Gute Gesellschaft
Pov Zeke
Ich lag ausgestreckt auf dem Sofa in meinem Haus, die Augen halb geschlossen, während ich gedankenverloren an die Decke starrte. Der Raum war still, aber in meinem Kopf rasten die Gedanken. Ich hatte das Weite gesucht, nachdem Ruhn der Kragen geplatzt war. Ruhn, der immer die Fassade des kühlen, kontrollierten Wesens aufrechterhielt, hatte genug von meinen Sticheleien. Und ich... ich hatte es übertrieben, das wusste ich.
>War wohl ein bisschen zu viel diesmal< murmelte ich vor mir hin und drehte mich auf die Seite. Ich konnte mir vorstellen, wie Ruhn reagiert hatte, die brodelnde Wut unter der sonst so perfekten Kontrolle. Ich wusste, dass Ruhn zu allem fähig war, wenn er wütend war und heute hatte ich ihn zweifellos an die Grenzen getrieben.
Ich seufzte schwer und schloss die Augen. Ruhn und die anderen Wächter, sie verstanden das große Ganze einfach nicht. Sie sahen die Dinge immer nur in Schwarz und Weiß, in ihrer festen Rolle als Beschützer und Lenker der Realität. Aber ich? Ich sah die Grauzonen. Die Lücken, die man nutzen konnte, die Dinge, die man ändern konnte, wenn man nur den Mut hatte, sie zu hinterfragen.
Aber das war auch genau das Problem. Während die anderen Wächter sich ihrer Aufgabe widmeten, hielt ich an den Erinnerungen fest, die die anderen längst vergessen hatten. Erinnerungen an das, was sie einmal waren... bevor sie zu Wächtern wurden. Bevor sie ihre Menschlichkeit verloren.
Ruhn war besonders anfällig für diese Erinnerung, auch wenn er es niemals zugeben würde. Und ich wusste, wie ich an diesen verborgenen Faden ziehen konnte, um Ruhn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Aber diesmal war ich zu weit gegangen. Ruhns Wut war gefährlich. Gefährlicher, als ich es mir eingestehen wollte.
>Tja, jetzt steck ich in der Klemme< murmelte ich und zog ein Kissen unter meinen Kopf. Ich konnte nicht ewig hier auf dem Sofa bleiben, aber eine Konfrontation mit Ruhn wollte ich im Moment auch nicht riskieren. Vielleicht, wenn sich die Dinge wieder beruhigt hatten. Aber ich wusste, dass das nicht einfach werden würde.
>Vielleicht sollte ich einen Schritt zurückgehen< dachte ich laut, während ich mich träge vom Sofa erhob und durch das Fenster in die ferne Dunkelheit starrte. >Oder zumindest einen Plan B ausarbeiten. Ruhn ist unberechenbar, wenn er wütend ist...<
Ich schüttelte den Kopf. Nein, das würde nicht funktionieren. Ich konnte nicht einfach warten. Wenn Ruhn wirklich die Kontrolle verlieren würde, könnte alles in Gefahr geraten, und das durfte nicht passieren. Ich musste einen Weg finden, Ruhns Wut zu besänftigen, ohne dabei zu viel von mir selbst preiszugeben.
>Vielleicht brauche ich einfach eine Pause...< ich ließ mich wieder auf das Sofa fallen und legte die Hände hinter den Kopf. Doch selbst jetzt konnte ich die Unruhe nicht abschütteln. Denn so sehr ich die Machtspiele zwischen den Wächtern genoss, so sehr wusste ich auch, dass wir alle uns im Kreis drehten.
Und irgendwo, tief in meinem Inneren, wusste ich, dass meine Spielchen irgendwann ein gefährliches Ende nehmen könnten. Aber das bedeutete nicht, dass ich aufhören würde. Nicht, solange der Plan lief.
Ich lag immer noch auf dem Sofa, als der vertraute Sandwirbel im Raum erschien. Leicht und sanft rieselten goldene Körnchen zu Boden, die sich zu der geschmeidigen Gestalt der Sandfrau formten. Ohne ein Wort setzte sie sich neben mich, so vertraut, als wäre es der selbstverständlichste Ort der Welt. Sie schob ein Knie auf das Sofa und neigte sich leicht zu mir. Ihre Bewegungen waren fließend, ruhig, fast hypnotisch.
Ich öffnete ein Auge und grinste schwach. >Wieder mal nicht zu stoppen, hm?< murmelte ich, meine Stimme leicht heiser. Die Sandfrau antwortete nicht sofort, sondern legte sanft eine Hand auf meine Stirn, ließ ein paar feine Sandkörner über meine Haut rieseln, als würde sie mir eine Art Trost spenden.
>Du siehst müde aus< sagte sie schließlich, ihre Stimme leise und sanft wie ein Windhauch. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und es lag ein tiefer Hauch von Fürsorge darin. Ich schloss die Augen wieder, genoss den kühlen, beruhigenden Druck ihrer Hand.
>Es ist nicht leicht, all das allein zu tragen< fuhr sie fort und strich mir mit einer fließenden Bewegung eine Strähne von der Stirn. Es war eine Geste von tiefer Vertrautheit, fast intim, die keiner anderen Person in meinem Leben erlaubt gewesen wäre. Aber bei der Sandfrau war es anders. Sie war meine Schöpfung, ja aber sie war auch das Einzige, was mir echte Nähe bot. Das Einzige, das konstant an meiner Seite war, in dieser ewigen Unruhe, die mich umgab.
>Du weißt, dass ich immer hier bin< flüsterte sie leise, während ihre Finger sanft über ?einen Arm strichen. Ich seufzte leise und drehte meinen Kopf zur Seite, sodass ich zu ihr aufsehen konnte. Ein seltener Moment, in dem meine sonst so spöttische Maske bröckelte.
>Manchmal bist du ein bisschen zu nah< sagte ich, halb im Scherz, aber ich machte keinen Versuch, sich von ihr zu entfernen. Ihre Nähe war wie ein Anker in einem Meer aus Unsicherheit. Sie lehnte sich leicht zu mir, legte ihren Kopf an meine Schulter, und ich spürte die Wärme ihres Körpers.
>Ich habe dich geschaffen, weil ich jemanden gebraucht habe< sagte ich leise, fast widerwillig, als hätte ich mir das selbst erst jetzt wirklich eingestanden. >Jemanden, der bleibt, egal was passiert. Der mich versteht.< ich lachte kurz, trocken. >Aber manchmal denke ich, du verstehst mich besser, als mir lieb ist.<
Die Sandfrau lächelte sanft, ohne etwas zu sagen. Sie legte ihre Hand auf meine Brust, spürte den leichten Herzschlag darunter. Ich hatte das Gefühl, als könnte sie meine Gedanken lesen, meine Zweifel spüren. Es war ein Gefühl von Nähe, das ich sonst nirgends fand. In all den Intrigen, den Lügen, den Manipulationen war sie die Einzige, bei der ich mich nicht verstellen musste.
>Du weißt, dass ich dir helfen werde, was auch kommt< flüsterte sie. Ihre Stimme war fast hypnotisch, eine Mischung aus Wärme und fester Überzeugung. >Ich bin dein Spiegel, Zeke. Alles, was du mir gibst, bekommst du zurück<
Ich schloss die Augen, während sie sanft ihre Finger durch mein Haar gleiten ließ. Für einen Moment ließ ich die ständige Anspannung von mir abfallen, ließ mich einfach in ihre Nähe fallen. Es war das Einzige, was ich mir in all den Jahren erlaubt hatte – diese fragile, aber doch tiefe Bindung zu meiner eigenen Schöpfung. Vielleicht war es nicht echt, nicht in dem Sinne, wie es für andere war, aber es war das Einzige, was mir geblieben war.
>Ich weiß< murmelte ich schließlich, meine Stimme leiser geworden. >Du wirst immer da sein.<
Die Sandfrau und ich lagen noch eine Weile schweigend da, ihre Nähe eine flüchtige, beruhigende Konstante in meiner Welt. Doch plötzlich durchzuckte mich ein Gefühl. Ein seltener, fremder Gedanke, der wie ein elektrischer Schlag durch meine Sinne ging. Jemand war hier, im Traumland. Jemand, der hier nicht hingehörte.
Ich richtete mich abrupt auf, und ein kaltes, wissendes Lächeln legte sich auf meine Lippen. >Liv< murmelte ich leise, fast wie eine Vorahnung. Natürlich. Wer sonst? Diese Frau wusste immer, wie sie sich einmischen konnte. Aber das machte es nur interessanter. Spannender.
Die Sandfrau hob den Kopf und sah mich fragend an. Sie schien die Veränderung in meiner Haltung zu spüren, den plötzlichen Drang, der durch mich ging. Doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte ich mich schon aufgesetzt und sie mit einem schnellen Stoß von mir geschoben, sanft, aber bestimmt.
>Es wird wohl doch noch ein spannender Tag< sagte ich, während ich mich geschmeidig vom Sofa schwang, meine Glieder streckte und das Kribbeln des aufkommenden Spiels genoss. Der Ausdruck in meinen Augen war wach, hell und voller Vorfreude.
Die Sandfrau blieb ruhig, beobachtete mich mit einem leisen Seufzen, als ich mich in Bewegung setzte. Sie wusste, dass ich in diesem Moment ganz in meinen Plänen versunken war. Sie würde mir folgen, wann immer ich es verlangte, aber jetzt war ich auf der Jagd. Das war mein Moment.
Ich öffnete die Tür meines Hauses, und mit einem Schritt trat ich hinaus in das unendliche Reich des Traumlandes. Die Farben des Himmels, die sich in endlosen Wellen über das Land zogen, spiegelten mein inneres Aufwallen wider. Hier draußen war ich der Herr, der Meister meines eigenen Reichs.
Meine Augen verengten sich, als ich die Anwesenheit von Liv spürte. Sie war hier und sie suchte nach Antworten. Ein gefährliches Spiel, dachte ich amüsiert. Aber wenn sie so mutig war, es zu wagen, dann würde ich ihr nur zu gerne Gesellschaft leisten.
Ich lächelte. >Na dann, Liv< flüsterte ich in die weite Stille des Traumreichs. >Lass uns sehen, was du hier wirklich suchst.<
Zielstrebig setzte ich meine Schritte durch den weichen, unendlichen Sand, der sich wie eine unaufhörliche Welle über das gesamte Traumland erstreckte. Jeder Schritt von mir war ruhig und bedacht, als hätte ich alle Zeit der Welt, und doch brannte in mir das Verlangen, Liv zu finden. Ein Schachspiel hatte begonnen, und ich wollte derjenige sein, der den letzten Zug machte.
Irgendwann hielt ich inne. Vor mir, inmitten des seltsam friedlichen Traumlandes, entdeckte ich Liv. Sie war in die Hocke gegangen und beugte sich zu einem kleinen, bunten Wesen hinunter, das für sie fast unwirklich wirken müsste. Sein Fell war plüschig, weich und schimmerte in Regenbogenfarben, während es sich vertrauensvoll an Liv schmiegte, als würde es sie lange kennen. Ihre Finger glitten sanft durch das weiche Fell, und für einen Moment sah sie so aus, als wäre sie ganz in dieser friedlichen Geste versunken.
Ich beobachtete die Szene aus der Ferne. Meine Augen verengten sich, während ein leises Lächeln meine Lippen umspielte. Liv in dieser ruhigen, beinahe zärtlichen Haltung zu sehen, war unerwartet. Sie hatte einen Weg gefunden, sich in meinem Reich zu bewegen, als gehörte sie hierher. Als wäre sie eine Herausforderung, die ich nicht so leicht durchschauen konnte. Das faszinierte mich.
Ich lehnte mich gegen einen Baum aus feinem Sand und ließ meine Finger durch die Luft gleiten, kleine Sandkörner wirbelten spielerisch um meine Hand. Ich wusste, dass Liv mich noch nicht bemerkt hatte, doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sie spürte, dass sie nicht allein war. Der Gedanke daran, wie sie auf meine Anwesenheit reagieren würde, ließ mich grinsen.
Das bunte Wesen schnurrte leise unter Livs Hand und sah sie mit großen, vertrauensvollen Augen an. Sie lächelte, und für einen Moment schien die Spannung, die sie durch das Traumland führte, zu verschwinden. Doch ich wusste es besser. Liv suchte nach etwas und ich würde derjenige sein, der ihr zeigte, was es wirklich war.
Ich trat einen Schritt vor, der Sand unter meinen Füßen raschelte kaum hörbar.
Ich lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und beobachtete Liv, wie sie behutsam über das Fell des kleinen Wesens strich. Ein Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus. Sie hatte keine Ahnung, worauf sie sich einließ und genau das machte es so amüsant.
>Du glaubst also, du findest hier Antworten, hm?< fragte ich und ließ meine Stimme in einem sanften Spott schwingen. Liv blickte auf, offensichtlich unbeeindruckt, aber fest entschlossen. >Ja, das weiß ich< erwiderte sie knapp, ihre Augen fixierten mich, als wollte sie mich durchschauen. Aber ich wusste, dass sie das nicht konnte. Nicht wirklich.
Ich schüttelte den Kopf und trat einen Schritt näher. >Du wirst keine Antworten finden, wenn du weiter dieses Ding streichelst.< mein Grinsen vertiefte sich, als Liv einen Moment zögerte und sich das plüschige Wesen noch einmal genauer ansah. Ihre Hand hielt inne, und dann entdeckte sie, was ich schon die ganze Zeit wusste: die spitzen, messerscharfen Zähne, die sich unter dem weichen Fell verbargen. Ihr Gesicht verzog sich vor Schreck, als sie hastig zurückwich.
Ich lachte leise, eine tiefe, amüsierte Vibration, die durch das Traumland hallte. >Du hast gerade einen Albtraum gestreichelt< erklärte ich ihr mit offensichtlichem Vergnügen. Ich ging ein paar Schritte auf das Wesen zu, das jetzt mit seinen scharfen Zähnen fletschte und einen leisen, bedrohlichen Laut von sich gab. >Sie sind nicht immer so… niedlich, wie sie scheinen. Das ist ihre Natur. Sie ziehen dich in eine trügerische Ruhe und dann, wenn du nicht aufpasst…< ich schnippte mit den Fingern, als würde ich den Biss des Wesens nachahmen. >Zack.<
Ich ließ Livs Reaktion auf mich wirken. Sie sah verwirrt und zugleich verärgert aus. Ein Anblick, der mir insgeheim gefiel. Es war dieser Moment, in dem die Fassade von Gewissheit und Kontrolle zu bröckeln begann.
>Du bist hier nicht diejenige, die die Regeln macht, Liv< fügte ich hinzu, meine Stimme nun sanfter, aber nicht weniger herausfordernd. >Aber ich kann dir helfen, wenn du mich lässt.<
Pov Liv
Zeke grinste nur, als ich meine Antwort gab, scharf und unbeeindruckt von seinem Angebot. >Danke, aber ich werde das allein herausfinden< sagte ich, meine Augen funkelten in stummer Herausforderung. Es war klar, dass ich nicht in sein Spiel hineingezogen werden wollte. Zumindest nicht ohne es zu durchschauen.
>Wie du willst< murmelte Zeke und zuckte mit den Schultern. Er hob eine Hand, und in der nächsten Sekunde löste sich der Albtraum vor meinen Augen in Nichts auf. Der bunte Fellball verschwand mit einem leisen Zischen, als wäre er nie da gewesen.
Ich entspannte mich kaum merklich, doch bevor ich es richtig realisierte, machte Zeke eine weitere Bewegung mit seiner Hand, und in einem Augenblick änderte sich alles. Ich sah an mir herunter. Das Kleid, dieses verdammte Kleid, war wieder da. Das seidige Material fiel um mich herum, perfekt wie beim letzten Mal.
>Sehr witzig, Zeke< kommentierte ich trocken, ohne mir die Mühe zu machen, die Verärgerung in meiner Stimme zu verbergen. Meine Hände fuhren über das Kleid, als würde ich nach einer Erklärung suchen, warum ich es überhaupt wieder trug.
Zeke hob eine Augenbraue, das Grinsen immer noch auf seinen Lippen. >Ich finde es steht dir< sagte er, als wäre das die selbstverständlichste Bemerkung der Welt. Er trat näher, seine Augen blitzten belustigt auf. >Und mal ehrlich, du weißt, ich konnte einfach nicht widerstehen.<
Ich sah ihn finster an, meine Arme über der Brust verschränkt. >Schön, dass du Spaß hast.< Aber innerlich kochte ich. Er spielte mit mir, und ich wusste es, doch ich würde mich nicht beirren lassen.
Zeke deutete mit einer geschmeidigen Handbewegung auf eine Sanddüne in der Ferne. Als ich den Blick hob, erkannte ich eine Decke, die sorgfältig auf dem goldenen Sand ausgebreitet war, und daneben einen Picknickkorb. Das alles wirkte so völlig fehl am Platz, dass es fast schon surreal erschien.
>Was hältst du davon, wenn wir uns dort weiter unterhalten?< fragte Zeke, sein Ton so leicht und beiläufig, als wäre das eine alltägliche Einladung. Seine Augen blitzten dabei, aber ich konnte den hintergründigen Humor in seiner Stimme hören.
Ich schnaubte leise, skeptisch. >Ein Picknick? Wirklich?<
Zeke zuckte nur die Schultern, als wäre die ganze Idee vollkommen normal. >Warum nicht? Du willst Antworten, und ich... nun, ich mag gute Gesellschaft.< Er setzte ein schelmisches Grinsen auf, während er mich ansah.
Ich musterte ihn misstrauisch. Ich wusste, dass er mit mir spielte, dass das alles ein Teil seines unberechenbaren Wesens war. Aber ich war hierhergekommen, um etwas herauszufinden, und vielleicht, nur vielleicht, konnte ich ihm auf diese Weise ein Stück weit näher kommen. Wenn auch nicht auf die Art, die er sich vorstellte.
>Fein< sagte ich schließlich, >aber keine Spielchen.<
>Ich? Spielchen?< Zeke legte eine Hand auf seine Brust, als wäre er ernsthaft empört. >Ich würde nie.<
Ich verdrehte die Augen, aber ich setzte mich in Bewegung, ging auf die Sanddüne zu. Zeke folgte mir, sein Lächeln verriet, dass er wusste, ich war noch lange nicht auf seiner Seite.
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