Der Sturm zieht auf

Ich ließ mich schwerfällig neben Fips auf das Sofa fallen. Der Polster gab unter mir nach, während ich tief durchatmete. Ich war müde, aufgewühlt, und meine Gedanken schwirrten wie ein wilder Schwarm Bienen durch meinen Kopf. Fips sah mich mit einem seiner üblichen Grinsen an, als würde er das Chaos in mir sofort spüren. Ich wusste, dass er das nicht tat, aber irgendetwas an ihm war so unverkennbar gelassen, dass es mich dazu brachte, endlich zu sprechen.

>Ich fühle mich wie ein Spielball zwischen Zeke und Ruhn< begann ich, den Kopf an die Lehne des Sofas gelehnt und die Augen halb geschlossen. >Es ist, als ob sie beide ständig versuchen, mich auf ihre Seite zu ziehen, und ich weiß nicht mal warum. Immer dieser Konkurrenzkampf zwischen den beiden... aber wieso bin ich da jetzt auch noch Teil davon?<

Fips zuckte mit den Schultern und stieß einen theatralischen Seufzer aus. >Ach, die beiden... sie haben’s schon immer so getrieben. Seit Jahrhunderten wette ich, obwohl sie sich das nie eingestehen würden. Einer will immer besser dastehen als der andere, und du... tja, du bist gerade ihr neuestes Spielfeld, wenn du verstehst, was ich meine.<

Ich schnaubte und sah Fips von der Seite an. >Das klingt ja wahnsinnig beruhigend< sagte ich sarkastisch, konnte aber nicht verhindern, dass ein schwaches Lächeln über meine Lippen glitt. >Aber du hast recht, es fühlt sich wirklich so an. Irgendwas treibt sie beide an, aber... was genau das ist, weiß ich nicht.<

Fips nickte, während er sich auf dem Sofa zurücklehnte und seine Beine locker übereinanderschlug. >Weißt du, was ich denke? Sie mögen’s einfach, im Rampenlicht zu stehen. Zeke mit seinem ganzen Sand-Gedöns und Ruhn mit seiner finsteren, mysteriösen Aura. Du bist halt diejenige, die sie beide jetzt in den Fokus stellt. Sie wollen dich beeindrucken, oder zumindest den anderen schlecht aussehen lassen.<

Ich biss mir auf die Lippe und dachte an den Moment auf dem Dach. >Apropos Zeke…< begann ich zögernd. >Ich hab vorhin jemanden mit ihm reden hören. Eine Frau, glaube ich. Als ich zurück ins Haus wollte.<

Fips richtete sich auf und sah mich mit einer Mischung aus Neugierde und einem schiefen Grinsen an. >Ah, die Sandfrau. Hab mich schon gefragt, wann sie wieder auftaucht.<

>Sandfrau?< ich stutzte. >Wer ist das?<

>Zeke hat sie vor... keine Ahnung, einer Ewigkeit erschaffen< erklärte Fips mit einem Schulterzucken. >Er hat ihr Leben aus Sand eingehaucht, weil, nun ja... er ist Zeke. Wahrscheinlich, damit sein seelenloses Herz nicht so allein ist.< Er grinste breit, aber ich sah, dass er es nicht ganz so locker meinte, wie er tat. >Er sagt immer, sie ist nur Sand und Fantasie. Aber...< Fips hielt kurz inne und hob eine Augenbraue. >Manchmal denke ich, sie ist mehr als das. Vielleicht ist sie das einzige, was er jemals erschaffen hat, das ihm wirklich was bedeutet. Na ja, abgesehen von sich selbst.<

Ich starrte ihn einen Moment an, während ich das Gehörte verarbeitete. >Das erklärt so einiges< murmelte ich. >Vielleicht ist das der Grund, warum Zeke sich immer so... verschlossen und distanziert gibt.<

Fips lachte leise. >Zeke verschlossen? Ja, vielleicht. Aber das liegt nicht nur an der Sandfrau, glaub mir. Der Typ hat mehr Mauern als eine Festung. Und wenn du ihn fragst, warum, gibt er dir wahrscheinlich eine poetische Antwort, die sich irgendwie cool anhört, aber am Ende nicht mal er selbst versteht.<

Ich konnte nicht anders, als zu schmunzeln. Fips hatte eine Art, ernste Themen in etwas leichteres zu verwandeln, ohne sie dabei weniger wichtig erscheinen zu lassen. Es tat gut, mit ihm zu reden. >Danke, Fips< sagte ich leise.

>Hey, immer wieder gern< antwortete er und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter. >Aber jetzt mal ehrlich, denk nicht zu viel darüber nach. Egal, was zwischen Zeke und Ruhn abgeht, du scheinst so toll zu sein, dass du beiden den Kopf verdrehst. Und das ist schon was wert.<

Ich lachte, fühlte mich aber auch ein kleines Stück leichter. >Du bist echt unmöglich, weißt du das?<

Fips zwinkerte. >Ja, das ist mein Charme.<

Fips lehnte sich zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, während ich noch immer über meine Gedanken nachgrübelte. Es war beruhigend, mit ihm zu reden, aber die ständige Anspannung in meinem Inneren ließ nicht so schnell nach. Fips, der scheinbar nie lange bei einem Thema blieb, wechselte plötzlich das Gespräch.

>Also, was hältst du eigentlich von Joon?< fragte er beiläufig, den Blick auf eine alte Keksdose auf dem Tisch gerichtet, die er mit den Fingerspitzen drehte. >Der Typ scheint ja echt entschlossen zu sein, seinen Kumpel zu finden.<

Ich seufzte und ließ meinen Kopf gegen die weiche Sofalehne sinken. >Ich weiß nicht, Fips. Aber ich glaube ihm. Er wirkt nicht wie jemand, der uns hier reinziehen würde, wenn es nicht ernst wäre. Aber…< ich zuckte mit den Schultern. >Er scheint selbst nicht zu wissen, wie er Julien finden soll. Alles ist so vage.<

>Tja, wenn du mich fragst, hat er sich in eine verdammt verrückte Geschichte verwickelt.< Fips klang leicht amüsiert, aber auch neugierig. >Du denkst also, er ist sauber? Keine versteckten Absichten? Kein doppeltes Spiel?<

>Ja, ich glaube schon.< ich nickte langsam. >Er wirkt einfach nur verzweifelt. Ich meine, wenn dein bester Freund verschwinden würde und du nichts hättest, an dem du dich festhalten kannst, würdest du doch auch alles versuchen, oder?<

>Da hast du wohl recht.< Fips zog eine Augenbraue hoch und machte ein nachdenkliches Gesicht, als hätte er das noch nicht in Betracht gezogen. >Der Kerl will seinen Freund zurück, das ist schon was. Die Frage ist nur, was er dafür bereit ist zu tun.<

Ich war kurz davor, weiterzusprechen, als Fips plötzlich die Fernbedienung schnappte und den Fernseher einschaltete. Ein lautes Werbejingle unterbrach meine Gedanken, und ich lehnte mich noch weiter zurück, die Augen halb geschlossen. Ich fühlte, wie die Müdigkeit mich übermannte, während der Bildschirm bunte Bilder zeigte und Fips wieder in seine entspannte Position glitt.

>Du solltest dir keinen Kopf machen, Liv< murmelte er, kaum lauter als das Summen des Fernsehers. >Irgendwie kommen wir da schon durch, wie immer.<

Ich wollte ihm noch antworten, doch die Müdigkeit war zu überwältigend. Langsam sanken meine Augenlider zu, und der Klang des Fernsehers mischte sich mit dem leisen, beruhigenden Gefühl, das Fips’ lockere Worte in mir hinterlassen hatten. Kurz darauf war ich tief in den Schlaf gesunken, während Fips neben mir weiter den Fernseher sah, als sei alles wie immer.

Pov Fips

Ich sah mit einem Seitenblick zu Liv, die so plötzlich eingeschlafen war. Ich musste leicht grinsen. Kaum hatte ich den Fernseher eingeschaltet, war sie weggenickt. Doch ich wusste, dass es nicht nur die Müdigkeit war. Ich spürte es, diese sanfte Veränderung in der Luft, das leise Flüstern, das nur eine Person verursachen konnte. Ohne hinzusehen, wusste ich, dass Zeke den Raum betreten hatte.

>Na, na, na…< murmelte ich, die Augen weiter auf den Bildschirm gerichtet, während ein alter Film lief. >Hätte ich doch fast nicht gemerkt, dass du wieder deinen Hokuspokus abziehst. Sag mal, Zeke, welches Spiel spielen wir hier? Schach oder 'Mensch ärgere dich nicht'?<

Hinter mir hörte ich ein leises Lachen. Kurz, rau, aber mit einem Hauch von Erschöpfung, wie jemand, der sich zu lange versteckt hatte. Zeke trat leise näher, und ich konnte den Sand unter seinen Stiefeln knirschen hören. Als ob ich ihn nicht sowieso schon gespürt hätte.

>Schach wäre interessant< sagte Zeke leise, >aber ich denke, es ist ein wenig komplizierter als das.<

Ich drehte den Kopf leicht und sah Zeke aus dem Augenwinkel an. Er trug seine Kapuze wie er es immer machte, wenn er etwas vor hatte. >Du machst es doch nur komplizierter. Du und dein Sand – immer dieses große Drama. Warum schickst du sie einfach in den Schlaf? Könntest auch mal was Positives mit deiner Magie anfangen.<

Zeke trat näher an Livs schlafenden Körper heran und sah kurz auf sie herab. Es war schwer zu sagen, was in ihm vorging. >Es geht ihr gut< sagte er schließlich. >Sie ist nur müde<

Ich schnaubte und stand auf um mich zu strecken. >Klar ist sie müde, wäre ich auch an ihrer Stelle, wenn ich mit euch beiden ständig zu tun haben muss. Also… was läuft jetzt, hm? Ich meine, Santa hat Oskar im Keller und versucht wahrscheinlich, ihm so viele Antworten aus der Nase zu ziehen, wie er kann. Aber mal ehrlich, Zeke, was wird das hier?<

Zeke nickte langsam. >Ja, Santa ist bei ihm. Er versucht, Antworten zu finden über die Briefe, über die Angriffe. Aber Oskar… er redet nicht viel.< Zeke verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die Wand, den Blick auf die schlafende Liv gerichtet. >Ich glaube nicht, dass er alles weiß.<

>Ach, die wissen doch nie alles, die kleinen Helfershelfer.< ich machte eine wegwerfende Handbewegung. >Aber hey, das hält Santa bestimmt nicht davon ab, es zu versuchen, oder? Der Kerl hat mehr Geduld als… na ja, als ich jedenfalls.< ich grinste breit und ließ mich wieder auf das Sofa sinken.

Zeke sagte nichts, doch das leise Zucken seiner Mundwinkel verriet mir, dass er den Scherz gehört hatte. Aber es war diese seltsame Stille, die danach folgte, die mich aufhorchen ließ. Es war nicht die Ruhe eines Plans, sondern etwas anderes. Etwas schweres, das in Zekes Kopf kreiste.

>Also… was ist der nächste Schritt?< fragte ich, meine Stimme ungewöhnlich ernst. >Wir spielen ja wohl kein Verstecken mehr, oder?<

Zeke sah mich an, ein Schatten von Sorge in seinen Augen, bevor er sich langsam aufrichtete. >Nein, Fips< sagte er ruhig. >Das tun wir nicht.<

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