere.

„Hmm?"

Ich atmete tief durch. „Hattest du schon mal Angst vor deinen eigenen Gefühlen?"

„Wie meinst du das?", seine Stimme blieb ruhig, ruhiger als mein Herzschlag, der in diesem Moment in die Höhe schoss.

„Wenn du das Gefühl, du könntest nicht mehr atmen, aber du gleichzeitig noch nicht einmal weißt, ob das, was du fühlst, aufrichtig ist... hattest du da schon mal Angst?"

Logan ließ sich Zeit mit seiner Antwort, quälte mich jede weitere verstreichende Sekunde mit dem Angst, etwas falsches gesagt zu haben. Wie lächerlich ich mir vorkam, noch nie hatte ich mich so benommen. Noch nie hatte ich mich so unsicher gefühlt. Doch dann sprach er endlich. „Ja, schon oft sogar. Um ehrlich zu sein, habe ich immer Angst vor meinen Gefühlen. Aber wieso fragst du? Bist du dir unsicher?"

Nun war ich diejenige, die mit ihrer Antwort stockte, denn was sollte ich ihm sagen? Sollte ich es ihm sagen, und würde es dann überhaupt der Wahrheit entsprechen, was ich ihm sagen würde? Meine Gefühle kam mir vor wie Eindringlinge, fremd, gewaltvoll. Sie zuzugeben fühlte sich an wie ein Moment der Schwäche, und dennoch sehnte ich mich danach, es jemandem anzuvertrauen.

„Ja, ich—", hauchte ich. „Ja, ich bin verwirrt. Mich empfinde etwas, nur ich weiß nicht, was genau und ich habe Angst, denn wenn es wahr ist, dann kann ich es so schnell kaputt machen."

„Dann musst du es wohl wagen, die Wahrheit herauszufinden."

Leichter gesagt, als getan.

Wie sehr verabscheute ich diese Ungewissheit. Dieses Gefühl, dieses komische Kribbeln, von dem mir beinah jedes Mal schlecht wurde, was einfach nicht fortging. Es begrüßte mich mit offenen Armen und fühlte sich dennoch wie eine Fall an, anstelle von Glück. Mein Herz schlug mir jedes Mal bis in den Hals und drohte mir die Luft zu Atmen zu rauben. Ich war alldem hoffnungslos ausgesetzt.

„Ich habe Angst davor, es mir und auch ihm einzugestehen."

„Ah, es geht um einen Jungen."

Ich spürte, wie er schmunzelte und war froh, dass ich seinem Blick nicht begegnen musste. Nicht jetzt.

Ich seufzte. Es war so schmerzhaft offensichtlich, und ich wünschte, er würde verstehen, was ich bereits preisgegeben hatte. Ich wünschte, er würde wie beim Drehbuch zwischen den Zeilen die Beziehung verstehen — unsere Beziehung, was auch immer sie genau war. Ich konnte nicht mehr sagen, nicht ohne das Gefühl zu haben, gleich zu platzen.

„Ich mag ihn. Ich glaube, ich mag ihn sogar sehr.", flüsterte ich, die Augen warm am Brennen. „Ich weiß nicht, was ich denken soll, wenn ich in seiner Nähe bin. Ich weiß noch nicht mal, ob er mich wirklich mag, denn ich verstehe ihn nicht. Und dennoch bekomme ich so eine dämliche Gänsehaut in einer Nähe."

„Dann ist er vermutlich der glücklichste Junge auf Welt, wenn er solche Gefühle in dir erweckt.", entgegnete er mir ebenso leise. „Sag es ihm. Vermutlich verstehe er nicht, was für ein Glück er hat. Vermutlich ist er einfach zu blind, um es zu kapieren."

Für einen Moment zögerte er, doch ich spürte, wie er noch etwas sagen wollte. Ich spürte es, wie seine Brust hochging, er ansetzte und es dann wieder ließ, bis er wagte. „Wenn er dich nicht will, dann ist er verrückt, denn jeder — absolut jeder — sollte sich glücklich schätzen, mit jemanden wie dir zusammen zu sein zu dürfen."

Mein Herz schlug nicht länger in schnellen, kurzen Abständen. Nein, es wurde gefährlich langsam, als ich alles auf eine Karte setzte, meinen ganzen Mut zusammennahm, den ich nur auftreiben konnte, und mich zu ihm umdrehte. Das schwache Licht des Navigationsbildschirms leuchtete ihm ins Gesicht, beinah konnte ich seine Konturen ausmachen, und dennoch erfasst mein Blick seinen, fiel dann auf seinen Lippen.

Langsam beugte ich mich vor, mein Gesicht so gefährlich nah an seinem. Er zuckte nicht zurück, wie ich es befürchtete hatte, weswegen ich es wagte und ganz leise wisperte: „Ich glaube, ich mag dich, Logan."

Dieser erwiderte nichts, er beugte sich nur vor und schloss den Platz, der uns voneinander trennte. Seine Lippen presste sich sanft gegen meine, unwissend. Seine Berührung fühlte sich wie eine Erlösung an, in die ich sofort versank, von der ich nicht länger zögern konnte. Meine Hände fand den Weg zu seinem Gesicht, hielten ihn nah bei mir, während er mich enger an sich zog. Ich spürte ihn überall. Wie nah er mir war, wie ich ihn nie wieder gehen lassen wollte.

Nichtsdestotrotz löste er sich von mir, seine Stirn angelehnt an meine, noch immer nah genug, dass ich ihn jederzeit wieder küssen konnte.

„Ich weiß, dass ich dich mag, Ali."

Seine Worte allein hatten die Macht, mir jeglichen Zweifel und Unsicherheit zu rauben, die ich je über meine Gefühle für ihn hatte, denn tief in mir wusste ich es ganz genau. Ich wusste ganz genau, dass ich ihn auch mochte, und dass es nichts gab, was ich dagegen tun konnte.

Weder er, noch ich konnte sich zurückhalten. Seine Hand ergriff meine Wange, zog mich erneut an sich ran und versank in einen weiteren Kuss. Dieses Mal lagen meine Lippen sicher und bestimmt auf seinen. Und ich wünschte, es würde für die Ewigkeit halten, doch ehe ich mich in seinem Kuss verlieren konnte, hörten wir das Gelächter von Brandon und Alex.

Mit einem Blick, der alles und zugleich nichts sagte, lösten wir uns voneinander und versuchten uns möglichst ruhig zu verhalten, denn keinen Augenblick später riss Brandon die Fahrertür auf.

„Mach mal Platz, es ist eiskalt!"

Neben mir öffnete sich die Beifahrertür, zu der Alex in den Wagen stieg und erfreut durch die Warme aufseufzte. Beide schien klebend nass durch ihre Cola Schlacht zu sein, so sehr, dass ich sofort Mitleid mit ihr bekam und mich aus meinem Pullover schälte, um ihn Alex anzubieten. Mir war sowieso viel zu heiß.

Dankend nahm sie ihn an und zog sich ihn über, bevor Brandon den Fahrersitz wieder annahm und Logan neben mich rück. Ich blickte zu ihm, sah sein warmes Lächeln und lehnte mich so unauffällig wie möglich gegen ihn. 

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