Kapitel 28
Ich war nicht allzu lange bei Collin geblieben. Wir saßen einfach auf seiner Couch, hielt uns in den Armen und sagten nichts. Ich war froh, dass wir nichts sagten, denn nach allem, was an diesem Tag geschehen war, war diese Stille zwischen uns ein Wunder. Wir hatten uns noch soviel zu sagen und gleichzeitig nichts.
Später war ich zurück in Jos und mein Zimmer zurückgekehrt. Mein Körper, mein Kopf, mein Herz, einfach alles war müde.
Am Morgen hatte ich fast vergessen, was ich gestern getan hatte. Die Antwort von Josh erinnerte mich jedoch daran.
From: Josh
Ich will nicht wissen, was du tun willst. Tue das Richtige, Alicia.
Anhang: Kontakt - Natasha
Ich biss mir die Lippe, starrte blank auf das beleuchteten Display in meiner Hand. Mein Blick fiel auf die Uhr. Es war kurz nach acht. Vielleicht würde ich sie noch so früh erreichen, denn ich wollte nicht warten. Ich wollte die ganze Geschichte von Logan und ihr wissen— aus ihrer Perspektive.
Ich suchte mir ein paar Klamotten zum Überwerfen raus, danach schlich ich mich mitsamt meinem Schlüssel aus unserem Zimmer und ließ Jo weiterschlafen. Im Haus war kaum was los. Die Hälfte schlief entweder noch oder war bereits im Unterricht, weshalb ich mich ungestört in den Garten setzen konnte. Ich hatte eine Ewigkeit nicht mehr mit ihr gesprochen, da ich überhaupt keinen Grund dazu hatte. Josh hatte uns nach seiner Verlobungsauflösung gebeten, nichts in unserer Macht zu tun, um sie zurückzubitten. Er wollte keinen Kontakt mehr zu ihr haben.
Mein Blick hing erneut an dem Anhang von Joshs Nachricht. Ich war nicht hundertprozentig sicher bei dieser Sicher, doch ehe ich mich versah, hatte ich einfach die Nummer gewählt. Ungeduldig legte ich mir mein Handy an mein Ohr und wartet, bis der Piepton verschwand und sie endlich abhob.
„Natasha Richards, hallo.", meldete sie sich. Eine Welle von Gänsehaut krabbelte über meine Schultern meine Arme hinunter. Ich erkannte ihre Stimme von früher.
Sie wiederholte sich.
Ich musste was tun, bevor sie auflegte. „Na-Natasha?"
„Ja hallo, wer ist denn da?"
„Ich, ähm Alicia Harries."
„Ali!", auf einmal klang sie fröhlich und quiekte beinah zu laut auf, „ich habe ja ewig nicht mehr deine Stimme gehört. Gibt es einen Grund, dass du mich anrufst?"
Ich zögerte. Im Gegensatz zu Josh wurden sie und ich auf eigentlichen guten Wegen auseinander gerissen. Ich hatte mich während der Planungszeit blend mit ihr verstand. Sie war nur ein paar Jahre älter als ich, weshalb ich in ihr etwas wie eine Schwester gesehen hatte. Mir hatte es Spaß gemacht ihr bei ihren Hochzeitsvorbereitung zu helfen und sie so voller Leben zu sehen. Es war mir eine Ehre gewesen und diese guten Bedingung konnte ich jetzt in meiner Hand zerbröckeln.
„Den habe ich tatsächlich.", erwiderte ich, „Es ist vermutlich nicht das Beste, dich das über das Handy zu fragen, aber du musst mir etwas erklären."
„Ich kann dir nicht folgen, Alicia. Was ist los?", man konnte ihre Verwirrung förmlich aus ihrer Stimme heraus hören.
„Kannst du mir eine Frage beantworten?", versuchte ich es anders.
„Natürlich."
Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, weshalb ich selbst direkt auf den Punkt kam. „Hast du Josh wegen Logan Lerman verlassen?"
Die Leitung blieb still. Ich wollte es nicht zugeben, aber ich konnte verstehen, warum sie nun still war. Als ich es erfahren hatte, war ich geschockt gewesen und so mitgerissen worden, dass es ihr in diesem Moment nicht anders gehen musste.
„Woher weißt du davon?", hakte sie nach, anstatt es zu bestätigen, aber das brauchte sie nicht. Logan und Joshs Bestätigung hatten mir in dem Falle schon gereicht. Nur jetzt zwang sie mich zusprechen. „Hauptsächlich von Josh. Vor... vor ein paar Tagen war ich mit Logan selbst noch zusammen und er hat mir dies verschwiegen. Nun rufe ich dich an und möchte deine Version erfahren."
Ich hörte, wie sie leise unter ihrem Atem fluchte und danach einen tiefen Seufzer aus. „Es ist wahr, aber es lag daran, dass Josh und ich... wir passten nicht zusammen. Na sicher war er ein toller Freund und ich habe ihn geliebt, aber für die Ehe hat es nicht gereicht. Logan erweckte in mir ganz andere Gefühle, als Josh es jemals getan hatte. Es war nicht richtig von mir hinter seinem Rücken mich in jemand anderen zu verlieben, weshalb ich es ihm gesagt habe, aber sobald Logan davon erfuhr, hat er mit mir Schluss gemacht. Ich hatte geglaubt, dass er mich wirklich liebt. Am Ende war er genauso ein Arsch—"
„Sag so etwas nicht. Urteile, wenn dann über dich selbst und was du falsch gemacht hast.", ich konnte es nicht fassen, dass ich Logan verteidigte. Ich wollte ihn gar nicht verteidigen, er hatte all das verdient. „Danke für das Gespräch, Natasha. Im Endeffekt passen ihr beide doch gut zusammen. Ihr sied beide verlogene Hinterwälder."
„Alicia, warte!", sagte sie, bevor ich das Telefongespräch beenden konnte. Ich sagte nichts, ich lauschte nur dem, was sie mir noch zu sagen hatte. „Du musst etwas wissen... Logan wusste nie, dass ich mit Josh verlobt war. Ich habe es ihm nie erzählt und alles dafür getan, dass er es nicht erfährt."
Ich runzelte meine Stirn und presste hervor: „Wieso?"
„Logan hätte sich niemals auf mich eingelassen, wenn er gewusst hätte, dass ich verlobt war."
Ich ärgerte mich über ihre Worte. „Ich lege jetzt auf, Natasha."
Ohne einen Abschied beendete ich das Telefongespräch. An einem komplett anderen Punkt, als ich enden wollte. Ich hatte gehofft, dass Natasha erzählt, wie real ihre Liebe vielleicht war und es alles nur ein Missverständnis ist und komplett falsch rüberkam, als es eigentlich war. Stattdessen gab sie mir erst das Hassbild von Logan, welches sich bereits in meinem Kopf gebildet hatte, nachdem Josh mir von allem erzählt hatte und dann riss sie es wieder nieder, als sie mir beichtet, dass Logan vermutlich nur mit ihr Schluss gemacht hatte, weil sie ihn angelogen hatte.
Der Krachen im Himmel passte sich meiner Stimme an. Es war kaum zu überhör und unheimlich laut. Mein Herz klopfte wild. Blut pumpte sich rasend schnell durch meine Adern. Ich umklammerte mein Handy in meiner Hand und hüpfte wieder in das Haus hinein, bevor der aufbrechende Himmel seinen Regen auf mich hinab genießen konnte.
Ich hatte all das hier so satt.
Dieses ganze Hin und Her zerriss mir noch meinen Kopf und das konnte ich nicht länger zulassen. Ich wollte mich selbst nicht mehr so sehen. Ich musste endlich wissen, was und vor allem wen ich wollte. Dieses Spiel tat keinem einen Gefallen. Ich würde es beenden und zwar sehr sofort.
Ich schubste mich selbst an anderen Mitbewohnern vorbei, die wohl alle von dem donnerlauten Gewitter wachgeworden waren und ging die Treppe hinauf, in die falsche Richtung zu dem Flur der Jungs. Bevor ich an Collins Zimmertür klopfen konnte, kam aus dem Nachbarzimmer jemand hinaus. „Wenn du zu Collin willst, der sitzt noch in einer Lesung.", sagte er mir.
„Oh, okay. Danke schön!", erwiderte ich und drehte mich um, auf dem Weg zurück in mein Zimmer. Jo schlief noch immer, da sie bis zum Mittag keinen Unterricht hatte. Ich schnappte mir meinen Regenjacke von einem der Haken. Der Regen prasselte bereits mit Wucht gegen unser Fenster. Vor der Haustür tummelten sich die Studenten und zog in Erwägung, ob es sich lohnt durch den Regen sich aufzumachen. Ich zog mir mit dem letzten Schritt von der Treppe meine Kapunze über und ging ohne in Betracht zu ziehen einen Regenschirm mitzunehmen vor allen aus dem Haus.
Der Weg bis zum College war nicht weit, aber der Regen machten es unangenehm. Bis ich da war, war ich bestimmt von Kopf bis Fuß nass. Meine Entscheidung zwang mich jedoch weiterzugehen. Der Regen prasselte ohne Hemmung nieder. Meine Haare hingen bereits nach ein paar Minuten wie gekochte Spagettinudeln an mir runter.
Meine Entscheidung war überstürzt — im Grund, wie alles andere in letzter Zeit auch.
Nach zehn Minuten erreichte ich den Parkplatz des Colleges und da sah ich ihn. Bestimmt wurde meine Schritte schneller, als ich sah, wie er gerade seine Tasche auf den Rücksitz schmiss. Auch er triefte bereits vor Nässe, vor der niemand hier auf dem Parkplatz erspart blieb. Sein Blick erfasste mich und er hielt mit seiner Hand an seiner Fahrertür inne, worauf ich die Chance nutzt, um die letzten Meter bis ihm hin zu rennen. Meine Turnschuhe waren komplett durchnässt, als ich bei ihm ankam.
„Was machst du denn bei diesem Regen hier draußen? Du hast doch gar keinen Unterricht.", fragte er mich und sah mich besorgt an.
Ich spürte die eigentliche Kälte nicht. Alles, was ich spürte, war mein Herz, welches so hart gegen meine Rippen schlug. „Ich wollte dich sehen.", erwiderte ich atemlos.
„Warum das?", er zog seinen Brauen zusammen.
Jetzt oder nie.
„Weil ich etwas wissen muss."
Mit diesen Worten griff ich nach seinem Gesicht, zog ihn in einem zügigen Ruck zu mir hinunter und verband unsere Lippen miteinander, in Hoffnung, dass er mich zurück küssen würde. Für eine Sekunde war ich hoffnungsvoll, bis ich es spürt. Wie Elektrik zuckten alle meine Sinne, als er den Druck erwiderte.
Für einen Moment fühlte es sich an, als würde das Chaos in meiner Welt zur Ruhe kommen.
Collins Arme schlung sich um meine Taille und zog mich näher an sich heran, während unsere klitschnassen Haare in das Gesicht des jeweils Anderen fielen. Es war ein Kuss, indem ich versinken wollte.
Wir lachten, als wir unsere Lippen voneinander trennten. Mit seiner Stirn an meiner fühlte ich seinen warmen Atem auf meinem Gesicht. Der Regen konnte uns nichts anhaben, dachten wir uns.
Was das hier wirklich alles, was ich mir wünschte?
Was das hier alles, was ich wollte?
War es das wirklich?
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Das ist nach langer Zeit einer der kürzesten Kapitel, das ich geschrieben habe. Gebt eure Hoffnungen für Logan und Ali nicht auf. Vielleicht nützen sie euch noch was.
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