Rote Haare
Ich erhob mich von dem steinigen Boden. Meine Hände waren immer noch mit dieser glitschigen Flüssigkeit umhüllt, was ich anfangs ignorierte, aber nun an meiner Hose abschmierte. Die übrigen Stellen leckte ich fürsorglich ab und zuckte mein herunterschlucken. Ich schmeckte so fürchterlich, dachte ich dabei und hielt mich an den den Steinen fest, die fast lose waren. Meine Hände hatten Kratzer, meine Haare waren fettig. Ich wollte einfach nur Heim. Oder noch besser, zu ihm - zu Sebastian. Ich roch plötzlich etwas. Meine erkältete Nase roch frisches Gebäck aus einem Laden. Er war irgendwo in der Nähe. Es roch nach frischen Croissants, nach Brötchen und Kaffeestückchen. Ich wollte ein paar davon. Egal was für eins. Hauptsache irgendwas.
Ich riss mich aus meinem Platz und humpelte zum Geruch. Der süße Duft kam immer näher. Kann ich nun endlich etwas zwischen meinen Zähnen spüren? Ich bemerkte eine alte Dame, die gerade das Fenster ihres Ladens aufgemacht hatte. Dort roch ich das frische Gebäck. Mein Blick aber wandte zu der Frau, die mich verwundert anschaute. ,,Was kann ich für dich tun?", fragte sie, lächelte dabei sanft. Ich beantwortete ihre Frage: ,,Ich möchte gerne etwas essen." ,,Hast du denn überhaupt Geld?"< Ich stand wie versteinert da. Aber ohne weiterhin zu zögern, kramte ich in meinen Hosentaschen. Nichts. Nicht einmal einen Pfund. Absolut nichts, was mich am Leben erhalten konnte. Ich schaute zu der Dame und schüttelte den Kopf. Ihre grinsende Miene verlor langsam gegen ihre wahre Gestalt. ,,Dann hast du hier nichts zu suchen...!", knurrte sie mich an und ballte ihre Hände zu Fäusten. Ich zuckte ängstlich zurück und rannte zurück zu meinem "kleinen Heim". So nannte ich es, obwohl es nicht im geringsten toll aussah.
Wieder... wiedermal hatte ich nichts zu essen. Es zerstörte meinen Magen. Aber nichts zerstörte mich so mehr wie dich. Wenn du noch bei mir gewesen wärst, hätte ich mich mit der Dame angelegt, ja das hätte ich. Wenn du noch hier gewesen wärst, hätte ich noch alles gehabt. Meine Bediensteten sowie auch mein Anwesen musste ich hergeben. ,,Ich hasse dich!", schrie ich zu meiner Hand, zu der ich gerade schaute. Sie blutete leicht, da ich mich an den Steinen aufgekratzt hatte. ,,Nein...", flüsterte ich und küsste meine blutverschmierte Hand, ,,Ich liebe dich noch mehr." Die tickende Uhr an meinem Herz schlug langsamer. So auch mein Herz.
Jede Bewegung kostete mich Kraft, jeder Blutstropfen war notwendig für mein kurzzeitiges Leben. Sogar mein Atem wurde leiser und langsamer. Sterbe ich nun? Verhungere ich? Ist das wirklich mein Ende oder wird mich Sebastian noch retten? Ich holte meine Taschenuhr heraus und schaute darauf. ,,Verdammt...", schluchzte ich, weil ich Tränen in den Augen hatte, ,,Es bleibt gleich stehen." Ich konnte etwas im Augenwinkel sehen. Es war jemand Rotes. Ich kannte ihn, sah ihn aber schon lange nicht mehr. ,,Grell..."< Der Brillenträger kam auf mich zu und schaute zu meiner Taschenuhr. ,,Mhm!~", schnurrte er und nahm mir das tickende Ding aus den rauen Händen, ,,Das hast du wohl von Sebastian gekriegt, nicht wahr?~" Ich beantwortete seine Frage nicht, machte nicht einmal eine Geste. Ich wollte einfach nur wissen, was er hier zu tun hatte. Aber bevor ich fragen konnte, ließ er die Uhr fallen. Sie krachte auf den Boden, zersplitterte jedoch nicht. Nur ein Tritt von seinen hochhackigen Schuhen sorgte dafür, dass es sein Ende nahm. Nun gab es kein Ticken mehr. ,,M-Mein...", schluchzte ich und hob alle Teile auf, die sich zwischen den Steinen versteckten, ,,W-Warum?!" Ich schaute zu dem Rothaarigen auf, sah jedoch, wie er seine Kettensäge hervorhob. Sie begann zu rattern. ,,Herzlichen Glückwunsch, mein kleiner Bengel, heute ist dein Todestag!", lachte er mit seiner hellen Stimme und rammte das Werkzeug in meinen Bauch. Blut... Überall spritzte rotes Blut.
...Warum jetzt...? Ich konnte mich nicht einmal von meinem Liebsten verabschieden. Sogar nicht einmal von den Menschen, mit denen ich einst einen Bezug hatte.
Wo komme ich nun hin? In den Himmel oder in die Hölle..?
,,Keins von Beiden...", murmelte mir der Shinigami zu, wo sich meine Augen noch schnell weiteten, bevor ich endgültig starb.
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