Kapitel 22


Am nächsten Morgen teilte sich unsere kleine Gruppe. Jeder entschied sich anders mit seinem Leben für Erste weiterzumachen. Jo beschloss sich durch den Unterricht am College abzulenken, sowie auch Mike an der High School. Mrs Terrell und ich dagegen fuhren Alex und Logan zum Flughafen. Wie gerne beide bleiben wollte, mussten sie ihren Pflichten nachgehen und ihren Flug für die nächste Drehwoche erwischen.

Während der Autofahrt saß Alex vorne auf dem Beifahrersitz und beklagt sich weiterhin darüber, dass sie jetzt lieber Urlaub hätte und hier bei ihrer Tante wäre, dennoch wagte sie es nicht ein einziges Mal, sich zu mir zu drehen und es in Erwägung zu ziehen, ob ich meinen Dad nicht einfach fragen könnte. Alex kannte ihre Grenze zwischen Arbeit und privatem Leben, darunter zählt auch unsere gemeinsame Freundschaft.

Logan und ich saßen auf der Rückbank und hielten Händchen wie kleine Fünfjährige. Ich hing wortwörtlich an ihm, denn die Sache war die, dass wir gerade erst wieder zueinander gefunden hatten und er nun verschwand. Jedoch hatte Alex mir versprochen, dass die Beiden wiederkommen würde, sobald sie es konnten.

Am Flughafen angekommen war mir schlecht. Die Beiden holten ihre Koffer aus dem Kofferraum und zog sie hinter sich her, als wir gemeinsam mit ihnen zu ihrem passendem Gate ging. Mrs Terrell redete noch ein paar Worte mit Alex, als ich schweigend vor Logan stand. Es gab so viele Dinge, die ich ihm noch auf den Weg mitgeben wollte. Zu einem würde er bald in der Nähe von Josh sein. Ich hatte ein wenig Angst um Logan, aber ich vertraue ihm und wusste, dass er auf sich aufpassen konnte.

„He, nicht traurig sein. Ich werde bald wieder bei dir sein.", sagte er und hob mein Kinn mit seinem Finger an, damit ich ihn ansah.

„Pass auf dich auf, okay?", erwiderte ich mit einem schwachen Lächeln. Mein Herz schlug unregelmäßig. Das war nicht, was ich ihm noch unbedingt sagen wollte, aber die Worte klebten auf meiner Zunge und wollte nicht hinaus.

„Natürlich", er lächelte zurück und zog mich abrupt überraschend an sich heran.

„Logan", schnappte ich nach Luft, „dir ist bewusst, dass hier womöglich irgendwelche Paparazzi auf dich lauern könnten."

„Ist mir egal. Die Welt kann ruhig wissen, dass du meine Freundin bist."

Mein Herz schlug so kräftig gegen meine Rippen. Vielleicht war es nur eine Illusion, denn gleichzeitig darauf strahlte ich über mein ganzes Gesicht. Logan lachte leicht auf, bevor er sich zu mir runterbeugte und seine Lippen mit meinen verband. Wie sehr hatte ich das nur vermisst— dieses Gefühl, wie bei unserem allerersten Kuss. Das Kribbeln, diese bedingungslose Glückseligkeit. Meine Finger vergruben sich in seinem Kragen, als ich ihn näher an mich heranzog. Ich wollte ihn am liebsten nie wieder gehen lassen.

Jedoch löste er sich von mir, sobald er den Aufruf für Alexs und seinen Flug hörte. Er lächelte, als er seine Stirn gegen meine lehnte. „Ich liebe dich, Logan", rutschte es mir hinaus.

„Und ich liebe dich, Alicia.", erwiderte er und drückte mir einen Kuss auf die Lippen, wohlwissend, dass es dieses Mal nicht unser Letzter sein würde. Ich ließ ihn los und gemeinsam mit Alex hinter dem Gate verschwinden, während Mrs Terrell und ich uns umdrehten und zurück zu ihrem Wagen machten.

„Seid ihr schon lange ein Paar?", fragte sie mich, als wir uns ins Auto setzten. Ich hatte nichts dagegen, dass sie mich fragte, auch wenn ich mich ein wenig unwohl fühlte, da ich vor zwei Tagen erst mit ihrem Sohn rum geknutscht hatte.

„Seit einer Weile", erklärte ich ihr, „wir hatten eine lange Pause aufgrund eines Missverständnis, aber jetzt ist wieder alles gut."

Sie seufzte laut, worauf ich meine Stirn runzelte und sie sich nochmals erläuterte. „Collin hat es nicht so mit festen Freundinnen. Er hatte zwar schon oft eine Freundin, aber es war nie etwas Ernsthaftes für ihn. Ich wünschte nur bei ihm würde es genauso gut klappen."

Mrs Terrell traf nun bereits zum zweiten Mal genau auf den schwarzen Punkt und dieses Mal waren es schlimmer. Meine Gefühle für Collin, inwiefern ich sie von romantischen und freundschaftlichen unterscheiden konnte, waren ein komplettes Durcheinander, dass ich nicht alleine sortiert bekam. Ich wollte nichts mehr als Freundschaft für ihn empfinden, aber meine Selbstbeherrschung rutschte mir aus den Händen— zumindest für diese eine Nacht, in der wir beide nachgegeben hatten.

„Soll ich dich beim Verbindungshaus absetzen, damit du dir etwas Frisches anziehen kannst?", riss sie mich aus meinen Gedanken, glücklicherweise.

„Das wäre toll.", antwortet ich einfach.

„Würdest du danach vielleicht noch mit ins Krankenhaus kommen?", ihre Stimme brach leicht in der Mitte des Satzes ab. Ihre Gedanken hingen komplett an ihrem ältesten Kind. Ich nickte leicht und versuchte ihr ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Ich fragte mich, wie meine Mom aussehen würde, wenn mir so etwas geschehen würde. Würde sie sich genauso Sorgen um mich machen? Wie würde sie reagieren, wenn sie herausfinden würde, dass ich mit einem Filmstar in einer Beziehung war und mich von einem Mann, den ich seit meiner Kindheit kannte, erpressen lassen habe?

Ich wollte es mir nicht vorstellen.

Ich wollte nicht einmal, dass sie sich darüber Sorgen machen muss, denn ich würde sie aus der Sache mit Josh raushalten und Logan würde ich ihr irgendwann, wenn die Zeit gekommen war, vorstellen.

Alles... irgendwie.

Mrs Terrell hielt etwas weiter von der Einfahrt des Verbindungshaus. Ich sprang kurz raus und ging hinein, um mich umzuziehen. Das Zimmer von Jo und mir sah weniger verwüstet aus, weshalb ich vermutet, dass Mike sie noch hervor hierher gefahren hatte. Ich griff nach ein paar frischen Klamotten aus meinem Schrank und wechselte sie gegen meine Getragenen, bevor ich meine eigene Handtasche schnappte und zu Mrs Terrell wieder ins Auto schlüpfte.

„Da bist du ja wieder", sagte sie — nicht wirklich überzeugend.

Ich konnte es nicht lassen. Ich musste einfach fragen: „Sind Sie wirklich okay, Mrs Terrell?"

„Anne", erwiderte sie mit einem schwachen Lächeln und stützte ihren Arme gegen die Tür ab. „Mein Sohn liegt im Koma und ich—ich kann nichts tun."

Erneut fehlte mir die Erfahrung, um jemand wie Anne Terrell in diesem Moment zu trösten. Ich hatte keine blassen Schimmer, was angebracht war zu sagen oder nicht. Zu meinem Glück unterbrach uns das Klingeln ihres Handys. Anne ging ran und murmelte nur ein kurzes ‚Sind auf dem Weg', dann legte sie weider auf und fuhr los.

„Das war mein Mann. Er muss jetzt zur Arbeit und möchte warten, bis ich ihn ablöse.", erklärte sie, obwohl das nicht nötig war. Sie schuldete mir keine Erklärungen.

Ich nickte nur als Antwort. Während der Fahrt fiel mein Blick auf sie. Es war komisch mit ihr in einem Auto zu sitzen, ihren Namen zu kennen, sie so emotional zu sehen. Trotzdem schätzte ich sie und ihre Liebe gegenüber uns, wie am gestrigen Abend. Ich fragte mich echt, wie sie es geschafft bekam, mit allem was passiert klar zu kommen. Zwar sah man, dass sie ihren klaren Kopf durchaus mal verlor, aber sie blickte stets nach vorne. Sie war zuversichtlich und verzweifelt zugleich, aber sie gab nicht auf. Ich bewunderte das.

Ich ging gemeinsam mit ihr auf die passende Etage. An der Tür zu Collins Zimmer erwartet Mr Terrell uns bereits und sah uns tapfer an. Er zog seine Ehefrau in eine feste, liebevolle Umarmung. Als er sie wieder losließ, sah er mich an und rieb sanft an meinem Oberarm, bevor er sagt: „Schön, dass du auch hier bist, Alicia."

Wieder bekam ich keinen Ton heraus. Nur ein kurzes Lächeln huschte über meine Lippen, damit Mr Terrell wusste, dass ich die Anerkennung schätzte.

„Anne, wir sollen runtergehen und noch ein paar Formular für die zweite OP ausfüllen.", sagte Mr Terrell. Anne nickte leicht und wendete sich dann zu mir, „Würdest du schon zu Collin ins Zimmer gehen?"

„Mach ich.", piepste ich leise.

Nachdem die Beiden um die Ecke verschwunden waren, ging ich auf die Tür seines Zimmers zu mit der schamlosen Erinnerungen, dass ich bereits am frühen Morgen mich hier hinein geschlichen hatte. Meine Augen schlossen sich, als ich die Klinge nach unten drückte und mir Eintritt gewährte. Der Stuhl stand noch immer an der gleichen Stelle neben seinem Bett. Er war nicht wieder aufgewacht. Das Piepsen des EKG machte mich ganz wild. Zwar piepste es in regelmäßigen Abständen, wie man es sich nur wünschen konnte, trotzdem hatte ich Angst, dass dies sich ändern würde.

„Hi Collin.", hauchte ich und setzte mich auf den Stuhl.

Erinnerungen fluteten über mich. Ich erinnerte mich an meine Worte, die in der Nacht zu ihm gesagt hatte. Es fühlte sich an, als ob ich ihm nichts mehr zu sagen hätte, dabei fielen mir Millionen Dinge ein. Vielleicht war es aber auch einfach gut, dass ich bei ihm war. Meine Hand griff nach seiner und ich verschloss unsere Finger ineinander.

„Gibt es irgendein magisches Wort, was dich aufweckt? Irgendwas, was ich tun, damit du endlich wach wirst?", fragte ich ihn. Es war albern, allerdings interessierte mich das recht wenig. Hoffnungslosigkeit macht sowas mit Menschen. Ich blickte zu ihm auf. Sein Schlaf sah friedlich aus. „Weißt du, deine Mom wünscht sich sehr, dass du wieder aufwachst. Dein Bruder, dein Vater, Alex, Jo und Logan machen sich totale Sorgen um dich. Und ich... ich will meinen nervigen Collin wiederhaben. Es ist jetzt einen Tag her, aber ich habe seit dem Morgen nicht mehr deine Stimme gehört. Du hast mir gesagt, dass ich dich nicht verlieren würde, also dann lass das nicht das letzte Mal gewesen sein. Du kannst uns nicht einfach hier alleine lassen!"

Ich biss mir auf meine Lippe, als ich bemerkte, wie meine Stimme anstieg. Jede Erinnerung verbunden mit ihm zog an mir vorbei. „Ich will dich nicht verlieren.", meine Stimme war so leise, dass ich sie beinah selbst nicht mehr hören konnte. Ich legte meinen Kopf auf seinen Oberarm und ließ meine salzigen Tränen auf seinen Kittel fallen. Ich schluckte ein paar Mal, um mich selbst wieder in den Griff zu bekommen, schließlich würde seinen Eltern gleichkommen und ich wollte ganz sicher nicht wie ein Frack aussehen.

Das schien leider nur zu Scheitern. Meine Atmung klang brechend schwer, was mich verwirrt, bis ich realisierte, dass es nicht meine war. Sofort schoss ich hoch, ohne seine Hand dabei loszulassen. „Collin?"

Auf einmal spürte ich einen minimalen Gegendruck gegen meine Hand. Meine Augen weiteten sich. Der EKG piepste noch immer gleich, aber ich hatte keinen Zweifel mehr. „Collin", sagte ich erneut, „du..."

Ich zitterte am gesamten Körper, als es von einem unglaublichen Glücksgefühl berauscht wurde. „Du wirst mich nicht verlieren."

Und dann japste ich auf, hielt mir die Hand vor den Mund und ließ die Tränen ohne Zögern kullern. „Du bist wach, Collin. Du bist wach.", schluchzte ich mit einem bereiten Lächeln auf meinen Lippen. „Bleib liegen, ich werde deine Eltern und die Ärzte holen."

Collins Augen waren schwach geöffnet, wahrscheinlich, weil sie noch nicht an das grelle Licht gewöhnt waren. „Scheint wohl so", murmelte er mit einem angehauchten Grinsen.

Gerade, als ich seine Hand loslassen wollte, hob ich meinen Blick und erkannte seine Eltern vor dem Fenster. Mr Terrell hatte seinen Arm um Anne gelegt, welche mich unter Tränen anstrahlte. Ich wusste zwar nicht, wie lange sie schon da standen, aber länger konnte sie dort nicht bleiben. Sie musste reinkommen, ihren Sohn wieder in die Arme schließen und ihm sagen, dass alles wieder gut werden wird.

„Warte kurz", sagte ich zu ihm und ließ seine Hand los, damit ich zur Tür gehen konnte.

„Er ist wach", Anne klang fröhlich und ungläubig zugleich, als sie mir entgegen kam. Ihre Worte ließen mich trotz allem strahlen.

„Mom? Weinst du?", hörten wir Collin von seinem Bett aus sagen.

„Ja, aber nur aus Freude.", sie wendete sich von mir ab und ich überließ ihr den Vortritt zu ihrem Sohn. Dieser Moment gehört ihnen.

„Dir wird es bald besser gehen. In ein paar Tagen ist nochmal eine Check-Up Op an deiner Wunde angesetzt.", Mr Terrells Worte klangen nicht sonderlich ermutigend, jedoch schien Collin es gelassen zu nehmen, wie sonst auch.

„Was hast du dir bloß gedacht?", japste seine Mom aufgebracht, als sie ihm durch seine dichtes Haar strich. Diese Frage hatte ich mir auch schon gestellt, aber ich wollte sie nicht laut aussprechen.

„Ich weiß auch nicht.", murmelte er entschuldigend, „ich war glücklich. Vielleicht habe ich dadurch die Schmerzen einfach ausgeblendet. Es war dumm, es tut mir leid, Mom."

Mithilfe seines Dads richtet er sich leicht auf. Sein Blick traf meinen und ich wusste genau, was er meinte. Er meinte uns. Er meinte, was in der Nacht davor zwischen uns geschehen war.

„Collin, das ist nicht deine erste Verletzung. Wie konntest du das nicht richtig einschätzen?", beklagt sich sein Dad und stellte ihm noch tausende von Fragen, hauptsächlich wie es ihm ging und darauf wieder Vorwürfe. So schien das Verhältnis zwischen ihnen zu sein. Ich blendete alles aus und saß einfach auf einem der Stühlen am Bettende. Unsere treffenden Blicke verunsicherten mich.

Er hätte das nicht sagen sollen.

Es war nicht fair gegenüber ihm selbst und mir, denn ich war diejenige, die Logan für Wochen hinterher geheult hatte, nachdem ich mich auf eine dämliche Erpressung eingelassen hatte. Ich hatte mich ihm ausgeheult und seine Hilfe bekommen. Ich hatte Angst vor dem erneuten Treffen mit Logan bekommen, mich betrunken und mit Collin rumgemacht. Mich wieder mit Logan versöhnt und endlich geglaubt, dass wir glücklich werden könnten.

Ich habe Jungs zuvor geküsst, ich habe mit Jungs zuvor geschlafen, aber in Logan habe ich etwas gefunden, was ich so in noch niemand gefunden habe. Zu ihm war ich von der Minuten angezogen, als er sich zu meinem Dad und mir ins Auto gesetzt hatte. Es war seinen Küsse, die mich in meinem Schlaf verfolgten. Seine Nähe, die ich jederzeit mir ersehnte. Seine Worte, ohne die ich nicht klar denken konnte. Ich brauchte ihn.

Ich liebte Logan Lerman, deren war kein Zweifel mehr.

Aber wieso saß ich dann hier und fühlte diese Erleichterung, wenn immer mich Collin ansah? Weil er aus seinem Koma erwacht war oder log ich mir das nur vor?

Ich blickte ihn an.

Und er mich.

Ein Lächeln.

Mein Lächeln zurück.

Und in diesem Moment wurde mir klar, dass man für zwei Menschen gleichzeitig empfinden kann.

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