17. Kapitel

"Hast du alles, was du brauchst?", fragte Mutter, als sie vor meinen vier Koffern stand, die gleich (mit mir zusammen) nach Fistral Beach gebracht wurden.

"Ja", brummte ich schlecht gelaunt.

Mutter drehte sich zackig zu mir um. "Nicht in diesem Ton, junge Dame", schnappte sie hitzig. "Das hast du dir alles selbst zuzuschreiben."

Dem wollte ich widersprechen, sparte mir das aber.

Ich hatte keine Wahl gehabt.

Entweder ich reiste Timothy hinterher, oder meine Eltern erlaubten mir mein Studium nicht. Mein Vater war sehr gut mit dem Dekan von Harvard befreundet und dieser hätte meine Zulassung zurückgenommen, so als Freundschaftsdienst, und ich hätte nichts mehr gehabt. Außer Benimm-Unterricht bei meiner Mutter.

Reiste ich nach Fistral Beach, behielt ich meinen Studienplatz... Und hätte vielleicht nochmal die Chance, aus diesem Hamsterrad zu entfliehen.

Das Leben war echt manchmal ein riesiger Haufen Pferdemist...

Aber ich hatte eine geheime Absprache mit mir (und Herbie) getroffen.

Ich reiste ins Hotel der Porter's, wie meine Mutter es wollte.

Aber: ich würde kein Wort mit Timothy sprechen.

Lieber biss ich mir meinen eigenen Arm ab, als mich dieser Luftpumpe ohne Herz anzubiedern.

Meiner Mutter konnte ich ja sagen, dass ich mich schwerlich bemühte... Sie würde es nicht nachkontrollieren können, da sie selbst mit Vater nach Mauritius flog. Die gesamten Semesterferien!

Ich hatte mir sogar schon einen Buchladen rausgesucht. Dort würde ich mich mit Lesestoff eindecken und mich in einer ruhigen Ecke verkrümeln. Da könnte ich meine Wunden lecken und mich selbst bemitleiden... Kein eigenes Leben, keine freien Entscheidungen, kein Luca...

Harry lud meine Koffer ins Auto.

Ich hatte seit dem Ball nichts mehr von ihm gehört. Was ... ja zu erwarten war. Warum sollte er Kontakt zu mir aufnehmen. Zu Sid, dem Faultier mit einer garstigen Familie, dem er auch noch die Suspendierung verdankt?! Und trotzdem, habe ich bei jedem Klingeln an der Tür, bei jeder Nachricht auf meinem Handy gedacht, vielleicht ist er es?!

Dass er es natürlich nicht gewesen ist und dass ich keine Möglichkeit hatte, ihn nochmal zu erreichen, hatte meine Laune von Tag zu Tag mehr sinken lassen.

"Ich habe deine schönsten Kleider und Bikinis einpacken lassen. Von deinem Esprit ist er ja nun nicht so angetan gewesen. Versuch ihn doch wenigstens mit deinem hübschen Körper zu beeindrucken. Den hast du zum Glück von mir geerbt."

Ganz bestimmt. Lieber gab ich mir selbst die Kugel.

"Hörst du Tayrenia?", fauchte Mutter entnervt.

"Ja, Mutter. Ich bin nicht taub. Ich hatte nur ein blaues Auge und selbst das ist jetzt nicht mehr zu sehen", gab ich gereizt zurück.

Die Stimmung zu Hause war seit dem Ball unterirdisch. Wir waren vorher schon in den Höhlen von Moria umhergeirrt, auf der Suche nach ein bisschen familiärer Nähe. Doch nun kämpften wir mitten in Mordor, eingekesselt von tausenden Orks, in einem ausichtslosen Kampf, der von Panik, nackter Angst und Befehlsnotstand geprägt war.

"Wo hast du eigentlich die Ersatzbrille her?" Mutter Stimme war überaus verschnupft, als sie die Hornbrille auf meiner Nase betrachtete.

"Aus der Mülltonne. Du hast mein Zimmer durchsucht, sie gefunden und weggeschmissen, du erinnerst dich?"

"Du bist in der Mülltonne herumgekrabbelt?"

"Wenn du meine Sachen dort hineinwirfst...?!"

"Ich hatte sie doch extra ganz unten versteckt. Wie hast du das Ding gefunden?"

"Metalldetektor."

"Mit dem...? Ich hatte den doch eingezogen und in den Safe geschlossen!"

"Tja, großer Spoiler Alarm Mutter, aber ich kenne den Code für den Safe schon seit Jahren."

"Ach, das ist mal wieder typisch meine Tochter. Anstatt, sich das Geld und den Schmuck zu nehmen und dick shoppen zu gehen, holt sich mein Kind den Metalldetektor, um in Mülltonnen herum zu krauchen..."

"Na gut, Tayrenia", erklang die Stimme meines Vaters hinter uns. "Sie muss jetzt starten, sonst kommt sie zu spät", sagte er an meine Mutter gewandt. Diese nickte nur mit zusammengepressten Lippen.  Im Grunde hatte er uns wahrscheinlich unterbrochen, weil er unser Gezicke schon die ganze Woche ertragen musste. Natürlich schweigend. Nicht, dass er sich dazu geäußert hätte.

Dementsprechend unterkühlt und freudlos war auch unsere Verabschiedung.

Eigentlich hatte das Ganze mehr Ähnlichkeit mit einer Unterhaltung, die die Zombies in dem Film "warm bodies" führten. Kein "ciao, pass auf dich auf, ja euch einen schönen Urlaub, danke, [ innige Umarmung]  bye", sondern eher ein "Mh, pfmmh, Hrrmp, Mmmh." Begleitet von verkniffenen, eingefrorenen Mienen und leichtem Kopfnicken.

"Mach uns keine Schande mehr, hast du verstanden?", rief mir meine noch Mutter hinterher.

Genervt knallte ich die Tür zu und holte mein Buch heraus, während unser Anwesen hinter uns immer kleiner wurde.

"Keine Sorge, Miss. Das werden sicher ganz wundervolle sechs Wochen!", meinte Harry aufmunternd.

"Danke Harry, das ist sehr nett von Ihnen", erwiderte ich und zwang mich zu einem Lächeln.

Er meinte es wirklich nur gut, aber ...

Das würde definitv ein schrecklicher Sommer werden.

Und wenn er so endete, wie meine Mutter es sich wünschte, würde noch viele schrecklichere Sommer folgen.

... Toll.

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