2 - put out to sea
Skeptisch stand ich vor dem Spiegel und musterte mich in meiner Arbeitsuniform. Sie bestand aus einer schwarzen Hose und einem sonnig gelben Shirt, auf dem auf der rechten Seite, etwas überhalb der Höhe des Herzens das Logo der Eisdiele war und darüber stand in geschwungener Schrift der Name Sunrise. Unterhalb des Logos war mein Namensschild festgemacht, was es nochmal amtlich machte, dass ich hier tatsächlich arbeiten würde. Niall stand neben mir, betrachtete sich strahlend und richtete seine blonden Haare. ,,Bereit?" Fragend schaute er zu mir, ich atmete nochmal tief durch, bevor ich antwortete. ,,Bereit."
Die letzte Woche auf dem Schiff war wirklich anstrengend gewesen. Jeden Morgen wurden wir um sechs von Liam abgeholt, um alles haargenau zu lernen. Am ersten Tag gab es zunächst unsere Uniform, den Schlüssel für die Eisdiele und letzte wichtige Unterlagen. Dann lernten wir sogar den Kapitän und das restliche Personal kennen, zumindest die, die im Service Bereich arbeiteten, denn wirklich die gesamte Crew, die aus 711 Personen bestand, kennenzulernen, war dann wohl doch eher ein Ding der Unmöglichkeit. Liam stellte uns auch seinen Verlobten Zayn Malik vor, welcher Leiter der Poolbar war, die direkt gegenüber von der Eisdiele Platz gefunden hatte.
Außerdem wurden wir mit unseren vier restlichen Kollegen bekannt gemacht. Luke, Ashton, Calum und Michael. Sie teilten sich zu viert ein Zimmer, kannten sich aber auch schon vor diesem Job und hatten sich hier sogar zusammen beworben. Alle hatten dieses Jahr ihr Studium beendet und wollten noch mal ein wenig Auszeit und Geld verdienen, bevor es in den harten Alltag überging. Wir würden in Schichten arbeiten, Frühschicht und Spätschicht, welche immer jeweils drei bis vier Leute übernahmen. Laut Liam würden an unserem ersten Zielhafen noch drei weitere Personen zusteigen, die anderweitig bedingt jetzt noch keine Zeit hatten zu kommen, dann aber auch in der Eisdiele arbeiten würden, sodass wir abgesehen von Sonntag auch mal einen freien Tag haben sollten.
Am zweiten Tag gab es nochmal eine Aufrischung im Erste-Hilfe-Kurs und eine Rundführung durch den Maschinenraum. Alles war topmodern, wurde ständig gewartet und nahm mir dadurch noch mehr die Angst, dieses Schiff könnte sinken. Meine einzige Sorge war jetzt nur noch wohlmöglich Seekrank zu werden, doch Niall, der mit seiner Familie schon mal eine Kreuzfahrt gemacht hatte, nahm mir diese Angst ein bisschen. Er hatte gesagt, wenn der Wellengang nicht zu stark ist, merkt man gar nicht, das man sich auf dem offenen Meer auf einem Schiff befindet. Ansonsten soll es wohl eher beruhigend sein, den Wellen zu lauschen.
Die nächsten Tage lernten wir immer weiter, uns auf dem Schiff in und auswendig zu bewegen. Wir machten ein paar Probeläufe, was das bedienen und servieren anging und unterstützten dann die Putzkräfte, alle Zimmer rechtzeitig herzurichten. Auch wenn die Betten schon gemacht und sicher überall schon hundertmal Staub gewischt wurde, kein einziger Dreck sollte übrig bleiben. Alles sollte für die Gäste perfekt hergerichtet werden und auf jeden Fehler überprüft worden sein. Mit Niall verstand ich mich super und auch die anderen vier Jungs, sowie Liam und Zayn waren gut drauf. Das nahm mir ein bisschen die Angst vor sehr starkem Heimweh.
Doch nun war es heute nach einer Woche Training soweit, die ersten Gäste würden bald eintrudeln, weshalb ich Niall und Luke jetzt durch die langen Flure folgte, damit unsere erste Schicht gleich beginnen konnte. Vom Hauptdeck aus konnte ich schon die vielen Reisebusse sehen, die die Gäste vom Flughafen abgeholt hatten und die ersten Menschen tummelten sich schon vor dem Schiff, passierten die Sicherheitskontrollen, bevor sie das Gefährt betreten durften. Nicht jeder blieb für die ganzen drei Monate, das war eher was für die Superreichen, also würde ich so gut wie alle zwei Wochen neue Gesichter kennenlernen und das war genau was ich wollte und brauchte, Ablenkung von meinem eigenen öden Leben.
Liam begrüßte uns in der Eisdiele, denn heute würde er uns unter die Arme greifen. ,,Also Niall, du hast die Tische Nummer eins bis vier draußen, Luke, du hast die Nummer fünf bis acht, ebenfalls draußen. Harry du übernimmst hier drinnen die fünf Tische und ich kümmere mich hier um die Theke. Noch fragen?" Ein einstimmiges Nein ertönte, was Liam zufrieden nicken ließ. ,,Sehr gut. Also heute schließen wir eine Stunde später, nämlich um Acht, damit die Gäste sich hier noch hinsetzen können, sobald wir um sieben abgelegt haben. Um neun Uhr solltet ihr dann zur Showbühne kommen, dort hält der Kapitän eine Rede für die Gäste, könnte für euch aber auch ganz interessant sein. Über weitere besondere Tage werde ich euch dann früh genug Bescheid geben. Und nun, macht einfach genau das, wie ihr es gelernt habt."
Liam reichte uns lächelnd die Eiskarten, die wir auf den Tischen verteilten. Dann schnappte sich jeder von uns ein Tablett und wir warteten auf die ersten Gäste. Sicher gingen die meisten jetzt erstmal ihr Gepäck auf ihr Zimmer bringen und die Decks erkunden, bevor sie hier nach draußen auf das Hauptdeck kommen würden. Während den Seetagen herrschte hier laut Liam starker Betrieb, doch wenn wir anlegen und so gut wie alle von Bord gehen um die Stadt zu erkunden, hatte er auch vor, uns frei zu geben, damit wir die Zeit genießen konnten. Noch wirklich realiseren, dass es jetzt tatsächlich losging, tat ich nicht, ich fühlte nur das Glück durch meine Adern pumpen.
Erst nach einer Stunde, in der immer mehr Menschen auf das Schiff gekommen waren und unten von den Mitarbeitern in Empfang genommen wurden, kamen die ersten auf das Deck, bewunderten die Aussicht und sahen sich um. Einige sprangen einfach mit ihren Klamotten in den Pool oder den nebendranstehenden blubbernden Whirlpool, was mich lächeln ließ. So ein unbeschwerter Urlaub musste wirklich was schönes sein. Niall riss mich aus meinen Gedanken, der freudig loslief, um eine Familie zu bedienen, die sich an einen seiner Tische gesetzt hatte. Erst als draußen alle Tische gefüllt waren kamen einige Menschen nach drinnen, sodass auch ich damit anfangen konnte zu arbeiten. Ich schaltete meine Gedanken aus und konzentrierte mich nur noch auf das, was ich gelernt hatte. Aufrechter Gang, strahlendes Lächeln und Freundlichkeit, die die Menschen verzaubern sollte.
,,Willkommen an Bord, was hätten Sie denn gerne?" Diese Frage stellte ich Tisch für Tisch, Stunde für Stunde und ich merkte gar nicht, wie die Zeit verging, als Liam mich plötzlich am Arm festhielt. ,,In fünf Minuten legen wir ab, das solltest du nicht verpassen. Stell dich am besten nach draußen ans Geländer." ,,Was? Aber meine..-." Liam unterbrach mich. ,,Deine Tische übernehme ich. Das ist was einmaliges, das solltest du nicht verpassen." Mit einem breiten Lächeln bedankte ich mich bei Liam, stellte mein Tablett hinter die Theke und lief aus der überdachten Eisdiele, um mir einen Platz am Geländer zu ergattern.
Es war tatsächlich unglaublich. Hunderte von Menschen standen am Hafen und winkten dem Schiff zu als es los fuhr, viele sogar klischeehaft mit Taschentüchern in der Hand. Ohne es kontrollieren zu können hatte ich ein breites Strahlen im Gesicht und lief auch mit diesem nach ein paar weiteren Minuten wieder zurück zu Liam. Wir waren jetzt tatsächlich auf dem Weg ins offene Meer. ,,Bin wieder da", kündigte ich mich bei meinem Chef an, der mir zunickte, sodass ich ohne weiteres wieder an die Arbeit ging. Die Plätze drinne waren bis gerade eben alle wieder leer, jeder war draußen gewesen, um den Hafen zu verabschieden und erst langsam füllten sich die Tische für die letzte Stunde noch einmal.
Wieder rief ich alles ab, was ich gelernt hatte und lief auf einen Kunden zu, der mit dem Rücken zu mir saß. ,,Willkommen an Bord, was hätten Sie denn gerne?" Als der junge Mann sein Gesicht zu mir wandt, stockte mir der Atem. Seine braunen Haare waren wohl durch die lange Reise ganz zerzaust, er hatte definierte Wangenknochen und strahlend blaue Augen, die zum Träumen einluden. Kurzum, solch eine Schönheit hatte ich wirklich noch nie gesehen. Trotzallem versuchte ich nicht zu sehr ins schwärmen zu geraten und meinem Job weiter nach zu gehen, was auf einmal ganz schön hart war. ,,Irgendwas mit ganz viel Zucker und Sahne bitte", grummelte er rau und hörte sich dabei ziemlich traurig an, auch seine Augenringe fielen mir auf, sodass ich die Stirn leicht kräuselte. ,,Ich glaube da habe ich genau das Richtige, kleinen Moment", mit einem aufmunternden Lächeln trat ich zu Liam hinter die Theke, um den Eisbecher vorzubereiten.
Dabei wählte ich Sorten, die den Kummer hoffentlich ganz schnell bereinigen würden. Neben Vanille, Nutellaeis und Straciatella wählte ich noch die Caramelsauce über dem Sahnehäubchen, legte einen Kinderriegel daneben und mit dem ersten echten Lächeln heute Abend trat ich zurück an den Tisch und hoffte den gutaussehenden Gast damit glücklich zu machen. Ich wusste nicht, wie es um seine finanzielle Lage stand, da er aber so traurig aussah, entschloss ich mich, das Eis für ihn zu bezahlen, auch wenn ich selbst kaum über die Runden kam, hier auf dem Schiff als Mitarbeiter musste ich so gut wie nichts bezahlen, ein Eis mehr oder weniger würde also nicht schaden. ,,Geht aufs Haus", vorsichtig stellte ich ihm das Eis hin, woraufhin er mich erschrocken ansah. ,,Das kann ich nicht annehmen", protestierte er zunächst, scheiterte an mir und meinem mahnenden Blick aber kläglich. ,,Danke..", kurz linste er rüber zu meinem Namensschild, seine Stimme hörte sich an wie Musik in meinen Ohren, ,,Harry."
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Die Frage aller Fragen wer dieser gutaussehende Kunde wohl sein mag🌝
Danke zu dem ganzen tollen Feedback beim ersten Kapitel, das hat mich total gefreut und ich hoffe die Geschichte wird euch auch weiterhin so gut gefallen💗
All the love xx
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