Schwäche

Pov Zeke

Ich saß in meiner Gefangenschaft auf dem kalten Boden, das Wasser unter mir noch immer etwa fünf Zentimeter hoch. Es kroch in meine Stiefel, kühlte meine Beine aus und schien mit jeder Minute meine Stärke weiter zu schwächen. Ich konnte spüren, wie meine Kräfte hier nicht wirkten, wie sie von dem feuchten, schalen Raum unterdrückt wurden. Meine Augen flackerten vor Wut und Ohnmacht.

Mit einem wütenden Aufschrei stieß ich meine Faust gegen die Wand, die nicht nachgab. Der Schlag hinterließ keine Delle, nicht einmal einen Abdruck, aber das dumpfe Echo hallte durch den Raum. >Verdammt!< brüllte ich in die Leere. Mein Atem ging stoßweise, und ich spürte, wie die Frustration in mir wuchs, wie ein aufgestauter Sturm, der keinen Ausweg fand.

>Ich werde sie alle zerschmettern...< knurrte ich, während ich meine Faust ballte. Die Wände schienen mich zu verspotten, als ob das Gefängnis selbst mich aufhalten wollte, mich daran erinnerte, dass ich in dieser Dunkelheit gefangen war, in einem Käfig aus Schwäche. Ich hasste es, mich schwach zu fühlen. Ich war immer derjenige gewesen, der alles unter Kontrolle hatte. Immer derjenige, der Sand formen, Träume verändern und die Grenzen zwischen Realität und Traum nach Belieben verschieben konnte.

>Wie konnte das passieren?< murmelte ich, meine Stimme nun leiser, gedämpfter, als ich mich umsah. Der Raum war leer bis auf mir das Wasser, das unerbittlich an meine Stiefel drückte. >Wie konnte ich so weit sinken?<

Mein Blick schweifte umher, suchend nach einem Hinweis, einem Zeichen, das mir helfen könnte, diesen Ort zu verlassen. Mein Verstand raste, versuchte, die Einzelheiten zu analysieren. Wer hatte das getan? Wer hatte mich hier eingesperrt? Und wieso hatte ich das Gefühl, dass dies kein gewöhnlicher Feind war? Es musste jemand sein, der wusste, wie man mich schwächt, jemand, der über meine Kräfte Bescheid wusste.

Und dann fiel mir Ruhn ein. Ruhn, der in letzter Zeit immer unnahbarer geworden war, sich von mir distanzierte, als ob eine unsichtbare Mauer zwischen uns errichtet worden wäre. Seit seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft war Ruhn anders. Es war, als hätte er mich aus seinem Leben ausgeschlossen, und das machte mich misstrauisch.

>Verdammt, Ruhn... was verheimlichst du vor mir?< fragte ich leise in den Raum, meine Augen blitzten vor Zorn. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Und diese Veränderung machte mich nur noch wütender. Vielleicht hatte dieser seltsame Bruch zwischen uns zu meiner aktuellen Situation geführt. Vielleicht hatte Ruhn mich absichtlich geschwächt. Ohne es zu wissen, mich vom wesentlichen abgelenkt.

Ich schnaubte. Der Gedanke, dass ich hier festsaß, während Ruhn da draußen frei herumlief, machte mich rasend. Ich knirschte mit den Zähnen, meine Finger ballten sich erneut zu Fäusten. Doch dann kam mir ein weiterer Gedanke – Liv. Seit sie aufgetaucht war, hatte sich vieles verändert. Ihr Auftauchen war wie ein Katalysator für all das Chaos. Aber warum machte ich mir plötzlich Gedanken um sie?

Ich spürte, wie die Wut in mir zu kochen begann, aber diesmal war es nicht nur Frustration. Es war auch etwas anderes – eine Art von Sorge, die ich mir selbst nicht eingestehen wollte. Es war, als würde ich etwas fühlen, das ich schon lange nicht mehr zugelassen hatte. >Verdammt...< murmelte ich, während ich erneut die Wände musterte.

Ich wollte raus. Und ich würde rauskommen. Aber wie?

Ich blieb eine Weile still, während mein Atem langsam ruhiger wurde. Doch die Ruhe war nur eine Fassade, eine dünne Schicht, die die brodelnde Wut darunter verdeckte. Um nicht völlig die Kontrolle zu verlieren, musste ich mich ablenken. In einem Moment der Klarheit begann ich, meine Gedanken zu ordnen, mich auf das zu konzentrieren, was ich noch tun konnte.

Ich kauerte mich hin und zog meinen nassen Stiefel aus. Das Wasser platschte leise, als ich ihn zur Seite legte. Dann beugte ich mich über den Stiefel und untersuchte die Innensohle. Es war ein simpler Trick, aber manchmal half es, einen Blick auf die eigenen Hilfsmittel zu werfen. Ich hatte viele Geheimnisse in meiner Kleidung verborgen. Ich tastete die feinen Rillen ab, suchte nach etwas, vielleicht nach einem Funken Sand, einem Überbleibsel meiner Macht, das mich aus diesem verfluchten Käfig holen konnte. Doch da war nichts, nur kaltes, durchweichtes Leder.

>Großartig...< stellte ich verbittert fest. Der Sand, der mir sonst immer zur Verfügung stand, war vollständig weggespült worden. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als nach einer neuen Lösung zu suchen.

Mein Blick wanderte zur Decke. Sie war dunkel und hoch, fast wie der Nachthimmel, nur dass keine Sterne zu sehen waren. Ich hasste es, keinen Ausweg zu erkennen. Während ich nach oben starrte, ging mir durch den Kopf, wie ich normalerweise mit einer Bewegung der Hand einen Weg hinaus geschaffen hätte. Jetzt aber war ich gefangen, und das tat mehr weh, als ich zugeben wollte.
Die Sandfrau war zurück ins Traumland, um dafür zu sorgen, dass dort nicht alles den Bach unterging während ich weg war.

Unruhig stand ich auf und begann, im Raum auf und ab zu gehen. Meine Schritte platschten in dem seichten Wasser, das mich wie ein ständiges, lästiges Flüstern folgte. Immer wieder wanderte mein Blick zu den Wänden, als ob ich in der schlichten Dunkelheit eine Antwort finden könnte.

>Wie haben sie das gemacht?< murmelte ich wieder vor mir hin. >Wie haben sie mich überrascht?< Ich wiederholte die Abläufe in meinem Kopf, versuchte, jede Kleinigkeit zu analysieren. Ich war normalerweise immer derjenige, der die Kontrolle behielt, der wusste, was als Nächstes kam. Doch hier war ich blind. Und das machte mich verrückt.

Plötzlich kam mir ein Gedanke. Ich ging zurück zu der Stelle, wo ich vorher gesessen hatte, kniete mich hin und tastete das Wasser ab. Mit den Fingern fischte ich kleine Brocken heraus. Reste von etwas, das im Wasser gelöst worden war. >Salz...< flüsterte ich >Natürlich.<

Die Erkenntnis, dass meine Macht durch das Salz im Wasser blockiert wurde, traf mich wie ein Schlag. Salzwasser war eine der wenigen Dinge, die meine Sandkräfte neutralisieren konnten. Ich biss die Zähne zusammen. Es musste jemand sein, der meine Schwächen genau kannte.

Als die Wut in mir erneut aufflammte, trat ich gegen die Wand. Das Wasser spritzte hoch, doch die Wand blieb ungerührt. >Das ist doch lächerlich...< knurrte ich. >ich sollte da draußen sein und ihnen den Hintern versohlen, nicht hier sitzen und warten.<

Ich dachte wieder an Liv. Ich hasste es, dass ich mich um sie sorgte. Ich wollte mich nicht um Menschen kümmern, das war nicht meine Aufgabe. Aber irgendetwas an ihr brachte mich zum Nachdenken.

Die Tür flog krachend auf, und mein Kopf ruckte hoch. Drei Männer mit Masken stürmten herein, ihre Schritte hart und zielgerichtet. Sie bildeten eine unheimliche Einheit, kein Wort verließ ihre Lippen, und doch war klar, dass sie genau wussten, was sie taten.

Ich wich instinktiv zurück. >Was zum...?< Der kalte Griff der Angst packte mich, als ich ihre maskierten Gesichter fixierte. Das war nicht das erste Mal, dass ich Maskenmänner sah, aber diesmal fühlte es sich anders an. Ohne meine Kräfte, ohne die Sandkontrolle, könnte ich verwundbar sein. Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich auf mich allein gestellt, und ich hasste dieses Gefühl.

Einer der Männer machte einen schnellen Schritt auf mich zu. Ich wich zurück, die Wände des Raums schienen plötzlich viel näher zu kommen, und ich spürte das kalte Wasser unter meinen Füßen. Der Boden war glitschig, und ich verlor das Gleichgewicht. Mit einem überraschten Keuchen stolperte ich nach hinten und landete mit einem harten Aufprall im Wasser. Das kalte Nass schlug über mir zusammen und spritzte in alle Richtungen, als ich mit einem dumpfen Platschen fiel.

Das Wasser war eiskalt, durchtränkte meine Kleidung sofort und drang in jeden Winkel meines Körpers. Für einen Moment kämpfte ich gegen den Instinkt an, mich zu wehren, mich gegen diese Männer aufzulehnen, die mich wie ein Tier in die Enge trieben. Doch dann durchzuckte mich die Erinnerung an meine verschwundenen Kräfte wie ein Blitz. Was, wenn ich jetzt wirklich verwundbar war? Was, wenn ich keinen Sand mehr kontrollieren konnte? Was, wenn ein Schlag, der mich früher nur aus dem Gleichgewicht gebracht hätte, mich jetzt töten könnte?

Meine Gedanken rasten. Ich konnte es mir nicht leisten, einen Fehler zu machen. Nicht hier. Nicht jetzt. Die Männer näherten sich mir, ihr Schweigen war lauter als jeder Schrei. Sie waren zu dritt, und ich ... ich war hilflos.

Ich zog mich mit zittrigen Händen aus dem Wasser heraus, die Kälte kroch in meine Knochen, als ich mich langsam aufrichtete. Die Maskenmänner blieben dicht bei mir, wie Jäger, die ihre Beute umzingelten. Ich konnte ihre Atemzüge durch die Masken hören, doch keine Worte. Keine Erklärungen.

>Was wollt ihr von mir?< meine Stimme klang rau, brüchig. Doch die Männer schwiegen weiter. Ein Blick in ihre Augen hätte mir vielleicht Aufschluss gegeben, doch es war zu dunkel. Sie wirkten wie leblose Puppen, die nur auf Befehl handelten.

Einer der Maskenmänner hob die Hand, und ich zuckte zusammen. Instinktiv erwartete ich einen Schlag, doch stattdessen blieb der Mann ruhig stehen und deutete in eine Richtung. Ich folgte dem Blick und sah eine zweite Tür, die sich hinter uns im Raum auftat. Mein Herz raste.

Ich wusste nicht, ob sie mich in eine Falle lockten oder ob dies vielleicht der einzige Weg war, um weiterzukommen. Aber eines wusste ich sicher. Ich konnte mich nicht wehren. Nicht so, wie ich war.

Die Tür knarrte leise auf, und ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Maskenmänner traten beiseite, und in dem Moment, als die zwei Männer eine Gestalt in den Raum warfen, verkrampfte sich mein Magen. Die Männer zogen sich wortlos zurück, ihre Schritte hallten dumpf im Raum wider, bis die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel und das metallische Geräusch der Riegel in der Stille nachklang.

Ich starrte auf die Gestalt, die am Boden lag, das Wasser um sie herum leicht spritzend. Wer auch immer es war, er bewegte sich langsam, stützte sich auf die Hände, um sich aufzurichten. Ich konnte nicht genau sehen, wer es war, doch irgendetwas an der Art, wie die Person sich bewegte, ließ ein unangenehmes Gefühl in mir aufsteigen. Ein Knoten bildete sich in meinem Magen.

Mein Herzschlag beschleunigte sich. >Das kann nicht sein...<

Die Gestalt richtete sich vollends auf, das Gesicht war nun halb im Licht zu sehen. Ein Mantel, schwer und vertraut, ein Hut, der leicht verrutscht war. Ich hielt den Atem an, als ich endlich denjenigen erkannte, der vor mir stand.

Ruhn.

Mein ganzer Körper versteifte sich. >Das... das ist ein verdammter Witz, oder?< ich versuchte, den Schock zu verbergen, aber meine Stimme klang hohl. Mein Kopf ratterte, Gedanken überschlugen sich in wildem Durcheinander. Ruhn. Von allen möglichen Leuten... Ausgerechnet Ruhn.

Ruhn schwankte leicht, als er vollends aufstand, das Wasser unter ihm plätscherte leise. Sein Gesicht war eine Maske aus Ruhe, aber ich erkannte die versteckte Anspannung in seinen Augen. Ruhn sprach noch nicht, sah mich nur an, während der Raum sich mit schwerer Stille füllte.

Ich ballte die Fäuste. >Wie... Wie zum Teufel bist du hier gelandet?< ich versuchte, die aufsteigende Wut zu kontrollieren, doch es gelang mir nicht vollständig. Die Tatsache, dass ich hier gefangen war und jetzt auch noch mit Ruhn, setzte mir zu. >Und warum?< Es war keine einfache Frage. Da steckte mehr dahinter, das spürte ich.

Ruhn schloss kurz die Augen und atmete tief durch, bevor er antwortete. >Es war Teil des Plans.<

Ich schnaubte. >Plan? Du willst mir sagen, dass es dein Plan war, dich hier einsperren zu lassen?< Sarkasmus tropfte von meinen Worten, doch tief in mir regte sich die Furcht. >Was hast du vor, Ruhn? Und was hat es mit diesen Maskenmännern auf sich?< Ich brauchte Antworten, aber Ruhn war wie immer verschlossen, sprach in Rätseln.

Er wich meinem Blick aus, die übliche Ruhe umgab ihn wie ein Mantel. >Es war nötig, um zu dir zu gelangen.< Seine Stimme war ruhig, fast zu ruhig, als würde er bereits die nächsten Schritte im Kopf planen. Ich erkannte diesen Ausdruck nur zu gut. Ruhn hatte einen Plan, das stand fest. Aber ich selbst war nicht sicher, ob ich darin eine Rolle spielen wollte. Nicht in meiner derzeitigen Lage.

>Zu mir?< ich lachte trocken, der Klang war leer und bitter. >Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment auffassen soll oder als weiteren Albtraum.<

Ich musterte Ruhn, meine Gedanken rasten. Warum war er hier? War das wirklich Teil eines größeren Plans? Oder war er genauso in die Falle getappt wie ich? Ich spürte, wie sich meine Fäuste erneut ballten, doch diesmal vor Unbehagen. Was auch immer Ruhn vorhatte, es schien komplizierter zu sein, als er bereit war zuzugeben.

Ruhn schwieg einen Moment, dann trat er langsam näher. >Es gibt Dinge, die wir klären müssen, Zeke.<

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn an. >Ach, jetzt plötzlich? Hier drin?< Meine Wut kochte wieder hoch. Was soll dieses geheime Spiel, Ruhn? Warum ausgerechnet jetzt?

Doch Ruhn antwortete nicht direkt. Stattdessen sah er mir in die Augen, ein Ausdruck, der mich nur noch mehr beunruhigte.

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