Kapital 17
Logan's Augen weiteten sich, als nun auch er mich erkannte.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte, außer mich wie ein kleines Baby hinter Collin zu verstecken. Es war das erste Mal seit beinah drei Wochen, dass ich ihn wieder sah und das Gefühl, dass mich überkam, war definitiv zu viel für mich. Wortlos starrte ich ihn an und er tat das Gleiche. Da waren so viele Dinge, die wir uns zu sagen hatten, aber in diesem Moment wusste ich, dass ich kein einziges Wort rausbekommen würde. Dafür saß der Schock ihn ohne jegliche Vorwarnung zu sehen viel zu tief.
Ich hatte mir das erneute Treffen mit ihm auf unterschiedlichste Weise vorgestellt. Dass wir uns gegenseitig in die Arme fielen, uns anschrie, alles. Jetzt stand wir einfach beide da und sagten und taten rein gar nichts.
„Ali", stieß Alex überrascht aus und versuchte mich mit ihrer gewohnten Freundlichkeit hervor zu holen. Jedoch fühlte ich mich wie ein Küchen, dass von seiner Vogelmutter Collin beschützt wurde.
„Was machst du hier?", fragte Collin kalt gerichtet an seine Cousine. Ich bemerkte, wie angespannt er auf einmal war.
Alex sah ihren jüngeren Cousin strafend an. „Ich war gekommen, um meinen Teil der Verabredung zu erfüllen. Ich wusste jedoch nicht, dass Ali hier ist."
Noch immer blieb ich dicht hinter Collin, doch mein Blick wich nicht von Logan ab. Er drückte sich ein schwaches Lächeln auf die Lippe. Die erste und einzige Interaktion zwischen uns beiden. Ich konnte nichts aus seinem Blick lesen. Nicht, ob er enttäuscht oder sauer war. Nicht, ob er das Verlangen hatte mit mir zu reden. Nichts, rein gar nichts.
„Lässt du uns jetzt bitte rein? Wir sind gerade von Atlanta direkt hierhin geflogen.", hakte Alex nach. Collin gab nach und trat zur Seite, gefolgt von mir selbst, um den Beiden Platz zum Eintreten zu geben. Logan ging hinter Alex her, allerdings zögerte er leicht. Er sah so aus, als würde er überlegen wirklich einzutreten oder nicht gleich wieder abzuhauen. Mein Herz schlug mir in meine Kehle, als mein Blick seinen traf und er schließlich eintrat.
Tat er das wegen mir oder aus Zwang?
Collin schloss die Tür und sagte Alex, dass sie weiter ins Wohnzimmer gehen sollte. Beschützerisch strich er meinen Arm und gab mir einen hoffnungsvollen Blick. Ich holte kurz tief Luft, bevor ich gemeinsam mit ihm zu den anderen Beiden ging.
Logan und Alex hatten sich auf die Couch gesetzt, während ich schnell mich zu meinen Sachen auf den Sessel setzte. „Eigentlich hatten wir das nicht so geplant", murmelte Alex und blickte auf den Boden.
„Gewiss nicht. Denn so sollte es erst recht nicht passieren!", motzte Collin zurück.
„Collin!", zischte die Brünette, die sein Verhalten ordentlich satt hatte und wendete sich an ihren Co-Star, „Redet ihr doch was, während ich mit diesem Herrn mal ein Hühnchen zu rupfen hab."
Es dauerte nicht einmal eine Minute, da hatte sie Collin schon aus dem Wohnzimmer gezerrt und Logan und mich in einer unglaublich peinlichen Situation alleine gelassen. Vor wenigen Wochen war Zeit alleine für ihn und mich etwas kostbares, da wir eigentlich dauerhaft in der Begleitung von Alex und Brandon oder dem gesamten Team am Set waren. Verbotene Küsse hier und da, bis wir nach unserem Roadtrip unsere erste gemeinsame Nacht miteinander verbrachtet hatten.
Augenblicklich schoss mir die Hitze in die Wangen. Die Erinnerungen an diese Nacht waren private Gedanken für mich, die ich mit niemandem teilte, außer ihm. Nun saß er vor mir, ich sah seinen Körper, der sich an meinen geschmeichelt hatte. Seine Hände, mit denen er mich überall berührt und verwöhnt hatte. Seine Lippen, die in dieser Nacht so oft geküsst hatte, bis sie angeschwollen waren.
Wir saßen hier und verhielten uns wie Kinder.
„Wie geht es dir?", brach er auf einmal die Stille, als hätte er meine Gedanken gelesen.
„Ging schon mal besser", erwiderte ich treugemäß, „und dir?"
„Ebenso."
Stille. Schon wieder.
„Ist er dein eigentlicher Freund?"
Diese Worte setzten mir einen Stich durch meine Brust. „Was?", ich blickte auf, „nein. Ich kenne ihn nur aus dem College. Wir wohnen im gleichen Verbindungshaus und er hat mir beim Einzug geholfen."
Ich wollte, dass er wusste, dass Collin und ich nur Freunde waren.
„Ich hatte mir schon gedacht, dass du jetzt schon gehst."
„Ja", sagte ich, „ich musste mich ablenken."
Logan lachte – nein, er spottet über mich. „Wegen was?"
Ich ermahnte mich selbst, dass ich mein Pokerface nicht fallen lassen durfte. Ich konnte nicht verstehen, warum er sich jetzt über mich lustig machte. Das war so ungewohnt von mir, weswegen ich glaubte, dass es nur ein Schutzmechanismus von ihm war. „Wegen dir", antwortet ich.
Er verstummte, was mich unglaublich wütend machte. So hatte ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt. „Man!", stieß ich auf und drückte mich aus dem Sessel, „du kennst überhaupt nicht die ganze Wahrheit."
Logan schien es mehr als schwer zu fallen jetzt einfach einzuknicken, aber er tat es und sagte ruhig: „Dann erzähl mir alles."
Er sagte dies so, als wäre es das Leichteste auf der gesamten Welt, aber im Gegenteil... meine Wut verwandelt sich blitzartig in Verzweiflung. Mein Blick fiel auf ihn, den jungen Mann, dem ich so sehr weh getan hatte. Er war tapfer als ich.
„Um es kurz zu halten", begann ich atemlos, „Josh hat mich erpresst. Ich musste mit dir Schluss machen und dir vorreden, dass wir nur ein kurzzeitiger Spaß waren, damit er meinem Dad nichts von uns erzählt."
Logan verlor alle Fassung aus seiner Miene. „Warum zur Hölle hast du das zugelassen?", fragte er und schien sofort zu bereuen, dass er seine Stimme gehoben hatte, „Warum hast du zugelassen, dass er dich erpresst? Ich hätte dir doch helfen können."
„Nein, hättest du nicht. Du hättest deinen Job verloren, einfach alles. Er hatte noch irgendetwas gegen dich in der Hand, was auch der Auslöser für seinen Ausrasten war–"
„Ist mir doch egal, ob ich meinen Job verloren hätte. Ich hätte viel lieber den verloren, anstatt dich!", brüllte er so aufgewühlt, dass ich erschrak. Noch nie zuvor hatte ich ihn so aus der Bahn gesehen, abgesehen von dem Tag, an dem wir uns getrennt hatten.
Ich biss mir auf meine Lippe und versuchte nicht gleich, wie en heulender See hier rumzusitzen. Worte waren wichtig, Verständigung. Versöhnung.
„Ich habe es getan, weil ich nicht wollte, dass du dein Job wegen mir verlierst und weil...", ich zögerte. Dieses Worte wollte er wahrscheinlich nicht hören und sie brachten mich an meinen Knackpunkt, aber ich musste wissen, dass ich sie ihm gesagt hatten, denn ich hatte es noch nie zuvor getan, „weil ich dich liebe, Logan."
Eine Träne, die über meine Wange kullerte, löste in Logan einen Reflex aus. Sofort war er von der Couch aufgestanden und auf mich zugekommen. Er ergriff mein Gesicht und für den ersten Augenblick glaubte ich, dass er kurz davor mich zu küssen, aber er zögerte für zu lange. „Shh, bitte wein nicht.", bat er mich und wischte mir mit seinem Daumen die Tränen aus den Augenwinkeln.
„Alles, die Trennung, mein schnelles Verschwinden. Ich habe das alles nur getan, weil ich dich liebe.", presste ich hervor.
„Sh, schon gut. Ich verstehe schon.", antwortet er und lächelte mir zu, bevor er seine Arme um mich schlang.
Innerlich tat es weh, dass er mein Geständnis nicht erwiderte, aber ich konnte ihn auch verstehen. Ich hatte mich entschieden zu gehen und ihm somit das Herz zu brechen. Er hatte jedes Recht sauer auf mich zu sein oder gar aufzuhören mich zu lieben. Meine Hände lagen feste gegen seine Brust gedrückt. Es war wie früher. Diese wunderbare kurze Zeit, wo ich nichts gebraucht hatte, außer ihn. In der Zeit, wo ich mir sicher war, dass ich mit keinem anderen Menschen außer ihm glücklich werden konnte.
„Ich versaue dir noch deine ganze Jacke", murmelte ich und hob meinen Kopf weg von seinen Schultern.
„Schon okay", gab er wieder, „auch wenn es meine Lieblingsjacke ist."
Ich drückte mich ein wenig weg von ihm, um seine Jacke zu mustern. Sofort erkannte ich sie. Er hatte sie an dem Tag getragen, als wir das Picknick im Dunkeln gemacht und wir uns zum allerersten Mal geküsst hatten.
„Du hattest sie an, als wir..."
„Ich weiß", erwiderte er einfach und hielt meine Hände fest. Ich blickte auf und sah ihm einfach in die Augen. Wie gerne würde ich die Zeit nur zurückdrehen. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich ihm alles erzählt hätte.
Vielleicht wären wir dann jetzt noch zusammen.
Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, bis ich Schritte hörte. Collin, gefolgt von Alex, trat ins Wohnzimmer. Collin's Blick fiel auf unsere Hände. Augenblicklich ließ Logan sie los, blieb jedoch nahe bei mir stehen. Collin blickte zu mir hoch. Ich kannte diesen Blick. Er hatten ihn mir schon so oft während unseren Lesungen zugeworfen. Es war der stumme ‚Alles-Okay?'-Blick. Ich nickte ihm als Antwort.
– – –
Alex hatte Logan und mich beinah dazu gedrängt endlich nochmal in Ruhe uns zu unterhalten, schließlich war das ihre einzige Intention für diesen Besuch, wie Logan erkannte. Es war komisch so schweigend neben ihm im Taxi zu sitzen. Zudem saßen wir so ungewöhnlich weit auseinander. Ich zückte mein Handy, um so zu tun, als ob ich eine Nachricht erhalten hätte und wurde überrascht damit, dass ich tatsächlich eine erhalten hatte.
From: Collin
Wenn irgendetwas ist, ruf mich sofort an.
Ich antwortet ihm nicht, behielt seine Nachricht trotzdem stets in meinem Hinterkopf. Logan sah mich an und wieder machte er den ersten Schritt, den ich mich schon wieder nicht getraut hatte. „Und studierst du jetzt Regie?"
Ich nickte schlicht. „Die richtigen Kurse fangen erst in zwei Wochen an, aber ja."
„Und wie ist es so bisher?"
„Willst du wirklich mit mir eine Konversation über meinen fast schon Fluchort führen?", seufzte ich.
„Ich hatte versucht generell eine Konversation mit dir anzufangen."
Der Rest der Fahrt verfiel wieder in Stille, wofür ich mich selbst verantwortlich machte. Logan hatte es wirklich versucht und ich hatte mich wie ein zickiges Kind dagegen geweigert. Als wir in der Stadt ankamen, stritten wir uns erstmal darum, wer bezahlt. Logan hatte so lange mit sich streiten lassen, bis ich ihn bezahlen ließ und dem sichtlich genervten Taxifahrer damit seine Freiheit wieder gab.
Ich verschränkte meine Arme vor meiner Brust und ging in die Stadt hinein. „He Ali, warte doch mal", hörte ich Logan's Stimme hinter mir.
Er gab sich Mühe, nur ich nicht. Ich konnte nicht wieder so locker um ihn werden, wie ich es vorher war. Es lag nicht an ihm, auf keinen Fall, sondern komplett an mir. Ich machte mir so viele Vorwürfe, dass ich es eigentlich nicht verdient hatte, nochmal die Chance zu haben mit ihm in Ruhe zu reden.
Logan ergriff meinen Arm und brachte mich damit zum Stehen. „Wir sind zusammen hier, also hau nicht vor mir ab, okay?", bat er mich ruhig mit einem fragenden Blick.
Meine Mundwinkel zuckten leicht in die Höhe, als ich nickte. Still gingen wir nebeneinander her, bis wir ein nettes Café fanden, indem wenig los war. „Habt ihr zurzeit Drehpause?", fragte ich ihn, nachdem wir unsere Bestellung aufgegeben hatten.
„Ja, wir haben vor wenigen Tagen schon die Filmposter gemacht und haben zwei Wochen erstmal frei, bis wir die nächsten Szenen in Mexiko drehen."
„Mexiko?", hakte ich interessiert nach, „Davon hatte mein Dad mir gar nichts erzählt."
„David hat vieles umgeändert, nachdem...", er presste seine Lippen kurz zusammen, „ich nicht wirklich korporativ war und sich dachte, dass eine Pause das Beste für mich wäre."
Leicht erschrocken blickte ich auf, direkt in seine Augen. Ich öffnete schon meinen Mund, um etwa zu erwidern, als die Kellnerin uns unsere Getränke brachte. Wir beide bedankten uns still bei ihr, wobei sie Logan einen zweiten Blick zuwarf. Erkannte sie ihn?
„Kannst du mir nochmal genauer erzählen, was vorgefallen ist?", fragte er mich vorsichtig, als er seinen Kaffee umrührte.
Ich atmete tief ein. Es war nur fair, wenn ich das tat. Aus plötzlicher Nervosität schob ich mir die vordern Strähnen meiner offenen Haare hinter meine Ohren. „Ich kenne Josh schon gefühlt mein Leben lang, deshalb wusste ich, dass ich am besten ohne jeglichen Protest mit ihm zum Auto gehen würde. Ich dachte, er würde mich einfach schlecht reden und die Sache wäre gegessen. Im Auto hatte mir jedoch gedroht, dass er mein Dad alles sagen würde und damit dafür sorgen würde, dass es an die Öffentlichkeit kommt, deinen Ruf ruiniert und du deinen Job verlierst, einfach alles. Ich hatte ihn angebettelt es nicht zu tun, aber für Josh ist sowas eine offene Chance, die er nicht so leicht fallen ließ. Dann hat mir den Deal unterbreitet. Ich sollte dir vorlügen, dass ich es mit uns nicht ernst meinte und das habe ich getan, obwohl alles gelogen war. Ich habe keinen Freund hier und das zwischen uns war... das wohl Aufrichtigste, was ich je für jemanden empfunden habe."
Logan musterte mich und stellte sein Tasse ab. „Aber wieso bist du dann gegangen?"
Ich seufzte. „Ich konnte nicht länger auch nur näher in deiner Nähe sein, wissend, was ich dir angetan habe und wissend, dass ich dich nicht berühren, küssen oder gar dir nahe zu sein konnte. Ich konnte es einfach nicht und das College war mein einziger Ausweg, den mein Dad akzeptieren würde."
Sein Blick senkte sich, dennoch sah ich das schwache, zarte Lächeln auf seinen Lippen. „Glaub mir, ich hätte es auch nicht gekonnt."
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Was denkt ihr, wird nun mit Logan und Ali passieren?
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