Kapitel 42: Eine neue Spur
„Bringt ihn sofort in die Isolierungskammer, wenn der uns hier aufwacht richtet der noch ein riesiges Chaos an!", sagte Brienne, die überhaupt nicht begeistert war von dem plötzlichen Eindringen der jungen Krades.
Das Schattenwesen befand sich nach wie vor in einem künstlich geschaffenen Koma, doch keiner, nicht mal Dorian, konnte sagen wie lange dieses anhalten würde.
Simon und Ben griffen das Schattenwesen unter den Achseln und zogen es in die Isolierungskammer, danach verließen sie diese schnell wieder und Brienne schloss die Tür. Einmal drinnen gab es keine Möglichkeit zu fliehen. Die Kammer war sogar ausgestattet, dass Kräfte blockiert wurden. Es war eine Kombination aus mehreren Stoffen, die auf Krades und auch Ghilts hemmend wirkten. Sie büßten unter dem Einfluss dieser Substanzen ihre Fähigkeiten ein und diese Kammer bestand quasi nur daraus. Dalirium. Ihr Kryptonit.
Dorian sah das Wesen an, das von Simon und Ben auf dem Bett abgelegt worden war und konnte nicht anders als Mitleid zu empfinden. Sie hatten nie vor gehabt die Schattenwesen gefangen zu nehmen, sonst hätten sie das vorher bereits getan. Am Ende waren es dennoch Lebewesen. Wenn es möglich wäre ihnen ihren Frieden zu bereiten, Dorian würde es ohne mit der Wimper zu zucken tun. Doch am Ende bestand ihr Frieden immer nur im Tot.
Er konnte sich nicht vorstellen wie es war, zu solch einem Wesen zu mutieren. Wie war es, wenn die Emotionen Stück für Stück verschwanden, wenn alles Menschliche aus dem Organismus gedrängt wurde? Alleine die Vorstellung war grausam. Wie musste es dann betroffenen gehen die wussten, was mit ihnen geschehen würde? Wie war es Tamara damals gegangen, als Marcelle ihr die Spritze in den Hals gejagt hatte und sie gewusst hatte, dass ihr nur noch circa fünf Minuten in ihrem alten Ich bleiben würden?
Dorian wandte sich ab. Er ertrug den Gedanken nicht und ging deswegen auf Brienne zu.
„Was hast du vor mit ihm?", fragte er sie und sie blickte auf.
„Ich werde seine DNA untersuchen, diverse Bluttests durchführen und versuchen herauszufinden, ob diese Verwandlung irgendwie umgekehrt werden kann oder auf welche Art und Weise sie gestoppt werden kann.", erklärte sie sehr nüchtern und wandte sich dann wieder ab. Dorian wusste, dass nicht mehr zu sagen blieb.
„Melde dich wenn du mehr weißt!", sagte er an Brienne gewandt die lediglich nickte, ihn aber nicht weiter beachtete und so beschloss er, zurück in die Wohnung zu kehren. Er wollte Cara zeigen, dass es ihnen gut ging. Dass sie sich keine Sorgen mehr machen musste.
Dennoch ließ ihn die Erinnerung nicht los, wie diese Wesen zuerst nur auf ihn losgegangen waren und er fragte sich, warum. Er war in seinem Leben schon häufig auf Schattenwesen gestoßen, niemals hatten sie dieses Verhalten gezeigt. Da fiel ihm etwas ein und er drehte sich doch noch mal zu Brienne.
„Brienne, kannst du eine Blutprobe nehmen und diese für mich analysieren? Und zwar so, dass das erstmal unter uns bleibt?", fragte Dorian sie und bei diesen Worten blickte sie doch auf. Sie sah ihn skeptisch an.
„Warum?", Brienne war nicht dumm. Sie wusste, dass etwas im Gange war doch Dorian wusste auch, dass Brienne nicht zu den neugierigen Krades zählte.
„Ich will nur bei etwas sicher gehen...", erklärte er ihr deswegen, was sie offensichtlich zufrieden stellte. Sie wies ihn an, sich auf einen Stuhl zu setzen und seinen Arm auf der Lehne abzulegen. Dann band sie ihm etwas um den Oberarm und zehn Sekunden später stach sie die Kanüle in seinen Arm und zapfte Blut ab. Sie füllte nur eines der Röhrchen damit voll, dann zog sie die Kanüle ab und legte ein Stück Gaze darauf.
„Drück anständig drauf. Nicht, dass du mir hier alles einsaust!", erklärte sie kurz angebunden wie sie nunmal war und versah die Probe mit einem Etikett, anschließend wanderte das Röhrchen in einen Behälter.
„Erledigt, ich melde mich sobald ich die Ergebnisse habe.", erklärte sie ihm und Dorian verabschiedete sich.
Cara und Justin saßen auf der Couch und sahen sich einen Film an. Zumindest taten sie so, denn beide waren mit ihren Gedanken woanders. Cara machte sich furchtbare Sorgen um Dorian und Max. Es waren bereits drei Stunden vergangen seitdem sie sich von ihnen verabschiedete hatte und sie hatte noch kein Lebenszeichen von keinem von beiden erhalten.
Justin hingegen überlegte einen Punkt, der ihm schon länger im Kopf herum spukte, den er aber bisher nie richtig zu fassen bekam. Doch er entschloss sich dazu, Cara darauf anzusprechen.
„Cara, sag mal wie hat dich diese Sage eigentlich gefunden?", fragte er sie etwas zögerlich und sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf ihn.
„Keine Ahnung, sie hat uns im Park gesehen...", gab sie zurück doch jetzt, da er die Frage ausgesprochen hatte musste Cara zugeben, dass sie, total bescheuert, noch nicht wirklich darüber nachgedacht hatte.
„Und nochwas. Wenn deine Mutter dich damals mit einem Jahr in die Babyklappe gegeben hat, woher wusste sie wie du heute aussiehst? Woher wusste sie, dass du in New Brunswick sein würdest? Und vor allem, woher wusste sie, dass wir genau in diesem Park sein würden?", fragte Justin weitere unbeantwortbare Fragen. Natürlich. Helen konnte diese ganzen Dinge gar nicht wissen, außer...
„Du glaubst, dass sie uns verfolgt?", fragte Cara ihn und spürte ein heftiges Herzpochen. Justin lehnt sich ein wenig nach vorne.
„Ich weiß es nicht. Aber es ist definitiv seltsam, dass sie all diese Dinge weiß. Sie muss irgendwie eine Möglichkeit haben uns auszuspähen. Die Frage ist nur wie? Oder ist sie vielleicht ständig in unserer Nähe und wir bemerken es nicht?", Justin hatte damit wirklich nicht Unrecht. Aber wie könnte sie das anstellen?
In diesem Moment hörte sie ein kurzes Rauschen und plötzlich stand Dorian vor ihnen. Er wirkte müde, hatte Dreck im Gesicht aber sonst keine sichtbaren Verletzungen. Cara überlegte gar nicht lange sondern sprang auf und umarmte ihn stürmisch.
„Woah, ok, mit so einer Begrüßung hab ich nicht gerechnet!", meinte Dorian, doch er legte seine Arme dennoch um sie. Sie erfüllte ihn mit Wärme durch ihre Berührung.
„Alles ist gut. Uns geht's gut...", flüsterte er ihr ins Ohr und sie nickte, bevor sie sich zurück zog. Mit großen Augen sah sie ihn abwartend an.
„Wo ist Max?", fragte sie, als sie bemerkte, dass er nicht nachkam.
„Er ist bei Cory, ist gegen ne Steinmauer geschleudert worden. Wir können nur hoffen, dass sein hübsches Gesicht keine bleibenden Narben davon trägt.", meinte er scherzend und Cara verdrehte die Augen.
„Ihm geht es also gut? Nichts ernstes?", fragte sie dennoch und Dorian nickte.
„Nicht ernstes. Vermutlich eine leichte Gehirnerschütterung, aber wer weiß bei dem Dickschädel schon so genau.", meinte er und sah dann Justin an.
„Dickschädel. Da spricht der Richtige!", erklärte dieser und stand auf.
„Nun gut, dann ist meine Schicht wohl vorbei. Cara denk mal über das nach was wir gerade besprochen haben, vielleicht bekommen wir dadurch eine Spur zu Helen.", sagte er an Cara gewandt und schlug dann Dorian auf die Schulter.
„Gut, dass alles glatt gelaufen ist Alter.", und schon war er verschwunden.
„Ok, wir reden da gleich drüber. Ich geh mich duschen und dann erzählst du mir, was Justin gesagt hat in Ordnung?", meinte Dorian und wandte sich dann ab.
„Ich bin wirklich froh, dass es euch gut geht Dorian!", hörte er Cara noch sagen, doch er drehte sich nicht noch einmal um. Nicht weil er es nicht gewollt hätte. Nein, er musste nur an sich selber halten Cara nicht mehr zu Nahe zu kommen.
„Alles ist bestens Cara.", antwortete er und ging anschließend ins Badezimmer. Vorher holte er sich Wechselklamotten.
Vorhin, als er mit Cara hier in diesem Schlafzimmer gesprochen hatte, hatte er wieder einen kurzen Moment in Betracht gezogen sie zu küssen. Es gab nie eine Garantie dafür, dass sie unbeschadet zurück kehrten und einen kurzen Moment war ihm genau dieser Gedanke gekommen. Was wäre wenn sie sich tatsächlich das letzte Mal gesehen hätten? Er hatte wissen wollen, wie es war Cara zu küssen. Weil sie es wollte und nicht weil sie es musste. Weil sie beide es wollten.
Sowas war ihm noch nie geschehen. Es war nicht so, dass er noch niemals ein Verlangen gespürt hatte. Natürlich hatte er das und er hatte es immer gerne befriedigt. Aber mit Cara war es etwas anderes. Es war etwas das aus seinem Innersten kam. Das ihn dazu brachte sich beflügelt zu fühlen. Und das hatte er in seinem Leben mit Sicherheit noch nie gespürt.
Cara hörte, wie Dorian die Dusche einschaltete und lehnte sich im Sofa zurück. Sie spürte eine solche Erleichterung, dass sie beinah nicht fähig war richtig zu atmen. Max ging es gut. Dorian ging es gut. Sie hätte heulen können vor Freude.
Sie betrachtete den Fernseher, doch mit einem Mal beschlich sie ein ungutes Gefühl. Sie wusste nicht was es war, doch sie fühlte sich von einer Sekunde auf die Andere unwohl. Und noch bevor sie reagieren konnte, tauchte vor ihr jemand auf. Als sie aufblickte hatte dieser Jemand Max' sein Äußeres, doch Cara wusste, dass er es nicht war. Seine Augen wirkten kalt, beinahe versteinert. Sie wich zurück, doch sie kam nicht weit, denn sie saß auf dem Sofa und die Rückenlehne hinderte sie daran, noch weiter zu rutschen. Also rollte sie sich schnell von dem Sofa und stellte sich vor die Schlafzimmertür. Gerade als sie schreien wollte merkte sie, dass sie ihre Stimme verloren hatte und auch ihre Bewegungen wurden plötzlich gehemmt. Sie wusste sofort, wer dafür verantwortlich war.
„Cara du musst nicht nach Hilfe schreien, du bist sicher hier bei uns.", hörte sie Dominiks kalte Stimme, der plötzlich hinter ihr stand. Ihre Augen weiteten sich angsterfüllt, Tränen stiegen ihr in die Augen. Ihr größter Albtraum war wahr geworden. Dominik hatte sie gefunden. Und sie war vollkommen unvorbereitet.
„Cara du musst keine Angst vor mir haben...", flüsterte ihr ins Ohr und sein Atem streifte dabei ihre Wange. Cara hörte, dass sich die Dusche abschaltete und Dominik bewegte sich.
„Wir werden wohl später weiter reden müssen. Ich möchte gerne meinen Bruder begrüßen!", sagte Dominik und bei diesen Worten bekam Cara Panik. Sie versucht mit aller Kraft zu schreien, doch es kam kein Laut heraus. Sie spürte, wie die innere Panik sie beinahe erdrückte. Sie wollte nach Dominik schlagen, Dorian irgendwie warnen, doch sie hatte keine Chance.
Ihr Blick wanderte zu Marcelle, der unbeteiligt dagestanden war, der sich jetzt aber in Bewegung setzte.
„Bring sie zum schlafen und schaff sie hier weg, ich kümmere mich um Dorian.", wies Dominik ihn an und er nickte. Eine Sekunde später hielt er ihr ein Tuch an Mund und Nase und alles um Cara wurde schwarz.
Dorian hatte gerade die Dusche abgestellt, als ihn ein alarmierendes Gefühl dazu brachte sich schnell abzutrocknen und anzuziehen. Es war Angst die er in sich spürte, Angst und Wut. Und als er aus dem Badezimmer trat wusste er auch warum. Er spürte die Anwesenheit Dominiks augenblicklich und ließ sofort seine Kurzschwerter in der Hand erscheinen. Die Tür flog auf und er stand Dominik gegenüber. So nah, waren sie sich schon sehr lange nicht mehr gewesen.
„Was willst du hier Dominik?", fragte Dorian und versuchte einen Blick ins Wohnzimmer zu erhaschen.
„Du brauchst dich um Cara nicht zu sorgen, sie befindet sich bereits unbeschadet in unserer Obhut.", meinte Dominik mit kalter Stimme, die bei Dorian jedes Mal eine Gänsehaut hervor rief.
„Was hast du mit ihr gemacht?", fragte Dorian ihn unvermittelt, er musste gegen den Drang seinem Bruder eines dieser Kurzschwerter ins Herz zu rammen ankämpfen.
„Die Frage ist nicht was ich mit ihr gemacht habe Dorian, die Frage lautet was ich noch mit ihr vorhabe! Ich hatte ja keine Ahnung, dass so ein Schatz in ihr verborgen ist. Vielleicht habe ich es mir ja jetzt anders überlegt und mache sie zu meiner Partnerin, anstatt sie umzubringen.", erklärte Dominik und lächelte dabei. Es war ein abschätzendes Lächeln. Er beobachtete jede Reaktion von Dorian, der kurz die Augen zusammen gekniffen hatte.
„Oder hast du das Monopol auf sie bereits erhoben? Wird das ein Kampf unter Brüdern um die Angebetete?", Dominik wusste genau, welche Knöpfe er bei Dorian drücken musste, doch Dorian ging nicht darauf ein.
„Warum tust du das Dominik?", er wusste nicht was genau er von all den Dingen, die Dominik in den letzten Jahren verbrochen hatte, meinte aber er wollte wissen, warum sein Bruder zu solch einem Monster geworden war.
„Ganz einfach Dorian...", Dominik bewegte seine Hand und Dorian wusste augenblicklich, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Er hatte trainiert, um solchen Manipulationen zu entkommen, doch in diesem Moment schien nichts von dem, was er jemals gelernt hatte sein Bewusstsein zu erreichen.
Dominik trat auf ihn zu, er hielt etwas in der Hand.
„....weil ich es kann. Dich Dorian werden wir brauchen um Cara ein bisschen zu motivieren nach unseren Regeln zu spielen. Also schlaf gut Bruderherz, wir sehen uns schon bald wieder.", und schon hielt Dominik ein Tuch an Mund und Nase und Dorian verlor augenblicklich das Bewusstsein.
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