Kapitel 19
In den nächsten Wochen machte ich viel zusammen mit Alice.
Sie war eigentlich richtig cool.
Wir hatten richtigen Spaß und versuchten uns nicht gegenseitig zu übertrumpfen.
Ich hab keine Ahnung, wieso ich sie am Anfang nicht mochte.
So viel hatte sich verändert.
Beverly, Melina-Opala und Saphire waren natürlich unerträglich.
Sie machten einem das Leben schwer.
Aber was ist schon eine Klasse ohne Zicken?
Ich war froh, dass ich nicht dazugehörte.
Auch wenn sich die drei ständig mit mir anlegten, hatte ich noch Alice.
Mit ihr war der Alltag erträglich geworden und wir machten Sachen, die uns gefielen.
Ich glaube, wir wurden beste Freundinnen, ohne es je laut auszusprechen. Freundschaft ist viel mehr, als nur ein Wort.
Unter Freunden kann man sich blind vertrauen. Man kann sicher sein, dass der andere genau so zu dir steht, wie du zu ihm. Man ist ehrlich zueinander, man verzeiht sich gegenseitig, denn Freundschaft ist wunderschön. Sie ist es wert, darum zu kämpfen.
Die Zeit, die man mit einem Freund verbringt, ist so kostbar wie nichts anderes auf der Welt.
Keine Millionen Euro könnten sie ersetzten.
Und wer nie Freundschaft, wahre Freundschaft, erleben durfte, der tut mir leid.
Ich frage mich, was wohl gewesen wäre, wenn wir nicht nach Amerika gezogen wären.
Säße ich dann immer noch, benachteiligt vom Leben, den ganzen Tag in Malls und würde Geld ausgeben für Dinge, die ich gar nicht brauche, weil ich glaubte, das mache mich glücklich? Würde ich einfach bis zu meinem Lebensende nie den wahren Wert der Freundschaft kennen?
Unglaublich, wenn ich so darüber nachdachte.
Ich hatte in meinem Leben schon so viel verpasst.
Wenn ich zurückblickte, musste ich darüber lachen, wie dumm ich doch gewesen war.
Ich hatte mich gewehrt, an einen Ort zu kommen, wo sich mein Leben wieder lohnte und wo Menschen waren, mit denen ich mich glücklich fühlte.
Ich hatte es bevorzugt, in einer dämlichen Schule ein dämliches Leben zu führen.
Jetzt war alles anders, besser.
Wenn ich ehrlich bin, kam mir die Erkenntnis über das Leben an der kleinen Bucht.
Dort hatte ich gelernt, dass Freundschaft etwas ist, dass das Leben lebenswert macht.
Ich glaube, ich sollte diese Bucht irgendwie ehren.
Ich blickte mich in meinem Zimmer um.
Es hatte sich auch verändert.
Es war kein fremder Raum mehr, sondern etwas, das nur mir gehörte. In jeder Ecke fand ich etwas, das mich mit einer wunderschönen Erinnerung verband.
Fotos von mir, Alice oder meiner Familie klebten an den Wänden.
Trotzdem fehlte etwas.
Die Wand war zu kahl.
Ich holte Farbe und Pinsel.
Ich wusste noch nicht, was ich an die Wand malen wollte, doch ich ließ meine Hände zeichnen.
Ich tauchte den Pinsel in die Farbe und mit jedem Strich steckte ich etwas Leben in mein Bild.
Ich malte mit meinem Herzen.
Als ich fertig war, betrachtete ich mein Kunstwerk.
Es war die Bucht, die mir die Augen geöffnet hatte.
Das goldene Nachmittagslicht drang durch mein Fenster und verlieh dem Bild noch mehr Glanz.
Ich hatte intensives Türkis benutzt, damit man die Tiefe spüren konnte. Das Schwarz der Nacht umrahmte die silbernen Sterne am Himmel und wirkte so geheimnisvoll.
Mein Bild war so schön. Es verlieh meinem Zimmer den letzten Schliff.
Diese ganze Tiefe.
Man merkte sofort, dass es etwas Besonderes war.
So einzigartig wie die Bucht selbst.
Dieses Bild, die Bucht, würde mich daran erinnern, wieso ich hier war.
Es würde mich daran erinnern, dass man träumen sollte.
Dass der Sinn des Lebens darin lag, das Glück zu suchen.
Ich hatte es noch nicht gefunden, aber wie gesagt, der Weg ist das Ziel.
Und wer sagt, dass man den Weg alleine gehen soll?
Man kann den Weg zum Ziel ausschmücken, gestalten, individualisieren.
So, damit man sagen kann: "Ach, es hat sich bis hierher gelohnt und ich freue mich darauf, weiterzugehen, den Weg zu entdecken, zu meistern, mit all seinen Kurven und Abzweigungen, einfach zu leben!"
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