Kapitel 26: Manipulation



„Was ist eigentlich dein scheiß Problem Dorian? Ich wollte dir nicht weh tun und es war auch nicht meine Absicht dich auf irgendeine Art und Weise zu hintergehen verdammt! Ich habe mich doch entschuldigt.", rief sie ihm jetzt hinterher und bemerkte sofort, dass er bei diesen Worten stehen blieb. Um sie herum wurde es ein wenig heller und die Dunkelheit bündelte sich in seiner Hand. Langsam wandte er sich zu ihr um.

„Du bist mein verficktes Problem! Seitdem du hier aufgetaucht bist läuft einfach nichts mehr nach Plan und ich Vollidiot habe mich auch noch an dich gebunden indem ich dir ein Versprechen gab! Weißt du wie oft das in den letzten Jahren vorgekommen ist? Genau ein verdammtes Mal und diese Person ist jetzt tot!", er war dabei auf sie zugetreten und je näher er ihr kam, desto mehr Angst verspürte sie.

„Ich habe dir vertraut verdammt! Ich habe gelernt dir zu vertrauen und was tust du? Du rammst mir bei der ersten Gelegenheit ein bildliches Messer in den Rücken und verschwindest.", er kam immer noch näher doch Cara wich langsam zurück.

„Ich habe das nicht gemacht weil ich euch hintergehen wollte sondern weil ich euch beschützen wollte. Glaubst du etwa mir ist nicht klar, was das Ganze hier eigentlich bedeutet? Wir müssen Helen finden damit ich mich danach endlich aus eurem scheiß Leben verabschieden kann! Ich kann nicht diejenige sein die verantwortlich dafür ist, dass ihr es am Ende verliert, verstehst du es denn nicht?", sie versuchte so sehr ihm klar zu machen was in ihr vor sich ging. Das erste Mal in ihrem Leben wollte sie, dass jemand verstand was in ihr vor sich ging. Dass er wusste, was sie dachte, doch Dorian tat es nicht.

„Das ist nicht deine verdammte Entscheidung, verstehst du es denn nicht? Lucien hat uns diesen Auftrag gegeben und wir müssen ihn durchziehen, bevor du verschwinden kannst. Wenn wir das nicht hinbekommen wird unser Leben vermutlich sowieso nicht mehr so sein wie vorher. Du kannst nicht die Last der Welt auf deinen Schultern tragen ohne auch nur die geringste Ahnung davon zu haben, was hier eigentlich läuft!", sagte Dorian. Seine Worte klangen dabei vielleicht nicht so hart, aber seine Stimme war unverändert. In ihr schwang Verachtung mit.

„Aber das habe ich mein ganzes Leben lang getan, wie zum Teufel soll ich es denn jetzt einfach ausschalten, kannst du mir das verraten? Ich wollte euch nicht hintergehen. Ich wollte dich nicht hintergehen. Ich dachte ich handle so, dass es für alle das Beste ist! Es ist nichts geschehen, ich habe neue Informationen beschafft also warum bist du so wütend?", Cara verstand es nicht. Natürlich, sie hatte ihn verletzt als sie geflohen war und ja, er hatte vermutlich Angst gehabt aber das erklärte doch noch lange nicht, warum er jetzt so drauf war!

„Du hättest mir vertrauen sollen...", sagte Dorian, dieses Mal jedoch wesentlich ruhiger als noch vor einer Minute. Er sah sie an. Er wusste nicht, was mit ihm los war. Er hasste es hintergangen zu werden, doch das war es gar nicht, was in ihm diese Gefühle auslöste. Es war Cara. Sie und ihr Auftauchen. Irgendetwas machte sie mit ihm. Sie berührte ihn tief in seiner Seele und das auf eine derart heftige Art und Weise, dass er das Gefühl hatte nicht mehr vernünftig atmen zu können wenn sie weg war. Wenn er nicht wusste, was mit ihr war. Das wurde ihm in diesem Moment klar.

„Was bist du?", fragte er sie als ihn diese Erkenntnis traf. Cara sah ihn jedoch mit großen Augen an. Sie hatte keine Ahnung von was er sprach.

Bevor Dorian noch irgendeinen Mist bauen konnte wandte er sich von Cara ab. Das war es. Vom ersten Moment an, in dem er sie gesehen hatte, hatte sie eine Faszination in ihm ausgelöst. Deswegen hatte er unbedingt heraus finden wollen wer sie war, was es mit ihr auf sich hatte. Doch wie machte sie das? War das eine ihrer Fähigkeiten?

„Dorian ist alles in Ordnung?", hörte er sie hinter sich fragen. Sie merkte offensichtlich, dass gerade etwas mit ihm geschah, dass es ihm nicht gut ging. Und das tat es tatsächlich nicht. Ihm wurde schlecht bei der Erkenntnis, die ihn gerade getroffen hatte.

Hatte Cara irgendeine Fähigkeit, die dafür sorgte, dass man diese Gefühle empfand? War das der Grund, weshalb sich Max immer auf ihre Seite geschlagen hatte? Oder warum Justin sich so schnell bereit erklärt hatte ihr zu helfen? Sogar Cory hatte alles dafür getan um sie zu retten, obwohl sie sie nicht gekannt hatte. Sie hatte sie vor Dorian und seinen Launen beschützt, hatte ihm für das was er getan hatte, beinahe in den Arsch getreten.

Wusste Cara von dieser Fähigkeit? Setzte sie sie bewusst ein? Brachte sie ihn dazu noch seinen Verstand zu verlieren?

Er spürte, dass Cara ihn am Arm berührte und entriss ihn ihr augenblicklich. Er musste sich vor Cara in Acht nehmen, denn irgendetwas stimmte hinten und vorne nicht mit mir. Mehr als er sich jemals gedacht haben könnte.

Er wandte sich erschrocken um und sah sie an. Ihre Augen sahen ihn besorgt an, ihr Mund formte ein stummes Oh obgleich der Heftigkeit, mit der er ihr seinen Arm entrissen hatte und ihre Körperhaltung sagte ihm, dass sie Angst vor ihm hatte. Sie hatte Angst vor ihm! Dabei war sie diejenige vor der man sich fürchten musste, denn Cara hatte Fähigkeiten, von denen er noch niemals gehört hatte.

„Dorian?", fragte sie erneut als sie merkte, dass Dorian sie lediglich anstarrte. Irgendetwas war in seinem Blick, was sie nicht interpretieren konnte und was ihr Herz dazu brachte, wie wild zu pochen.

„Machst du das absichtlich?", fragte er sie und stand ihr jetzt wieder gegenüber.

„Mache ich was absichtlich?", sie war verwirrt. Was war hier eigentlich los?

„Hast du uns von Anfang an aus einer Laune heraus manipuliert und dazu gebracht das zu tun, was du willst?", jetzt war er offensichtlich vollkommen durchgedreht.

„Ich habe keine Ahnung wovon du eigentlich sprichst!", merkte sie an, doch sie wandte ihm jetzt den Rücken zu. Er sah sie an, als wäre sie Dreck. Diesen Blick erkannte sie sofort, denn mit diesem Blick hatte man sie die meiste Zeit ihres Lebens betrachtet.

„Bitte, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ohne Manipulation all diese Leute, dich sich normalerweise streng an die Regeln halten, plötzlich dazu entscheiden dich zu schützen obwohl sie rein gar nichts von dir wissen, oder?", ja Verachtung schwang eindeutig in seiner Stimme mit und seine Worte waren imaginäre Faustschläge ins Gesicht.

„Ich hab nie irgendjemanden von euch manipuliert. Zumindest nicht absichtlich. Das würde ich niemals tun!", antwortete sie ruhig, doch ihre Hände zitterten bei dem Gedanken daran, dass die ersten Menschen bei denen sie sich wohl fühlte vielleicht nichts von dem, was sie getan hatten, ihretwegen gemacht hatten.

„Glaubst du nicht, dass ich dich dazu gebracht hätte netter zu mir zu sein? Glaubst du nicht, dass ich dazu gebracht hätte mir bei meinem Verschwinden zu helfen wenn dem so wäre? Denkst du ernsthaft, ich würde Menschen dazu bringen sich an mich zu binden? Ich habe mein ganzes Leben lang versucht irgendwie und irgendwo Anschluss zu finden. Denkst du nicht ernsthaft, ich hätte das intuitiv schon viel früher getan, wenn ich das könnte?", Cara war laut geworden, ihr ganzer Körper zitterte. Dorian hatte ihr heute eine Illusion genommen, die sie sich die letzten zwei Wochen aufgebaut hatte. Denn er hatte am Ende vermutlich dennoch Recht. Niemand hatte sich bisher um sie geschert, da würden diese Krades bestimmt nicht damit anfangen.

Dorian betrachtete ihren Rücken und ihn packte ihn diesem Moment ein schlechtes Gewissen, das jedoch sein Misstrauen nicht ganz unterdrücken konnten. Er war vollkommen durcheinander. Was passierte hier im Moment eigentlich?

„Sag mir nur eine Sache...", hörte Dorian sich selber fragen, doch Cara wandte sich nicht um.

„Kann ich dir wirklich vertrauen?", diese Frage klang zögerlich, fast ängstlich.

„Immer...", sie flüsterte es beinahe. „Ich würde nie etwas tun, was dich, Max oder Justin in Gefahr bringen würde. Ihr seid die ersten Menschen die...", sie hielt inne.

„Die was Cara?", Dorian war ihr näher gekommen. Wieder einmal viel zu nah. Sie spürte seinen Atem auf ihrem Oberkopf und bekam Gänsehaut.

„Die mir jemals irgendwas bedeutet haben...", sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Das war die Wahrheit. Sie hatte sich noch niemals jemandem so verbunden gefühlt. Dorian konnte manches Mal ein Arschloch sein, ja, dennoch hatte sie das Gefühl, dass sie zuhause war. Und das nur wegen dieser drei Menschen.

Dorian wusste nicht, was hier gerade geschah. Sagte Cara die Wahrheit? Log sie frei heraus? Sein Kopf schwirrte. Er hatte es die letzten Jahre sehr gut geschafft sich von allem irgendwie zu isolieren, doch seit dem Cara in sein Leben getreten war, lief alles aus den Fugen. Wie jetzt gerade. Wie hatte sich diese Unterhaltung eigentlich so entwickeln können? Hatte Cara das beeinflusst?

Er musste weg von ihr, er musste wieder einen klaren Kopf bekommen und die Situation noch einmal von vorne analysieren. Er wusste, dass er ihr vertrauen konnte, er spürte es tief in sich. Vom ersten Tag an wollte er sie beschützen. Dennoch wusste er auch, dass Cara kein normaler Krade war. Entweder das, oder er verlor seinen Verstand.

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Cara lag zwei Stunden später in ihrem Bett, immer noch schlaflos. Dorian hatte sie nach ihrer Auseinandersetzung ohne weitere Worte in die Wohnung gebracht wo sie sich ins Zimmer zurückgezogen hatte. Seither lag Dorian draußen und sie hier drinnen. Nach wie vor fragte sie sich, was da eigentlich geschehen war. Sie hatte die Angst in Dorians Augen gesehen. War sie das? Furchteinflößend? Stimmte irgendwas nicht mit ihr? Dorians Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Hast du uns von Anfang an aus einer Laune heraus manipuliert und dazu gebracht das zu tun, was du willst?

Immer wieder kamen sie ihr in den Sinn. War es das? Hatten diese Krades gar kein Interesse an ihr sondern kümmerten sich nur um sie, weil sie sie auf irgendeine Art manipulierte? Es würde zumindest ihr Leben wieder spiegeln. Verdammt dazu, für immer alleine zu bleiben und Menschen nur durch Zwang an sich binden zu können.

Cara drehte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. Alle Menschen die in ihr Leben getreten waren, hatten dies getan weil sie indirekt dazu gezwungen worden waren. Ihre Sachbearbeiter, weil es ihr Job war. Ihre Pflegefamilien, weil sie ausgesucht worden waren und alle, hatten sie irgendwann aufgegeben. Und jetzt diese Krades. Seitdem Dominik sie angegriffen hatte, hatten sich ihre Fähigkeiten überhaupt erst richtig entwickelt. Konnte es sein, dass sein Angriff der Ausschlaggebende Punkt dafür war und, dass sie die Krades auf irgendeine Art dazu zwang, sich um sie kümmern? Dass sie vorher gar nicht in der Lage dazu gewesen war sondern erst Dominik, also das Böse, sie dazu gebracht hatten? Konnte sie das dann überhaupt noch abschalten? Was würde jedoch geschehen, wenn sie es tat?


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