Kapitel 11


Am Abend hatte ich Dad gebeten, dass Josh mich ab sofort nicht mehr wecken sollte und ich alleine, wenn auch mit dem Taxi, zum Set kommen würde. Ich versprach ihm pünktlich zu sein, obwohl ich das direkt am nächsten Morgen nicht einhielt.

Am Morgen hatte ich vermutlich mehr geheult als der Duschkopf Wasser auf mich goss.

Dunkle Augenringe hatten sich unter meinen Augen gebildet, da ich gerade mal zwei Stunden gequält geschlafen hatte. Mitten in der Nacht hatte ich mich aus dem Zimmer geschlichen und war eine Runde durch den nahgelegenen Park gegangen. Ich hatte geglaubt, dass es mir bei Einschlafen helfen würde, aber in Wahrheit half nichts.

Ich hatte Angst.

Angst, vor dem, was ich mir heute bevor stand.

Jemanden das Herz zu brechen war einen Übeltat in meinen Augen. Man konnte die Menschen nicht aufhalten, wenn sie einem das Herz brachen, aber ich wollte nie so sein. Ich wollte immer friedlich mit Menschen auseinander gehen und nicht gewaltsam, dass sich alle anschrie und sich am Ende hassten.

Doch genau so einem Menschen würde ich heute werden.

Ich wollte mich keinen Zentimeter bewegen, aber trotzdem schaffte ich es irgendwie ans Set, wo alles bereits auf Hochtouren lief. Dad hatte mir einen Wagen bringen lassen, mit dem ich fahren konnte. Zu allem Unglück wartet jedoch jemand bereits wartend auf dem Parkplatz auf mich. Josh stand neben dem einzig freien Parkplatz weit und breit mit verschränkten Armen. Widerwillig parkte ich den Wagen daneben und stieg aus.

Ich hätte ihn überfahren sollen.

Ich hätte ihm an die Gurgel springen sollen.

ich wollte ihn ignorieren, aber das war eine ungute Entscheidung, weshalb ich erwartungsvoll vor ihm stand. „Du siehst nicht gut aus, Alicia.", meinte er.

Ach, halt doch dein Maul.

Ich erwiderte nichts.

„Unser Deal steht?"

Ich nickte.

„Es ist zu eurem eigenen Besten."

Zu unserem eigenen Besten? Dass ich nicht lache. Wut baute sich in mir auf, wie eine riesige Wand, die zu brechen drohte. „Zu unserem Besten, meine Fresse. Hörst du dich überhaupt mal selbst reden, Josh? Du tust so, als hätten Logan und ich einen Mord begangen oder Schlimmeres getan. Du bist derjenige, der mich erpresst! Was ist, wenn es Liebe zwischen uns ist? Wieso verbietest ausgerechnet du das? Du hast dich doch sonst nie um mich geschert. Dir war es scheißegal, wenn du mich stützbetrunken von Partys abgeholt hast. Mich hätte sonst noch jeder Typ ficken können und es wäre dir egal gewesen, also halte deine Klappe!"

„Nein, halte du deine Klappe, Ali!", fuhr er mich an, „Du hast doch keine Ahnung, wovon du da redest. Das zwischen Logan und dir wäre nie Liebe gewesen. Du kannst mir danken, dass ich dir das antue!"

Bullshit. Absoluter Bullshit.

Ich drehte mich um und haute von ihm ab. „Unser Deal läuft bis zum Ende des Tages.", rief Josh mir hinterher. Protestierend hob ich meine Mittelfinger in die Höhe und marschierte davon. In meinem Kopf spielte sich ein Chaos ab, welches das Set widerspiegelte. Alles war durcheinander wie ein Büro in der Wall Street. Wie in einem Schnellrestaurant. Wie... ich gefror. Mein Blick hatte Brandon, Alex und Logan entdeckt. Sie lachten gemeinsam, während sie die Kameratests für die heutigen Szenen machten. Und ich? Ich wollte verschwinden, nach Peru ziehen und meinen Namen ändern. Ich wollte überall sein, nur nicht hier.

Ich konnte jetzt nicht direkt zu Logan gehen. Vielleicht hatte Dad ja erst einmal andere Aufgaben für mich. Als ich ihn fand, tippte ich ihn leicht an der Schulter an und erkannte erst dann, dass er sich wohl mit einen der Marketing Chefs unterhielt. „Entschuldigen Sie, Sir. Ich wollte nur kurz fragen, ob es weitere Aufgaben gibt, bei denen ich behilflich sein kann.", fragte ich förmlich.

Dad grinste leicht und antwortet: „Bitte, checken Sie Daddarios und Lermans Text. Wir haben noch genau zwei Stunden, bis wir mit dem Dreh beginnen."

Das Universum wollte mich ordentlich auf die Schnippe nehmen.

Ich nickte und tat das, was mein Herz mir verbat – ich ging auf meine drei Freunde zu.

„Hey Ali!", begrüßte mich Brandon laut.

„Hey", sagte ich und zwang mir ein Lächeln auf, was hoffentlich authentisch aussah. Aus meinem Augenwinkel konnte ich behaupten, dass Logan mich anstarrte. Bitte nicht.

„Alles okay, Ali?", fragte er.

Ich hob meinen Kopf und sah ihm das erste Mal seit gestern ins Gesicht. Gestern war ich mit Freude erfüllt, als ich ihn sah und heute wollte ich am liebsten heulen, obwohl ich mich schon nicht mehr dazu fähig fühlte, Tränen zu produzieren.

„Ja, alles okay. Hab nur schlecht geschlafen."

Bevor er etwas erwidern konnte oder gar bemerkte, wie viel Schminke ich über meine verheulten Augen geklatscht hatte, änderte ich das Thema und teilte ich Alex und ihm mit, dass ich mit ihnen noch das Skript durchgehen soll. Nachdem Alex zusagte, schaute ich zu Logan. Seine Augen glänzten im trüben Sonnenlicht.

Er wusste, dass etwas nicht ganz stimmte.

– – –

Meine Augen verfolgten auf einem kleinen Bildschirm, was sich vor den Kameras abspielte. Logan hatte eine Szene bereits drei Mal vermasselt und ich musste ihm immer wieder beim Text helfen. Ich spürte, wie er meine Nähe suchte. Doch ich hielt alles so kurz wie möglich, gab ihm keine Zeit, um mir heimlich eine private Frage zu stellen, denn die urteilenden Blicke von Josh machten mich fertig.

„Percy!", rief Brandon und warf Logan ein Schwert zu. Wenn sein Blick zu mir huschte, versuchte ich fröhlich zu wirken, obwohl es mich innerlich zerbrach. Wenn er nicht hinsah, blickte ich zu Josh.

„Schluss", formte er mir tonlos zu, worauf das ‚Cut' für die Szene fiel. Die sonst so stille Crew fing laut anzureden und kümmerten sich um den Szenenumbau. Ich stand vom einem Stuhl auf auf dem Weg zu Dad, als ich meinen Namen hörte. „Ali?"

Ich drehte mich in die Richtung, woher die Stimme kam. Wohlwissend, wer es war. Die Stimme würde ich überall erkennen. Er hatte seine Rüstung ausgezogen und sah aus, wie der Logan, den ich so sehr liebte. Ich biss mir auf meine Lippe, um kommende Tränen zu unterdrücken. Mit Abstand fragte er: „Ist wirklich alles okay?"

Seine Stimme zitterte und überschlug sich.

Ich schüttelte mit meinem Kopf und rannte auf ihn zu. Meine Arme schlang sich um seinen Hals. „Es tut mir so leid", schluchzte ich, „so leid."

Logan drückte mich leicht von sich und schaute mich fragend an. Schon wieder presste ich meine Lippen aufeinander. „Komm mit."

Ich griff nach seiner Hand, zum allerersten Mal in voller Öffentlichkeit und zog ihn mit zu seinem Trailer. Dort angekommen riss er sich von mir los. Nein, bitte nicht.

„Was zur Hölle ist los, Ali?", stieß er hervor.

„Logan, bitte. Setz dich erstmal.", versuchte ich möglichst ruhig, aber ich hörte mich eher verzweifelt an.

Logan tat, was ich ihm sagte und setzte sich neben mich auf die Couch. „Lass mich jetzt bitte ausreden. Es ist wichtig, dass du mich aus hörst.", bat ich ihn.

Er nickte.

Das hier sollte kein eiskalter Abschied sein, als hätte ich nie jemals, was für ihn gefühlt, denn in Wahrheit hatte ich noch nie so intensiv für jemanden etwas empfunden. Ich wollte ganz am Anfang unserer kleinen Reise anfangen, damit er wusste, wie dankbar ich ihm für jede Sekunde war. Ich wusste, dass das das Beste von allem Schlechten wäre.

„Logan", fing ich an und wartet, bis ich seine volle Aufmerksamkeit hatte, „mein Sommer war mit nichts geplant. Ich wollte Zeit zuhause mit meiner Mom verbringen, bevor ich dann auf's College gehen würde. Doch dann kam alles auf einmal. Mein Dad bot mir diesen Job an und ich willigte ein, ohne zu wissen, was für wunderbare Menschen ich hier kennenlernen würde. Ich lernte dich kennen – Alex, Brandon, Jake, einfach alle. Ich habe mich so gefreut dich kennenzulernen und ich wusste von der ersten Minute an, dass ich dich mehr als nur einen guten Kumpel mochte. Ich..."

Meine Stimme sackte ab, aber ich zwang mich weiter zu reden. „Ich habe dich liebend gelernt und das in so kurzer Zeit, dass es mir Angst gemacht hat. Ich wünschte, dass..."

Ich konnte das nicht tun.

Ich würde ihm das Herz brechen.

Blitzartig griff Logan nach meinen Händen und drückte sie ganz feste, als wüsste er, was nun kommen würde. „Es tut mir so leid", schluchzte ich und konnte die Tränen nicht zurückhalten. „Ich wünschte, wir können für die Ewigkeit existieren. Ich wünschte, ich müsste das hier nicht tun. Ich wünschte, dass es nie so gekommen wäre. Aber ich muss es hier zu Ende bringen. Ich muss einen Strich machen, bevor wir uns noch mehr schaden–"

Er wird mich hassen.

Für immer und ewig.

„Ali, hör auf!", wehrte er sich gegen meine Worte, „Du redest Blödsinn. Ich liebe dich und du liebst mich, du würdest mir nie schaden. Wir können für die Ewigkeit existieren, wenn du das willst. Gib uns nicht auf, wenn es gerade erst begonnen hat."

Ich blickte ihn an. Die Tränen verschleierten meine Sicht, aber ich konnte ihn noch immer gut erkennen. Vorsichtig beugte Logan sich vor und starrte auf meine Lippen. Kein Wimperzucken später küsste er mich mit allem, was ihm übrig blieb. „Ich lass dich nicht gehen, niemals."

„Du musst", presste ich hervor.

Eigentlich wollte ich diesen Schritt nicht tun, aber er würde mich nicht gehen lassen, wenn dies nicht tat. Es würde ihm den Rest geben und er würde mich endlich hassen können, wie ich es verdiente.

„Du musst, Logan", sagte ich, „denn Zuhause wartet jemand auf mich."

Und ich verlor ihn.

Es brauchte ihn etwas, wenn er es realisierte, aber dann rutschte er automatisch von mir ab. „Was?", atmete er. Er klang nicht wütend. Er klang eher erschüttert, wie ein innerlicher Zusammenbruch.

„Ich habe dieser Person versprochen wieder zukommen. Es tut mir so leid, Logan.", versuchte ich das Beste aus der Situation zu machen.

„Nein, Ali. Mir tut es leid. Mir tut es leid.", wiederholte er sich und entfernt sich von mir.

„Logan, es tut mir so leid, das musst du mir glauben. Ich wollte nie, dass es so endet."

„Und wie dann?", schrie er mich an, „Dachtest du, dass wir beide ein wenig Spaß haben, während dein Freund zuhause auf dich wartet?"

„Nein, ich–"

„Ich weiß nicht, was für einen Scheiß du abziehen wolltest, aber ich mache das nicht mit. Ich habe in all diesen verdammten Tagen an nichts anderes als dich gedacht, wollte, dass du mir gehört, dabei kannst du es nicht mal. Ich habe mich in dich verliebt, Alicia.", gestand er verbittert, „Und du hast mit mir gespielt."

Ich konnte die Tränen seine Wange runterlaufen sehen. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen Jungen wegen einer Trennung weinen gesehen. Sein Ton erschreckte mich nicht. Ich hatte es verdient. Ich hatte verdammt scheiße nochmal verdient. Er wollte mich mit aller Abscheu ansehen, wie er aufbringen konnte, aber hier half ihm auch nicht sein schauspielerisches Talent.

Er versagte komplett und ließ seine stärksten Emotionen übernehmen.

„Geh", sagte er.

„Logan", setzte ich an.

„Ich sagte, HAU AB!"

Es war vorbei.

Aus, Ende und vorbei.



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Jetzt fühl ich mich schlecht. Ich habe ziemlich gemischte Gefühl über dieses Kapitel. Dieser Punkt in ihrer Beziehung wird heftige Kratzer in meinem Autorenherzen hinterlassen. Bitte lasst mich wissen, was ihr über die Entwicklung der Beiden haltet, denn ich hab keine Ahnung, wie ich darüber fühlen soll. 

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