Kapitel 33


Ich schloss leise die Tür zu meinem Zimmer im Verbindungshaus auf. Ich war vor einer guten Stunde gelandet und mit dem Taxi hergekommen. Jetzt wollte ich Jo überraschen, da sie höchst wahrscheinlich gelangweilt auf ihrem Bett lag, mit ihren Büchern vor der Nase und gelangweilt einen kitschigen Liebesfilm sah. Der Fernseher war zumindest von außerhalb der Tür zu hören.

Vorsichtig drückte ich die Tür auf und erkannte meine beiden besten Freunde vor dem Fernseher auf den Yogamatten sitzen. Um sie herum standen teilweise geöffnete und geschlossene Bierflaschen und mindestens drei Schlüsseln voll mit Süßigkeiten. An Stelle von einem Liebesfilm lief im Fernseher ein Boxkampf.

„Autsch", kommentierte Jo. „Ich kann es nicht glauben, dass der das gerade echt getan hat. Das muss doch höllisch weh tun."

„Jo, der Sinn von Boxen sind keine Streicheinheiten.", erklärte ihr Collin, der darauf an seinem Bier nippte.

Ich musste unwillkürlich grinsen; so verbrachten sie also ihre Zeit, wenn ich mal nicht da war. Keiner der Beiden schien mich bisher bemerkt zu haben. Langsam schlich ich mich in den Raum hinein und ließ meine Sachen vor der Tür stehen. Ich musste mich zusammenreißen, damit ich nicht anfing laut los zulachen.

„BUH!", kreischte ich und schlug mit meinen Händen auf ihre Schultern. Collin schreckte nur ganz leicht in sich zusammen, während Jo hysterisch neben ihm aufschrie und ihre Bierflasche an ihre Brust presste.

Als sie sich wieder beruhigte hatte, drehte sie sich um. „Man Ali, bist du verrückt geworden?"

Ich schüttelte meinen Kopf und umarmte sie halb, bevor ich meinen kleinen Koffer und Rucksack in das Zimmer hinein holte und mich neben Collin auf die Matten quetschte. Dieser beobachtet mich, bis ich mich hingesetzt hatte. Schüchtern sah ich ihn an. War es jetzt so zwischen uns?

Im nächsten Augenblick drückte er meine Hand, worauf ich ihn anlächelte. Oh man, wie sehr hatte ich sein Lächeln vermisst. Er reichte mir eine geschlossene Bierflasche, welche ich annahm und an der Kante meines Bettes öffnete. „Wieso guckt ihr Boxen?", fragte ich sie.

Collin lehnte sich zurück und grinste Jo hämisch an. Diese wirkte eher genervt von dieser Geste, indem sie ihre Augen verdrehte. „Jo und ich haben gewettet, wer heute gewinnen wird, weil wir uns über den Küchendienst für nächste Woche gestritten haben.", erklärte Collin mir.

Ich schüttelte meinen Kopf und nippte an meinem Bier und sah mir den Kampf einfach mit ihnen an. Solange ich bei ihnen und wir alle glücklich waren, war alles gut.

– – –

„Leute?", weckte mich die Stimme von Jo, gefolgt von ihrer Hand, die mich im Gesicht traf und müde vor Schmerz aufstöhnen ließ. Ich drehte mich von ihr weg und lehnte mich stattdessen gegen die andere Person neben mich und schlief einfach weiter.

„Leute!", hörte ich sie schon wieder, dieses Mal aber viel zu fröhlich lachend. Es war früh am Morgen. Wie konnte sie mir das antun? Sie rüttelte an meinem Körper, sodass ich es nicht einmal annähernd schaffte, wieder einzuschlafen und öffnete langsam meine Augen, um Jo verschlafen anzusehen. Jetzt bemerkte ich erst, wie wir gestern Abend alle drei eingeschlafen waren.

Jo und ich hatten unsere ganzen Kissen und Decken auf den Boden geholt und wir hatten es uns gemütlich gemacht, während wir den Boxkampf zu Ende gesehen haben. Collin lag in Jogginghose und T-Shirt links von mir, während Jo in ihrem Schlafanzug rechts von mir lag. „Wir haben alle unsere Lesung bei Mr Donovan verschlafen.", sagte sie und konnte sich das Kichern nicht verkneifen.

„Und was machen wir jetzt?", fragte ich sie.

Gespielt nachdenklich überlegte sie. „Wie wär's, wenn wir heute einfach für den Rest des Tages blau machen? Lasst uns zu Collin fahren und in den Pool springen, schließlich müssen wir es feiern, dass wir jetzt alle wieder zusammen sind."

Ich konnte mir nicht helfen, aber zu lächeln. Jo war definitiv die Beste der Besten. Jemand, den man sich in meinem Leben nur dringend wünschen konnte. Gemeinsam blickten wir kurz zu Collin, der noch friedlich am Schlafen war, rüber und sah uns danach wieder gegenseitig an. Ein noch bereiteres, fast teuflisches Grinsen erschien auf unseren Lippen.

Wir hatten anscheinend dieselbe Idee.

Jo schnappte sich die Wasserflasche, welche sie neben ihrem Bett stehen hatte und öffnete sie über Collins Kopf. Fragend sah sie mich an. „Los!", formte ich tonlos mit meinem Wort, nachdem ich in leichte Entfernung von ihm gerückt war. Mit einer Handbewegung drehte sie die Flasche auf den Kopf und der Inhalt fiel hinunter auf den dann-nicht-mehr-schlafenden-Collin. Vor Schreck richtet er sich auf und schüttelte seinen Kopf. Seine Haare waren triefend nass und hingen ihm im Gesicht.

Ungläubig sah er Jo und mich an. „Das ist nicht euer Ernst."

Auf einmal sprang er auf, schnappte sich mit einem geschickten Griff die Flasche von Jo und schüttelte den restlichen Inhalt verteilend auf Jo und mich. Kreischend wollten wir wegrennen, aber wohin? Der Raum war viel zu klein dafür.

Im Endeffekt saßen wir drei durchnässt auf dem Boden und grübelten über unseren Tag. „Ich gehe jetzt nicht in meine Lesung. Mr Calloway wird mich nur zusammenscheißen. Da soll der lieber denken, ich wäre krank. Sein Unterricht ist ohnehin langweilig.", meinte Jo und stützte sich nach hinten mit den Armen ab.

Wir sahen uns gegenseitig ratsam an, bis mir wortwörtlich die Erleuchtung kam. „Ich hab eine Idee. Macht euch alle fertig, gleich geht's los."

Ich scheute einen verwirrten Collin aus unserem Zimmer, damit er sich in seinem fertig umziehen konnte, und wir in unserem. „Wohin geht's denn?", fragte Jo neugierig nach. Das war klar, denn sie war fürchterlich schlecht darin ihre Neugierde zu verstecken. Umso besser, denn so mochte ich sie am meisten. Ich kniff ihre Nase kurz zusammen und sagte: „Geheimnis."

Seufzend holte sie sich Anziehsachen aus ihrem Schrank und wir machten uns fertig.

– – –

„Ali, wohin führst du uns?", Jo klang nervös und aufgeregt zugleich. Mit dem Taxi waren wir etwas außerhalb der Stadt gefahren. Ich grinste in mich hinein. Wenn sie nur wusste. In der Nähe gab es ein altes Filmstudio, was früher oft genutzt wurde. Heute war es eher ein riesiges Studio, wo einzelne Teil für Filmsets zusammengebaut oder Kostüme in die Endherstellung gingen. Für Filmmacher war es wie eine geheime Quelle.

Mit Collin und Jo war ich extra den Hintereingang gegangen. Diesen kannten nämlich meistens nur die Leute, die jemals dort gearbeitet haben. Wären wir von vorne hinein gegangen, hätte dies die ganze Überraschung versaut.

„Was zur Hölle machen wir an einer Waschpulver Fabrik?", die Ahnungslosigkeit von Jo amüsierte mich zu sehr, dass es mir kein bisschen leid tat, dass ich nichts verraten hatte.

Ich trat an der Kontrolle vor und meldete bei dem Beamten. „Ach, Harries. Was machst du denn hier? Bist du mit deinem Dad hier?", fragte er mich, denn ich kannte ihn schon seit Jahren.

Ich schüttelte meinen Kopf. „Nein, Offizier. Ich wollte meine Freunde überraschen und ihnen das Gelände mal zeigen, wenn das okay ist."

„Solange ihr nichts kaputt macht, dann gerne."

„Danke!", ich schenkte ihm ein herzliches Lächeln und winkte die Zwei zu mir heran. Collin wirkte im Gegensatz zu Jo noch ziemlich relaxt. Gespannt sahen sie sich um, als wir weiter an der Absperrung vorbei gehen durften.

Als wir das Studio betraten, dämmerte es ihnen bestimmt schon, wo sie sich befanden, weshalb ich eine übertriebene Drehung zu ihnen machte und verkündete: „Herzlich Willkommen im Produktionsstudio für Filme wie Herr der Ringe, Star Wars, Fast & Furious, Transformers und massenhaft vielen Comicbuch Verfilmungen. Ich dachte, wenn wir uns schon einen Tag vom College freinehmen, dann wenigstens produktiv in unserer Branche."

„Wow", hauchte Jo. Ich wusste, dass ihr dieser Ort gefiel, denn sie hatte ihn zufällig am ersten Tag erwähnt. „Wie hast du es geschafft uns hier reinzubekommen?"

„Mein Dad hat bereits ein paar Mal hier gearbeitet und irgendwann muss ich doch mal die Vorteile am Tochter-eines-Regisseur-sein ausnutzen, oder nicht?", erklärte ich, als wir in das erste Department übergingen.

Jo war komplett fasziniert. Wie sich herausstellte, war sie ein totaler Herr der Ringe Fan und starrte die gelagerten Kostüme und Prototypen schon seit mehreren Minuten mit offenem Mund an. Ich musste leise schmunzeln. Sie waren wie in einem Rausch gefangen.

„Danke, dass du uns hier mitgenommen hast. Ich glaub', du erfüllst Jo gerade einen Lebenswunsch.", hörte ich Collin neben mir sagen. Ich blickte zu ihm auf. Er beobachtete unsere verrückt gewordene Blondine.

„Was würde sie dann sagen, wenn sie erfährt, dass mein Dad mit Elijah Wood befreundet ist?", flüsterte ich.

Überrascht sah er mich an. „Vielleicht zu ihrem Geburtstag.", lachte ich.

„Sie würde uns vergöttern.", stimmte er mir zu. „Oder zumindest dich."

Ich schluckte leicht. Ohne ein weiteres Wort zu ihm war ich zu Logan abgehauen. Zwar war jetzt alles so wie ich es mir immer gewünscht hatte, aber es fühlte sich nicht so an, als wäre zwischen Collin und ihm alles geklärt. „Collin—", setzte ich an, doch er unterbrach mich, „Schon gut, Ali. Ich weiß, was du sagen willst. Mach dir keine Sorgen darum. Das, was ich am Telefon gesagt habe, meinte ich so. Mich wirst du nicht so leicht los."

Es war sein Lächeln, welches mich glauben ließ, dass es ihm gut ging. Augenblicklich schlung ich meine Arme um seinen Oberkörper und lehnte mich gegen ihn, bevor ich meine Augen schloss. Automatisch legte Collin sein Arm um mich.

„Ich glaubst ja gar nicht, das ist ein Prototype für Orlando Blooms Kostüm. Oh man, hätte er es bloß gerade an.", seufzte Jo total vertieft in ihrer Obsession.

„Ist denn alles gut zwischen Lerman und dir?", fragte Collin mich, ohne mich dabei loszulassen.

Ich nickte und drückte ihn kurz, bevor mir ein bekanntes Gesicht entgegnen kam. Mit einem Finger deutet ich meinen beiden Freunden kurz, dass sie auf mich hier warten sollte und folgte dem bekannten Gesicht.

Wenig später stand Jo gekleidet in einem alten Kostüm von Prinzessin Leia aus Star Wars im Raum, während Collin das Prototype Kostüm von Orlando Bloom und ich eins der alten Wonder Woman Kostüm an hatte. Als wir aus den Umkleidekabinen traten, brachten wir in schallendes Lachen aus. Jeder von uns sah affig und ungewohnt aus.

Beatrice, die Kostümleiterin in diesem Studio, sah uns breitgrinsend an. „Was seid ihr nicht für ein Trio!", sagte sie mit einer ausladenden Gestik, „Prinzessin Leia, Wonder Woman und Legolas gegen das Böse in dieser Welt."

Ich blickte meine Freunde an; für nichts auf dieser Welt würde ich sie jemals eintauschen.


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Hoffentlich gefällt es euch, denn das nächste Kapitel wird vermutlich das Letzte sein, bevor ich noch einen extra Epilog für euch habe. Aber keine Sorge, das wird extra lang.

Danke an alle fleißigen Leser. 


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