Kapitel 32

Mit einem ohrenbetäubenden Pfeifen fuhr der Hogwartsexpress in den Bahnsteig ein. Überall sah man Menschenmassen, die sich voneinander
verabschiedeten und ihre Koffer nahmen, um in den eintrudelnden Zug zu steigen. Ich saß auf meinem großen Gepäckkoffer und lauschte dem Geräusch des ratternden Zuges.
Lucius war nicht mit zum Bahnhof gekommen, weshalb ich mich bereits
zuhause schmerzlich von ihm verabschiedet hatte. In den letzten Tagen hatte ich einen so fremden und neuen Lucius kennengelernt, von dem ich nicht wusste, ob ich ihn jemals wiedersehen würde. Für mich war
anzunehmen, dass es das letzte Mal gewesen war, dass ich ihn lebend gesehen hatte. Er würde die Krankheit nicht überleben, da war ich mir sicher. Aber ihn noch einmal völlig neu kennenzulernen, erfüllte mich mit ziemlich großer Freude.
Ich stand von meinem Koffer auf und verabschiedete mich von meinem Vater.
„Schreibst du mir, wenn…“, es fiel mir hörbar schwer zu sagen, was ich meinte, aber Dad wusste, was ich meinte.
„Selbstverständlich werde ich das. Wenn es soweit ist, werde ich aber auch McGonnagal eine Eule zukommen lassen, damit sie dich für ein paar Tage freistellt“, sagte Dad und richtete mir die Mütze, die ich wegen der eisigen Temperaturen trug.
Mit meinem Koffer in der Hand stieg ich in den inzwischen stillstehenden  Zug ein. Direkt im ersten Abteil noch Plätze frei. Ich ging hinein, warf meinen Koffer auf die Gepäckablage und setzte mich
erwartungsvoll auf eine der Bänke. Ich warte gebannt darauf, dass Albus im nächsten Moment die Tür aufriss und mir in die Arme fiel.
Aber meine Geduld wurde auf die Probe gestellt. Nirgend war ein Albus Potter zu hören oder gar zu sehen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich auf dem Gang ein herzhaftes Lachen und im nächsten Augenblick ging die Tür des Abteils auf und Albus blickte mich mit seinen strahlend grünen Augen an. Aber einen Moment später trübte sich meine überschwängliche Freunde etwas, denn Albus war nicht alleine.  Hugo und ein Freund von seinem Cousin quetschten sich an Albus vorbei, hinein in unser Abteil.
„Verdammt Hugo, was soll das? Erstens; Kannst du nicht warten, bis ich im Abteil bin und dich nicht an mir vorbei quetschen und zweitens; es ist bestimmt noch irgendwo ein anderes Abteil frei, wo ihr stören könnt“, motzte er seinen Cousin an. Dieser schaute ihn nur beleidigt an und setzte sich auf die Bank, mir gegenüber.
„Nö, die sind alle voll und wenn du einfach in der Tür stehen bleibst, ohne weiterzugehen, dann geh ich halt an dir vorbei. Hier ist doch genug Platz. Oder ist das hier ein Slytherin-Abteil?“, entgegnete Hugo ungeniert.
Genervt und augenrollend stellte Albus seinen Koffer neben meinen auf die Gepäckablage und setzte sich neben mich. Er gab mir keinen Kuss, was mich vermuten ließ, dass Albus nicht wollte, oder zumindest noch nicht wollte, dass jemand etwas von uns mitbekam.

Erwartungsvoll sah Hugo seinen Cousin an. „Was ist denn?“, fragte Albus gereizt.
„Stören wir?“, antworteten er mit einer Gegenfrage und er und sein Gryffindor –Kumpel begannen zu kichern.
„Sag mal Hugo, wie alt bist du eigentlich? Fünf? Wenn ihr zwei
vollzeitpubertierenden Kinder nur hier seit um uns zu nerven, dann haut
endlich ab. Ich hab sowas von gar keinen Bock auf euer blödes und albernes Gekicher“
Hugo schien die Ansage verstanden zu haben und deutete seinem Kumpel an, das Abteil zu verlassen. „Ist doch echt langweilig, wenn ihr noch nicht Mal rumknutscht“, sagte er noch, bevor er schnell die Tür des Abteils zuwarf, denn er wusste, wie Albus auf diesen Kommentar reagierte
„Tarantallegra“, schrie Albus hinter Hugo her, aber der Fluch erreichte ihn nicht mehr. „Dieser kleine Sack. Das war mir schon am Bahnsteig klar. Er will nur provozieren. Am Sontag waren Ron und Hermine da und da hat er schon die ganze Zeit gekichert. Er ist so
unglaublich unreif.“
„Al, es ist doch jetzt egal, ob er reif oder unreif ist. Ich bin froh, dass er weg ist, jetzt sind wir endlich mal alleine.“ Kaum hatte ich das gesagt, legte er seinen Kopf gegen meine Schulter und seufzte.
„Ich hab dich vermisst, Baby. Zuhause war die pure Hölle. Dad war nur mies drauf. Er ist furchtbar. Aber James hat´s echt entspannt aufgenommen. Er war etwas überrascht, aber echt cool.“
„Hast du nochmal mit Harry geredet?“, fragte ich besorgt.
„Hab nicht mehr wirklich mit ihm gesprochen. Aber ich glaub Mum hat es
paar Mal versucht. Sie ist echt sauer auf ihn. Am Sonntag, bevor Ron und Hermine kamen, hab ich eins der Gespräche mitbekommen, von wegen,
dass er sich ja mal ganz klein halten soll und das er sich mal in meine Lage versetzten soll. Aber mal ehrlich, er kann sich ja gar nicht in mich versetzen. Bin aus dem Gespräch nicht so ganz schlau geworden. Dann meinte meine Mutter noch irgendwas davon, dass er sich an die eigene Nase fassen soll und dass sie total sauer ist, weil er
nicht verstehen kann, wie es ist, einen Mann zu lieben. Total kompliziert was sie da gesagt hat.“
„Wenn ich dir so zuhöre find ich das überhaupt nicht seltsam. Für mich
ist das wie so ein großes Puzzle, zu dem immer mehr Teile zusammenkommen. Als ich mich vor ein paar Tagen mit meinem Opa darüber unterhalten hab, hat auch er so komische Andeutungen gemacht, die ich nicht ganz verstanden habe“, sagte ich nachdenklich.
„Du hast mit Lucius darüber geredet?“, fragte Albus sichtlich entsetzt. „Und du lebst noch? Hast du dem nen Verwechslungszauber auf den Hals gehetzt?“
„Ich war auch mehr als überrascht. Er ging damit ziemlich ruhig; nach meinem Geschmack viel zu ruhig um. Wir haben uns ausgesprochen und
irgendwie seh ich ihn jetzt mit ganz anderen Augen. Er ist wirklich in Ordnung. Naja, als er es erfahren hat, hat er zu mir gesagt, dass er will, dass wir beide glücklich werden und das Dad es immer verheimlichen wollte, aber meine Großeltern es immer wussten. Zuerst hab ich auch kein Wort verstanden, aber dann hat er irgendwas von unserem Landsitz und der Ermordung durch den dunklen Lord im Wald erzählt. Und das Dad nie auf dessen Seite gekämpft hätte, wenn er Tod wäre. Ich glaub es ging um Harry. Meinst du, unsere Väter haben sich
mal geliebt, wie wir beide?“
Einen Moment füllte sich das Abteil mit Stille und in Albus Gesicht konnte ich lesen, dass ihm ein Licht aufging.
„Natürlich. Jetzt versteh ich das alles. Mum wusste das immer und hat ihm deswegen die Vorwürfe gemacht. Und deswegen“, er machte eine kurze Pause, in der er nachdachte. „Deswegen will er auch nie, dass man seinen Oberkörper sieht!“
Jetzt war ich doch wieder etwas verwirrt. „Was hat denn das mit dem
Oberkörper von Harry zu tun. Hat er sich den Namen von meinem Dad
eingeritzt, oder was?“, sagte ich lachend.
„Nein, das jetzt nicht, aber Mum hat mir mal gesagt, dass er eine Art Narbe hat, die er aus Solidarität zu seiner ersten großen Liebe gemacht hat. Sie hat gesagt, dass Dad mal jemanden, den er geliebt hat, schwer an der Brust verletzt hat und sich deswegen selber
bestrafen wollte.“
„Das kann sein. Dad hat mehrere große Narben am Oberkörper und als ich wissen wollte, wo die herkommen, war er irgendwie so komisch und gereizt. Er hat damals nur gesagt, dass es mich nichts angeht. Aber darüber können wir später ja auch noch spekulieren. Ich will jetzt einfach garnicht reden und die Ruhe mit dir genießen.“
Zustimmend nickt Albus und rutschte an meiner Schulter hinunter und legte jetzt seinen Kopf auf meinen Schoß. Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn und begann, seine dunkle Wuschelmähne zu kraulen. Dabei sah er mir glücklich lächelnd in die Augen.
„Ich liebe dich, Baby“, murmelte Albus.
„Und ich dich.“ Ich beugte mich zu ihm hinunter und küsste ihn auf die Lippen.
Für einen Moment war alles still um uns herum und wir genossen die Nähe des jeweils anderen, bis vom Gang ein paar Stimmen zu hören waren.

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