Kapitel 15


Mein überraschendes Wiedersehen mit Alex hatte sich als weniger gut befunden. Am Abend von Mikes Geburtstagsparty hatte wir noch mehr geredet und mich realisieren lassen, dass ich den Kopf hängen gelassen hatte.

In mir gab es sogar einen Teil, der sie unbedingt nach Informationen über Logan ausquetschen wollte. Ich wollte so sehr wissen, wie es ihm ging, ob sie mit ihm über mich geredet oder ob er etwas gesagt hatte. Irgendetwas, ich wollte es wissen. Obwohl es eine ganz schlechte Idee war. Logan war leider der Punkt, der mich runterziehen würde, wenn ich alleine darüber sprach. Collin hatte mich mit hierher genommen, damit ich Spaß hatte und ich versuchte es wirklich, aber so leicht war das nicht.

Alex erinnerte mich bei jedem Anblick an unsere gemeinsame Zeit. Jedes Mal, wenn ich es schaffte wegen einem Witz wirklich ehrlich zu lachen, fühlte es sich an, als würde die Welt stoppen. Stoppen, um die Erinnerungen des letzten Monats am Set wieder hervorzuholen. Sie waren so fest in meinem Kopf eingebrannt, dass ich sie vermutlich niemals vergessen würde. Ich würde nichts mehr so ansehen, wie es einmal war. Lasertag spielen, zu KFC zu gehen, auf einem Festival über den Rasen zu springen und... Logan.

Ich würde ihn nie wieder auf die gleiche Weise ansehen, wie ich es getan hatte, ohne dabei mir selbst so viele Vorwürfe zu machen, dass ich an ihnen erstickte. Wenn ich an ihn dachte, spürte ich seine warmen Küsse auf meiner kalten Haut. Sein Lächeln, dass mir den Tag erhellt hatte und wie glücklich er mich gemacht hatte, wenn er mich am Set heimlich beobachtet hatte.

Auf all die Erinnerungen der Glückseligkeit folgten die Erinnerungen des Schmerz; wie ich ihn und mich und alles, was wir je hätten sein können, kaputt gemacht hatte. Oder eher Josh.

Seine letzte Nachricht hatte ich nicht vergessen. Die einzige und große Frage für mich war, wieso er mir das antat, aber die würde ich vermutlich nie beantwortet bekommen, wenn–

„Harries!"

Ein Buch knallte neben mir auf den Tisch.

Ich zuckte zusammen und blickte meinen Kurslehrer an, der mich wütend anfunkelte. „In meinen Lesungen gibt es keine Zeit, um ein Nickerchen zu machen, Miss Harries. Also bleiben Sie gefälligst wach oder verschwinden Sie auf der Stelle aus meiner Lesung."

„Tut mir leid, Sir. Es wird nicht noch einmal vorkommen.", entschuldigte ich mich, richtet mich auf und ordnete das Chaos auf meinem Tisch. Meine Sachen lagen überall wild verstreut. Ich gab mein Bestes wach zu bleiben, aber meine Interesse für den Unterricht blieb schlicht aus. Als unser Kurslehrer die Lesung für beendete erklärte, packte ich hastig meine Sachen ein und wollte aus dem Saal verschwinden, jedoch kam mir jemand zuvor und stoppte mich vor der Tür.

„Können wir mal reden?", fragte Collin, der sich vor mir aufbaute. Ich konnte seine Miene nicht lesen, weswegen ich schlicht nickte und ihm hinaus auf den Kampus folgte. Es schien, als wäre es ihm egal, dass es wie aus Eimern vom Himmel regnete.

„Was war eben los?", fragte er, als wir einen stilleren Platz gefunden hatten.

„Was meinst du?"

„Du weißt, was ich meine. Das eben im Unterricht. Du warst nicht am Schlafen, du warst am Nachdenken, oder nicht?"

„Ja", erwiderte ich.

„Worüber?"

„Ist nicht weiter wichtig."

Ich wollte aufstehen und fortgehen, aber Collin blieb mich mit einer simplen Bewegung dazu, dort zubleiben. Hauptsächlich, weil ich mich gegen seinen Ruck nicht wehren konnte.

„Doch, es ist wichtig, denn ich bin zu über 99 Prozent sicher, dass es darum ging, warum du beim Lagerfeuer geweint hast und dass sich es alles um ihn dreht.", Collin's Stimme war normalerweise sehr beruhigend, jetzt wiederum wirkte sie einflössend. „Es geht um diesen Typen, der bei seiner Arbeit sitzt und für den du nicht entschieden hast."

Es vergangen qualvolle Minuten von Stille, denn ich weigerte mich ihm überhaupt etwas über Logan und mich zu erzählen. Es ging ihn nichts an. Trotzdem verwunderte mich seine Sorge, die ganz plötzlich da war. Ich kannte Collin gerade mal eineinhalb Wochen und ich schien nach wie vor sehr transparent zu sein, denn er konnte mir meine Probleme förmlich von meinen Lippen ablesen.

„Wie hast du es geschafft, mich nach diesen wenigen Tagen so kennenzulernen?", fragte ich ihn.

„Ich weiß es nicht. Du bist kein geschlossenes Buch für mich.", sein Blick war sanft, genau wie seine Stimme. Das Zittern meines Körpers hörte langsam auf. „Obwohl du in den letzten Tagen nicht die netteste Person auf Erden warst, mögen Jo und ich dich. Wir machen uns Sorgen und wollen dir helfen, denn es bring dich nicht weiter, wenn du dir deinen Kopf zerbrichst und keinen Ausweg für dein Problem findest. Lass uns dir doch helfen, bitte."

Ich sagte erneut nichts und starrte ihn an.

„Dafür musste du mir aber vertrauen", seine Worte wurden durch den Regen, den ich für einen Moment verdrängt hatte, leiser.

Jemand neuem zu vertrauen erschien mir wie die schwerste Aufgabe, die mir in meinem Leben gestellt wurde. Ich wollte alleine sein, meinen Kummer ausheulen und selbst wieder auf die Beine kommen. Zu einem, weil ich damit gerechnet hatte. Mit meiner Top Stimmung hatte ich nicht vermutet, dass ich sofort Freunde finden und es mich vielleicht ein ganzes Semester brauchen würde, bis ich einigermaßen damit fertig wurde, dass ich neue Freunde finden konnte.

Ich brauchte diese Auszeit, aber gleichzeitig fand ich keine Gründe, warum es so falsch war, dass ich mir die Unterstützung von Menschen holte, die mir wirklich helfen wollten.

Meine Gefühle und Gedanken machten Loopings. Ich wusste überhaupt nicht, was noch richtig oder falsch war. Mein Kopf redete mir ein, dass mein Bauchgefühl mich versuchte zu betrügen, weshalb ich völlig durcheinander war.

Ich würde mich komplett verlieren, wenn ich nicht seine Hilfe nicht annehmen würde.

„Es ist hart", stammelte ich heiser. „Ich habe dir gesagt, dass es eine lange Geschichte ist und es ist schwer alles zu erklären. Es ist frisch, darüber zu reden tut noch immer weh, aber ich versuche es."

Diese paar Worte fiel mir schwer. Collin hingegen schien sie zu erleichterten. „Was hat es denn für einen Sinn, wenn du es mit dir rumschleppst und man dir ansehen kann, wie du darunter erstickst?"

Ich schüttelte meinen Kopf. „Es hat keinen", sagte ich.

„Genau."

Ich glaubte, in meinem Leben schon bereits viele falsche Entscheidungen getroffen zu haben. Mein Dad hängen zu lassen war vielleicht eine Falsche, genau, wie die Anderen ohne ein Wort zu verlassen, mich auf den Deal mit Josh einzulassen und frühzeitig auf's College zu gehen, aber meine nächsten Worte wählte ich mit Bedacht und ich zweifelte nicht daran, ob sie richtig oder falsch waren. Es waren einfach Worte. Eine kleine Bestätigung für vorerst.

„Ich vertraue dir, Collin."

Er starrte mich wortlos an und ich glaubte einfach daran, dass mir gut tun wird, darüber zu reden und eine Meinung von außerhalb zu bekommen.

„Ich will dich nicht beleidigen", brachte Collin als Erstes heraus, „aber willst du vielleicht jetzt darüber reden? Denn ich ertrage keinen weiteren Tag damit dich so gequält zu sehen."

Im nächsten Moment realisierte ich nicht, was passierte. Meine Mundwinkel zogen sich nach oben und ich lachte, herzlich und vor allem eins – ehrlich.

„Ja, das wäre vermutlich gut."

– – –

„Ich kenne Josh. Ich wusste, dass er es ernst meinte, weshalb mir keine andere Wahl blieb. Entweder würde ich das tun, was er von mir verlangte oder er würde alles sagen. Ich konnte nicht einfach am Set danach bleiben und so tun, als wäre alles gut. Noch nicht einmal jetzt bin ich mir sicher, ob ich Logan noch unter die Augen treten kann. Es tat so weh, da erschien mir das College als mein einziger Ausweg.", erzählte ich die Geschichte zu Ende.

Collin und ich waren gemeinsam vom Kampus zum Verbindungshaus gegangen. Sein Mitbewohner würde bis zum offiziellen Beginn des Semesters noch nicht hier sein, weshalb wir in sein Zimmer gegangen waren, um dort unsere Ruhe zu haben. Mit dem Rücken gelehnt an sein Bett hatte ich angefangen ihm meine kleine, verrückte Geschichte zu erzählen. Geduldig hörte er mir zu, unterbrach mich dabei kein einziges Mal, obwohl ich mich tausende Mal wiederholte.

„Also sprechen wir hier von Logan Lerman, mit dem Alex zusammen arbeitet?", hakte er nach.

Ich nickte wortlos.

„Und dieser Josh, was war er nochmal von Beruf?"

„Er ist einer der Assistenten meines Dads."

Collin pustet vor Lachen. „Das ist doch ein totaler Berufsunterschied. Josh würde alles verlieren, wenn er so einen Unsinn erzählt und Logan und du alles verneinen würdet."

Wäre es doch nur so leicht, dann hätte ich diese Möglichkeit auch viel lieber vorgezogen, aber so funktionierte das nicht mit Josh und meinem Dad. Das konnte Collin jedoch nichts wissen. „Mein Dad arbeitet mit Josh zusammen, seitdem er vor Jahren ein Praktikum bei ihm gemacht hat. Es behandelt ihn wie als wäre er mein älterer Bruder, denn er war immer loyal zu meinem Dad und hat sich um mich gekümmert. Mein Wort würde gegen seines stehen und es würde mich nicht wundern, wenn mein Dad mir nicht glauben würden."

Collin schüttelte ungläubig seinen Kopf. „Er wird dir schon glauben."

„Du kennst meinen Dad nicht, Collin.", seufzte ich. „Er wird mir nicht glauben und stattdessen Logan feuern und womöglich dafür sorgen, dass er nie wieder einen Job bekommt. Josh wird sein Held sein, der seine kleine unscheinbare Tochter vor sich selbst gerettet hat."

Mein Blick fiel in meinen Schoß. Meine Hände hatte sich zu Fäusten geballte, die ich am liebsten geradewegs in Josh's Gesicht hauen wollte. Die letzten zwei Wochen hatte ich mir selbst die Schuld gegeben und mich dafür fertig gemacht, dabei war es nicht meine komplette eigene Schuld. Josh trug dazu bei.

Ich bemerkte, wie Collin mich beobachtet. „Ich denke... wir sollten Logan darüber informieren."

Dieser Gedanken von ihm kam aus dem Nichts. Als ich begonnen hatte ihm von dieser Geschichte zu erzählen, hatte ich nicht damit gerechnet. Natürlich war die erste Reaktion von meinem törichten Herzen, dass wir es tatsächlich tun sollten, aber mein Kopf war klüger. „Josh...", erinnerte ich ihn.

„Wir werden dafür sorgen, dass Josh nichts mitbekommt.", sagte Collin und sah mich an, „aber dafür müssen ein paar mehr Leute einweihen."

Ich runzelte meinen Stirn. „Was meinst du?"

Er hob einen Figur, zog sein Handy aus der Hosentasche und scrollt durch, bis er bei einem Kontakt stehen geblieben war. „Josh weiß nicht, wer ich bin.", sagte er mit einem zuverlässigen Grinsen auf seinen Lippen, dass alles erstrahlen ließ.

Sein Daumen zeigte auf Alex's Kontaktdaten. Mit ihrer Hilfe könnten wir es vielleicht wirklich schaffen, dass ich Logan und ich uns wiedersehen konnte. Ich brauchte einfach die Möglichkeit, um ihm alles zu erklären, auch wenn es zu nichts führen würde. Es würde meine schlechtes Gewissen wenigstens etwas beruhigen.

– – –

Logan's POV

Das Fotoshooting für die neuen Pressplakate ödete mich. Es war nur halb so aufregend, wie ich es mir erhofft hatte. Zwar freute ich mich, dass es einen erwachsenen Ton im Gegensatz zu den vorherigen zwei Teilen hatte, aber heute konnte ich mich nicht dafür begeistern. Ich wollte heim und nicht länger in diesem Studio hocken.

Es half auch nicht, dass meine Freunde von einem Ohren bis zum Anderen grinsen und gelassen auf die Anweisungn der Fotografen eingingen. Ich tat mich schwer damit, aber überspielte meine Laune vor der Kamera, damit ich kein schlechtes Image erweckte. Mein Manager hatte es mir schon mehrmals gesagt, dass meine neuerdings alltägliche schlechte Laune am Set nicht zu gebrauchen war. Ich hatte einen festen Vertrag, der mir einen gewissen Grad an Anwesen einbrachte. Er redete mir ein, dass ich ihn nicht riskieren sollte und obwohl ich das nicht wollte, war es mir von Tag zu Tag mehr egal.

Alex und Brandon hatte die beste Laune. Und ich? Ich war kurz davor abzuhauen, denn ich wurde immer mehr dazu aufgefordert, Alex verliebter anzusehen und mehr zu lächeln. Sie kannte mich nun schon lange genug um zu merken, wenn etwas nicht mit mir stimmte.

„Logan?", hörte ich ihre Stimme, als ich während der Pause mich in eine leere, ungestörte Ecke verzogen hatte.

„Hmm?"

Sie kam auf mich zu und lächelte mich leicht an, wobei ihre tollen, blauen Augen traurig strahlten. Es tat mir leid, dass sie mich so ertragen musste. Generell tat mir jeder leid, der mich zurzeit ertragen musste, aber ich konnte mir selbst nicht helfen. Ich fühlte mich gefangen in einem Loch und es gab nichts, was mich hieraus befreien würde, außer vielleicht Zeit.

Ja, Zeit sollte doch angeblich alle Wunden heilen, was ich zwar kräftig anzweifelte, denn es waren bereits zwei Wochen von sie vergangen und ich fühlte mich noch genauso verloren, wie an dem Tag, an welchem sie mich verlassen hatte.

„Wir fliegen morgen um acht Uhr nach New Mexiko. Pack was Nettes ein."

Ich kapierte überhaupt nichts von dem, was sie mir sagte. Ein verwirrtes ‚Was?' verließ meinen Mund.

Eindringlicher, aber dennoch ruhig sah sie mich an. „Du fliegst mit mir nach New Mexiko, kein Wenn und Aber. Fragen klären wir, wenn wir da sind." 



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Edit 2017: In der Originalversion gab es mal einen Kuss zwischen Ali und Collin in diesem Kapitel. Bei meiner Bearbeitung gefiel mir der Kuss in der Entwicklung der Charaktere jedoch nicht und ich habe ihn rausgeschrieben (nur falls Verwunderung entstehen). 

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