Zwischen den Fronten
Ich saß eine Weile still neben Zeke, den Kopf auf seine Schulter gelehnt, während der kühle Wind um uns herumspielte. Die Sandfiguren tanzten immer noch in der Luft, aber langsam begann ich die Kälte zu spüren, die sich durch meine Kleidung bis in meine Knochen fraß. Ich fröstelte und richtete mich schließlich auf.
>Ich glaube, ich gehe rein< murmelte ich, meine Stimme leise und von der Nacht gedämpft. Zeke nickte nur, ohne den Blick vom nächtlichen Himmel abzuwenden. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen, aber er sagte nichts dazu.
Ich stand auf und ging langsam zur Tür, die zur Dachterrasse führte. Meine Schritte waren schwer vom langen Tag, und ich sehnte mich nach Wärme.
Gerade als ich die Terrassentür erreichte, drehte ich mich noch einmal um, doch Zeke war in der Dunkelheit kaum noch zu erkennen. Der Himmel über ihm war sternenklar, doch er selbst schien fast wie ein Schatten auf der Bank zu verweilen.
Als ich die Tür öffnete, hörte ich plötzlich eine leise Stimme. Nicht seine, sondern die einer Frau. Irritiert hielt ich inne, die Hand auf dem Türgriff, und lauschte. Die sanfte Stimme, die eindeutig weiblich war, sprach gedämpft und klang fast wie der Wind, der über die Terrasse wehte. Es war seltsam vertraut und doch völlig fremd.
Ich hielt inne. War ich mir sicher, dass außer uns niemand auf der Dachterrasse gewesen war.
>Was machst du hier?< hörte ich Zeke fragen, seine Stimme gedämpft und angespannt.
>Du hast mich gerufen, oder hast du das schon wieder vergessen?< antwortete die unbekannte Frau, ihre Stimme klang sanft, fast spielerisch. Ich konnte nicht widerstehen. Vorsichtig lehnte ich mich näher an die Tür, gerade so, dass ich lauschen konnte, ohne selbst gesehen zu werden.
>Ich hab nichts vergessen. Aber das heißt nicht, dass ich dich sehen will.< Zekes Stimme hatte einen ungewohnt scharfen Ton, der mich noch mehr frösteln ließ, aber die Frau lachte leise.
>Du wirkst müde, Zeke< flüsterte die Stimme.
Mein Herz schlug schneller. Ich konnte keine andere Person sehen. Wer war das? Ich spähte zurück in die Dunkelheit, aber außer Zeke war niemand auf der Terrasse.
>Du weißt, dass es so nicht weitergehen kann< hörte ich ihn sagen, seine Stimme rauer als zuvor.
>Ich bin hier, Zeke. Immer. Du brauchst nur mich< antwortete die Frau >genauso wie du immer jemanden gebraucht hast. Und wer, wenn nicht ich, versteht dich besser?<
Mein Herz begann schneller zu schlagen. Wer war diese Frau? Und wieso sprach sie mit Zeke in solch einer vertrauten Art? Ich stand regungslos da, die Hand am Türgriff, unschlüssig, was ich tun sollte.
>Vielleicht< hörte ich Zeke schließlich murmeln, seine Stimme klang jetzt müder, fast resigniert. >Vielleicht hast du recht.<
Ich wagte einen letzten Blick zurück, doch der kühle Wind, der zwischen uns wehte, machte es unmöglich, mehr zu hören. Ich trat schließlich durch die Tür und schloss sie leise hinter mir.
Ich zuckte zusammen, als Ruhns Hand sich um meinen Arm schloss. Er hatte an der Wand gelehnt, die Augen halb geschlossen, als hätte er auf mich gewartet. Es war mir fast schon unangenehm vertraut, wie er so da stand, mit seiner unaufdringlichen, aber alles beherrschenden Präsenz. Ich hatte gehofft, an ihm vorbeigehen zu können, ihn einfach zu ignorieren. Nach allem, was passiert war, fühlte ich mich von ihm verraten.
>Liv, warte< sagte Ruhn ruhig, seine Stimme leise und eindringlich.
Ich wollte ihn abschütteln, wollte einfach weitergehen, aber seine Hand hielt mich fest. Nicht grob, aber entschlossen. Es war nicht die Art von Festhalten, die Schmerz verursachte, sondern die, die zeigte, dass er nicht zulassen würde, dass ich einfach davonlief.
>Lass mich los< zischte ich, den Blick starr geradeaus gerichtet, ohne ihm in die Augen zu sehen.
>Wir müssen reden< sagte Ruhn mit seiner ruhigen, aber festen Stimme. >Ich hatte keine Wahl.<
>Keine Wahl?< ich drehte mich ruckartig um, die Wut in mir kochend. >Du hast mich außer Gefecht gesetzt, Ruhn! Sand in mein Gesicht gepustet, als wäre ich… als wäre ich nichts! Und dann einfach entschieden, was das Beste für alle ist. Du hast kein Recht, mich so zu behandeln!<
Ruhn sah mich stumm an, seine Augen wie ein tiefes Meer, in dem ich keine Emotionen lesen konnte. Doch er ließ meinen Arm nicht los.
>Ich musste handeln< erwiderte er schließlich >Es ging nicht anders, Liv. Du wärst mir nur im Weg gewesen.<
Meine Augen weiteten sich, und für einen Moment konnte ich die Ungläubigkeit nicht verbergen. >Im Weg gewesen?< Ich wollte laut lachen, doch es klang mehr wie ein verächtliches Schnauben. >Du glaubst also wirklich, dass du der Einzige bist, der weiß, was zu tun ist? Dass du alles allein entscheiden musst?<
Er schwieg, seine Finger lockerten sich, aber er ließ mich immer noch nicht ganz los. >Es war die sicherste Lösung< sagte er leise, >für dich.<
Ich schüttelte den Kopf und zog meinen Arm schließlich aus seinem Griff. >Es geht hier nicht nur um Sicherheit, Ruhn. Es geht um Vertrauen.< Ich sah ihm endlich in die Augen, und meine Stimme wurde weicher, aber der Schmerz war immer noch da. >Du hast mich einfach ausgeschaltet, wie… wie Zeke es getan hätte. Ohne Rücksicht darauf, was ich wollte.<
Ruhn schwieg einen Moment länger, sein Blick glitt kurz zur Seite, als würde er über meine Worte nachdenken. >Das war nicht meine Absicht< gab er leise zu. >Aber ich konnte nicht riskieren, dass du verletzt wirst.<
Ich atmete tief ein und ließ den Blick über den dunklen Flur gleiten. >Ich kann für mich selbst entscheiden< murmelte ich und wollte weitergehen.
Doch Ruhn sprach erneut, diesmal etwas weicher, fast entschuldigend. >Liv... Es tut mir leid< Seine Worte trafen mich, aber ich wusste nicht, ob ich ihm das jetzt glauben konnte.
Ich blieb einen Moment still, bevor ich schließlich den Kopf schüttelte. >Vielleicht. Aber es ändert nichts daran, was passiert ist.< ich machte einen Schritt vorwärts, entschlossen, ihm den Rücken zuzukehren.
Doch Ruhn zog mich wieder leicht zurück, seine Hand fester um mein Handgelenk als zuvor. >Warte. Was hast du mit Zeke auf dem Dach gemacht?< Seine Stimme klang leise, aber ich spürte die Spannung darin. >Hat er versucht, dich mit seinem Hokuspokus zu beeindrucken?<
Ich drehte sich langsam um, meine Augen funkelten vor Unglauben. >Ist das dein Ernst? Was geht eigentlich mit dir und Zeke vor? Warum ist es euch beiden so wichtig, was ich mit dem anderen mache? Jedes Mal, wenn ich Zeit mit ihm verbringe, reagierst du so... und umgekehrt ist es genauso.<
Ruhn sah mich an, seine Augen suchten die meine, als wollte er eine Antwort finden, bevor er sprach. >Es ist nicht das, was du denkst< begann er langsam, doch ich wartete. Ich ließ ihm keine Chance, das Thema zu umgehen.
>Ich will nicht, dass du in eins von Zekes Spielchen reingezogen wirst< sagte er schließlich, seine Stimme rauer. >Er spielt mit den Leuten, Liv. Er täuscht vor, er sei harmlos, lässt alle glauben, er wäre nur der Typ mit dem Sand, der ein bisschen Zauber macht, aber es steckt mehr dahinter.<
Ich schüttelte den Kopf, verwirrt und frustriert. >Spielchen?< wiederholte ich. >Du tust gerade so, als würde ich nicht selbst wissen, was gut für mich ist. Zeke war nett zu mir, und ehrlich gesagt, habe ich langsam das Gefühl, dass ihr beide euch nicht leiden könnt, wenn der andere auch nur in meiner Nähe ist.<
>Es geht nicht darum, ob ich ihn leiden kann oder nicht< erwiderte Ruhn, sein Blick dunkel. >Es geht darum, dass er Grenzen nicht kennt. Er...< Ruhn hielt inne, als hätte er nicht die richtigen Worte dafür. >Er nutzt jede Gelegenheit, um Menschen an sich zu binden, sie in seine Welt zu ziehen. Und du bist kein Teil dieser Welt, Liv. Du solltest es auch nicht sein.<
Ich starrte ihn einen Moment lang an, bevor ich leise sprach >Warum sagst du das so? Denkst du, ich bin schwach oder naiv?<
Ruhn seufzte schwer, als wüsste er, dass er sich in eine Ecke manövriert hatte, aus der es kein gutes Zurück gab. >Nein, darum geht es nicht. Aber du verstehst nicht, wie Zeke funktioniert. Er ist...<
>Er ist dein Bruder< unterbrach ich ihn kühl. >Und egal, was zwischen euch vorgefallen ist, das bleibt er auch.<
Ruhn ließ meine Hand los, als hätte er es gar nicht bemerkt, dass er mich immer noch festgehalten hatte. >Es ist kompliziert< sagte er, fast widerwillig.
>Das merke ich< murmelte ich >Aber es wäre schön, wenn einer von euch beiden mal ehrlich zu mir wäre. Ich bin nicht nur ein Zuschauer in eurem Drama.<
Ruhn sah mich an, seine Kiefermuskeln angespannt, aber er sagte nichts mehr. Ich atmete tief durch. >Und was Zeke angeht, er hat mir nur gezeigt, was er mit seinem Sand alles machen kann. Hokuspokus oder nicht. Ich kann selbst entscheiden, wem ich traue.<
Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging.
>Ich hab ja gesagt die beiden haben keine Ahnung von euch Frauen< Fips stand belustigt im Türrahmen zum Wohnzimmer.
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