Kapitel 25
Es nagte an mir.
Mein Handy hatte ich beiseite gelegt, den Gedanken an die Nachricht von Josh aber nicht. Beunruhigt lag ich in meinem Bett und wartet, bis das Rauschen des Wasser erlisch. Bis Logan aus dem Badezimmer treten würde.
Verdammt scheiße!
Wieso ließ mich der Schwachsinn von Josh nicht los? Er hatte es schon oft erwähnt. Er konnte Logan nicht leiden, das wusste ich seit dem Tag, an dem er mich wie eine Furie aus seiner Wohnung gezerrt hatte und das schien einen bestimmten Grund zu haben. Ein Grund, den mir beide verheimlichten, oder eher nur Logan?
Nein.
Das war die Machtspielchen von Josh. Er tat das absichtlich. Er wollte, dass ich an Logan zweifele. Er wollte das so gerne und das kotzte mich an. Das Rauschen des Wassers hörte auf und es dauerte nur ein paar Minuten, bis ein gemütlich gekleideter Logan mit einem Handtuch über seinen Schultern, indem er sich sein Haar trocken rubbelte, hinaus trat.
Er runzelte seine Stirn, als er mich so bestürzt in meinem Bett sah. „Alles okay bei dir?", fragte er mit diesem sanften Ton in seiner Stimme. Niemals könnte er etwas Fatal Falsches gemacht haben. Nicht so jemand wie er. „Die OP bedrückt mich nur was. Jo hat sich noch nicht gemeldet. Ich glaube, sie übernachtet bei den Terrells.", log ich halbwegs. Es war nicht gelogen, aber auch nicht der Grund, warum ich so aufgewühlt war.
„Das wird schon, glaub mir. Er packt das.", erwiderte mein Freund.
Seine einfacheren Worte munterten mich etwas auf. Ich nickte und beobachtet er ihn, wie er weiter seine Haar halbwegs so trocknete, dass er nicht das gesamte Bett nass machte. Im gleichen Moment war ich froh, dass mein Vorgesetzten des Verbindungshaus es nicht so streng mit Übernachtungen sahen, denn in diesem Moment sah er echt sexy aus.
Dies würde nämlich die allererste Nacht sein, in der Logan und ich einfach schlafen würden.
Da mein Bett nicht sonderlich groß war, mussten wir uns enger aneinander kuscheln. Ich spürte jede Faser seines Körpers gegen meinen gepresst. Es war mir nicht unangenehm, aber ich merkte erst dadurch, wie sehr ich seinen Körper vermisst hatte. Es war so lange her, seitdem ich ihn das letzte Mal so meine Liebe bewiesen hatte.
Aber dafür waren heute beide zu müde.
„Gute Nacht, Ali.", wisperte er.
„Gute Nacht, Logan."
– – –
Mitten in der Nacht wurde ich von Jo geweckt. Ihre Geschluchze war unüberhörbar, außer vielleicht für Logan, der ohne ein Zucken weiterschlief. Sie konnte gar nicht aufhören zu weinen und ich konnte es nicht ertragen dem einfach nur zu lauschen, also löste ich mich aus Logans Umarmung und schlich hinüber in ihr Bett. Sofort rückte sie beiseite und ich legte meine Arme um ihren zierlichen Körper. Sie erzählte mir davon, wie sie mit Mike zu ihm nach Hause gefahren war. Er traute sich nicht ins Krankenhaus, weshalb sie bei ihm geblieben war.
Später war Anne zurückgekommen und hat es über schweren Herzen gebracht, Jo alles über die OP zu erzählen. Mike hatte sich aus ihren Armen gerissen und war in sein Zimmer verschwunden. Die OP verursachte Collin keine Schmerzen und mit den Blutwerten sollte es ihm schneller besser gehen, da es gesunde Werten waren, aber es würde langsam voran gehen. Man müsste weiterhin Geduld mit ihm haben.
Ich konnte Jo nicht beruhigen, noch irgendwie selbst schlafen. Also blieb ich neben ihr liegen, bis zum helligsten Morgen.
Ich bat sie mit Logan, sobald er wach war, frühstücken zu gehen, da ich selbst noch was zu tun hatte. Was genau, verriet ich nicht, aber sie musste, dass es nichts mit Collin zu tun hatte, sondern mit Logan.
To: Unknown Number
Heute um 9 Uhr am großen Tor. Ich weiß, dass du in der Nähe bist.
Eigentlich würde nur ein Dummkopf auf die Idee kommen, sich mit seinem Feind zu treffen, aber irgendwie musste ihm die Stirn bieten und ihn dazu im Notfall zwingen, mir alles zu erklären. Somit ließ ich Logan schlafen, drückte Jo einen aufmunternden Kuss auf ihren Scheitel und verschwand. Ich stürmte die Treppe hinunter und schnappte mir eins der fertigen Sandwichs, welche ein kochverrückte Verbindungsmitbewohnerinnen für alle gerne machte. Das große Tor lag in der Innenstadt. Ich würde eine gute halbe Stunde mit dem Bus bei den vielen Stationen fahren müssen, aber ich war noch gut in der Zeit.
Wie das Treffen mit Josh sein würde, wusste ich nicht. Sorgen darüber machte ich mir nicht wirklich, da ich Josh genauso gut kannte, wie er mich. Er hatte schon immer ein großes Mundwerk über das Internet gehabt, aber in der Realität wurde er schnell klein.
Seufzend stieg ich in den passenden Bus. Ich konzentrierte mich nicht darauf, was bevor stand, stattdessen schrieb ich Logan eine lahme Entschuldigung, dass ich noch zu einer Lesung muss und erkundigte mich bei Mike, wie es ihm ging. Ich fragte ihn extra nicht, wie es seinem Bruder ging, denn nachdem, was mir Jo gestern erzählt hatte, wollte er bestimmt nicht darüber reden.
Ich versank in Gedanken, bis über die Lautsprecher meine Haltestelle aufgerufen wurde. Ich stieg aus und ging die kurze Treppe zum Platz mit dem sogenannten großen Tor hinauf. Ein Schauer kroch mir den Rücken hinunter, als ich das bekannte Gesicht erkannte. Es tummelte hier mit Menschen, aber ein bekanntes Gesicht sticht immer aus der Menge hervor. Josh war viel zu warm für Albuquerque gekleidet, er sah beinah zu albern aus, um ihn ernst zunehmen. Trotzdem wirkte er nicht anders, wie das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte. Er blickte von seinem Handy auf und steckte es weg, sobald er mich erkannte.
Ich ging auf ihn zu und hasste mich bereits selbst, dass ich mich darauf eingelassen hatte. „Ich hatte erst gedacht, du kommst nicht.", sagte er, als ich vor ihm stehen blieb.
„Das hatte ich eigentlich von dir erwartet, aber ich lag richtig. Du warst in der Nähe."
„Ach komm, Alicia, du kennst mich. Ich erscheine immer, wenn man mich wünscht."
Ich hatte ihn mir nicht gewünscht, dass er in der Stadt, wo ich Zuflucht gesucht hatte, einfach auftaucht und Logan und mir hinterher spioniert. „Vielleicht kenne ich den Josh, der schon seit ich vier war auf mich aufgepasst hat, aber ich kenne den Josh nicht, der mich beinah stalkt und alles in meinem Leben zerstören will. Diesen Josh kenne ich nicht!", brüllte ich ihn.
Mir war es so egal, ob mich die Menschen um uns herum schief ansahen oder ob ich mich zurückhalten sollte. Seine Taten gingen zu weit und das sollte er endlich mal kapieren. Natürlich ließ er meine Szene nicht auf sich sitzen und verhielt sich sofort verteidigend. „Weißt du, ich tue Dinge nicht einfach so, sondern aus einem Grund!", brüllte er zurück.
„Ach tatsächlich?", verhöhnte ich ihn und verschränkte meine Arme, „Dann sag mir doch den Grund einfach oder am besten, du hältst dich raus aus allem. Mein bester Freund liegt im Krankenhaus. Meine Beziehung mit Logan steht mal wieder am Abgrund und du hast im allem Ernst noch den Nerv dazu hier aufzutauchen und mir zu sagen, dass du alles aus einem Grund tust, als wärst du der gute Samariter!"
Augenblicklich ergriff er mein Handgelenk und zog mich von den schränken Blicken der Menschen fort. Ich wollte dagegen ankommen, aber Josh ließ mich nicht so leicht los, stattdessen verstärkte er seinen Griff nur noch mehr. Er runzelte seine Stirn, zischend. „Mich interessieren deine Freunde doch gar nicht. Das mit dem Lacrossespiel habe ich zufällig mitbekommen und wusste, dass es dich reizen würde. Ich versuche dich zu beschützen, wie ich es schon immer getan habe, aber du bist blind. So verdammt blind, Alicia."
Er sprach so energisch auf mich an, als könnte er damit eine Gehirnwäsche bei mir bezwecken.
„Wovor denn, bitte? Wovor willst du mich beschützen?", meine Stimme brach ab. Ich hatte gedacht, wenn ich auf das College gehe, würde alles ein Stückchen einfacher und besser werden. Endlich hatte ich die Chance gehabt, um aus den Fängen von Hollywood und Los Angeles allgemein zu entschwinden. Ich wollte meinen Traum ernsthaft verfolgen und Hollywood erschien noch nicht wie der richtige Ort dafür, erstmal müsste ich fortgehen. Aber vielleicht hätte ich das sein lassen sollen.
Doch dann hätte ich so viel verpasst.
Wenn ich das Angebot von meinem Dad nie angenommen hätte, dann hätte ich nie Logan kennen gelernt und alles Andere folgte, wie eine abgefuckte Kettenreaktion.
„Ich habe dir bereits gesagt, dass Logan kein guter Mensch ist. Ich wollte dir nie etwas Böses, Alicia. Das musst du wissen."
Er lockerte seinen Griff und endlich konnte ich ihm entrissen. Mein Handgelenk schmerzte, aber das war nicht der Punkt gerade. „Aber warum? Was macht aus ihm keinen guten Menschen? Was hat er getan, dass du ihn so sehr hasst?", ich spukte ihn beinah an, als ihn in den Wahnsinn trieb. Für ihn war ich blind— aber wovor? Vor Vernunft? Liebe? All das, was er nicht hatte?
„Logan hatte schon öfters Gefallen an seinen Arbeitskolleginnen gefunden. Egal, in welchem Bereich sie gearbeitet haben, solange sie hübsch waren. Er war für sie alle das Gleiche— ein lebendes Exemplar eines Disney Prinzen. Sie hielten ihn für etwas Besonderes, aber er nicht sie. Er hat in den fünf Jahren, den ich ihn kenne, Unmengen von Weibern gedatet und sie nach ein paar Wochen, manchmal schaffte er ein Monat, sitzen gelassen. Die Presse weiß nichts dafür, weil so Leute wie ich dafür Sorgen müssen! Und—"
„Du lügst!", schrie ich ihn an.
Josh machte einen eindringlichen Schritt auf mich zu, aber ich ließ ihn nicht zu nah an mich heran. Sofort schritt ich von ihm weg. „Nein, Ali. Du musst mir glauben."
Er sollte meinen Spitznamen nicht in seinen dreckigen Mund nehmen. Ich wollte ihn nicht aus seinem Mund hören. Wir waren keine Freunde und wenn ich ihn so ansah, dann wusste ich nicht, was er mir jemals bedeutet hatte. Wild atmeten blickte er mich an. „Und wenn schon, was interessiert dich das so sehr? Du kannst doch einen Fick darauf geben, ob er mich ausnutzt oder nicht. Es war dir schon immer egal gewesen.", gab ich wieder.
Das ließ seinen Kragen platzen.
„Weil ich Natasha auch an ihn verloren habe, verdammt nochmal!", schrie er zurück.
Ich gefror bei ihrem Namen. Der einzige Name, der der Beweis für die eigentlich fürsorgliche Beziehung zwischen Josh und mir war. Natasha war seine langjährige Freundin und später Verlobte gewesen. Mom war ganz aus dem Häuschen gewesen, als Natasha und er mich bei einem Abendessen gefragt hatten, ob ich die Brautjungfer sein würde. Ich hatte nicht gezögert, denn ich hatte geglaubt, dass dies ihn endlich glücklich machen würde.
Ihre Liebe konnte einen neidisch werden lassen, denn alles war perfekt zwischen Ihnen. Bis Josh die Hochzeit urplötzlich absagte. Er hatte uns nie einen wirklichen Grund genannt, nur Differenzen zwischen ihr und ihm.
Ich weigerte mich zu glauben, dass Logan daran Schuld haben sollte.
„Das ist nicht wahr", sagte ich und schüttelte meinen Kopf. Ich wollte es von meinem ganzen Körper abschütteln. Das konnte nicht wahr sein, das war doch total absurd.
Joshs Schultern sanken zusammen. „Doch, es ist wahr. Natasha hat mich für ihn verlassen, gesagt, dass sie mich nicht mehr liebt und stattdessen ihn liebt. Sie hat mich zwei Monate vor unserer Hochzeit sitzen gelassen, nur damit er sie nach einem Monat fallen lassen konnte. Sie hat mich betrogen und dann meinte sie im allem Ernst auch noch, was für ein schrecklicher Mensch ich wäre, weil ich sie nicht zurücknehmen wollte. Alles, was ich wollte war, dass du nicht denselben dummen Fehler machst, Alicia.", erklärte er mir und beruhigte sich mit ein paar heftigen Atemzügen, „Du bist ein Teil meiner Familie und ich will nicht, dass du verletzt wirst."
Ich starrte ihn blank an.
Genauso blank war mein Kopf zurzeit.
„Es tut mir leid", murmelte er. Ich beobachtet ihn, wie er zwei stolpernde Schritte nach vorne machen. Ohne darüber nachzudenken hob ich meine Hände, um ihn abzuweisen. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich reagieren sollte, oder gar, was ich denken sollte. Alles war durcheinander. Mein Blick von Logan war durcheinander.
„Lass mich. Ich—", mir blieben die Worte im Hals stecken, doch Josh sah mich verständnisvoll an. Ich wollte diese Nettigkeit nicht von ihm. In diesem Moment wünschte ich mir, dass er einfach weiterhin das lügende Arschloch wie zuvor war, aber Josh hatte Recht, ich kannte ihn und ich wusste, wie sehr er Natasha geliebt hatte. Nur um mich zu verletzen oder Logan von mir zu reißen, würde er nicht extra alte Wunden aufreißen. Man sah ihm nämlich an, wie bitter er darüber war, dass er die Geschichte wieder aufleben musste.
Mein Blick von Logan war nicht nur durcheinander. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr verschlimmerte sich mein Bild von dem Mann, den ich liebte. Ich wollte die Geschichte von Josh nicht wahr haben. In meinem Kopf wollte Natasha einfach als eine verlogene Bitch darstellen und Logan von jedem schlechten Gedanken retten. Nur war es das wert, wenn er bereits vor Natasha solch eine Vergangenheit hatte?
„Es tut mir leid, Alicia. Ich weiß, dass du dich in ihn verliebt hast—"
„Ich liebe ihn, Josh.", sagte ich erstickend. „Ich bin nicht nur wie ein kleines Mädchen in ihn verliebt. Ich liebe Logan, schon lang bevor du mich damals von ihm gerissen hast."
Josh sah mich gequält an. „Du... du hast mir damals schon alles genommen und jetzt—jetzt tust es schon wieder!", ich zeigte mit meinem Finger auf ihn. Jetzt hätte ich mich am liebsten, wie ein Teenager aufgeführt und auf dem Boden rum gestapften, bis mir jemand erzählt, dass es alles nur Witz war.
Jedoch habe ich mich von meinem Teenager Leben verabschiedete. Logan und meine Beziehung war, wie ich in der gestrigen Abend noch gesagt hatte, reifer als eine kleine Teenage Liebe und jetzt musste ich mit den Konsequenzen davon leben.
Ich fühlte mich absolut verloren.
Ich musste hier weg, aber gleichzeitig wollte ich nicht zurück in das Verbindungshaus kehren. „Josh?", sagte ich erneut, ohne darüber nachzudenken. Ich handelte einfach blind. Wieso sollte ich kurz vor dem Abgrund noch vorsichtig sein? Ich wusste, dass ich sowieso früher oder später hinunter fallen würde.
„Hm?"
„Könntest du mich bitte ins Krankenhaus fahren?"
Er stellte mir keine Gegenfrage, wieso und weshalb. Vielleicht konnte er sich noch an den Anfang unserer Konversation erinnern, wo ich Collin kurz erwähnt hatte. Mir war es egal, was er dachte. Ich wollte nur weg von hier und weg von ihm. In das Verbindungshaus konnte ich nicht und außer zu Collin wusste ich sonst nicht, wo ich hinkonnte.
Ich folgte ihm die Treppe hinunter zu seinem Auto, dass er sich hier wohl angemietet hatte, vorbei an den noch verwunderten Touristen. Es war still und sobald er anfing zu versuchen mit mir zu reden, unterbrach ich ihn. Ich wollte nicht mit ihm reden. Auf dem Parkplatz brachte er den Wagen zum Halt. „Es ist jetzt geklärt.", sagte ich trocken. „Du hältst dich aus meinen Angelegenheit raus, ich kümmere mich selbst darum und wenn ich auch nur sehen, dass du dich wieder einmischt, glaube mir, ich jage dir einen Anwalt an den Hals. Das mit Natasha tut mir leid, sowas hattest du nicht verdient."
Mit diesen Worten stieg ich aus dem Wagen und hoffte, dass ich nichts von ihm hören würde. Generell wirkte es auf mich, als wäre ich fertig mit der Welt.
Als ich auf den Eingang zuging, hörte ich, wie Josh davon fuhr. Ich hoffte nur, dass meine Worte sich in seinem Hirn einbrannten und er endlich seine Grenzen erkennen würde. Das Einzige, was ich jetzt nämlich noch wollte, war zu meinem Zufluchtsort zu gehen. Da er vermutlich verlegt wurde, fragte ich an der Rezeption nach seiner Zimmernummer. Die Dame erklärte mir, dass nur Familienmitglieder erlaubt waren, ihn zu sehen. Nachdem ich ihr meinen Namen verraten hatte, überraschte sie mich jedoch mit dem Fakt, dass Jo sowie ich auf die Familienlist gesetzt wurden.
Ich huschte die Treppe hinauf, entschuldigte ich mich dabei bei jeder Person, in die ich auch nur annähernd hinein rannte. Die Nähe zu anderen Menschen ließ mich zusammenzucken. Ich wanderte die ellenlange Flure ab, bis ich vor seinem neuen Zimmer stoppte. Hier gab es kein Fenster, durch das ich lungern konnte, bevor ich den Mut aufbrachte, um an seiner Tür zu klopfen.
Heute war es ein anderer Fall.
Getrieben von der Hoffnungslosigkeit und dem plötzlichen Verlust meines sicheren Hafen klopfte ich an seiner Tür und fiel bei dem Ertönen eines ‚Herein' in das Zimmer hinein.
„Ali", sagte er genauso, wie bei dem letzten Mal, als er mich gesehen hatte, was mir meinen Atem beinah raubte.
Überrumpelt sah ich ihn an. „Du bist ja wach", sagte ich und versuchte mich vor ihm in Kontrolle zu kriegen.
„Ja, schon etwas länger.", antwortet er, wobei seine Mundwinkel kurz von unten nach oben wechselten. Er sah aufrecht in seinem Bett, oberhalb der Decke, gekleidet in einem weißen T-Shirt und grauer Jogginghose. Die Haare noch immer durcheinander. Ein Wunder, dass er es so lange aushielt, ohne mit dem Zottel verrückt zu werden.
„Waren deine Eltern schon hier?"
„Ja, Mom und Dad waren circa vor einer halben Stunde da. Sie reden gerade vermutlich noch mit den Ärzten, aber es ist schön, dich zu sehen."
Er klang so... so wie der Collin, den ich kannte. Mich überwältigte alles. Es erschien mir, als hätte ich den Collin zurück, den ich so vermisst hatte, aber gleichzeitig entglitt mir der Mann, den ich liebte wegen seiner Vergangenheit, mit der ich nicht klar kam. Das Verlangen mein Studium zu schmeißen hatte ich seit nun schon Tagen. Ich war eine grauenhafte Freundin für Jo. Mein Leben stand vor dem Abgrund und Collins Anblick war das Einzige, was mich vorerst retten mochte.
„Kann ich dich umarmen?"
Er wirkte überrascht, fast schon verwirrt von dieser Frage. „Aber sicher doch", schmunzelte er.
Ich stolperte nach vorne zu ihm und schloss meine Arme um seinen Nacken, achtet dabei auf seine Wunde, um ihn nicht zu verletzen. Mein sicherer Hafen schien fort zu sein und ich musste mich an das letzte Boot ketten, in welches ich noch Vertrauen legte. „Ich habe dich so vermisst.", wisperte ich in seinen Hals hinein.
„Ich dich auch."
Wir umarmten uns noch eine ganze Weile, hauptsächlich, weil ich ihn nicht loslassen wollte. Ich lungerte nach seinen Wärme, die das Einzige, was mich jetzt noch tröstete. Ich sehnte mich nach Schutz und Fürsorge, aber gleichzeitig wollte ich nicht hilflos wirken. Es war nicht angebracht, dass sobald es ihm wieder gut ging, ich herkam und ihn mit meinen Problemen belastet. Das war nicht fair, also hielte meine Klappe und genoss einfach die Zeit bei ihm.
Wie beim letzten Mal machte er mir Platz auf seinem Krankenbett, wobei es uns dieses Mal leichter fiel, da er sich endlich von den meisten Schläuchen verabschieden konnte. Er erzählte mir von seiner OP, wie alles gut verlaufen war und dass er die Narbe eigentlich ganz cool fand. Er versprach sie mir zu zeigen, sobald er nicht mehr ein — laut ihm — riesiges Plaster auf seinem Bauch tragen musste. Hier und da musste ich schmunzeln. Es war tatsächlich der Collin, den ich am Anfang kennen gelernt hatte. Er kehrte mehr und mehr zurück.
„Meine Eltern sind mit dem Ärzten am Diskutieren, wann ich endlich hier raus darf. Ich will nicht noch länger hier bleiben. Die alten Leute, die hier schon ewig sind, kennen mich bereits beim Namen.", lachte er. Ich stimmte ihm leise zu, da ich erneut in meinen Gedanken bei dem heutigen Morgen war. Es war beinah Mittag und ich konnte es nicht länger aufschieben zurück ins Verbindungshaus zu kehren.
„He Ali, ist alles in Ordnung?", hakte er nach und musterte mich.
Ich blickte ihn an. „Ich muss nur noch was klären. Aber es wäre toll, wenn du bald wiederkommen würdest. Wir vermissen dich schon alle, vor allem, Tyler hat sich beschwert, wann er endlich seine grässlichen Gesang unter der Dusche wieder hören wird. Außerdem halte ich Mr Donovan ohne dich nicht länger aus."
Er lachte.
Und ich wünschte mir, dass alles so leicht wäre wie sein Lachen.
Ich verabschiedete mich von ihm und drückte ihn erneut. Für Sekunden schloss ich meine Augen. Am liebsten würde ich ihm von allem erzählen, aber diese Glückseligkeit, die er endlich wieder verspürte, taten ihm gut und das wollte ich auf keinen Fall zerstören.
– – –
Es dauerte etwas, bis ich am Verbindungshaus angekommen war. Ich hatte mich für den letzten Bus, den ich locker noch bekommen hätte, nicht beeilt und bin extra langsam gegangen. Ich log mir selbst vor, dass ich die Zeit zum Verarbeiten brauchte. Es war viel zu verarbeiten, aber die Antwort darauf, was ich als Nächstes tun sollte, lag bereits heute auf der Hand— ich würde mit Logan reden müssen.
Ich hatte ihn den ganzen Morgen sitzen gelassen und hoffte einfach, dass er mir die kleine Notlüge glauben würde, für Erstes, denn im Endeffekt würde ich ihm von meinem Treffen mit Josh erzählen. Ich schloss die Tür zu unserem Zimmer auf und fand nur Logan liegend auf meinem Bett vor. „Hey", grüßte er mich, als er von meinem Bett sprang.
„Hey", erwiderte ich und zwang mir ein Lächeln auf, „wo ist Jo?"
„Die ist mit Anderen einkaufen gegangen", antwortet er, „wie war deine Lesung?"
Er glaubte es mir.
„Ganz okay, nichts Besonderes.", log ich querbeet und schälte mich aus meiner Jacke. Ich konnte ihn nicht einmal richtig ansehen, ohne dass sich mein Herz verkrampft und ich in Tränen ausbrechen würde. Ich hatte niemals damit gerechnet, dass wir erneut durch solch eine Qual gehen musste, aber wenn ich wollte, dass alles für ein und alle Male zwischen uns klar war, dann musste ich ihn fragen.
Es gab kein Ausweg, außer diesen.
„Logan?", ich bekam seine Aufmerksamkeit, die mir sofort eine Gänsehaut über die Arme jagte. „Wir müssen reden."
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Ali und Logan brechen mein Herz.
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