Kapitel 27
Ich sah auf.
Ich zögerte meine Frage hinaus, obwohl mir klar war, dass wenn ich noch länger nicht alles auf den Tisch bringen würde, dann würde ich niemals Ordnung und Ruhe in meinem Kopf finden. „Und?", fragte ich leise.
„Und was?", murmelte Collin leicht verwirrt.
Ich ließ seine Arme los. „Wer hat mein Herz sonst verdient?"
Er stieß einen Seufzer aus. Das war das Unausgesprochene zwischen uns beide, was wir nun auch vernichten mussten. Wir konnten es nicht länger ignorieren und nie darüber reden, wenn es doch so offensichtlich war. Er konnte nicht einfach solche Dinge zu mir sagen und glauben, dass es so funktionieren würde. Im Gegenteil, es macht alles nur noch komplizierter.
Ein paar Mal öffnete er seinen Mund, als wollte er etwas sagen wollen. Es lag ihm auf der Zunge, aber er stoppte sich selbst auf Neue, bis er schließlich sagte: „Du weißt, wie ich diese Fragen beantworten würde."
Das wusste ich tatsächlich. Das einzige Problem daran war nur, dass ich nicht bereit diese Antwort zu akzeptieren. „Ist es so?", fragte ich simple.
Er und ich kannten die Antwort auf diese Frage. Wir kannten sie schon lange. Womöglich, seitdem er mich auf die Geburtstag seines Bruders genommen hatte. Spätendes in dieser einen Nacht, als unseren Gefühlen nachgaben, obwohl wir wussten, dass es nicht sein sollte. Wir wussten es beide, aber kein einziges Mal hatte wir es laut ausgesprochen. Das machte es nur leider nicht ungeschehen.
„Das zwischen uns war nie ganz ohne. Du machst es mir nämlich nicht leicht, mich nicht jede Sekunde mehr in dich zu verlieben."
Da hatte er es gesagt. Meine Unterlippe zitterte bei seinen Wörtern. „Wann hast du es bemerkt?", ich brauchte mehr Antworten. Er konnte mich nicht mit einer halben Wahrheit hängen lassen.
„Als du mich gesucht hast und zu mir nach Hause gekommen warst, habe ich gewusst, dass ich dich nicht zurück zu ihm gehen lassen sollte. Aber das Letzte, was ich tun würde, wäre dich gegen den Willen deines Herzens bei mir zu behalten."
Ich schüttelte meinen Kopf. Das änderte jedoch rein gar nichts an dieser Situation. „Wieso hast du es mir nicht gesagt? Du hättest mich davon abhalten können, dass ich zwischen Logan und mir alles kläre und wieder zu ihm zurück gehe.", fuhr ich ihn an, obwohl ich überhaupt kein Recht dazu hatte, „warum hast du es mir nicht gesagt?"
Das war keine Unterhaltung, die angenehm war. Das sah man ihm an und bestimmt auch mir. Wir saßen inmitten des Gartens und quälten unsere Seelen.
„Ali...", er seufzte und es durchstach mein Herz, „Du liebst ihn. Man sieht es dir sofort an, wenn du ihn ansiehst oder auch nur über ihn redest. Ich kann mir wünschen, dass ich es wäre, aber ich bin es nicht, der dich so fühlen lässt."
„Aber vielleicht wärst es du geworden, wenn du mich aufgehalten hättest!"
Er hatte keine Angst vor meiner geballten Wut, die ich in meine Worte steckte und ihn damit attackierte. Tapfer zuckte er nicht einmal. „Es wäre niemals das Gleiche gewesen, wie das, was Logan und du haben. Er—", er schien sich selbst für die nächsten Worte zu hassen und irgendwie tat ich es auch, „er hätte dir das nicht antun sollen, trotz allem wirst du ihn immer mehr lieben."
Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Wieso konnte er nicht genauso wütend und stur wie ich sein und Logan vor mir schlecht reden, damit ich vielleicht die geringste Chance hatte, ihn zu vergessen. Möglicherweise würde ich es dann schaffen, ihn gehen zu lassen, ganz egal, wie egoistisch das wäre.
Ich konnte das nicht.
Ich konnte nicht mit ihm hier rumsitzen und über Liebe und Vergebung reden, wenn ich mit nichts von Beidem zu tun haben wollte. Ich entzog mich allem. „Tut mir leid... ich brauche Zeit für mich alleine.", sagte ich harsch, bevor ich aufstand und ihn einfach sitzen ließ.
Nun hatte ich es nicht nur mit Logan versaut, sondern auch mit Collin.
In meinem Zimmer erwischte ich Jo mit Überraschung. Bei meinem Anblick erhob sie sich sofort, aber ich hielt davon ab irgendetwas zu sagen, indem ich meine Jacke und Tasche schnappen und genauso schnell verschwand, wie ich in der Zimmer hinein gekommen war. Es war nicht fair, wie ich meine Freunde behandelte. Ich führte mich auf wie eine richtige Bitch und das war mir bewusst, trotzdem tat ich nichts dagegen, was meinem Gewissen nicht weiterhalf.
Ich verschwand soweit von unserem Verbindungshaus, bis ich am College vorbeiging und in der Nähe einen Taxistand fand. In mir lungerte die Idee mich einfach in eins zu setzen und für das Erste abzuhauen. Wenigstens für ein paar Stunden weg von allen Anderen. Am Infostand, der nahegelegenen war, fragte ich die Dame, ob es in der Nähe eine höheren Aussichtspunkt gibt, geschätzt davon, dass die Stadt der Wüste mit ihren Gebirgen nahe kam. Sie erklärte mir, dass ein Denkmal nur fünfundzwanzig Minuten von hier entfernt gab.
Ich dankte ihr, nachdem sie mir die Adresse gab und suchte mir ein freies Taxi. Die Sache mit der Höhe hatte ich von meinem Dad. Unser Haus war selbst auf einem Berg in den Hollywood Hills gelegen, denn für ihn war die Luft in der Höhe knapp, aber frischer. Er meinte, er könnte dann am besten nachdenken und arbeiten, wenn er in vollkommender Ruhe war.
Der Taxifahrer musterte mich zwar im Rückspiegel ein paar Mal, aber sagte nichts über meinen Aufzug. Er fragte auch nicht nach, als er anhielt und ich bezahlte. Vermutlich schlicht und weg, weil es ihn nichts anging und ich auch nicht so aussah, als würde ich ihm groß etwas darüber erzählen wollen. An dem Denkmal angekommen folgte ich den zugewiesenen Weg die Berg hinauf. Es tummelten sich wenige Touristen hier, obwohl der Weg hinauf schön wirkte.
Mir fiel jetzt erst auf, dass ich bisher noch kaum Zeit gehabt hatte, um mich wirklich hier um zu sehen. Ich war nicht einmal shoppen oder ähnliches, ich war so beschäftigt mit anderen Dingen, dass ich ein normales Leben kaum noch hatte.
In meinem Kopf bildete sich nur diese eine Frage: wo war ich in meinem Leben?
In den letzten zwei Monaten war so viel passiert. Es hatte mein Leben komplett umgekrempelt und mir kam es vor, als wäre das Erwachsenenleben definitiv nichts für mich.
Ich hatte Logan wegen Josh belogen.
Logan hat mich wegen seinem Image und Natasha belogen.
Es tat weh zu wissen, dass er mir nach allem, was ich ihm gebeichtet und wir eigentlich beschlossen hatten, keine Geheimnisse mehr voreinander zu haben, trotzdem mir nicht traute und mich deswegen belogen hatte. Mit Collins konnte man unnötig diskutieren, er hatte Recht. Meine Gefühle für Logan würde nicht plötzlich verschwinden, nur weil wir uns gestritten hatten. Meine Gefühle für ihn war bereits zu tief und ernstgemeint, dass ich sie jetzt einfach vergessen konnte.
Die Gefühle, die ich für Collin hegte, waren nicht mit denen, die ich für Logan besaß, zu vergleichen. Beide bedeutet für mich etwas komplett anderes. Ich könnte sie selbst als Person nicht miteinander vergleichen. Logan trug gewisse Verantwortung wegen seiner Karriere, was Collin nicht tat. Zwar hatte er eine berühmte Cousin, aber das wusste ich nicht, bevor ich es selbst erlebt hatte. Mit unserer Beziehung, dem ganzen Hin und Her, hatte ich seine Karriere beeinflusst. Ich hatte ihn als Menschen beeinflusst. Beide wollten nur das Beste für mich. Aber was war schon wirklich das ‚Beste'?
Jedes andere Mädchen wäre vermutlich überglücklich, wenn ein süßer Junge, der alles für sie tun würde, und ein Filmstar, der ihr die Welt geben will, in sie verliebt wäre. Ich hingegen freute mich ganz und gar nicht. Im Endeffekt war es wie in Mr Donovans Unterricht (wenn ich dann mal zugehört hatte), um sich zu entwickeln, kam man nicht darum herum, andere Menschen zu verletzen. Die Gefahr, dass ich einen der Beiden verlieren würde, sobald ich mich für jemand entschied, bestand jederzeit.
Und was war, wenn ich mich für keinen der Beiden entscheiden würde? Würde ich dann beide verlieren?
Nein.
Nein, genau das durfte nämlich nicht passieren. Egal, welche Rolle sie in meinem Leben einnehmen würde, ich brauchte sie beide.
Ich musste endlich auf einen klaren Punkt kommen und das hatte ich mit fast jedem, bis auf einer Person.
– – –
Es dauerte eine Weile, bis ich zurück im Verbindungshaus ankam. Es war Wochenende und die Meisten war wahrscheinlich schon weg, um heute Abend feiern zu gehen. Ich hoffte sehr, dass Jo nicht darunter zählte und insgeheim auf mich in ihrem Zimmer wartet. Ich war so unerwartet verschwunden, dass sie vielleicht auf mich wartet, bis ich zurückkehrte.
Ich wollte mit ihr über alles reden. Sie kannte grobe Stücke von meiner ganzen Geschichte, aber ich verheimlichte auch ihr Einzelteile, wie dass ich Collin geküsst hatte. Sie verdient es alles zu wissen, denn ich konnte sie nicht auch noch verlieren. Sie war meine einzige Freundin hier und generell die Einzige, die ich neben Alex noch so wirklich hatte.
Zögerlich öffnete ich die Tür zu unserem Zimmer, machte mich bereit darauf, dass wir womöglich sauer auf mich war und gleich komplett aus dem Häuschen sein würde. Ich hielt inne, als ich meine beide Collegefreunde bedrückt auf dem Boden sitzen saß. Jo war die Erste, die mich entdeckt und sofort auf die Beine sprang. Sie hechtet nach vorne und schloss ihre Arme in einem Schwung um meinen Hals.
„Wo warst du nur?", fragte sie mich atemlos schimpfend. Ich schlung meine Arme um ihren zierlichen Körper.
„Tut mir leid, dass ich nichts gesagt habe. Ich war nur was in der Stadt.", log ich halb, als mein Blick auf Collin fiel. Er war noch immer hier und hatte vermutlich mit Jo auf mich gewartet. Es freute mich.
Jo ließ mich los, damit Collin mich ebenfalls in die Arme nehmen konnte. „Egal, was ist, Ali. Ich bin immer noch für dich da, ich bin immer noch dein Freund.", murmelte er in mein Haar, als er so heftig umklammerte, dass uns beiden fast die Luft weg blieb.
„Bitte... lass mich nicht allein.", bat ich ihn im Flüsterton. Jedes Wort stich in meinem Herzen.
„Das werde ich nicht.", er drückte mich ein letztes Mal, bevor auch er mich los ließ. Sein Blick flackerte zwischen Jo und mir, wobei er bemerkte, dass ich ihr wohl etwas zusagen hatte. Fragend blickte diese mich an. „Ich lass euch mal alleine", sagte er.
Dankbar nickte ich ihm zu. Jo hingegen kniff ihre Augen zusammen, drehte sich zu mir und hob eine Braue. Nachdem die Tür hinter Collin ins Schloss fiel, war es Zeit für mich endlich ehrlich zu ihr zu sein, denn ich wollte ihr zeigen, dass mir ihre Meinung etwas bedeutet. Dass sie mir etwas als Freundin bedeutet.
„Was ist los?", fragte sie mich und zog mich mit sich auf ihr Bett.
Über Gefühle zu reden war scheiße, aber dieses Mal hielt ich vor ihr nicht zurück. Ich erzählte ihr nicht die verschönte Version von allem. Ich ließ nichts weg. Ich erzählte einfach die Wahrheit so, wie sie war. Ich fing von vorne an, wie ich Logan kennengelernt und meine ganze Welt sich verändert hatte, nur weil ich mich zum ersten Mal in meinem Leben richtig verliebt hatte. Bis unter zu der Erpressung von Josh. Ich erzählte ihr davon, wie ich ihn schon immer gekannt hatte, dass mir solch ein Verhalten von ihm nicht unbekannt war.
Ich erzählte ihr, dass ich es nicht mehr ausgehalten hatte, mit Logan länger an einem Set arbeiten zu müssen, wenn ich offensichtlich ihn weiterhin anlügen musste und mich daher in die Sommerkurse kurzfristig noch eingeschrieben hatte. Wie an dem Punkt geglaubt hatte, dass mein Leben wieder okay werden würde.
Ich erzählte ihr davon, wie Collin alles herausgefunden und mich mit auf die Geburtstagsparty von Mike mitgenommen hatte, wo ich auf Alex traf und wie das alles wieder durcheinander.
Und dann erzählte ich ihr, wie alles bergab ging. Wie ich Logan wieder getroffen hatte und wir uns beide auf's Neue unsere Herzen brach, wie ich Collin geküsst hatte und wie ich Logan trotzdem nicht aufgeben wollte.
Ich schämte mich dafür, dass ich es ihr nicht früher alles erzählt hatte, denn alles auf einmal ließ mich noch wie ein zehntausend Mal schlechterer Mensch wirken, aber womöglich hatte ich das verdient.
Ich fuhr fort, indem ich ihr genaueres zu dem Treffen von Josh und mir erzählte und wie er mir enthüllt hatte, was Logan vor mir geheim hielt. Ich erwähnte die Sache mit Natasha, einfach alles.
„—Und jetzt sitze ich hier. Logan habe ich fortgeschickt. Collin hat mir seine Gefühle gestanden und ich weiß nicht, ob ich sie auf diese Weise genauso doll erwidere, wie er es tut.", gestand ich ihr.
„Oh Ali", murmelte sie, „das tut mir leid."
Als Geste der Freundlichkeit strich sie über meinen Oberarm. „Was möchtest du von mir hören? Die einfache Lösung, die vermutlich dein Kopf haben will oder meine ehrliche Meinung?"
Gute Frage.
„Deine ehrliche Meinung", erwiderte ich.
Die Blondine stupste mein Kinn leicht hoch, damit ich sie ansah. „Man kann in seinem Leben nicht voran kommen, wenn man nicht lernt, manche Dinge loszulassen, aber auch Fehler zu vergeben. Das habe ich selbst gelernt. Ich kann nicht für dich entscheiden. Das Einzige, was ich dir raten kann, ist die Lösung zu finden, die dich glücklich macht, auch wenn du einen der Beiden verletzen wirst. Es wird dich befreien und das Leben geht danach weiter."
Ich hatte mir all das bereits selbst eingeredet, aber es aus Jos Mund zu hören war eine ganz andere Perspektive.
Ich ließ mich von ihr in eine Umarmung ziehen und dachte darüber nach, wie Jo selbst mit solch einer Entscheidung umgehen musste, schließlich waren ihre Eltern kurz davor sich scheiden zu lassen. Weder Collin, noch ich schien ihr geholfen zu haben, aber wenn ich sie so ansah, dann wusste ich, dass sie stark genug war, um das selbst hinzubekommen.
„Du hast Recht", stimmte ich ihr zu. Ich legte mein Kopf gegen ihre Schulterplatte und schlung meine Arme um ihre Taille. „Danke für alles, Jo. Ich hätte schon viel früher zu dir kommen sollen."
Für Augenblicke blieben wir in den Armen voneinander. Als ich am Flughafen gegessen hatte, erinnerte ich mich noch daran, wie ich ihre Informationen gelesen hatte. In meinem Kopf hatte sie sich großartig angehört und das war sie in Wahrheit auch.
Ich erklärte ihr, dass ich nach Collin sehen würde. Das war sein erster Tag zurück im Verbindungshaus und ich hatte es ihm nicht gerade zum schönsten Tag gemacht. Zumindest dafür sollte ich mich entschuldigen. Auf dem Weg zu seinem Zimmer erfasste mich eine Entscheidung. Ich zog mein Handy hinaus und schrieb eine Nachricht, die mich vielleicht ein Stückchen weiter bringen würde.
To: Josh
Hast du noch die Nummer von Natasha? Bitte schick sie mir, wenn du sie noch hast.
Danach steckte ich mein Handy wieder in meine Hosentasche und blieb vor der bekannten Tür stehen. Mein Hand hob sich in die Höhe, da ich erst anklopfen wollte, anstatt einfach reinzuplatzen, doch augenblicklich wurde die Tür geöffnet und enthüllte einen Collin mit geröteten Augen und ernstem Blick. Ich wollte etwas sagen, aber ich bekam kein Wort hinaus. Mein Herz zerbrach in hunderten von Stücken.
Ich stolperte ein paar Schritte nach vorne und schloss meine Arme um ihn. Mit einem Arm hielt er mich fest. Mit dem Anderen hielt er noch immer die Tür seines Zimmers fest. „Ich will nicht—", ich unterbrach ihn, "Können wir einfach gar nichts sagen?"
Ich hörte, wie hinter mir die Tür ins Schloss fiel. Wir brauchen Stille, denn in diesem Moment war es das Einzigste, was angebracht war. Ich legte meinen Kopf gegen seine Brust, schloss meine Augen und hörte genau auf seinen Herzschlag.
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Hoffentlich gefällt euch dieses Kapitel. Das Ende naht.
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