Aus den (vergangenen) Gedanken eines Fremden (6)

Mehr?

Noch als ich die Nachricht tippe, überfällt mich ein irrwitziges Kribbeln in meinen Gliedern. Ich betrachte das Foto, das er mir noch vor ein paar Tagen geschickt hat, als ich bei Lea war. Lasse meine Finger über den Display schweben und seinen Anblick meine Phantasie anregen, ehe ich zurück auf den Chat tippe.

Die zwei Buchstaben seiner Antwort lassen das Kribbeln meine Wahrnehmung beherrschen, gemeinsam mit einer Hitze, die sich von meinem Bauch aus in alle Richtungen ausbreitet. Nur meine Finger fühlen sich eiskalt an, zittern beinahe. Ich bin nervös.

Ich will wirklich, dass er mich packt und mich gegen eine Wand drückt. Und ich will, dass er das weiß. Nur wie leite ich das Gespräch ein, ohne zu klingen, als hätte ich es nötig? Habe ich doch auch, fällt mir auf, doch für den Moment stört es mich wenig. Ich weiß, dass ich im Nachhinein vor Scham zergehen werde, aber jetzt kann ich an nichts anderes denken.

Nach einer eiligen Dusche positioniere ich mich zögerlich vor der bodentiefen Spiegeltür des Badezimmerschranks. Ich kann ihm unmöglich ein Foto von mir schicken. Auch wenn es der passende Zug wäre, um ihm zu zeigen, was ich will, und dass ich es genug will, um meine Hemmungen außer Acht zu lassen. Aber ich kann ihm kein Bild von meiner Brust schicken, unmöglich. Ich greife nach dem Handtuch, das hinter mir an der Heizung hängt, betrachte aus dem Augenwinkel meine Rückseite im Spiegel.

Das Bild ist schneller geknipst - obwohl es über die Schulter mit dem Ausrichten gar nicht so leicht ist - und zugeschnitten, als ich brauche, um rüber in mein Zimmer zu huschen, und Senden zu drücken. Ein Stück Rücken kann ich ihm zeigen, oder? So macht man das doch: Nackte Haut, aber nicht zu leicht zu haben. Und vielleicht ist es auch der dringliche Wunsch, ihm etwas von mir zu offenbaren, der mich dazu treibt. Ich will, dass er mich sieht.

Ich mache mich darauf gefasst, auf seine Antwort zu warten, doch zu meiner Erleichterung, kommt sie postwendend.

Mo! Willst du mich umbringen? Darauf bin ich nicht vorbereitet!

Ich schlucke. Jetzt heißt es Ganz oder Gar nicht.

Du wolltest mehr. Willst du das noch?

Verdammt, ja! Unbedingt!
Meine Güte, dein - darf ich das sagen? - dein Po ist sagenhaft. Ich will mehr.

Aus aufgerissenen Augen starre ich auf seine Nachricht, dann betrachte ich das Bild, das ich ihm gesendet habe.

Oh Gott! Da sind die Hormone mit mir durchgegangen. Ich hab es extra zugeschnitten, dass man nicht alles sieht, aber ich hab dir die falsche Version geschickt. Was du jetzt denken musst...

Mo, alles in Ordnung. Soll ich es löschen? Es gefällt mir, ich würde es lieber behalten. Aber ich will nicht, dass es dir unangenehm ist.

Ich hab nur Angst, was du jetzt von mir denkst.

Besonders viel zu denken, fällt mir gerade schwer.

Ein Lächeln stiehlt sich in meine Mundwinkel, einmal mehr habe ich keine Kontrolle über meine Mimik, wenn es um Jonathan geht. Ich wünschte, es wäre nicht so schwierig und er könnte hier bei mir sein. Er könnte seine warme Hand auf mein Bein legen, mich mit diesem unerschütterlich sicheren Blick ansehen und sagen, dass er mich packen und gegen eine Wand drücken wird, sobald ich dafür bereit bin.

Ich sehe dich immer noch vor mir. Deine anbetungswürdige Rückseite. Ich will nicht zu forsch sein, aber ich kann nicht anders, ich stelle mir vor, wie meine Hand auf dieser perfekten runden Pobacke zum Liegen kommt.

Rechts oder links, geht es mir durch den Kopf, doch merke selbst, dass es dafür zu früh ist. Vor Allem für mich selbst, immerhin bin ich derjenige, der nicht aufhören kann, sich vor Augen zu führen, dass Jonathan die ganze Zeit nur an Jannik denkt. Dass er ihn hübscher findet. Statt den gedachten Kommentar loszuwerden, warte ich ab, versuche es mir vorzustellen. Seine große, warme Hand...

Ich würde ganz an dich herantreten - kannst du meine Brust an deinem Rücken spüren? - und deinen Nacken küssen. In meiner Vorstellung duftest du nach vom Regen noch feuchtem Waldboden und ein wenig nach deinem Schweiß.

Obwohl ich das Ganze in die Wege geleitet habe, und das nicht zum ersten Mal stattfindet, bin ich nervös, weiß nicht recht, was ich tun soll. Vielleicht liegt es daran, dass ich im Grunde genau weiß, was ich gerne tun will, mich aber nicht traue, es offen zu sagen. Wie kriege ich ihn dazu, ohne dass er merkt, dass es meine Idee war...?

Bin ich nackt?

Ja.

Und du?

Auch.

Wenn ich mich umdrehe, kannst du spüren, wie hart ich immer noch bin. Von deinem Anblick und deiner Nähe. Ich will dich überall berühren, aber ich weiß nicht, wo anfangen, also streichle ich zuerst deine Schultern.

Das Handtuch um meine Hüften ist schnell gelöst, ich liege darauf in meinem Bett und führe mir ein weiteres Mal vor Augen, dass ich die Zimmertür wirklich verschlossen habe. Dennoch liege ich bislang nur da, mein Penis vorfreudig aufgerichtet, ohne dass ich mich im Mindesten berühren würde.

Ich mag deine Schultern. Und deine Arme. Kannst du mir einen Gefallen tun? Kannst du mich packen und mich gegen eine Wand drücken?

Mit Freuden. Du darfst mich überall berühren, wo du willst, Mo. Später. Aber jetzt drücke ich dich gegen die Wand und halte deine Hände fest mit meiner. Die andere streichelt über deine Brust. Über den kleinen Drachen. Du bist mutig, Mo, du überraschst mich. Sie gleitet weiter runter, über deinen Bauch, deinen spitzen Hüftknochen. Diese Stelle fühlt sich so fantastisch an.

Mehr. Nur noch ein Stück.

Obwohl ich nur auf meinem Bett liege, merke ich, wie ich mir der Vorstellung von ihm weiter entgegen dränge. Seine Hand auf meinem Hüftknochen lässt mein Blut sieden, aber es ist nicht genug, es reicht noch nicht aus, um überzukochen.

Stellst du dir das gerade vor und fasst dich dabei an?

Mir wird bewusst, dass ich noch immer bewegungslos daliege und gebannt auf seine Nachrichten starre. Leicht besessen.

Wenn du jetzt deinen Penis berührst, stell dir vor, dass es meine Hand ist. Ich umfasse dich und fahre langsam an deinem Schaft auf und ab. Nicht zu schnell, nicht zu fest, ich will das hier auskosten.

Du meinst, du willst mich quälen.

Ich sende den Kommentar ab und folge seiner Aufforderung. Versuche, mir das Gefühl einer Hand auszumalen, aus dem besonderen Winkel einer zweiten Person. Es fühlt sich nicht nach mir an, sondern nach jemandem, der das mit mir gemeinsam genießt. Der genau weiß, was ich mir wünsche, ohne, dass ich es aussprechen muss. Die Vorstellung zu meinen Bewegungen ist besser als alles, was ich vor Jonathan je in dieser Hinsicht erlebt habe.

Sind wir noch an der Wand?

Hilflos versuche ich, die Erwiderung einhändig einzutippen, brauche drei Anläufe, bei denen ich mit mir hadere, die Spracheingabe zu nutzen.

Auf meinem Bett.

Du bist über mich gebeugt. Deine Knie neben meiner Hüfte. Unsere Mitten berühren sich fast.

Gut. Ich nehme die Küsse an deinem Hals wieder auf und lecke über deinen Kehlkopf. Ich umfasse dich etwas fester.

Ich will deinen Rücken streicheln. Über die Schulterblätter bis hinab zu deinem Hintern. Ich versuche, dich dichter an mich zu ziehen. Damit du merkst, was ich mir wünsche.

Ist das zu offensiv? Zu früh? Ich wünschte, ich wüsste, wie die Regeln für so etwas sind. Wie man hierfür den Weg bereitet. Wie macht er das mit dem Tippen? Erregt ihn das hier überhaupt, kann er sich das vorstellen? Wie wäre es wohl, wäre das hier Wirklichkeit? Wäre es wirklich so perfekt, wie er es beschreibt? Eine kleine Kostprobe habe ich bei unserem letzten derartigen Nachrichtenwechsel bekommen, aber ich will das ganze Menü, ich will alles an Geschirr schmutzig machen, das uns zu Verfügung steht.

Mo, bist du dir sicher? Auch wenn wir nur schreiben, will ich nichts tun, das dich überrumpelt oder dir im Nachhinein unangenehm ist.

Ja! Ich meine, wir schreiben "nur", aber ich habe schon lange versucht, es mir vorzustellen, und ich will es mir mit dir gemeinsam vorstellen.

Wenn du jetzt hier wärst, oder ich bei dir, dann würden wir das auch gemeinsam erkunden. Also lass mich nicht den Rahmen vorgeben, okay? Erzähl mir, was dir durch den Kopf geht. Was tust du gerade, was siehst du vor dir?

Ich schlucke, nehme meinen Mut zusammen. Ich vertraue Jonathan und weiß, dass er mich nicht verurteilt oder das komisch findet. Er weiß genau, dass ich mit alldem hier keine Erfahrung habe, aber er erwähnt es nicht mit einem Wort. Ich befeuchte meinen Zeigefinger der linken Hand mit Speichel und führe ihn hinab, unter meinem linken Oberschenkel vorbei und tastend vorwärts zwischen meine Pobacken. Tue ich das hier wirklich? Ich bin nicht allein, Jonathan ist bei mir, ist irgendwie noch immer über mich gebeugt, sein Gesicht dem meinen ganz nah. Kann er mich noch einmal küssen? Nur noch einmal...

Ich

Ich rutsche ab und lande auf Senden, entscheide mich kurzerhand doch für die Spracheingabe, spekuliere darauf, dass das Gerät mich versteht.

Ich fasse mich an. Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Jonathan, ich will wissen, wie es sich anfühlt.

Mo! Oh meine Güte, meinst du, was ich denke?

Ich glaube schon. Ist das ok?

Das ist mehr als ok. Das macht mich mehr an als alles, was du mir bislang geschrieben hast. Wie fühlt es sich an?

Als ich seine Frage lese, bin ich noch nicht so weit, sie zu beantworten. Mein Finger kreist noch vorsichtig über die empfindliche Haut, bis ich ganz langsam den Druck erhöhe und er die ersten Millimeter hineingleitet. Ich habe ein wenig Angst davor, kenne nur die Horrorgeschichten, die Jannik mir erzählt hat, wobei er das selbst nie am eigenen Leib erlebt hat, soweit ich weiß. Was, wenn es zu doll wehtut, um weiterzumachen? Was, wenn diese Erfahrung hier dazu führt, dass ich niemals dazu bereit sein werde, es mit einer real anwesenden Person auszuprobieren?

Ich weiß nicht, es ist sonderbar.

Dann machen wir was anderes.

Nein. Bitte hilf mir.

Ich will es so sehr, diese Vorstellung von ihm: Mit mir, über mir. In mir. Bei dem Gedanken lasse ich meinen Finger tiefer dringen, beiße die Zähne aufeinander. Es ist noch immer sonderbar, aber das Bild in meinem Kopf hilft, mich zu beruhigen. Ich atme tiefer und betrachte seine Augen aus meiner Erinnerung. Halte mich gedanklich an seinen starken Schultern fest.

Oh, Mo, du bringst mich um den Verstand. Ich würde dich gern küssen, um dich von dem Schmerz abzulenken.

Mhh. Alleine die Vorstellung, seine Lippen wieder auf meinen zu spüren, flutet meinen Körper mit Erleichterung.

Lass mich das machen. Ich habe Gleitmittel da: Für den Fall, dass du mich plötzlich überfällst, muss ich ausgerüstet sein.

Um den Film vor meinem inneren Auge zu unterstützen, ziehe ich meinen Finger aus mir heraus und bilde mir ein, er würde ihn mit seinem ersetzen, als ich ihn wieder einführe. Und gleich fühlt es sich anders an, kribbelnder, wärmer. Automatisch beginne ich, meine Hand zu bewegen und merke, dass das ungekannte, kribbelige Gefühl zunimmt, während der noch unangenehme leichte Schmerz in den Hintergrund rückt.

Das ist gut.

Das ist unglaublich, Mo.

Ich weiß nicht, was mich veranlasst. Es kommt mir komisch vor, meine impulsiven, angeheizten Gedanken erst eintippen zu müssen, oder sie dem sprachumwandelnden Algorithmus in meinem Mobiltelefon anvertrauen, bevor sie zum angedachten Empfänger gelangen. Und doch ist es seltsam, seine Nummer zu wählen und das Tuten zu hören. Gleich hört er meine Stimme. Bin ich schon bereit, ihm so viel zu offenbaren? Er hat mich bereits geküsst und mehr von mir gesehen als beabsichtig, aber das hier ist ein weiterer Schritt in eine gefährliche Richtung.

Mein Finger schwebt über dem kleinen roten Symbol, aber Jonathans Stimme hält mich davon ab, es zu berühren. "Oh Gott, Mo! Willst du das wirklich?" Ein Lächeln bricht sich auf meinem Gesicht Bahn, als ich ihn keuchen höre und vage den Grund dafür vor mir sehe. Dann entspannt sich mein Gesicht wieder, mein Körper konzentriert sich auf aktuell relevantere Aspekte.

Am Telefon stelle ich den Lautsprecher an und lege es ab, um endlich beide Hände frei zu haben. Nur wofür genau? Noch immer bin ich unsicher, was diese Situation normgemäß von mir erfordert.

"Ich will das.", antworte ich leise. Höre ihn erleichtert aufseufzen.

Die folgenden paar Minuten sind geprägt von seinen ausführlichen Beschreibungen dessen, was er mit mir anstellen wollen würde, lägen wir zusammen in diesem Bett, und meinen ausführenden Handlungen. Immer wieder erkundigt er sich, ob wir uns noch in der gleichen Szene befinden, ob ich etwas umstellen möchte an der Kulisse. Zaghaft wage auch ich ein paar Unternehmungen, erzähle von mir aus von einer vorgestellten Berührung an seinem Körper, bitte ihn um mehr. Höre mir an, wie er mir mehr geben würde: Ein zweiter Finger, der in mich dringt, schnellere Reibung, ein dritter Finger, und ich spüre selbst, wie meine Bewegungen gröber werden, verwaschener. Es fühlt sich viel besser an als befürchtet, nach einer Weile, und doch kann ich nicht glauben, dass das das höchste der Gefühle ist.

Als er mir erzählt, wie er sich in Position bringt und vorsichtig Stück für Stück in mich eindringt, verliere ich die Kontrolle endgültig. Ich weiß, dass an dieser Stelle erneuter Schmerz zu erwarten wäre, gesetzt den Fall, er würde das wirklich mit mir tun. Aber für mich sind da in diesem Moment nur seine heisere Stimme, meine-seine Finger so tief in mir wie möglich, und meine Hand um meinen Schwanz, der endlich die ersehnte Aufmerksamkeit erhält.

Ich presse die Lippen aufeinander und höre mich erbärmlich wimmern. Es soll noch nicht vorbei sein, er hat nichtmal angefangen. Und gleichzeitig der Gedanke, dass das hier niemals Wirklichkeit werden wird. Vielleicht habe ich mich in eine Phantasie verliebt, aber sofern ich ihm ähnliche Gefühle unterstellen kann, hat er das doch genauso.

"Mo, lass mich..." Er unterbricht sich selbst, stöhnt gedehnt, was das brennende Kribbeln in meinem Unterbauch noch weiter anheizt. "Lass mich dich hören."

Und in dem Moment entscheidet mein Körper, es nicht länger auszuhalten. Ich stöhne, jauchze, schreie womöglich. Halte mich an dem Bild von Jonathan fest: Jonathan über mir, das länger gewordene Haar in die Stirn hängend, die Lippen leicht auseinander klaffend, die Augen angestrengt zugekniffen. Ich weiß, dass es falsch ist, es am Telefon zu sagen, aber ich weiß auch, dass das hier alles ist, was ich kriegen werde. Vor Allem, sobald er Bescheid weiß. Ich flüstere es nur ganz leise. So, dass es unter seinem eigenen Lautwerden untergeht. "Ich liebe dich." Und wieder einmal fühle ich mich damit leicht besessen.

Ich lausche ihm noch dabei, wie er zu Atem kommt, frage mich unwillkürlich, was in seinem Kopf vorgegangen, während meiner explodiert ist. Dann beende ich ohne ein weiteres Wort den Anruf.

Fast sofort trudelt eine neue Nachricht ein.

Ich weiß, ich wiederhole mich, aber: Dein Hintern ist sagenhaft. Ich will mehr. Ich will das in echt.

Ich blicke auf die verschwimmenden Worte, ärgere mich, dass ich so sensibel auf alles mit Tränen reagiere. Will er nicht, denke ich. Wird er nicht wollen. Nicht, wenn er von der Sache mit Jannik weiß. Dennoch antworte ich wahrheitsgemäß.

Ich auch.

Ich verspreche es dir. Wenn wir uns wiedersehen und alleine sind und du wirklich bereit bist, das mit mir auszuprobieren, dann werde ich dich packen und gegen eine Wand drücken.

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