9. Kapitel
"Jetzt ist die Farbe aus deinem Gesicht und die Tabletten können wirken. Willst du jemanden holen oder rufen? Wilst du ...", er stockte kurz und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an "...Hat das hier für Charles und mich Konsequenzen? Dann sag es gleich. In dem Fall trifft uns die Kündigung nicht eiskalt." Sein Gesicht war wieder ausdrucklos, die Stimme hart. Er war offensichtlich wieder in den "ich-hasse-euch-rich-kids-Modus" übergangen. Mister Hemken dagegen sah mich erschrocken aus seinen gutmütigen Augen an.
"Nein", meinte ich entsetzt. "Natürlich nicht! Wollt ihr mich denn anzeigen, wegen ähm..." peinlich berührt sah ich mich in dem ramponierten Raum um "Sächbeschädigung..?"
Dass ich wieder reden konnte, ohne zu sabbern, war wirklich ein Fortschritt.
Adonis tauschte einen kurzen Blick mit Mister Hemken, der wild den Kopf schüttelte.
"Nein, ich denke, davon können wir absehen", war seine gedehnte Antwort.
Phu, zum Glück! Ich hätte nicht gewusst, wie ich heute auch noch eine Anzeige erklären soll.
"Danke, ich verspreche, ich bringe das hier wieder in Ordnung und mache auch alles sauber." Für einen kurzen Moment sah ich Verwunderung in seinem Blick aufblitzen, die er jedoch schnell kaschierte. Doch ich konnte mich nicht darüber freuen, ihn überrascht zu haben. Dafür steckte ich noch zu sehr in ... der Misére fest.
"Ich hätte nur eine große Bitte", ergänzte ich leise. Er schnaubte leise. Marke: Habe ich es nicht gesagt?! Sie will ja doch etwas und verdrehte die Augen, doch ich ließ mich nicht beirren.
"Ich muss dort heute Abend wieder raus. Egal, was kommt. Und ich kann in diesem Kleid nicht auftreten. Hätten Sie", jetzt wurde ich doch etwas befangen und deutlich schüchterner fuhr ich fort: "Hätten Sie eventuell ähm ... ein Kleid für mich oder .. etwas anderes, was ich mir überziehen könnte? Das hier", ich hob den strapazierten Tüll in die Höhe "geht nicht mehr so wirklich."
Durch mein "gutes" Auge schielte ich zu den beiden hoch und wenn die Situation nicht so todernst gewesen wäre, hätten mich ihre verdutzten, sprachlosen Gesichter zum Kichern gebracht.
So aber wartete ich nur bang, was die beiden zu sagen hatten.
"Najaaa", meinte Mister Hemken etwas überfordert und sah hilfesuchend zu Adonis. "Hast du...?" begann er, doch er wurde von Mr. Sexy mit einem unwirschen Kopfschütteln abgewürgt.
"Charles, sehe ich aus, als hätte ich immer ein Ausgehkleid in der Arschtasche klemmen, um es kleinen Prinzessinen in Not vor die Füße zu werfen?" Kam die unmissverständliche Antwort.
Meine Güte, warum musste er immer gleich so an die Decke gehen... Ein einfaches "Nein" hätte vollkommen ausgereicht. Die Allergie hatte ja nicht meine Ohren beschädigt. Oder meine Denkleistung... Und was hieß hier eigentlich Prinzessin?
Bevor ich ein paar protestierende Worte loswerden konnte, wandte sich Mister Hemken wieder mir zu.
"Tja, mein Mädchen, so wie es aussieht, haben wir leider nur das da anzubieten." Er zeigte auf einige Blaumänner, die in einem kleinen Schrank neben dem Spiegel hingen und keine Farbspritzer abbekommen hatten.
"Perfekt", meinte ich und ging zielstrebig darauf zu.
Perfekt war natürlich nichts, aber ich hatte nun mal keine andere Wahl.
"Du willst doch nicht in einem unserer Arbeitsanzüge da raus", meinte Adonis. Er klang ungläubig. Ha, wollen wir wetten, du eingebildeter ...
Mh, so richtig fiel mir nichts ein. Du wahre Pracht wäre angemessen gewesen, aber ich würde mir eher nochmal Farbe ins Gesicht schmieren, als seinen Ego-Ballon noch mehr aufzublasen.
"Ehrlich gesagt", meinte ich konzentriert, während ich mir einen Blaumann in ungefähr meiner Größe heraussuchte "wollte ich auch nie mit diesem überteuerten rosa Ungetüm da raus. Aber so ist das eben manchmal."
"Hör mal, Lily, hast du da draußen keine Freundin oder deine Mum oder irgend jemand, der dir helfen kann. Dir vielleicht sein Kleid leihen, oder so? Das mit dem Elektrikeraufzug ist doch scheiße. Ich kenne mich in deiner Welt nicht aus, aber ich weiß so viel, dass das sicher nicht gut ankommt."
Lily? Wer war Lily? Verblüfft drehte ich mich um und sah, dass sein dunkler Blick auf mir lag. Er lehnte lässig an der Wand, die muskulösen Arme vor der Brust verschränkt, doch seine gesamte Körpersprache galt mir. So etwas war ich nicht gewöhnt und eigentlich hatte ich gedacht, dass es vielleicht unangenehm ist, wenn man so im Fokus einer Person steht.
Doch bei ihm gefiel es mir. Es fühlte sich gut an.
Das war wahrscheinlich der Grund, weswegen ich nicht mal auf die Idee kam, ihm etwas vorzulügen.
"Nein, ich ... ich habe keine Freundin dort draußen", gab ich leise zurück und fühlte mich nach diesem Satz ziemlich mies. Genau genommen hatte ich nur Nanny Dove, meine Bücher und Herbie... Das war wirklich traurig. Das gleiche musste ihm auch durch den Kopf gehen, doch er ließ sich seine Gedanken nicht annmerken.
"Aber deine Mum?", er ließ nicht locker. Warum interessierte ihn das so sehr? Ich wünschte, ich hätte noch eine geschwollene Lippe gehabt. Dann wäre ich um die Antwort drum herum gekommen.
Er sah mich hadern und wartete auf meine Antwort. Er regte keinen Muskel.
Irgendwas sagte mir, dass ich hier nicht eher raus kam, bis er seine Antworten bekommen hatte.
Wusste ich doch: Total stur.
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