Kapitel 6

Drr drr drr... hörte ich die Rollen meines Trollies auf dem Boden am Flughafen rattern.
Das Wichtigste durfte ich als Handgepäck mitnehmen, um den Rest hatten sich meine Eltern gekümmert.
Wir holten die Tickets am Schalter, gingen weiter zum Check-In, dann die Passkontrolle und zum Schluss warteten wir in einem der Sääle.
Ich knabberte an einem Sandwich, das wir auf dem Weg gekauft hatten.

Ich starrte auf mein Flugticket.
Da stand ein Code, Gate, Wartehalle und Sitzreihe, 1. Klasse selbstverständlich.
Und darüber mein Name: Carolina Johnson.

Komisch, dass so ein kleines Stück Papier mein Leben so sehr verändern würde.

"Die Passagiere des Fluges 8543 nach Miami, Amerika, begeben sich bitte zu den Ausgängen. Ich wiederhole...", so wurde unser Flug aufgerufen. Die blecherne Stimme war am ganzen Flughafen zu hören.
Ich wünschte, es würde doch noch ein Wunder geschehen.
Vielleicht würde ja jemand erwischt werden, der illegal teure Muscheln oder Fälle schmuggelte und dann müsste die Polizei kommen...

Aber nichts dergleichen gaschah.
Unsere Flugzeug war auf die Minute genau gelandet und wir würden gleich einsteigen.
Wir liefen den Gang zusammen mit vielen anderen Leuten entlang.
Kurz vor dem Einsteigen war eine Frau, die unsere Tickets scannte und den einen Teil am perforierten Schlitz abmachte.
Auch hier lief alles glatt.
Wir stiegen in das Flugzeug ein und suchten uns unseren Platz, Reihe 3 A, B und C.
"Kopf hoch, Schätzchen", flüsterte mir Mom zu.
Aber das war leichter gesagt, als getan.
Es dauerte eine Weile, bis alle sich gesetzt hatten.
Ein Stewardess kontrollierte, ob alle angeschnallt waren.
Der Piltot begrüßte alle ganz herzlich und dann wurde uns gezeigt, was wir im Falle eines Notfalls tun sollten.

Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn das Flugzeug abstürzen würde.
Und wenn ich sterbe und meine Eltern überleben, dann würden sie es bereuen, mich nach Amerika bringen zu wollen...

Nein! Was denke ich denn da für einen Schwachsinn?!
Wenn ich bei dem Flugzeugabsturz sterben würde, dann könnte ich nicht mal meine neuen Klamotten anziehen können und würde das Staffelfinale meiner Lieblingsserie verpassen!

Aber egal, was ich mir ausmalte, es passierte nicht.
Das Flugzeug hob ab und ich sah as dem Fenster.
Die Häuser wurden kleiner und kleiner, sahen bald aus wie kleine Puderkästchen mit roten Deckeln.
Die Felder erinnerten an Schminksets mit verschiedenen Lidschatten und die Autos waren bald nicht mehr zu sehen.

Die Welt war wirklich wie ein großer Schminkkasten, wenn ich so weiter darüber nachdachte.
Es gab viele verschiedene Farbtöne, verschiedene Landschaften und wir verändern sie täglich.
So wie man die Schminke verbraucht, verbrauchten wir unsere Erde.
Die Wälder werden gerodet, die Seen und Flüsse trockengelegt...
Und irgendwann werden alle Farben in diesem Schminkkasten verbraucht sein und die Erde wird grau und trostlos sein.
Dann bräuchten die Menschen einen neuen Schminkkasten.
Sie würden auf den Mars ziehen und dort würde alles von vorne anfangen.

So war es immer: das Alte schmiss man achtlos weg und kaufte sich etwas Neues, aber niemand dachte daran, was mit dem Alten passierte.

Vielleicht sollte ich mich diesem ewigen Kreislauf anpassen.

Vielleicht sollte ich mein jetziges Leben vergessen und nach vorne schauen.

Vielleicht sollte ich mich auf Amerika freuen, statt immer an der Vergangenheit festzuhalten.

Vielleicht hatte ich bis jetzt schon ganz viel verpasst.

Vielleicht sollte ich einen Neuanfang wagen.

Vielleicht...

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