Die Geburtstagsparty

Der Tag meines Geburtstages war gekommen … wieder. Es fühlte sich seltsam an, als hätte ich gerade erst vor ein paar Wochen Geburtstag gehabt. Diese kleine, beharrliche Stimme in meinem Kopf ließ mich einfach nicht los. Vielleicht lag es daran, dass die letzten Tage irgendwie surreal gewesen waren. Ich schüttelte den Gedanken ab und versuchte, die Spannung in meinem Körper loszuwerden. Immerhin war heute ein schöner Tag – das musste er sein.

Quinn hatte darauf bestanden, dass ich ausschlief, also war ich an diesem Morgen endlich mal spät dran. Das helle Licht strömte durch die Fenster meiner Wohnung, und als ich mich reckte, fühlte sich der Moment an wie der Anfang von etwas Neuem. Mit einem tiefen Atemzug richtete ich mich auf und beschloss, heute alles zu genießen, was der Tag bringen würde.

Quinn hatte die Geburtstagsparty für mich geplant. Natürlich hatte sie nicht viel darüber verraten, aber wenn ich Quinn kannte, war es wahrscheinlich eine Mischung aus enger Freundesrunde und feierlichem Chaos. Ich schmunzelte bei dem Gedanken, wie sie sich wahrscheinlich seit Tagen damit beschäftigte, jedes Detail durchzugehen, und dabei alles tat, um mir gegenüber möglichst unauffällig zu bleiben.

Ich ließ mir beim Anziehen Zeit, wählte das glitzernde Kleid aus, das wir gestern gekauft hatten, und zog es an, während ein Funken Aufregung in mir aufstieg. Das war nicht mein üblicher Stil, aber gerade das gefiel mir irgendwie. Vielleicht brauchte ich auch diesen kleinen Schubser ins Ungewohnte. Es war, als würde ich etwas Altes abschütteln und ein kleines Stück Neues annehmen, ohne genau zu wissen, was das war.

Gerade als ich mir die funkelnden Kreolen anlegte, die Quinn mir ausgesucht hatte, klopfte es an meiner Tür. Ich öffnete und entdeckte sie mit einem riesigen, schelmischen Grinsen und einem bunten Ballonstrauß in der Hand.

>Überraschung!< rief sie aus, wobei die Ballons aneinander stießen und ein leises Quietschen verursachten. >Bereit für den besten Geburtstag deines Lebens, Birthday Girl?<

Ich musste lachen und fühlte eine echte Freude, die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. >Wenn du das sagst, dann auf jeden Fall.<

Sie hielt mir einen Luftballon hin und ließ mich ihn festhalten, als wäre er das Zepter eines Geburtstagskönigs. >Heute ist dein Tag, Liv! Und wir feiern, als gäbe es kein Morgen.<

Wir verließen das Haus, und draußen wartete schon eine kleine Gruppe meiner engsten Freunde, die alle riefen und gratulierten, während ich kaum glauben konnte, wie viel Mühe sich Quinn gegeben hatte. Wir schlenderten gemeinsam zum Café, wo ich die anderen begrüßte und all die kleinen Momente genoss, die sich wie wertvolle Perlen an einer Kette aufreihten.

Im Laufe des Tages wuchs mein Gefühl der Dankbarkeit – dafür, dass ich diese Freunde hatte, die Normalität, die sich heute irgendwie so besonders anfühlte. Doch hin und wieder blitzten seltsame Erinnerungen auf: ein heller Raum, der flüchtige Eindruck eines bekannten Gesichts. Joon? Oder nur ein Hirngespinst? Immer wieder tauchten kleine Bilder auf, wie flüchtige Träume, die verschwanden, bevor ich sie festhalten konnte.

Doch ich schob es zur Seite. Heute gehörte mir und diesem neuen Gefühl, das sich so stark anfühlte, als hätte ich mich selbst wiedergefunden.

Die eigentliche Party startete schon am späten Nachmittag in Quinns Garten. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, aber die Stimmung hatte schon diesen leichten Hauch von Abend, dieses unbeschwerte Gefühl, als würde alles genau so sein, wie es sein sollte. Laute Musik schallte über die Wiese, Lachen erfüllte die Luft, und der Duft von gegrillten Snacks mischte sich mit dem süßen Geruch der Blumen aus Quinns Garten. Ich atmete tief ein und schloss für einen Moment die Augen, als wollte ich jeden Duft, jedes Geräusch und jede Stimmung für immer festhalten.

Jonas war natürlich da, er konnte keine Gelegenheit verpassen, Quinn nah zu sein. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als ich beobachtete, wie er immer wieder verstohlen in ihre Richtung blickte, nur um schnell wegzusehen, wenn sie ihn bemerkte. Neben ihm stand Max, mein alter Freund aus Kindertagen, der sich wie immer viel zu cool gab, um wirklich entspannt zu sein. Mit den Händen in den Hosentaschen stand er lässig neben dem Tisch und grinste mir zu, als er mich erwischte, wie ich ihn beobachtete.

>Hey, Geburtstagskind!< rief er und hob sein Getränk, während er mir zuzwinkerte. >Schon ein Jahr älter und kein bisschen weiser, oder?<

>Hey!< Ich lachte und warf ihm ein Kissen vom Gartenstuhl zu, das er gerade noch so ausweichen konnte. >Man darf das Geburtstagskind nicht ärgern, Max.<

>Das glaubst auch nur du< konterte er und lachte.

Ich schüttelte nur den Kopf und ließ meinen Blick über die Party schweifen. Es fühlte sich gut an, alle hier versammelt zu sehen, als wären die letzten Tage, in denen alles durcheinandergewirbelt wurde, einfach nur ein verrückter Traum gewesen. Doch irgendwas in mir konnte die seltsamen Gedanken nicht ganz abschütteln. Da war immer noch dieses flüchtige Gefühl, diese Ahnung von… etwas Vergessenem. Ein kurzer Gedanke, dass vielleicht jemand – oder etwas – fehlte.

Ein Teil von mir wartete sogar fast darauf, dass jemand vorschlagen würde, zum alten Hotel zu gehen, wie wir es einmal getan hatten. Dieser Vorschlag, der damals alles verändert hatte, der uns in eine Nacht voller Geheimnisse und… Aber niemand sagte ein Wort darüber. Niemand schien sich an das Hotel zu erinnern, und ich fragte mich, ob ich die Einzige war, die die Erinnerung an diesen Ort wie ein verblichenes Foto im Hinterkopf hatte.

>Alles in Ordnung?< Quinn legte plötzlich eine Hand auf meine Schulter und sah mich neugierig an. >Du bist irgendwie… abwesend.<

Ich setzte ein Lächeln auf und zuckte die Schultern. >Ja, alles gut. Wahrscheinlich nur die Aufregung vom Geburtstag.<

>Na dann!< Sie hob einen Becher hoch und lächelte verschwörerisch. >Lass uns anstoßen! Auf Liv – die vielleicht bald zur Arbeit geht, sich ein Leben aufbaut und hoffentlich eines Tages in einer megateuren Villa wohnt und mich einlädt.<

Ich lachte und stieß mit ihr an, während die anderen um uns herum zu klatschen begannen. Doch als ich den Becher an meine Lippen hob, blinzelte ich in den Himmel und sah für einen Moment ein helles Flackern, das mich an ein vertrautes, intensives Licht erinnerte – ein Licht, das irgendwo tief in meiner Erinnerung verborgen war. Ein Kribbeln lief meinen Rücken hinab, und ich hatte das Gefühl, als würde ich für einen Augenblick jemand anderen sehen, eine vertraute Gestalt, einen Freund… Joon?

Ich schüttelte den Gedanken ab und trank, während das Lachen meiner Freunde in meine Gedanken drang und mich wieder in die Gegenwart zurückholte.

>Na, Liv? Noch ganz bei uns?< rief Max über die Musik hinweg und grinste breit. >Nicht so schnell abheben, Geburtstagskind!<

Ich zwang mich, zu lachen, und nickte. >Ich bin da, keine Sorge.<

Doch während die Party weiterging und ich mich mit allen unterhielt, lachte und Erinnerungen austauschte, blieb dieses leichte Unbehagen. Es war, als würde ein Teil von mir wissen, dass ich etwas Wichtiges vergessen hatte – und dass die Antwort irgendwo da draußen war, verborgen im strahlenden Sonnenlicht dieses Nachmittags.

Es war einer dieser Momente, die sich irgendwie surreal anfühlen – als hätte ich mich in einer Filmszene wiedergefunden, ohne zu wissen, wie ich dort gelandet war. Eben noch stand ich im Garten von Quinns Elternhaus, umgeben von meinen Freunden, und plötzlich brachte sie diesen fremden Mann zu mir. Der Blick, den er mir zuwarf, war nicht unangenehm, aber voller Erwartung, als ob ich genau verstehen sollte, was er hier wollte.

>Das ist das Geburtstagskind< quiekte Quinn und deutete auf mich.

>Liv?< fragte er mit einer Stimme, die viel zu vornehm klang. Ich nickte zögernd und sah fragend zu Quinn, doch sie schien genauso verwundert wie ich und zuckte mit den Schultern.

>Ich soll Ihnen das übergeben und Ihre Antwort abwarten< sagte der Mann und hielt mir eine kleine Schachtel hin. Die Schachtel war schlicht, aus dunkelblauem Samt, und trotzdem spürte ich eine seltsame Wärme, als ich sie entgegennahm, als ob sie eine Botschaft in sich trug, die ich längst kennen sollte.

Mit einem leichten Kribbeln in den Fingern öffnete ich sie und sah zunächst einen zusammengefalteten Zettel. Ich konnte die Worte sofort entziffern:

✉️

Liebe Liv, alles Gute zum Geburtstag. Wir möchten dich zu uns nach Aachen einladen. 
P.S.: Die Kette soll dich auch weiter beschützen.

✉️

Mein Herz schlug schneller, und ich spürte, wie mir der Atem stockte. Zeke. Die Worte klangen in meinem Kopf nach, fast so, als würde ich sie von ihm selbst hören. Die anderen Namen, die zu dieser Welt gehörten, blitzten in meinem Kopf auf, wie Erinnerungsfragmente, die ich nicht ganz greifen konnte: Santa, Fips, Ruhn… Die Wächter. War das wirklich passiert? Der Zettel in meiner Hand schien mir all das zu bestätigen.

Ich hob das Papier an, und da war sie – eine silberne Kette mit einem kleinen Sanduhranhänger. Der Anblick ließ eine Welle von Gefühlen über mich hereinbrechen, die so intensiv war, dass ich sie kaum ordnen konnte. Erinnerungen, die sich nur schemenhaft anfühlten, aber gleichzeitig so real wirkten, dass mir schwindelig wurde.

>Merkwürdige Kette< murmelte Quinn neben mir und musterte den Anhänger. >Von wem ist das?<

Bevor ich antworten konnte, trat der Mann einen Schritt näher und sprach mit einer Ruhe, die wie aus einem anderen Zeitalter zu stammen schien. >Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber der Weg zurück ist noch recht weit. Kommen Sie nun mit oder nicht?<

Ich konnte kaum atmen. Die Einladung schien die ganze Realität, die ich in den letzten Stunden wieder akzeptiert hatte, infrage zu stellen. Ich fühlte mich, als stünde ich vor einer Entscheidung, die so viel größer war als ich selbst, als ob sie mir alle Antworten bringen würde, die ich gesucht hatte. Gleichzeitig wusste ich, dass ich die Vergangenheit, diese unklaren Erinnerungen, nur verstehen konnte, wenn ich ihnen erneut begegnete.

Doch bevor ich etwas sagen konnte, zog Quinn mich am Arm und grinste breit, ihre Augen funkelten vor Neugier. >Wir nehmen die Einladung natürlich an! Liv, du hast einen Verehrer, und sagst mir nichts davon?< Sie lachte und zog mich einfach mit dem Mann mit, ohne auch nur einen weiteren Gedanken an die verrückte Situation zu verschwenden.

Ich ließ mich von ihr mitziehen, während mein Blick die ganze Zeit auf die Kette in meiner Hand gerichtet blieb. Der Sand in der kleinen Sanduhr schien sich im Licht zu bewegen, als wäre er lebendig. Es war, als würde die Kette selbst mir versichern, dass dies alles wahr war – dass ich die Wahrheit erfahren könnte, wenn ich den Mut hatte, diesen Schritt zu wagen.

Wir stiegen in das schwarze Auto, das am Rand von Quinns Grundstück geparkt war. Die Türen schlossen sich mit einem leisen Klicken, und plötzlich erfüllte eine unerwartete Stille den Wagen. Quinn saß neben mir und redete ununterbrochen, vermutlich versuchte sie, den mysteriösen Fremden auszufragen, während ich selbst kaum registrierte, was um mich herum geschah. Meine Gedanken waren bereits bei dem, was mich in Aachen erwartete.

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