27 - vestiges
Sofort fiel mein Lächeln und ich hoffte, mich verhört zu haben, doch Louis beständiger Blick überzeugte mich vom Gegenteil. ,,Der ist nicht wichtig", versuchte ich mich aus dem Thema rauszuwinden und setzte ein Lächeln auf. Louis erkannte sofort, das es nicht echt war. ,,Harry bitte, ich möchte dich doch nur kennenlernen und deine Familie gehört dazu", meinte Louis, holte zu mir auf, nachdem ich mein Tempo beschleunigt hatte. ,,Er gehört nicht zu meiner Familie, okay?" Brummte ich, wollte möglichst desinteressiert wirken, damit Louis es dabei beließ, doch er war nur noch neugieriger geworden. ,,Wie meinst du das? Ist er gestorben? Oder was ist passiert?" Fragte Louis weiter, brachte mich dazu tief durchzuatmen, um weder zu weinen, noch laut zu werden.
,,Bitte nicht hier, ich will nicht vor all den Leuten darüber reden", brachte ich dann hervor und blieb stehen, Louis stellte sich vor mich. Kurz landete seine Hand in einer sanften Berührung auf meiner Wange, er streichelte sie, ich lehnte mich dem entgegen, bis der schöne Moment dann auch schon wieder vorbei war. ,,Okay, komm da ist ein Café. Ich bezahl dir einen Kakao, wir setzen uns in die hinterste Ecke, wo sonst niemand ist und wenn du möchtest, dann erzählst du mir, was es damit auf sich hat, gut?" Da Louis mich so liebevoll ansah konnte ich nur nicken und folgte ihm in das kleine Schiffscafé, dass zwischen all den Klamottenläden seinen Platz gefunden hatte. Während er an der Theke das Trinken bestellte, suchte ich einen Platz, der keine Menschen in Hörweite hatte und fand glücklicherweise wirklich schnell einen.
Das mit meinem Vater war eine lange schmerzhafte Geschichte, über die ich wirklich noch nie in voller Länge mit einem anderen Menschen, ausgenommen meiner Mutter und Schwester, geredet hatte. Er hatte meiner Familie und mir ein Stück der Lebensfreude genommen, durch ihn war immer etwas anders. Auch jetzt wusste ich nicht, ob ich Louis das volle Ausmaß anvertrauen sollte, aber er hatte Recht damit, dass er mir schon ziemlich viel anvertraut hatte, was seine Familie anging und ich nicht mehr erzählt hatte, als dass wir nicht viel Geld besaßen. Als Louis mit zwei Bechern zurückkam, reichte er mir den Kakao mit einer doppelten Portion Schlagsahne und Caramelsauce obendrauf. Aus seiner Tasse dampfte der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee. Ich bedankte mich und griff dann erstmal nach dem Keks auf der Untertasse, den ich förmlich in mich hinein stopfte, um abgelenkt zu sein.
,,Also, möchtest du darüber reden oder brauchst du noch Zeit?" Fragte Louis nun behutsamer als vorhin noch und schaute sich einmal um. Als er niemanden erkennen konnte, griff er nach meiner Hand und verknotete unsere Finger miteinander. Sogleich fühlte ich mich wohler und musste ebenfalls lächeln. ,,Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wo ich anfangen soll. Du wärest der erste, mit dem ich da richtig drüber rede", gestand ich, weshalb Louis kurz überlegte und dann mit seiner freien Hand nach seinem Keks griff. ,,Hier", schmunzelnd reichte er ihn mir, ,,fang an, wo du möchtest. Ich bin hier und höre dir zu. Viel verkorkster als meine Lebensgeschichte kann es ja nicht sein", ermutigte mich mein Gegenüber und drückte meine Hand. Das er das alles so locker sah und mir jeglichen Druck wegnahm, half mir, mich in seiner Gegenwart zu entspannen.
,,Ich war sechs", fing ich an, ,,Gemma war gerade geboren und ich wollte unbedingt ins Krankenhaus meine Mutter und meine Schwester besuchen. Den Tag werde ich nie vergessen", kurz schloss ich meine Augen und schwelgte in den nicht gerade schönen Erinnerungen. Louis merkte sofort, wie schwer mir all das fiel und tauschte seinen Platz. Statt gegenüber von mir setzte er sich nun neben mich. Da das Café relativ leer und das Wetter draußen auf dem Sonnendeck schön war, liefen wir zum Glück auch keine Gefahr, hier im Zwischendeck so leicht entdeckt zu werden. Seine Hand legte er auf meinen Oberschenkel und streichelte diesen, schenkte mir so viel Nähe wie er konnte. ,,Meine Mutter hatte ein paar Wochen vor der Geburt zu mir gesagt, wenn ich sie besuchen wollte, sollte ich meine Oma anrufen. Ich wusste nicht warum ich das tun sollte, schließlich war mein Vater ja auch da und er hatte einen Führerschein. Ich wusste ja nicht, dass die lustigen Bewegungen, das Schwanken und die ständige Schlaferei von ihm damit zusammenhingen, das er trank, buchstäblich immer betrunken war.
Ich war noch so jung, woher hätte ich wissen sollen, was ein Alkoholproblem ist?" Flüsterte ich zu mir selbst und versteckte mein Gesicht in meinen Händen. Das zu erzählen fühlte sich an, als würde ich es nochmal durchleben und es war schrecklich. Trotz das ich dort so klein gewesen war, hatte sich das traumatische Erlebnis in meinem Gehirn festgebrannt. ,,Du musst nicht weiter reden Harry, ich kann mir vorstellen, warum er nicht mehr Teil der Familie ist. Es war dumm von mir zu fragen", murmelte Louis, wollte mich irgendwie beruhigen, doch es war okay. Jetzt hatte ich angefangen, nun wollte ich es auch zu Ende bringen. ,,Ist schon in Ordnung", brachte ich hervor, legte meine Hand auf die von Louis, die auf meinem Oberschenkel ruhte. ,,An dem Tag der Geburt war mein Vater wieder betrunken. Als ich alt genug war hat meine Mutter mir erklärt, das er mit der Situation, mit zwei Kindern überfordert war. Er wollte keine Kinder, sowohl Gemma als auch mich hatte er als Unfall angesehen.
Wie du dir denken kannst habe ich nicht auf meine Mutter gehört und meine Oma gefragt, sondern meinen Vater angebettelt, das wir ins Krankenhaus fahren. Er hat mich nie geschlagen, aber manchmal treffen Worte noch tausend mal schlimmer und an Gemmas Geburtstag hat er mich in einer Tour beleidigt. Ich wäre der größte Fehler seines Lebens gewesen und er hatte sich gewünscht, dass ich mich in Luft auflöse. Dennoch wollte er mich zum Krankenhaus fahren, wahrscheinlich um meiner Mutter dasselbe über Gemma zu sagen, wir kamen bloß nie dort an", ich lachte einmal bitter auf und schüttelte den Kopf. ,,Ich war so dumm", wisperte ich vor mich hin, wurde dafür von Louis in den Arm genommen. ,,Du warst und du bist nicht dumm, du warst sechs Jahre alt", der Mann, in den ich mich verliebt hatte, drückte mich einmal fest, bevor er mich wieder losließ und meine Hand erneut ergriff.
,,Mein Vater ist vielleicht zwei Minuten gefahren, da hat er eine rote Ampel übersehen und dafür fuhr uns ein anderes Auto in die Seite. Wir landeten in der Notaufnahme, ich kam mit einem gebrochenem Arm davon und mein Vater hatte sich außer einer kleinen Schramme gar nicht verletzt. Bevor die Polizei ihn wegen des Verkehrsunfalls vernehmen konnte, da die Ärzte auch festgestellt hatten, dass er alkoholisiert war, haute er ab. Mein Vater haute einfach ab. Und seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen. Als meine Mutter, meine neugeborene Schwester und ich aus dem Krankenhaus entlassen wurden und wieder nach Hause kamen, waren seine Sachen weg." Ich beendete meine Erzählung ohne Louis anzuschauen, hatte Angst was er von mir halten könnte.
,,Oh Harry", Louis schloss seine Arme um mich, sein Pullover saugte die wenigen Tränen auf, die meine Wangen benetzt hatten. ,,Es tut mir so leid, was dir da passiert ist und ich kann mir vorstellen, wie schlimm das in deinem Alter für dich gewesen sein muss. Als mein Vater zum Alkohol gegriffen hatte, war ich schon alt genug es besser zu wissen und er hat all das ja auch schnell wieder überwunden. Aber schau dich an, sieh wo du jetzt gelandet bist. Du bist intelligent, wunderschön, kämpfst für das was dich begeistert und du unterstützt deine Familie. Du bist so ein toller und hilfsbereiter Mensch. Lass dir das gesagt sein und glaub mir das bitte", Louis griff meine Hand unter dem Tisch und drückte diese fest. Mein Herz schmolz bei seinen Worten dahin und er wickelte mich vollkommen um seinen kleinen Finger.
,,Danke Louis, dass du das sagst bedeutet mir wirklich viel, auch wenn ich mich selbst niemals so beschreiben würde", sprach ich ehrlich und erwiderte den Druck seiner Hand. Ich wollte zwar nicht, dass er mich weiter mit diesen mitleidigen Hundeaugen ansah, doch das würde sich sicher wieder geben. ,,Ohne meinen Vater wäre ich jetzt niemals hier, ich hätte nie so gekämpft und hätte er nicht unsere Konten und Ersparnisse geplündert, hätte ich mich hier nicht für einen Job bewerben müssen. Aber ich bin froh, das es so gekommen ist, sonst wäre ich dir nicht begegnet. Übrigens finde ich dich auch wunderschön, intelligent und halte dich für einen tollen Menschen", erwiderte ich dann Louis Worte, der mir tief in die Augen sah und liebevoll lächelte. Dann stand er plötzlich ruckartig auf und brachte mich dazu, das gleiche zu tun. ,,Komm mit, ich will dich jetzt küssen."
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Wo die beiden sich jetzt wohl hin verkriechen?🌝
All the love xx
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