20 | Retter in der Not

Also ich an ihrer Stelle hätte dem ja geantwortet, dass ihn das nichts angeht und er mich mal kreuzweise kann, aber ich bin ja nicht Romina und irgendwie nachtragender als sie...

Romina konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als sie Felix' Nachricht las. Kopfschüttelnd dachte sie über eine passende Antwort auf seinen neckischen Kommentar nach.

„Du bist schlimmer als Amir. Aber keine Sorge, ich habe es wohlbehalten nach Hause geschafft. Du kannst also entspannt schlafen gehen."

Die zwei Haken färbten sich augenblicklich blau. Sie legte erwartungsvoll den Kopf schief, während Felix unmittelbar etwas zu schreiben begann. Flüchtig schaute sie auf die Uhr. Für ihn hatte der Tag wahrscheinlich gerade erst richtig angefangen und so, wie sie ihn kannte, hatte er vermutlich noch einige Dinge abzuarbeiten. Neugierig sah sie auf das Chatfenster, als nun seine Antwort aufpoppte.

„Autsch. Der hat weh getan", beklagte er sich und brachte sie einmal mehr zum Lachen, „Wie war's denn mit dem Lichtschalterkünstler?"

Romina lachte unwillkürlich auch.

„Arschloch", murmelte sie fassungslos, bevor sie ihm antwortete, unschlüssig, wie viele Details sie ihm preisgeben wollte.

„Er war wirklich nett. Wir haben uns super unterhalten und viel gelacht. Er hat sich echt Mühe gegeben", schrieb sie.

„Mühe geben sollte eigentlich eine Mindestanforderung für ein Date sein." Romina konnte seinen bissig-trockenen Unterton förmlich hören. Doch bevor sie reagieren konnte, schob er noch einen weiteren Kommentar hinterher. „Kriegt der für sein Engagement und das ganze Nett sein jetzt von dir ne goldene Steckdose?"

Unwillkürlich huschte ihr ein breites Grinsen/Ein breites Grinsen huschte ihr übers Gesicht.

„Nee, hab noch keinen Vertrag mit ihm abgeschlossen über Elektrikertätigkeiten", konterte sie trocken. Felix schickte ein paar Lachemojis zurück.

„Muss langsam weiter machen. Wollte nur wissen, wie es gelaufen ist", ergänzte er. Romina lächelte.

„Ich sollte auch ins Bett. Ich habe morgen einen langen Tag."

„Wieso, was hast du vor?", erkundigte er sich.

„Erst muss ich arbeiten und abends habe ich noch einen Job", offenbarte sie. Felix tippte unmittelbar eine Antwort.

„Du gehst ohne mich auf ne Hochzeit?", fragte er und setzte einen misstrauischen Emoji dahinter. Sie schmunzelte unwillkürlich.

„Nein, Geschäftsessen."

„Und wo?", wollte er wissen.

„Sei doch nicht so neugierig", antwortete sie und setzte einen Lachemoji dazu.

„Hat damit nichts zu tun", leugnete er. „Ich will nur sichergehen, dass alles gutgeht."

Sie lächelte. Es gab ihr ein gutes Gefühl, zu wissen, dass er ein Auge auf sie hatte.

„The View", schrieb sie also knapp.

„Sieht er wenigstens gut aus?", bohrte er weiter nach.

„Nee, aber er hat Geld", konterte sie trocken.

„Dachte, du machst dir nichts aus materiellen Dingen", schoss er zurück. Sie verdrehte die Augen.

„Gute Nacht, Felix."

„Schlaf gut", antwortete er.

„Danke, du auch", erwiderte sie, bevor sie das Handy endgültig zur Seite legte. Lächelnd ließ sie den Abend vor ihrem geistigen Auge revuepassieren. Er war zwar anders verlaufen als erwartet, aber es war genau das, was sie gebraucht hatte. Mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen schaltete sie den Fernseher aus und ging ins Bad, um sich fürs Bett fertigzumachen.

In den kommenden Wochen traf Romina sich regelmäßig mit Elian. Jede Verabredung war genauso angenehm und unterhaltsam wie die vorherige. Sie genoss die Zeit mit ihm, selbst, wenn sie lediglich zusammen ins Kino gingen.

Als sie an diesem Vormittag ihre Arbeitsunterlagen sortierte, dachte sie mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen an ihre Verabschiedung zurück. Zunächst hatte sie geglaubt, Elian würde einen Versuch wagen, sie zu küssen, doch stattdessen hatte er sie umarmt und ihr ein Küsschen auf die Wange gedrückt. Es machte ihr nichts, dass sie es langsam angehen ließen; ganz im Gegenteil. Es gefiel ihr, dass auch Elian nichts überstürzen wollte, denn so vermittelte er den Eindruck, wirklich an etwas Festem interessiert zu sein.

„Möchtest du gleich etwas zu Essen bestellen?"

Romina schreckte aus ihren Gedanken, als Susann ins Büro zurückkehrte, die Augenbrauen hochzog und sie erwartungsvoll musterte.

„Oh ja, gerne. Sollen wir diesen neuen Italiener ausprobieren?", schlug Romina vor und heftete ein paar Blätter in einen Ordner, bevor sie ihn zuklappte und zur Seite legte.

„Super Idee", grinste Susann. „Ich glaube, der Fahrer ist ganz süß."

Romina schüttelte lachend den Kopf.

„Den Laden gibt es gerade mal drei Wochen. Woher weißt du, wie der Fahrer aussieht?"

Susann schmunzelte verschmitzt.

„Instagram", offenbarte sie. Romina verdrehte grinsend die Augen.

„Oh man", nuschelte sie. Susann seufzte schwer.

„Gönn mir wenigstens den süßen Pizzafahrer. Schließlich habe ich im Gegensatz zu dir sonst nicht so viel zu lachen, wenn es um Männer geht...", kommentierte sie trocken und ließ sich wieder auf ihren Bürostuhl fallen. Romina drehte ihr stirnrunzelnd den Kopf zu.

„Du tust, als hätte ich nen Lauf bei Typen", erwiderte sie mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen. Susann legte den Kopf schief und zog nachdrücklich die Augenbrauen hoch.

„Momentan triffst du jedenfalls öfter jemanden als ich", sagte Susann treffsicher. Romina lachte.

„Wir haben uns insgesamt viermal getroffen, einmal davon waren wir im Kino. Das zählt praktisch gar nicht", stellte sie entschieden klar, während sie sich in ihr Mailprogramm klickte. Susann sah nach wie vor neugierig zu ihr herüber.

„Bist du verknallt?", hakte sie nach, den Blick noch immer auf sie gerichtet. Romina schüttelte den Kopf.

„Nein, aber wir verstehen uns gut", räumte sie ein. Susann lehnte sich interessiert vor.

„Erzähl mir mehr", forderte sie mit vor Neugier funkelnden Augen. Romina schmunzelte, dann begann sie, von ihrer letzten Verabredung mit Elian zu erzählen. Susann hörte ihr aufmerksam zu und sog jede Information auf wie ein Schwamm.

„Klingt echt schön. Ich freue mich für dich", sagte sie, als Romina ihre Berichterstattung abgeschlossen hatte. Sie lächelte.

„Mal sehen, was sich daraus entwickelt."

„Sollen wir uns kurz zusammensetzen, um den aktuellen Planungsstatus der Workshops durchzugehen?", wechselte Susann nun das Thema. Romina nickte, dann schob sie ihren Bürostuhl an Susanns Schreibtisch, damit sie gemeinsam in die Unterlagen schauen konnten. Sie gingen die Details durch, besprachen die Fortschritte und noch ausstehenden Aufgaben und machten sich Notizen zu den offenen Punkten. Je länger sie über die Workshops sprachen, desto mehr freute Romina sich darauf, dass es endlich losging.

Sie hatten gerade ihre Besprechung beendet, als die ersten Kids das Jugendzentrum betraten, um ihren Nachmittag dort zu verbringen. Romina quatschte ein wenig mit ihnen, bevor sie sich wieder an ihre offenen Mails setzte. Dabei fiel ihr eine Nachricht in ihrem Posteingang ins Auge. Irritiert zog sie die Augenbrauen zusammen, während sie mit einem unguten Bauchgefühl den Betreff anklickte.

Hey Romina,

schlechte Neuigkeiten. Ich hatte einen Unfall und liege im Krankenhaus. Deshalb muss ich den Workshop absagen, tut mir leid.

Maxim.

Als sie die Zeilen zum ersten Mal überflog, sank ihr Herz.

„Oh nein", platzte es aus ihr heraus, den Blick noch immer betreten auf den Bildschirm gerichtet. Sie hoffte, dass der Unfall nicht allzu schlimm gewesen war.

„Was?", fragte Susann.

„Unser Rapper kann keinen Workshop geben, weil er einen Unfall hatte", erzählte sie besorgt. Susanns Augen weiteten sich.

„Wie jetzt?", fragte sie verständnislos.

„Ja, einen Unfall", wiederholte Romina. „Er liegt im Krankenhaus."

„Scheiße. Ist es schlimm?", hakte Susann nach. Romina zuckte mit den Schultern.

„Keine Ahnung, hat er nicht geschrieben. Nur, dass er den Workshop absagen muss", erwiderte sie, während sie eine Antwort tippte.

„Der Workshop ist schon in zwei Wochen...", ächzte Susann und strich sich ratlos durchs blonde Haar.

„Ich weiß", seufzte Romina. „Aber das Wichtigste ist, dass es ihm gutgeht, oder?"

Susann nickte bestätigend.

„Aber meinst du, wir finden so kurzfristig Ersatz? Oder sollen wir den Workshop streichen und den Kids sagen, dass wir ihn verschoben haben?", fragte sie. Romina runzelte ratlos die Stirn.

„Keine Ahnung. Kommt ein bisschen darauf an, was genau passiert ist und wie lang er ausfällt, oder? Lass mich ihm erstmal antworten und dann sehen wir weiter...", schlug sie vor, ehe sie ihre Nachricht formulierte. Während sie auf eine Antwort wartete, ging sie an die Bar, um sich einen Snack zu holen. Ein paar Mädchen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren hatten es sich in der Sofaecke gegenüber gemütlich gemacht und diskutierten gerade über Rachid, in den eine von ihnen verknallt zu sein schien.

Automatisch drifteten ihre Gedanken zu Elian ab. Bei der Erinnerung an ihre letzte Verabredung lächelte sie unwillkürlich. Sie hatte das Gefühl, dass sich zwischen ihnen wirklich etwas entwickeln konnte, wenn sie sich darauf einlassen würde, und freute sich auf ihr nächstes Treffen mit ihm.

Sie hatte gerade etwas Mango geschnitten und war dabei, ihm eine Nachricht zu schreiben, als ihr Handy vibrierte und eine Nachricht von Felix aufpoppte. Überrascht zog sie die Augenbrauen zusammen. Hatte er gerochen, dass sie gerade dabei gewesen war, sich bei Elian zu melden, an dem er so gern herumstichelte?

„Hey, Romy, wie läufts?", wollte er wissen.

„Alles okay. Bei dir?", antwortete sie knapp und tippte sich in ihre Nachricht an Elian zurück, doch bevor sie weiterschreiben konnte, ging Felix' Antwort ein.

„Hänge im Studio, nehmen die neuen Songs auf. Willst du später rumkommen und reinhören?"

Sie runzelte verblüfft die Stirn.

„Sicher, dass du meine ehrliche Meinung verträgst?", feixte sie. Er antwortete sofort.

„Also, bist du am Start?"

Romina schmunzelte und schob sich ein Stück Mango in den Mund.

„Sonst gerne, aber so, wie es aussieht, muss ich heute Überstunden machen. Unser Rapper hatte einen Unfall und musste den Workshop absagen. Wir schauen gerade, ob wir nur verschieben oder einen Ersatz suchen müssen", tippte sie, aß noch ein Stück Mango und sendete den Text ab. Sie wollte gerade abermals in den Chat mit Elian wechseln, als eine weitere Antwort von Felix einging.

„Wenn du Hilfe brauchst, lass es mich wissen."

Ein Lächeln huschte ihr über die Lippen. Für einen kurzen Moment dachte sie darüber nach, über ihren Schatten zu springen und sein Angebot anzunehmen. Dennoch haderte sie mit sich. Einerseits konnte er ihr Problem im Handumdrehen lösen, andererseits hatte Maxim noch nicht geantwortet und außerdem wollte sie nicht ausgerechnet Felix etwas schuldig sein. Einen Moment schaute sie einfach nur nachdenklich auf ihr Handy, doch dann schüttelte sie über sich selbst den Kopf und begann, eine Antwort zu tippen.

Also ich wäre irgendwie zu stolz, den jetzt noch um Hilfe zu bitten, und ihr? Oder würdet ihr euch denken, naja, wozu sind wir sonst "befreundet"?

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