Jeffrey
Das Licht der untergehenden Sonne färbte den Himmel bereits rot, als Jeffrey sich auf den Boden fallen ließ, inmitten des Waldes. Um ihn herum knarrten die Bäume und warfen bedrohlich ihre Schatten über die Lichtung. Der Junge schloss die Augen, einen Moment lang ließ er einfach seine Gedanken zur Ruhe kommen, während er unterbewusst einige Grashalme herausriss. Ein wenig Ablenkung brauchte er eben doch.
Nur das Kreischen einer Eule riss ihn aus seinen Gedanken. Ruckartig schlug er die Augen auf und setzte sich gerader hin. Ein humorloses Lachen entfuhr ihm. Wie ironisch, dachte er, als er die frisch gepflanzte junge Espe auf Trudys Grab betrachtete.
Er hatte es immer noch nicht ganz gefasst, noch nicht damit abgeschlossen. Hier, direkt zu seinen Füßen, lagen zwei seiner engsten Freunde begraben. Es fiel ihm schwer, zu akzeptieren, dass es das gewesen sein sollte. Dass er nie wieder mit ihren Zeit verbringen würde, sie nie mehr lachen hören würde, dass er nie wieder einen dummen Witz von Bo hören würde.
Über ein Jahr war vergangen seit dem schicksalshaften Tag, an dem die beiden gestorben waren, und noch immer dachte er jeden Tag darüber nach. Die Monate nach dem Ereignis waren die schlimmsten gewesen, aber es hatte sich nicht viel geändert, auch wenn Jeffrey seiner Therapeutin gerne etwas anderes erzählte. Er gab sich immer noch die Schuld am Tod der beiden. Schließlich hatte er sie beide in den Kampf mithineingezogen.
Jeffrey redete sich gerne ein, dass die beiden ihn sehen konnten, dass sie auf ihn hinabblickten und ihm ihren Mut zusprachen. Vielleicht konnten sie ihn jetzt gerade sehen, ein Lächeln auf dem Gesicht. Er wünschte sich das.
Das Gefühl, jemanden zu vermissen, begleitete ihn besonders an Tagen wie diesen. Er wünschte sich etwas, das er schon lange verloren hatte, so sehr zurück, dass es ihm beinahe körperlich wehtat.
Er kam nicht klar mit dem Gedanken, der Tatsache, dass keiner der beiden jemals zurückkommen würde.
Natürlich hatte er mit seiner Therapeutin über all das gesprochen, aber viel erzählte er ihr trotzdem nicht über seine Gefühlslage. Er glaubte ihr ja, dass sie das alles ernstnahm und sich wirklich Sorgen um ihn machte, aber er war nicht bereit, darüber zu sprechen. Da waren so viele Emotionen in seinem Herzen, die er noch nicht erkundet hatte, über die er noch gar nicht sprechen konnte.
Dabei war es schon so lange her. Er fragte sich, ob er nicht langsam darüber sprechen sollte. Oder ob er nicht mittlerweile schon über dieses Ereignis hinweggekommen sein sollte.
Cliff und Tikaani waren eine große Stütze für ihn, aber sie hatten ihre eigenen Probleme und beide kämpften sicherlich auch noch immer mit den traumatischen Ereignissen. Er wusste, dass Tikaani mit Carag darüber sprach, wenn es ihr schlecht ging, und Cliff bekam manchmal Albträume, mit denen Jeffrey ihm half. Er versuchte es jedenfalls.
Und obwohl er ihre Unterstützung wertzuschätzen wusste, fehlte ihm etwas, doch er wusste nicht, was es war. Irgendetwas stimmte einfach nicht und vielleicht würde er dieses Gefühl niemals loswerden können.
Als er es nicht mehr ertrug, darüber nachzudenken, erhob sich Jeffrey und klopfte sich den Schmutz von der Hose. Wie erbärmlich war es eigentlich, mitten in der Nacht in einem dunklen Wald an einem Grab zu hocken und zu heulen?
Er fuhr sich mit der Handfläche über die Augen und verschwand in den Schatten des Waldes.
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