Wir sehen uns nur kurz um

Julien sah auf die Uhr und überlegte.
>Wir könnten zum Hotel fahren<
Ich sah ihn wenig begeistert an >Zum Hotel? Es wird doch schon dunkel und was wollen wir da?<
Julien zuckte mit den Schultern >Keine Ahnung, einfach mal nachsehen. Vielleicht schließen wir dann endlich damit ab<
Ich wusste nicht recht was ich von der Idee halten soll.
>Lumi findet die Idee auch nicht schlecht, dann können wir diese Maske in einem der Räume einsperren< sagte Lumi und setzte sich auf Jus Schulter.
>Zwei zu eins< grinste Ju und zog den Autoschlüssel aus seiner Jackentasche.

Der Gedanke, zurück zum Hotel zu fahren, ließ mich frösteln. Dort hatte all das Chaos begonnen. Jetzt, im dämmrigen Licht des Abends, erschien die Idee, freiwillig zurückzugehen, wie der Beginn eines Albtraums. Doch Julien und Lumi schienen entschlossen, und tief in mir spürte ich eine leise Neugier, fast wie der Drang, ein ungelöstes Rätsel endlich zu klären.

Julien grinste und hielt mir die Autotür auf. >Komm schon, Liv. Wenn wir das jetzt hinter uns bringen, haben wir endlich Ruhe.<

>Das sagst du so leicht< murmelte ich, bevor ich widerstrebend in den Wagen stieg. Kaum war ich angeschnallt, spürte ich, wie meine Hände leicht zitterten. Julien bemerkte es und legte kurz eine Hand auf meine. >Wir schaffen das. Es ist nur ein leerstehendes Gebäude.<

>Ein Hotel voller Erinnerungen< murmelte ich und wandte meinen Blick zum Fenster. Lumi, der kleine Geist, lehnte sich dicht an das Fenster im Fond des Wagens und sah mit einer Mischung aus Aufregung und Anspannung in die einbrechende Nacht hinaus.

Die Fahrt verlief schweigend. Nur das sanfte Summen des Motors und das gelegentliche Rascheln von Lumi, der unruhig auf der Rückbank umherglitt, durchbrachen die Stille. Mit jeder Minute, die wir dem Hotel näher kamen, schien die Luft im Wagen schwerer zu werden.

Als wir schließlich das verwitterte Gebäude am Rande der Stadt erreichten, hatte sich die Dämmerung in tiefe Dunkelheit verwandelt. Das Hotel stand da, still und verlassen, doch die alten Fenster und die bröckelnden Mauern schienen uns zu beobachten. Julien stellte den Motor ab und stieg aus, dann öffnete er mir die Tür. Ich zögerte, spürte jedoch Lumi’s winzige Hand an meinem Arm. Seine Berührung gab mir einen Moment der Ruhe.

>Bereit?< Julien sah mich fragend an.

Ich war alles andere als bereit und dennoch stieg ich aus. Julien hatte am Rand der Auffahrt geparkt. Wir liefen den langen Weg hoch zum Hotel. Es sah so aus wie immer. Verlassen, alt, herunter gekommen.
>Wir sollten erstmal nur durch die Fenster schauen< schlug Lumi vor. Ich bejahte den Vorschlag sofort.
Gemeinsam umrundeten wir das Hotel und sahen in durch die staubigen Fenster. Mit den Lampen der Handys verschafften wir uns ein wenig Licht, doch es war trotzdem wenig zu erkennen
Plötzlich hatte ich das Gefühl, jemand hätte meinen Namen geflüstert.

Ein Schauer lief über meinen Rücken, als ich es hörte, es war kaum mehr als ein hauchzartes Wispern war. Es klang vertraut, und gleichzeitig erschreckend. >Habt ihr das gehört?< fragte ich leise, während ich mich zu Julien und Lumi umdrehte.

>Was?< fragte Julien, der gerade durch ein Fenster spähte. Lumi schwebte auf seiner Schulter und sah mich mit großen, neugierigen Augen an.

>Irgendjemand hat meinen Namen gesagt… ich schwöre, ich habe es gehört< flüsterte ich und hielt inne. Das Adrenalin pumpte durch meine Adern, während ich versuchte, das Gefühl von Angst und Neugier zu kombinieren.

>Das ist bestimmt nur der Wind< versuchte Julien, mir Mut zuzusprechen, aber ich konnte die Anspannung in seiner Stimme hören. >Lass uns weitersehen.<

Wir setzten unseren Weg um das Gebäude fort, die dicken Wände schienen Geschichten zu flüstern, die nur darauf warteten, gehört zu werden. Als wir um die Ecke bogen, stießen wir auf ein großes Fenster, das einst klar gewesen war, nun aber durch Staub und Schmutz verschleiert war. Mit dem Licht unserer Handys beleuchteten wir die Innenseite.

Die Möbel im Raum sahen aus, als wären sie seit Jahren nicht mehr berührt worden. Ein alter Tisch lag voller zerknüllter Papiere, und eine kaputte Lampe hing schief von der Decke. Ich konnte den Atem anhalten, als ich eine Bewegung im Dunkeln sah. War es nur mein Einbild oder hatte ich tatsächlich etwas wahrgenommen?

>Liv, alles in Ordnung?< Julien sah mich besorgt an, als ich einen Schritt zurück trat.

>Ich… ich weiß nicht< stammelte ich. >Es ist nur… ich fühle mich beobachtet.<

>Du bist ja nicht allein. Wir sehen uns nur kurz um< Julien drängte mich vorwärts, und ich folgte ihm widerwillig.

Als wir durch den verwilderten Garten liefen, fiel mein Blick auf etwas Glitzerndes, das zwischen dem verwachsenen Gras hervorblitzte. Neugierig trat ich näher. Auf einem rostigen Gartentisch lag eine kleine, zerbrochene Sanduhr. Der feine Sand rieselte träge über die Kante des Tisches und fiel in einen kleinen Hügel auf dem Boden

>Was hat das zu bedeuten?< wisperte ich.

>Das ist nicht gut< murmelte Julien hinter mir, seine Stimme klang besorgt.

>V...Vie... vielleicht ist d...das...j..j..ja nur z...zu...zufall< klapperte Lumi mit den Zähnen.

Ich beugte mich vor, um die Scherben genauer zu betrachten. Erinnerungen überfluteten mich – die Wächter, die Sanduhren, und vor allem Zeke.

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