Ein Plan muss her

Joon schlug vor in die Stadtbibliothek zu gehen. Eine Bibliothek ist schließlich ein unauffälliger, ruhiger Ort, an dem wir uns ohne großes Aufsehen zurückziehen konnten. Joon kannte die Stadt nicht wirklich,  aber war er sich sicher, dass wir dort ein Versteck finden könnten, das nicht so offensichtlich war wie andere öffentliche Plätze.

Als wir die Bibliothek betraten, fiel uns  sofort die Stille auf. Das leise Rascheln von Papier und das gelegentliche Husten eines Besuchers verstärkten den Eindruck der Abgeschiedenheit. Die Regale voller Bücher erstreckten sich endlos vor uns, ich atmet tief durch. Ein sicherer Hafen, wo ich meine Gedanken ordnen konnte, ohne dass Fips oder White uns sofort auf die Fersen kamen.

>Perfekt< flüsterte Joon, als wir zwischen den hohen Regalen hindurchschlängelten. >Hier wird uns so schnell keiner finden.< wir gingen in einen abgelegenen Bereich, in dem alte, verstaubte Bücher standen, die längst niemand mehr zu lesen schien.

Ich warf einen letzten Blick über meine Schulter, dann setzte ich mich an einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke. Joon folgte mir und lehnte sich gegen ein Regal. >Okay, wir haben ein bisschen Zeit< sagt er. >Was ist los, Liv? Warum müssen wir unbedingt reden?<

Ich zögerte einen Moment, bevor ich sprach. Die Bibliothek gab mir das Gefühl, für einen Moment der Realität zu entkommen, doch die Gedanken in meinem Kopf waren chaotisch. Ich konnte den Kuss von Ruhn und vor allem die Bilder die ich plötzlich gesehen hatte nicht vergessen. Ich musste sichergehen, dass Joon alles verstand, was ich ihm erzählte. Nur verstand ich es selber kaum.

>Joon, da stimmt etwas nicht< begann ich leise. >Es ist schwer zu erklären, aber ich glaube... ich kann den Wächtern nicht trauen. Zumindest nicht allen. Es gibt Dinge, die ich gesehen habe, und sie passen einfach nicht zusammen.<

Joon runzelte die Stirn, sichtlich verwirrt, aber er nickte langsam. >Was meinst du? Wer hat dich belogen?<

Ich zögerte erneut, doch dann traf ich die Entscheidung, ihm die Wahrheit zu sagen oder zumindest das, was ich glaubte, was die Wahrheit war. >Es geht um Zeke. Und Ruhn. Es fühlt sich an, als ob sie etwas vor mir verbergen.<

Joon beugte sich näher, sichtlich alarmiert, aber gleichzeitig bemüht, ruhig zu bleiben. >Du sagtest du wüsstest was mit Ju ist?<

Ich blickt ihn an, nicht sicher, ob ich nicht eine falsche Hoffnung in ihm wecken würde. >Wie sieht Julien aus? Ich möchte mir sicher sein, dass es wirklich er war<

>Julien hat diesen lockeren, fast mühelosen Style. Er hat eigentlich immer lockere Hoodies und weite Hosen getragen. Seine dunklen Haare waren meistens wild und unordentlich, aber bei ihm sah das immer gut aus, als ob das Chaos auf seinem Kopf irgendwie geplant war. Er war fit. Man merkte einfach, dass er immer in Bewegung war. Seine Augen, ja, die haben so einen neugierigen, funkelnden Blick, als würde er immer den nächsten verrückten Trick oder die nächste coole Idee im Kopf haben. Sein Lächeln hatte so einen schelmischen Touch, als ob er gerade an etwas denkt, das er vielleicht besser nicht tun sollte, aber natürlich macht er es dann doch. Er hatte dieses Talent, mit seiner Präsenz den Raum zu füllen, aber ohne jemals aufdringlich zu sein. Es war eher so, dass man einfach dabei sein wollte, wenn er etwas Neues startete.< Joon schien seinen besten Freund direkt vor Augen zu haben, während er sprach.

Ich hingegen begann zu grübeln >Diese weiten Klamotten könnten passen, bei allem anderen bin ich mir nicht so sicher<

>Wo glaubst du überhaupt ihn gesehen zu haben?< fragte Joon.

In meine Wangen schoss ungewollt hitze, es erschien mir doch etwas peinlich, darüber zu sprechen. >Als ich draußen im Garten war, bevor dieser Unbekannte mich verletzt hat da ... naja ... hat Ruhn< ich atmete tief durch >Er hat mich geküsst, einfach so. Und dann sind plötzlich diese Bilder vor meinem inneren Auge aufgetaucht. Da war dieser Mann und dann so ein helles Licht< ich musste überlegen, was ich danach gesehen hatte, aber es war so vieles passiert, dass mein Gehirn sich nicht alles zu merken schien.

>Und dann?< drängte Joon, dass ich weiter erzählte.

>Ich weiß es nicht mehr genau< gestand ich >irgend etwas habe ich danach noch sehen können, ich weiß, dass es mich erschrocken hatte und das ich den Drang hatte es dir unbedingt zu erzählen<

>Vielleicht siehst du es ja, wenn du ihn noch einmal küsst< Entgeistert sah ich Joon an. >Es war nur so ein Gedanke, aber solange White und Dark voneinander getrennt sind, könnte das sowieso schwierig werden< beschwichtige mich Joon sofort.

Da ich absolut gar nicht verstand was er meinte, erklärte er mir die zwei Seiten von Ruhn und dass sie sich voneinander getrennt hatten.

>Es gibt so vieles, dass mich mittlerweile einfach nur verwirrt< seufzte ich >das war ja noch gar nicht alles, worüber ich mit dir reden wollte< ich machte eine Pause, um mich neu zu ordnen.

>Als ich, keine Ahnung, nicht bei Bewusstsein war. Da war ich gleichzeitig im Traumland, mit so einer Zicke, aber das ist eigentlich total egal. Jedenfalls kam Zeke plötzlich und redete davon, dass irgend welche Kristalle in meinem Blut seien und wir herausfinden müssten, wo diese herkommen. Dafür wollte er irgend eine meine Erinnerungen suchen und meinte, dass dies schwierig sei< ich stockte >dafür ging das ganze tatsächlich aber ziemlich schnell und er schien genau zu wissen, was er tat< 

Ich erzählte von der Erinnerung aus meiner Kindheit und das Zeke von dort Wasser mitgenommen hatte.

>Ich vermute, dass ist das was in dem Fläschchen war, dass Zeke gebracht hatte und Fips dir gegeben hat. Danach bist du nämlich aufgewacht< warf Joon ein. Ich nickte.

>Eine Sache habe ich aber noch nicht erzählt< ich sah Joon an >Zeke hat versucht etwas dort vor mir zu verheimlichen. Der kleine Junge sagte ja, dass jemand gesagt hätte, er solle mich in das Wasser schupsen und das hatte Zeke ja gleich abgestritten. Ich habe jemanden gesehen, gerade als Zeke dabei war, das Wasser abzufüllen. Dieser jemand ist zwischen den Bäumen verschwunden. Erst dachte ich, es sei eine Einbildung, aber dann lag da etwas auf dem Boden. Zeke hat nahezu beiläufig Blätter darüber geschoben mit dem Fuß. Aber ich bin mir sicher es war Absicht. Er versucht etwas vor mir zu verheimlichen. Joon, da auf dem Boden lag Sand. Heller, funkelnder Sand. So wie Zeke ihn immer bei sich trägt und ich bin mir plötzlich ziemlich sicher, dass die Gestalt die da verschwunden war, den gleichen wehenden Umhang wie Zeke getragen hat. Und da muss jemand gewesen sein, denn Zeke hat sich auch umgesehen und wollte ganz schnell wieder weg von dort<

Joon sah mich mit großen Augen an. >Das ist alles mehr als merkwürdig. Vor allem, sagtest du doch, dass Zeke mich gesucht hätte. Seit ich da bin, hat er noch kein einziges Wort mit mir gesprochen< sagte er langsam. Er schien über meine Worte nachzudenken. 

Plötzlich fiel ein Buch mit einem dumpfen Schlag auf den Boden. Wir blickten uns hektisch um, doch es schien niemand in der Nähe zu sein. Gerade als ich aufstehen wollte, um das Buch aufzuheben, hörten ich eine zarte, mir wohlbekannte Stimme.

>Entschuldigung! Lumi wollte euch nicht erschrecken.<

Ich drehte mich um und sah Lumi, den kleinen Geist, der sanft in der Luft schwebt. Seine durchsichtige Gestalt leuchtet leicht im schwachen Licht der Bibliothek.

>Lumi?< flüsterte ich überrascht, meine Stimme kaum mehr als ein Hauch. >Was machst du hier?<

>Keine Sorge< versicherte Lumi und hob beschwichtigend die Hände. >Niemand weiß, dass Lumi hier ist. Lumi ist euch gefolgt, weil Lumi das Gefühl hatte, dass ihr Hilfe gebrauchen könntet.< Er warf einen scheuen Blick auf das heruntergefallene Buch, das jetzt neben uns auf dem Boden lag. >Und... Lumi glaubt, das hier könnte euch helfen.<

Wir sahen ihn verwirrt an. >Ein Buch?< fragte Joon skeptisch, während er sich bückte, um es aufzuheben. Es war alt und staubig, das Leder des Einbands abgenutzt, und die Seiten vergilbt. Er drehte es in seinen Händen, der Titel war kaum lesbar, aber eine seltsame Symbolik auf dem Umschlag deutete auf etwas Magisches hin. Es war eine Art Kompass.

>Was ist das für ein Buch?< fragte ich, während ich Lumi neugierig beobachtete.

>Es ist ein altes Buch, aber seht. Das da sind die Symbole von Santa, Zeke, Ruhn und Fips< erklärte der kleine Geist, seine Stimme zitterte leicht vor Aufregung. Tatsächlich waren an den Nadelenden des Kompass kleine Symbole. Ein Zahn, eine Sanduhr, ein Stein und eine Spielfigur. >Lumi ist darauf gestoßen, als Lumi in der Bibliothek nach Informationen über Mondkristalle gesucht habe. Es ist nicht einfach nur ein Buch. Lumi glaubt, es enthält wichtige Hinweise auf die Verbindung zwischen dir und den Mondkristallen, Liv.<

Ich sah das Buch in Joons Händen an >Das... das könnte der Schlüssel sein< murmelt ich, während ich mich dem Buch nähert. >Was steht da drin?<

Joon blätterte vorsichtig durch die alten Seiten, während Lumi um ihn herum schwebte und aufgeregt weiter sprach. >Die Kristalle, Liv... sie reagieren auf das Licht des Mondes, auf Träume und auf Wasser.

Joon hielt inne, als er auf einer Seite einen Abschnitt fand. >Hier, Liv< sagte er leise. >Das könnte wichtig sein.<

Ich nahm das Buch und las über die alte Legende von Mondsteinen, die imstande waren zu heilen oder zu zerstören, abhängig von der Person, die sie nutzte. Die Energie des Trägers entschied darüber, welche Macht sie entfalteten. Es gab Berichte von Menschen, die durch die Mondsteine unsterblich wurden und andere, die durch sie ihr Leben verloren.

>Wir brauchen einen Plan, um endlich herauszufinden was hier läuft< Joon sah mich ernst an. Ich nickte zustimmend, nur wusste ich nicht genau wie wir das anstellen sollten. Schließlich hatten wir es hier mit etwas zu tun, dass wir weder verstanden, noch wovon wir wirklich Ahnung hatten.

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